Die Palette von Arzneimitteln für Menschen mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa wird zwar immer größer. Dies hat bislang jedoch nichts daran geändert, dass zum Beispiel bis zu 60% der Crohn-Patienten im Krankheitsverlauf Darmstrikturen entwickeln, dass sich bei manchen Colitis-Patienten die Entzündung nach proximal ausbreitet oder dass bei nicht wenigen CED-Patienten wiederholte chirurgische Eingriffe notwendig werden. Andererseits wird zunehmend deutlich, dass die medikamentös induzierte Heilung von Darmläsionen mit einer verbesserten Prognose und mit seltener erforderlichen Darmoperationen assoziiert ist.

Gastroenterologen versuchen daher verstärkt, Kriterien und Biomarker zu etablieren, die für den einzelnen Patienten mit hoher Wahrscheinlichkeit den Erfolg einer Pharmakotherapie voraussagen lassen.

Multiparametrische Indices

Dazu gehören einerseits bildgebende Verfahren wie die Endoskopie, Computertomografie, Magnetresonanztomografie, aber auch die Sonografie. Anhand der Lokalisation von Darmläsionen, der Darmwanddicke, dem Vorhandensein von Strikturen, Stenosen, Fisteln oder von periviszeralem Fett wird versucht einzuschätzen, wie schwer die Erkrankung tatsächlich ist und wie aggressiv behandelt werden muss. So sprechen zum Beispiel tiefe Ulzerationen, die große Teile eines Darmsegments erfassen, mit hoher Wahrscheinlichkeit für die Notwendigkeit einer künftigen Kolektomie bei Morbus Crohn. Colitis-ulcerosa-Patienten mit großen Ulzera reagieren während eines Schubs vergleichsweise schlecht auf Steroide.

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Tiefe Ulzerationen bei Morbus Crohn machen eine spätere Kolektomie wahrscheinlicher.

© James Cavallini/Science Source/mauritius images

Zu Rate gezogen werden inzwischen multiparametrische Indices wie etwa der Lémann Index bei Crohn-Patienten oder verschiedene Komposit-Indices für Colitis-Patienten wie der DAI (Disease Activity Index) oder der kürzlich vorgestellte UC-100 Score, die aber bevorzugt für Studien genutzt werden. Geprüft werden andererseits auch genetische Marker sowie Biomarker, die aus Blut oder Stuhl gewonnen werden.

So ist für Kinder mit Morbus Crohn nachgewiesen worden, dass Antikörper gegen bestimmte bakterielle Antigene im Blut den mehr oder weniger aggressiven Verlauf der Erkrankung vorhersagen lassen. Bestimmte extrazelluläre Matrix-Gensignaturen weisen auf Komplikationen mit penetrierenden Läsionen und Strikturen hin, selbst dann, wenn in der Schnittbildgebung noch keinerlei Fibrosen zu erkennen sind. Bei manchen Kindern ist selbst die frühzeitige anti-TNF-Therapie nicht in der Lage, diese Entwicklung aufzuhalten. Sollten sich diese Erkenntnisse bestätigen, würde man bei solchen Patienten künftig von vornherein auf andere Behandlungsoptionen als TNF-alpha-Inhibitoren setzen.

Um Crohn-Patienten zu identifizieren, die früh einer intensiven und damit potenziell eher nebenwirkungsbehafteten Therapie bedürfen, hat eine US-amerikanisch-kanadische Arbeitsgruppe ein Internet-basiertes Werkzeug (PROSPECT) für Patienten und Ärzte entwickelt, um individuelle Komplikationsrisiken zu berechnen und zu visualisieren. Nach vorläufigen Ergebnissen der noch laufenden Studie können 80% der Crohn-Patienten mit hohem und moderatem Komplikationsrisiko erkannt werden.

Vorhersage von Krankheitsverlauf

Noch einen Schritt weiter ging man in der PREDICTS-Studie bei US-Soldaten: mit serologischen Markern war es gelungen, das Auftreten von Morbus Crohn im Median sechs Jahre im Voraus vorherzusagen. Es handelte sich um sechs Antikörper gegen Crohn-assoziierte Bakterien. Je näher der Zeitpunkt der Diagnose rückt, desto mehr Antikörper sind nachweisbar. Zudem ließen die Messwerte Rückschlüsse auf einen wahrscheinlich komplizierten Verlauf zu. Dies eröffnet nicht nur die Option, Populationen mit hohem Risiko für Morbus Crohn vorab zu identifizieren, sondern auch den Verlauf zu prognostizieren. Es ist damit zu rechnen, dass künftig individuelle Therapieentscheidungen verstärkt anhand prognostischer Scores getroffen werden.