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Lernziele

Nach der Lektüre dieses Artikels ...

  • kennen Sie die wichtigsten Zeckenspezies hinsichtlich Systematik, Anatomie, Lebensweise und ihrer Bedeutung als Vektor humanpathogener Erkrankungen,

  • kennen Sie die Epidemiologie, Symptomatik, Diagnostik und Therapie der in Deutschland vorkommenden klinisch relevanten Zecken-übertragenen Infektionskrankheiten (Lyme-Borreliose, FSME, Q-Fieber, Tularämie, Anaplasmose),

  • kennen Sie die wegweisenden Befunde, das diagnostische und therapeutische Vorgehen sowie die Besonderheiten bei Reiserückkehren und Migranten (u.a. Zeckenbissfieber, endemisches Zecken-Rückfallfieber, Krim-Kongo Hämorrhagisches Fieber),

  • wissen Sie, welche Maßnahmen zum Schutz vor Zecken-übertragenen Erkrankungen sinnvoll sind (Expositionsprophylaxe, ggf. Postexpositionsprophylaxe oder Impfung).

Einleitung

Zahlreiche Krankheitserreger können durch Zecken auf den Menschen übertragen werden. Einige dieser Erkrankungen sind an bestimmte geografische und klimatische Bedingungen gebunden. Durch intensiven Reiseverkehr und globale Klimaveränderungen müssen sich Ärzte schon heute mit dem gesamten Spektrum der „tick-borne diseases“ (TBD) auseinandersetzen. Die kürzlich erfolgte Sichtung „tropischer“ Zeckenarten auch in Deutschland unterstreicht diesen Anspruch.

Entomologie

Systematisch gehören Zecken (Ixodida) zu den Gliederfüßern (Arthropoda) und zur Klasse der Spinnentiere (Arachnida) bzw. zur Unterklasse der Milben (Acari). Sie sind stationäre bzw. temporäre Ektoparasiten: Sie saugen Blut am äußeren Körper von Wirbeltieren, darunter auch beim Menschen. Etwa 900 Arten sind bisher bekannt, darunter einige Überträger humanmedizinisch relevanter Zoonosen.

Alle Zeckenarten bestehen aus einem gegliederten Körper mit Cephalothorax und Abdomen sowie vier Beinpaaren. Sie besitzen ein chitinhaltiges Exoskelett ohne Innenskelett und müssen sich häuten, wenn sie wachsen. Die Entwicklung zur adulten Zecke verläuft über die Zwischenstadien von Larve (drei Beinpaare) (Abb. 1a) und Nymphe (vier Beinpaare) (Abb. 1b). Die Jungtiere haben ein ähnliches Aussehen und eine vergleichbare parasitische Lebensweise wie die Adulten.

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a Rhipicephalus-Zecke (Larve), b Schildzecke (Nymphe)

© S. Wendt

Einige Krankheitserreger wie beispielsweise Arboviren (Akronym für engl. arthropod-borne viruses) können vertikal (transovariell) an die nächste Generation weitergegeben werden, sodass die Zecke selbst zum Infektionsreservoir wird. Die Übertragung des Erregers geschieht in den allermeisten Fällen durch den Stechrüssel (Regurgitation, Inokulation) oder wie im Falle des Q-Fiebers durch den Kot der Tiere bzw. spezielle Ausscheidungen (Coxalflüssigkeit).

Zecken unterschieden sich von den Milben durch die obligat parasitische Lebensweise, durch ihre Körpergröße, die vollgesogen mehr als 3 cm betragen kann, sowie durch den typischen Aufbau des Köpfchens (Capitulum) (Abb. 2) mit Tastern (Pedipalpen), Kieferklauen (Chelizeren) und einem Stechrüssel mit Widerhaken (Hypostom). Entomologisch gesehen handelt es sich beim Zeckensaugakt daher um einen Stich — und nicht etwa um einen Biss, obwohl in der Fachliteratur und im Alltag oft der falsche Begriff gebraucht wird (z. B. „Zeckenbissfieber“).

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Dermacentor-Zecke (Capitulum mit Hypostom)

© S. Wendt

Zur Wirtsfindung dienen an den Vorderbeinen befindliche spezifische und sehr sensible Chemorezeptoren, die in ihrer Gesamtheit das so genannte Hallersche Organ („Geruchsorgan“) bilden. Bei Anwesenheit von Kohlenstoffdioxid, Ammoniak, Milchsäure oder Phenolen kann die Zecke so auf einen potentiellen Wirt schließen und reagieren.

Grundsätzlich lassen sich morphologisch zwei distinkte Familien unterscheiden: die Lederzecken (Argasidae, „soft ticks“, Saumzecken) und die Schildzecken (Ixodidae, „hard ticks“). Die etwa 190 Arten umfassenden Lederzecken haben eine weiche, „ledrige“ Kutikula und im Adultstadium ein unter dem Körper gelegenes Capitulum. Die meisten Arten leben in Höhlen oder Tierbauten bzw. haben ein menschennahes Umfeld. Lederzecken saugen etwa alle sechs Wochen Blut, können aber auch sehr lange Hungerperioden (experimentell bis elf Jahre) überstehen. Medizinisch bedeutsam sind hier die Rückfallfieberzecken, z.B. Ornithodorus moubata. Diese sind „Kurzzeitsauger“ — ihr Stich wird meistens nicht bemerkt.

Die größte und am weitesten verbreitete Gruppe sind die Schildzecken, die über 700 Arten umfassen und meist als Freilandtiere leben. Sie haben eine harte Kutikula und tragen ein Rückenschild (Scutum). Die Wirte werden durch „Lauern“ („questing“, z.B. bei Ixodes ricinus) oder durch Verfolgung des Wirtes („hunter ticks“, z.B. Amblyomma spp. oder Hyalomma spp.) gefunden.

Andere medizinisch wichtige Arten sind die Buntzecken wie z. B. die Auwaldzecke (Dermacentor reticulatus) als Überträger von Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) und Hasenpest — sowie die Braune Hundezecke (Rhipicephalus sanguineus) als Überträger von Babesiose, Ehrlichiose und Anaplasmose.

Bakterielle Infektionen

Lyme-Borreliose

Erreger

Die Erreger der Lyme-Borreliose sind Spirochäten des Borrelia burgdorferi (B. b.) sensu lato-Komplexes mit den wichtigsten Spezies B. b. sensu strictu (hauptsächlich in den USA), B. afzelii und B. garinii (hauptsächlich in Europa und Asien). Seltenere humanpathogene Spezies in Europa sind B. spielmanii und B. bavariensis. Die einzelnen Spezies zeichnen sich durch einen Organotropismus aus, wodurch die unterschiedlichen Krankheitsmanifestationen zu erklären sind. Die Lyme-Arthritis wird meist durch B. b. sensu strictu verursacht. B. garinii führt gehäuft zur Neuroborreliose, wohingegen die kutane Spätmanifestation (Acrodermatitis chronica atrophicans) hauptsächlich durch B. afzelii verursacht wird.

Vektor

Die Übertragung vom Erregerreservoir (kleine Nagetiere, Vögel) auf den Menschen erfolgt durch Ixodes-Schildzecken (I. ricinus in Europa, I. persulcatus in Asien, I. pacificus und I. scapularis in Nordamerika). In Deutschland können in bis zu 35% der Zecken die Erreger der Lyme-Borreliose nachgewiesen werden. Ein Zeckenstich führt in 1,5–6% der Fälle zu einer Übertragung [9]. Die Hauptaktivitätszeit der Zecken ist März bis Oktober (aktives Aufsuchen von Wirten ab 7°C Außentemperatur).

Epidemiologie

Die Lyme-Borreliose ist die häufigste vektorübertragene Erkrankung in Europa (650.000–850.000 Fälle/Jahr). In Deutschland ist die Verbreitung ausgesprochen heterogen mit Vorhandensein bestimmter Hochinzidenzregionen (z. B. Bayerischer Wald, Ost-Brandenburg, West-Mecklenburg). Die Seroprävalenzrate beträgt 8–25%, besonders betroffen sind Waldarbeiter (bis zu 50%). Seit 2013 besteht in neun Bundesländern eine Meldepflicht für Erythema migrans, Neuroborreliose und Lyme-Arthritis. 2013–2017 wurden 56.446 Fälle gemeldet (jährliche mittlere Inzidenz 33/100.000 Einwohner) [9]. Es ist davon auszugehen, dass die gemeldeten Fälle nur einen Bruchteil aller Krankheitsfälle ausmachen. Die geschätzte Fallzahl durch das Robert-Koch-Institut (RKI) lag für 2017 bei 80.000–120.000 Erkrankungen/Jahr).

Inkubationszeit

Nur in ca. 1% der Fälle entwickelt sich nach dem Zeckenstich eine klinisch manifeste Erkrankung. Typischerweise kommt es 3–30 Tage nach Übertragung an der Zeckenstichstelle zur primären Manifestationsform der Lyme-Borreliose: dem Erythema migrans („Wanderröte“). Im Verlauf kann die Infektion disseminieren (Allgemeinsymptome, weitere kutane Manifestationen, frühe Neuroborreliose, Lyme-Karditis). Die Spätmanifestationen (Lyme-Arthritis, späte Neuroborreliose, ACA) werden Monate bis Jahre nach der Infektion manifest.

Symptomatik

Das einzelne Erythema migrans (Abb. 3) ist die häufigste Manifestationsform (80–90% der Fälle). Ein Zeckenstich ist nur in ca. 70% der Fälle erinnerlich. Typisch ist ein mindestens 5 cm großes, kreisrundes oder ovales, scharf begrenztes, zentrifugal wachsendes, zentral abblassendes Erythem mit zentraler Stichstelle. Atypische Verläufe sind häufig. Durch eine polyklonale lymphozytäre Hyperplasie kann es v.a. bei Kindern zum Auftreten eines (meist solitären) Borrelien-Lymphozytoms v.a. im Bereich der Ohrläppchen, der Brustwarzen und im Genitalbereich kommen. Folge der Disseminierung der Infektion können Allgemeinbeschwerden (Fieber, Myalgie, Arthralgie, Lymphknotenschwellungen) und multiple Erythemata migrantia sein.

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Typisches Erythema migrans

© CDC/ James Gathany

Die frühe Neuroborreliose ist die zweithäufigste Manifestationsform der Lyme-Borreliose in Europa. Sie ist durch multilokuläre, segmentale, brennende, nachts verstärkte, radikuläre Schmerzen, häufig gefolgt von Ausfällen (meist Paresen) der betroffenen Nerven (Meningoradikuloneuritis Bannwarth), Hirnnervenausfälle (meist Nervus facialis, häufig auch beidseitig) sowie v.a. bei Kindern auch durch eine isolierte lymphozytäre Meningitis (ca. 30% der Fälle) charakterisiert. Eine Myelitis mit spastisch-ataktischem Gang und Blasenstörung bis hin zur Tetraparese und eine Enzephalitis mit hirnorganischem Psychosyndrom sind sehr selten (ca. 4% der Fälle mit Neuroborreliose).

Die seltenere Lyme-Karditis manifestiert sich typischerweise durch eine Reizleitungsstörung mit fluktuierendem AV-Block I-III° und eine Perimyokarditis. Symptome sind Dyspnoe, Thoraxschmerzen, „Herzstolpern“ und Synkopen. Einzelfälle eines plötzlichen Herztods sind beschrieben.

Die v.a. in den USA häufige Lyme-Arthritis zeichnet sich durch eine asymmetrische, wandernde Mono- bzw. Oligoarthritis der großen Gelenke (v.a. Kniegelenk) mit ausgeprägter Ergussbildung aus. Typischerweise wechseln Arthritis-Episoden unterschiedlicher Dauer (Tage bis Wochen) mit symptomfreien/-armen Intervallen. Chronisch persistierende, antibiotika-refraktäre Verläufe sind selten (<10%).

Die häufigste Spätkomplikation in Europa ist die Acrodermatitis chronica atrophicans Herxheimer (ACA) (Abb. 4). Ältere Frauen sind häufiger betroffen. Auf eine inflammatorische Phase (ödematöse Schwellung, blau-rote Verfärbung) folgt eine atrophische Phase (juxtaartikuläre fibroide Knoten, streifenförmige Fibrosen, Pseudoscleroderma) ohne spontane Rückbildungstendenz. Prädilektionsstellen sind die Streckseiten der Extremitäten, initial unilateral, später symmetrisch. Oft liegt eine begleitende periphere Polyneuropathie (50%) und ein Gelenkbefall an der betroffenen Extremität vor („Arthrodermatitis“).

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Hautbefund bei Acrodermatitis chronica atrophicans

© Marcus Karsten, Universitätshautklinik, Leipzig

Differenzialdiagnosen

Differenzialdiagnosen des atypisch verlaufenden Erythema migrans sind unspezifische Insektenstichreaktion, Erysipel, Granuloma annulare, Tinea corporis. Bei V.a. eine ACA müssen chronisch-rezidivierendes Erysipel, systemischer Lupus erythematodes (SLE), Morbus Sudeck, chronisch-venöse Insuffizienz, periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) mit kutanen Folgeerscheinungen und eine altersbedingte Hautatrophie in Betracht gezogen werden. Eine Fazialisparese kann idiopathisch, tumorös oder traumatisch bedingt sein. Sie kann auch als Folge eines Zoster oticus (Ramsay-Hunt-Syndrom) oder einer Sarkoidose (Heerfordt-Syndrom) auftreten. Eine Mono-/Polyradikulitis kann auch viral (Varizella-Zoster-Virus, Epstein-Barr-Virus, Herpes simplex Virus, Zytomegalievirus) bedingt sein oder als Folge einer Wurzelkompression bei Bandscheibenvorfall, spinalem Abszess oder Tumor auftreten. Die Lyme-Arthritis muss differenzialdiagnostisch v.a. gegenüber der reaktiven Arthritis, Arthritis psoriatica, Gicht-Arthropathie und einer aktivierten Arthrose abgegrenzt werden.

Diagnostik

Die Diagnosestellung basiert auf der typischen Symptomatik. Bei einem klassischen Erythema migrans erübrigt sich weitere Diagnostik. Bei anderen Formen wird eine serologische Diagnostik zum Nachweis spezifischer IgG- und IgM-Antikörper empfohlen. Spätstadien können bei negativer Serologie ausgeschlossen werden.

Die Borrelienserologie ist eine Stufendiagnostik: Nach einem Suchtest (Enzymimmunoassay) mit hoher Sensitivität (abhängig von der Infektionsdauer) wird bei positivem Befund ein Bestätigungstest (Immunoblot) mit hoher Spezifität angeschlossen. Ein wiederholt alleiniger IgM-Nachweis ohne IgG-Serokonversion spricht für einen falsch-positiven Befund, z.B. bei einer Kreuzreaktion mit Rheumafaktoren oder antinukleären Faktoren (ANA). Auch können Kreuzreaktionen zu anderen Spirochätosen (Syphilis) auftreten.

Bei Verdacht auf Neuroborreliose müssen zeitgleich Serum und Liquor gewonnen werden. Mittels Bestimmung der spezifischen Antikörper in Serum und Liquor kann der Borrelien-spezifische Antikörperindex (AI) zum Nachweis einer spezifischen intrathekalen Antikörpersynthese berechnet werden. In Kombination mit einem entzündlichen Liquorsyndrom kann so eine Neuroborreliose bestätigt bzw. ausgeschlossen werden.

Ein direkter Erregernachweis mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR) oder Kultur ist aus der Hautbiopsie, Gelenkpunktat, Synovialbiopsie oder Liquor möglich, allerdings mit eingeschränkter Sensitivität (je nach Ort der Materialgewinnung 10–70%). Eine serologische Verlaufskontrolle nach leitliniengerechter Therapie wird aufgrund von über Monate bis Jahre persistierenden IgG- und IgM-Antikörpern nicht empfohlen („Seronarbe“).

Therapie

Frühstadien (Erythema migrans, Lymphozytom, Allgemeinsymtome) werden mit Doxycyclin (200 mg/d) oder alternativ mit Amoxicillin (3 x 1 g/d) über 14–21 Tage oral behandelt [13].

Zur Therapie der Neuroborreliose werden Doxycyclin (200 mg/d p.o.), Ceftriaxon (2 g/d i.v.), Cefotaxim (3 x 2 g/d i.v.) oder Penicillin G (4 x 5 Mio. IE pro Tag i.v.) als gleichwertig angesehen. Die Therapiedauer beträgt 14 Tage für die frühe und 14–21 Tage für die späte Neuroborreliose [24].

Patienten mit Lyme-Karditis sollten bei klinischer Symptomatik und/oder AV-Block II-III° bzw. PQ-Zeit >300 ms hospitalisiert und mit Ceftriaxon (2 g/d i.v.) über 14–21 Tage behandelt werden. Alle anderen Patienten können ambulant oral mit Doxycyclin oder Amoxicillin in o.g. Dosierung behandelt werden [30].

Spätmanifestationen (Arthritis, ACA) werden oral mit Doxycyclin oder Amoxicillin in o.g. Dosierung über 28–30 Tage behandelt. Trotz dieser Therapie persistierende leichtere Arthritis-Fälle können einen zweiten oralen Therapiezyklus mit Doxycyclin oder Amoxicillin erhalten. Bei schweren Fällen wird für den zweiten Therapiezyklus Ceftriaxon (2 g/d i.v.) über 28–30 Tage empfohlen. Antibiotika-refraktäre Fälle werden analog zur reaktiven Arthritis rheumatologisch bzw. orthopädisch behandelt (z. B. Hydroxychloroquin, Methotrexat, Synovektomie) [1].

Prävention

Zur Prävention von Zeckenstichen sollte bei Aufenthalt im Risikogebiet lange, helle Kleidung getragen und Repellentien aufgetragen werden. Im Anschluss muss der gesamte Körper auf Zecken abgesucht und diese möglichst bald entfernt werden (Übertragung von Borrelien meist erst nach 24 h). Die Azithromycin-Salbe und prophylaktische Doxycyclingaben werden nach aktuellen Studien nicht empfohlen. Vielmehr sollte die Stichstelle desinfiziert und nachbeobachtet werden. Eine Borreliose-Impfung steht aktuell nicht zur Verfügung.

Tularämie (Hasenpest)

Erreger

Das aerobe gramnegative intrazelluläre Stäbchenbakterium Francisella tularensis ist der Auslöser der Tularämie (Hasenpest). Es werden vier Subspezies unterschieden: F. tularensis spp. tularensis (Biovar Typ A), spp. holarctica (Biovar Typ B) sowie spp. mediasiatica und novicida.

Vektor

Der Erreger hat ein breites Wirtsspektrum. Neben Kleinsäugern, Wild- und Haustieren kann man ihn auch in blutsaugenden Arthropoden nachweisen. Verschiedene Zeckenarten sind häufig an der Übertragung auf den Menschen beteiligt.

Epidemiologie

F. tularensis ist auf der gesamten nördlichen Hemisphäre verbreitet (insbesondere USA und Russland). In den USA werden jährlich 100–200 Fälle gemeldet. In Deutschland ist die Zoonose selten (20–30 Fälle/Jahr). Betroffen sind insbesondere Personen mit häufigem Naturkontakt (Jäger, Förster, Landwirte).

Inkubationszeit

Bis zum Auftreten erster Symptome vergehen im Mittel 3–5 Tage, z.T. aber auch mehrere Wochen.

Symptomatik

Das klinische Bild beginnt unspezifisch mit Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen. Im Verlauf kommt es häufig zu einer Lymphknotenreaktion. Je nach Lokalisation des Stiches (Eintrittspforte) entsteht aus einer initialen Hautpapel eine (ulzero-)glanduläre Tularämie mit regionaler Lymphknotenschwellung und ggf. erythematösen Hauterscheinungen. Die Primärläsion kann eitrig einschmelzen oder nekrotisieren.

Die Erkrankungsschwere ist abhängig von der Subspezies, der Erregermenge, dem Immunstatus des Wirts und dem Zeitpunkt einer gezielten Antibiotikatherapie. Der nur in Nordamerika vorkommende Subtyp tularensis clade A.I ist hochvirulent und neigt zur septischen Streuung. Sekundäre pulmonale Tularämie, Endokarditis, Leber- und Nierenversagen mit Mortalitätsraten bis 60% (unbehandelt) sind gefürchtete Komplikationen. Erkrankungen durch den in Europa häufig vorkommenden Subtyp holarctica sind i.d.R. milder und heilen oft auch spontan aus.

Differenzialdiagnosen

Bei lokalisierten Erkrankungen sind zu bedenken: Mykobakteriosen, Sporotrichose, Katzenkratzkrankheit, Anthrax, Pest, Syphilis, Lymphogranuloma venereum, Toxoplasmose, Tuberkulose. Die septische Form hat klinische Ähnlichkeiten mit Typhus, Brucellose, Legionellose, Q-Fieber, Psittakose, Rickettsiose und systemischen Mykobakteriosen.

Diagnostik

Im Vordergrund steht der Antikörpernachweis. Ein ansteigender oder einmalig hoher Titer weist auf eine vorangegangene Infektion hin. Molekularbiologische (PCR) und Antigen-Nachweise sind ebenfalls verfügbar. Die kulturelle Anzucht und Resistenztestung sollte nur in ausgewiesenen Speziallaboratorien (Infektionsgefahr!) erfolgen. Die Angabe der klinischen Verdachtsdiagnose ist dem Labor vorher zwingend mitzuteilen.

Therapie

Eine frühzeitige Therapie ist zur Verhinderung von Komplikationen bzw. eines schweren Erkrankungsverlaufes erforderlich. Therapeutisch können Aminoglykoside, Tetracycline, Fluorchinolone, Rifampicin (in Kombination) und Chloramphenicol eingesetzt werden. Der Einsatz von Makroliden ohne vorherigen Resistenzausschluss wird nicht empfohlen [29]. Für Deutschland gelten Ciprofloxacin, nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Aminoglykoside (Gentamicin, Streptomycin) als Mittel der Wahl [29]. Bei schweren Verläufen bietet sich eine Kombination beider Substanzklassen an. Um Rückfälle zu verhindern, sollte die Therapie mindestens 14 Tage dauern. Problematisch ist die Behandlung in der Schwangerschaft. Möglich wären Makrolide sowie nach Nutzen-Risiko-Abwägung Ciprofloxacin und Gentamicin.

Hygiene und Prävention

Nach Biostoffverordnung gehört F. t. spp. tularensis zur Risikogruppe 3. Der Erreger hat Biowaffenpotenzial. Eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung wurde bisher nicht beschrieben. Aufgrund der hohen Umweltresistenz und extrem niedriger Infektionsdosis ist eine direkte (nicht-vektorgebundene) Übertragung im Wald oder auch im Labor möglich. Postexpositionsprophylaktisch haben sich Ciprofloxacin und Doxycyclin bewährt.

Zeckenbissfieber

Erreger

Beim Zeckenbissfieber handelt es sich um eine Gruppe von Rickettsiosen (siehe Tab. 1). Rickettsien sind kleine gramnegative, pleomorphe Stäbchen, die sich obligat intrazellulär vermehren. Die Infektionsdosis ist minimal. Die Replikation erfolgt im Monozyten-Makrophagen-System bzw. in den Endothelzellen der Blutgefäße. Das pathologische Korrelat ist eine Vaskulitis.

Tab. 1 Übersicht der wichtigsten durch Zecken übertragenen Erkrankungen

Vektor

Die Zeckenbissfieber-Rickettsien werden je nach Kontinent von verschiedenen Schildzeckenarten mit dem Speichel übertragen und lösen Erkrankungen mit unterschiedlichen klinischen Schweregraden aus [21]. Erregerreservoire sind Nagetiere und die Zecken selbst.

Der Vektor des Afrikanischen Zeckenbissfiebers (African Tick-Bite Fever, ATBF), der Rickettsia africae überträgt, ist die aggressive Buntzeckenart Amblyomma spp., die ein Kurzzeitsauger ist und den Wirt meistens mehrmals hintereinander sticht. Sie kommt im südlichen Afrika (Safaritourismus!) und in der Karibik vor.

R. conorii, der Erreger des Mediterranen Zeckenbissfiebers (Fièvre bouttonneuse, Mediterranean Spotted Fever, MSF), wird durch die Braune Hundezecke Rhipicephalus sanguineus, durch Hyalomma-, Amblyomma-, Haemaphysalis- und Dermacentor-Arten im Mittelmeerraum, in der Türkei und auch in Subsahara-Afrika übertragen.

Das Rocky-Mountain-Fleckfieber (Felsengebirgsfieber, Rocky Mountain Spotted Fever, RMSF), ausgelöst durch R. rickettsii (und selten durch R. parkeri), wird in Nordamerika durch die Amerikanische Hundezecke Dermacentor variabilis, durch die Waldzecke D. andersoni sowie durch die Braune Hundezecke R. sanguineus übertragen. In Südamerika ist der Vektor Amblyomma cajennense; hier wird die Erkrankung als Brasilianisches Fleckfieber bezeichnet.

Weiter werden verschiedene geografisch definierte Zecken-Rickettsiosen unterschieden, z. B. das Sibirische, Japanische, Israelische, Indische, Astrakhan-, Flinders-Island- und Queensland-Zeckenbissfieber sowie das am Kaspischen Meer vorkommende Sommer-Fleckfieber. Sporadisch wird R. slovaca in Europa (Slowakei, Ungarn, Frankreich) von Dermacentor-Zecken übertragen. In Deutschland fungieren I. ricinus und Dermacentor gelegentlich als Rickettsienvektoren, jedoch ist ihr Krankheitswert bislang nicht abschließend geklärt [6].

Epidemiologie

Am bedeutsamsten sind in der täglichen Praxis ATBF und MSF, da sie erfahrungsgemäß regelmäßig bei Reiserückkehrern diagnostiziert werden. Sie gehören zu den „Top-Ten“ der fieberhaften Erkrankungen bei Reiserückkehrern aus Afrika bzw. aus den Mittelmeerländern [3,14]. RMSF ist für Campingurlauber in den USA relevant, wird aber sehr viel seltener importiert. Die anderen Rickettsiosen haben nur eine geringe Bedeutung.

Inkubationszeit

Die Zeit bis zum Erscheinen erster Symptome nach Zeckenstich schwankt zwischen 1–14 Tagen (im Mittel 5–7 Tage) [17].

Symptomatik

Alle Rickettsiosen sind während der ersten fünf Tage akute fieberhafte Erkrankungen mit Kopf- und Gliederschmerzen. Ab dem 6. Krankheitstag können weitere (spezifischere) Symptome hinzukommen: Typisch sind eine oder mehrere (insbesondere bei ATBF) nekrotische Papeln mit zentraler Verschorfung (Eschar, tâche noire) (Abb. 5) am Ort der Primärläsion, die pathognomonisch sind. Bei passender Anamnese und der Trias Fieber, Eschar und Exanthem ist daher zwingend an eine Rickettsiose zu denken. Hinzu kommen meist eine schmerzhafte regionale Lymphadenitis und gegebenenfalls ein Exanthem. Im Verlauf kann sich eine Splenomegalie ausbilden. Nicht selten berichten die Patienten von leichteren psychischen Alterationen und Verwirrtheitszuständen [11].

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Typisches Eschar

© S. Wendt

Potenziell lebensbedrohlich sind nur RMSF (unbehandelte Letalität 20–30%) und manchmal MSF aufgrund schwerwiegender Komplikationen wie Blutungen, Enzephalitis, Nephritis, Myokarditis, Gangrän, Rhabdomyolyse und Multiorganversagen. Als Faustregel gilt, dass die eschariformen Zeckenbissfieber (insbesondere ATBF) klinisch milder verlaufen als jene Infektionen mit nur schwachem (MSF) bzw. fehlendem Eschar — dafür aber stärkerer Ausprägung des Exanthems (RMSF).

Differenzialdiagnosen

Je nach geografischer und Expositionsanamnese: (murines) Fleckfieber, Wolhynisches Fieber, Rückfallfieber, Typhus abdominalis, Brucellose, Leptospirose, Lues, Malaria, Kala-Azar, Leberamöbenabszess, Histoplasmose, CMV- und EBV-Infektion, Arbovirosen, Colorado-Zeckenfieber, Ehrlichiose, Babesiose und Q-Fieber.

Diagnostik

Im Frühstadium bietet sich eine PCR aus Escharmaterial oder EDTA-Blut an. Konventionelle Blutkulturen sind nicht geeignet, da sich die Rickettsien im normalen Labor nicht anzüchten lassen. Am gebräuchlichsten ist daher der Nachweis rickettsienspezifischer Antikörper aus dem Serum ab dem 7. Krankheitstag. Eine genaue Unterscheidung der einzelnen Spezies ist aufgrund von Kreuzreaktionen nicht möglich, kann aber epidemiologisch und klinisch (Ausprägung des Eschars) erfolgen. Häufig sind die Transaminasen als Zeichen einer Begleithepatitis erhöht. Eine Thrombozytopenie ist ein Hinweis auf einen komplizierten Verlauf und sollte eine stationäre Überwachung nach sich ziehen.

Therapie

Mittel der Wahl ist Doxycyclin (200 mg/d) für 5–10 Tage [21]. Ebenfalls wirksam sind Tetrazyklin, Chloramphenicol, Ciprofloxacin und Makrolide (bei Schwangeren). Penicilline sind unwirksam, Sulfonamide aufgrund wachstumsfördernder Eigenschaften kontraindiziert [18]. Randomisierte Studien zur optimalen Therapie fehlen.

Hygiene und Prävention

Zecken-Expositionsprophylaxe mit geeigneten Repellentien, z.B. Diethyltoluamid (DEET) in höherer Konzentration, geschlossene Kleidung sowie die Bekämpfung von Nagetieren sind mögliche Präventionsmaßnahmen. Eine Impfung ist nicht verfügbar. Es gibt Hinweise, dass eine Malaria-Chemoprophylaxe mit Doxycyclin Infektionen verhindern kann [28].

Q-Fieber (Query-Fever, Queensland Fever, Balkangrippe)

Erreger

Das obligat intrazelluläre gramnegative Stäbchenbakterium Coxiella burnetii verursacht das Q-Fieber (Query-Fever: „unklares Fieber“, Queensland Fever, Balkangrippe, Kreta-Fieber, Pneumorickettsiose, Schlachthausfieber).

Der Erreger bildet sehr umweltresistente, endosporenähnliche Partikel. Das hauptsächliche Erregerreservoir stellen Schafe, Ziegen und Rinder, aber auch Vögel und Wildtiere dar, die meistens nur latent infiziert sind oder durch Aborte auffällig werden.

Vektor

Das Bakterium vermehrt sich nicht nur in Paarhufern, sondern auch in den Magen-Darm-Epithelien von Zecken (z. B. in der Schafzecke Dermacentor marginatus). Diese scheiden die hochinfektiösen Coxiellen mit den Fäzes aus und verbreiten sie in der Umwelt. Der Infektionsmodus ist aerogen. In seltenen Fällen ist eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung möglich.

Epidemiologie

Die Anthropozoonose kommt — mit Ausnahme von Neuseeland und der Antarktis — weltweit vor. Eine Infektionsgefahr besteht vor allem für Personen mit engen Tierkontakten (Schlachter, Fellverarbeiter, Veterinäre, Landwirte, Streichelzoo-Besucher) oder Anwohner umliegender Tierställe oder Farmen. Epidemien treten daher vor allem im ländlichen Raum oder am Stadtrand auf [25]. Seit 1995 haben die Erkrankungszahlen in Deutschland zugenommen (zwischen 2016–2018: 100 bis 300 Fälle pro Jahr [25]).

Inkubationszeit

Zwischen 2–3 Wochen können bis zum Ausbruch der Erkrankung vergehen (abhängig von der Infektionsdosis).

Symptomatik

Die meisten Infektionen verlaufen asymptomatisch oder gehen lediglich mit milden grippeartigen Symptomen einher. Akut kann es allerdings auch zu hohem Fieber, Schüttelfrost, Kopf- und Gliederschmerzen sowie im Verlauf zu einer interstitiellen Pneumonie oder Hepatitis kommen. Komplizierend kann Coxiella burnetii auch eine Meningoenzephalitis, Myo- oder Perikarditis verursachen. Im ersten Trimenon der Schwangerschaft besteht die Gefahr für einen Abort.

Die mögliche Erregerpersistenz führt in 1% der Fälle zur chronischen Infektion, die bis Jahrzehnte nach der Primärinfektion manifest werden kann (Reaktivierung). Führende Krankheitsbilder sind Endokarditis, Hepatitis und Osteomyelitis. Die Erkrankung hinterlässt nach Ausheilung eine langandauernde Immunität.

Differenzialdiagnosen

Bei jedem Fieber unklarer Ursache, insbesondere im Zusammenhang mit passender Anamnese (Tierkontakte) und ggf. interstitieller Pneumonie und/oder Hepatitis, sollte eine spezielle Diagnostik erfolgen.

Diagnostik

Der Infektionsnachweis erfolgt in der Regel serologisch. Bei chronischen Infektionen findet man vorzugsweise Anti-Phase-I-Antikörper (IgG, IgA). Eine PCR für Nativmaterial (Biopsien, Bronchiallavagen) ist in Speziallaboratorien verfügbar.

Therapie

Beim akuten Q-Fieber gilt Doxycyclin (200 mg/d) über 2–3 Wochen als Mittel der Wahl. Andere Optionen sind Makrolide sowie Chinolone oder Chloramphenicol bei Meningoenzephalitiden. In der Schwangerschaft steht Cotrimoxazol zur Verfügung, das allerdings keine chronischen Infektionen verhindern kann.

Die Behandlung des chronischen Q-Fiebers ist eine Herausforderung. Doxycyclin in Kombination mit einem höherwertigen Chinolon bzw. Rifampicin oder Chloroquin über mindestens 1 Jahr wird in der Literatur empfohlen [17]. Eine frühzeitige kardiochirurgische Mitbeurteilung sollte erfolgen. Die Therapie des Q-Fiebers ist insgesamt wenig evidenzbasiert.

Hygiene und Prävention

Eine Infektionseindämmung ist wegen der Umweltpersistenz schwierig. Die Expositionsprophylaxe steht im Vordergrund. Das Scheren von Schafen und eine Akarizidbehandlung („Zeckenbad“) kann die Staubbelastung durch getrockneten Zeckenkot minimieren.

Ehrlichiose und Anaplasmose

Erreger

Die Erreger der Ehrlichiose und Anaplasmose sind gramnegative, obligat intrazelluläre, pleomorphe Bakterien. Sie gehören zur Familie der Anaplasmataceae, Ordnung Rickettsiales. Charakteristisch ist die Affinität (Zelltropismus) für Granulozyten bzw. Monozyten/Makrophagen und die Ausbildung von diagnostisch nutzbaren maulbeerartigen Aggregaten (lat. morulae) in den Wirtszellen.

Für den Menschen bedeutsam sind Anaplasma phagozytophilum, der Erreger der humanen granulozytären Anaplasmose (HGA), und Ehrlichia chaffeensis als Auslöser der humanen monozytären Ehrlichiose (HME).

Vektor

A. phagozytophilum wird weltweit durch verschiedene Ixodes-Zecken übertragen. Hirsche und Kleinnager gelten als Reservoire. In Europa spielt auch die Auwaldzecke Dermacentor reticularis eine Rolle. In Nordamerika ist der Überträger von E. chaffeensis Amblyomma americanum; Reservoire sind Weißwedelhirsche.

Epidemiologie

In bestimmten Regionen der USA ist die HGA nach der Borreliose die zweithäufigste Erkrankung nach einem Zeckenstich (58 Fälle pro 100.000/Jahr) [2]. In Europa ist die Zahl dokumentierter Fälle gering (Einzelfallberichte). Gründe sind möglicherweise die fehlende Vertrautheit mit dem Krankheitsbild und das Unterlassen einer gezielten Diagnostik. Dafür spricht auch, dass die Prävalenz des Erregers in den Zecken mit 3–4% sowohl in den USA als auch in Europa vergleichbar ist [26].

Die HME ist im Wesentlichen auf die USA beschränkt (bisher mehrere Tausend Fälle gemeldet), kommt wahrscheinlich aber auch in Südamerika vor.

Inkubationszeit

HGA und HME werden etwa 4–8 Tage nach Zeckenstich manifest.

Symptomatik

Die meisten Infektionen mit Anaplasmataceae scheinen asymptomatisch oder subklinisch zu verlaufen. Initial kommt es gegebenenfalls zu einer fieberhaften Allgemeinerkrankung. Bei Älteren und Immunsupprimierten sind auch Acute Respiratory Distress Syndrome (ARDS), Myokarditis, Nierenversagen und Gerinnungsstörungen möglich. Die Sterblichkeit liegt zwischen 0,5–3%, wobei besonders Immunkompromittierte letal gefährdet sind. HME verläuft i.d.R. schwerer als HGA.

Differenzialdiagnosen

Zu bedenken sind: Rocky-Mountain-Fleckfieber, Lyme-Borreliose, infektiöse Mononukleose und zahlreiche andere fieberhafte Infektionen.

Diagnostik

Hinweisende Laborveränderungen sind Thrombo- und Leukozytopenie sowie LDH- und Transaminasenanstieg. Im Giemsa-gefärbten Blut- oder Knochenmarksausstrich kann man ggf. die typischen Morulae (intrazytoplasmatische Einschlüsse) in Granulozyten (bei HGA) bzw. in Monozyten (bei HME) diagnostisch nutzen. Die Methode der Wahl ist die PCR aus dem Blut vor Therapiebeginn.

Therapie

Obwohl keine kontrollierten Studien zur optimalen Therapie vorliegen, wird Doxycyclin (200 mg/d) bei HGA und HME für ca. 7 Tage bzw. bei komplizierten Verläufen für 14 Tage empfohlen. Bei Kontraindikationen (Kinder < 8 Jahren, Schwangere) kann Rifampicin (2 x 300 mg/d) versucht werden.

Hygiene und Prävention

Da es keinen Impfstoff gibt, steht nur die Zecken-Expositionsprophylaxe zur Verfügung.

Endemisches Zecken-Rückfallfieber

Erreger

Das endemische Zecken-Rückfallfieber (recurrent fever; spirillium fever; Tick-Borne Relapsing Fever [TBRF]) gehört zu den Borreliosen und wird durch gramnegative schraubenförmige Bakterien der Gattung Borrelia (z. B. B. duttonii, Tab. 1) ausgelöst.

Vektor

Das TBRF wird durch Lederzecken der Gattung Ornithodorus mit dem Speichel übertragen, die in tropischen und subtropischen Gebieten Afrikas, Asiens, Amerikas und Europas vorkommen. B. duttonii kann auch transovariell übertragen werden, sodass die Zeckenpopulation — neben wildlebenden Nagetieren — selbst ein relevantes Erregerreservoir darstellt.

Epidemiologie

Die Erkrankung kommt in Deutschland nicht endemisch vor. Allerdings spielt sie als mögliche Differenzialdiagnose beim rezidivierenden Fieber unklarer Ursache in der Reise- und Migrationsmedizin eine Rolle. Das RKI berichtet von einem Anstieg der gemeldeten Läuse-Rückfallfieber-Erkrankungszahlen in den letzten Jahren (2005–2014: 0 Fälle; 2015: 45 Fälle, 2016: 5 Fälle) mit den höchsten Inzidenzraten bei asylsuchenden, jungen männlichen Erwachsenen aus Äthiopien, Eritrea, Somalia und dem Sudan [27]. Möglicherweise ist diese Tendenz aufgrund einer ähnlichen epidemiologischen Verbreitung auch auf TBRF übertragbar.

Inkubationszeit

Die Inkubationszeit kann zwischen 4–18 Tagen nach Zeckenstich betragen [11,18].

Symptomatik

TBRF beginnt in der Regel akut mit unspezifischen Allgemeinbeschwerden wie Schwindel, Erbrechen, Kopf-, Glieder- und Muskelschmerzen, Schüttelfrost und hohem Fieber [8]. Aggravierend können Tachykardie, Dyspnoe, kleinfleckiges Exanthem, konjunktivale Injektionen, Blutungsneigung (z. B. Epistaxis, Subarachnoidalblutungen), lymphozytäre Meningitis, Bewusstseinstrübungen, Spleno- und Hepatomegalie sowie Ikterus hinzukommen. Fatale Fälle enden meistens im Leberversagen oder ARDS. In der Schwangerschaft kommt es häufig zum Abort. Die Letalität beträgt unbehandelt ca. 20%.

Der initiale Fieberanfall dauert 5–7 Tage. Bleibt eine adäquate Behandlung aus, folgen typischerweise Rückfälle mit abnehmender Krankheitsdauer und -schwere nach mehrtägigen Intervallen. Wird die Krankheit überlebt, können bis zu elf Krankheitsepisoden auftreten [18]. Spätrezidive sind nach Ausheilung nicht bekannt.

Differenzialdiagosen

Malaria, Typhus abdominalis, Leptospirose, Rickettsiosen, Amöbenleberabszess, Pest, Hantavirus-Infektionen sowie andere virale hämorrhagische Fieber sind differenuialdiagnostisch zu bedenken.

Diagnostik

Labordiagnostisch fallen Leukozytose, Thrombozytopenie und erhöhte Transaminasen sowie Albuminurie auf. Im fortgeschrittenen Stadium sind die Erkrankten leukopen und hypoglykämisch. Da Rückfallfieber-Borrelien während der Fieberanfälle regelhaft im peripheren Blut (und ggf. im Liquor) vorkommen, ist der Direktnachweis des schraubenförmigen Erregers mittels Giemsa-Färbung im dicken Tropfen bzw. im EDTA-Blutausstrich möglich [4]. Diagnostisches Material sollte bevorzugt während des Fieberanstiegs gewonnen werden. In Speziallaboratorien stehen Fluoreszenzmikroskopie und molekularbiologische Methoden zur Verfügung [10].

Therapie

Trotz fehlender klinischer Studien ist Doxycyclin (200 mg/d) nach Literaturlage das Mittel der Wahl [18]. Ferner sind Tetrazyklin, Penicillin und Erythromycin (in der Schwangerschaft und bei Kindern < 8 Jahren) sowie Chloramphenicol mögliche Alternativen. Eine siebentägige Tetrazyklintherapie unter stationären Bedingungen kann die Rückfälle meistens komplett unterbinden [8].

Hygiene und Prävention

Wesentlich ist die Zeckenexpositionsprophylaxe. Eine zugelassene Impfung ist nicht verfügbar.

Virale Infektionen

Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME)

Erreger

Bei der Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) handelt es sich um eine Infektion mit dem zu den Flaviviren gehörenden FSME-Virus, welches in Deutschland, Mittel- und Osteuropa, Russland, Zentralasien und China vorkommt. Gemäß RKI wurden im Jahr 2017 insgesamt 486 Fälle von FSME in Deutschland gemeldet, was eine Zunahme um 40% im Vergleich zum Vorjahr darstellt. Weltweit erkranken jährlich ca. 10.000 Personen an der Infektion [7].

Bei der FSME, auch tick-borne encephalitis (TBE) genannt, werden drei virale Subtypen unterschieden: TBEV-Eu (European), TBEV-Sib (Siberian) und TBEV-FE (Far-Eastern). Das geografische Vorkommen der drei Subtypen überlappt sich. TBEV-FE ist mit der höchsten Rate an Langzeitschäden und tödlichen Verläufen assoziiert [23].

Vektor

Die FSME wird in der Regel durch Zeckenstiche von Ixodes-Arten übertragen, selten auch durch den Verzehr unpasteurisierter Milch bzw. Milchprodukte. Insgesamt sind elf Zeckenarten für die Übertragung der FSME bekannt, die meisten Fälle werden durch Ixodes ricinus und I. persulcatus übertragen. Diese Zeckenarten finden sich hauptsächlich in Wäldern und ländlichen Gebieten Mittel- und Ost-Europas unterhalb von 1500 m, wobei ihr Vorkommen auch in städtischen Parks beschrieben wurde.

Inkubationszeit

Die Inkubationszeit beträgt 4–28 Tage.

Symptomatik

Etwa ein Drittel der Infektionen verläuft symptomatisch. Dabei kommt es zunächst zu Fieber, Muskelschmerzen und Abgeschlagenheit. In dieser ersten Phase, welche ca. 2–7 Tage andauert, bleibt die FSME-Infektion in der Regel unerkannt, da Zeichen der Meningoenzephalitis fehlen und die spezifische Erregerdiagnostik — insbesondere die Serologie — noch negativ ist.

Es schließt sich eine afebrile, symptomarme Phase von bis zu zehn Tagen an, auf die letztlich die zweite febrile Phase folgt, welche durch hohe Temperaturen gekennzeichnet ist (biphasischer Verlauf). In dieser Phase zeigt sich das Vollbild der Infektion des zentralen Nervensystems mit Meningitis (50% der Fälle), Meningoenzephalitis (40%) und Meningoenzephalomyeltis.

Patienten mit Meningoenzephalomyelitis, der schwersten Form der FSME, weisen klinisch zusätzlich zu starken Kopfschmerzen und Bewusstseinstrübung erhebliche Schmerzen der Extremitäten und des Rückens auf. Es kann zu Hirnnervenausfällen kommen sowie zu schlaffen Lähmungen.

Eine Beteiligung des Hirnstamms ist mit einer schlechten Prognose assoziiert [16]. Der Tod ist zumeist Folge eines diffusen Hirnödems. Je nach viralem Subtyp beträgt die Mortalitätsrate 0,5–3% (TBEV-Eu, TBEV-Sib) bis 40% (TBEV-FE). Erkrankungen durch den sibirischen Subtyp wurden früher als Russian Spring Summer Encephalitis (RSSE) bezeichnet.

Nahezu die Hälfte aller symptomatischen Patienten entwickelt neurologische Langzeitkomplikationen wie chronische Kopfschmerzen, Hörverlust, neuropsychiatrische Beschwerden und Konzentrationsstörungen [12].

Diagnostik

Anfangs sind im Blut nur unspezifische Entzündungzeichen sowie leicht erhöhte Transaminasen auffällig. In dieser Phase lässt sich das Virus im Blut mittels PCR nachweisen. In der Regel wird die Diagnose jedoch nicht direkt, sondern mittels Serologie in der zweiten febrilen Phase gestellt, nachdem sich anhand der Anamnese mit Aufenthalt in einem Risikogebiet und fakultativ erinnerlichem Zeckenstich, sowie passender Klinik ein entsprechender Verdacht ergibt. FSME-spezifische IgM-Antikörper aus Blut und Liquor treten 2–4 Wochen nach Zeckenstich auf, IgG-Antikörper folgen ca. 1–2 Wochen später. Kreuzreaktionen mit anderen Flaviviren erschweren die Diagnostik.

Therapie

Es gibt keine antivirale Therapie gegen FSME.

Prävention

Zur Prävention der FSME steht eine effektive, gut verträgliche Impfung zur Verfügung. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die Impfung allen Kindern und Erwachsenen, welche in Deutschland oder auf Reisen in Risikogebiete gegenüber Zecken exponiert sind.

In Deutschland stehen derzeit zwei Impfstoffe zur Verfügung (FSME-IMMUN/FSME-IMMUN Junior und Encepur/Encepur Kinder). Die Grundimmunisierung besteht aus drei Dosen, eine Auffrischung sollte bei anhaltendem Risiko alle drei Jahre erfolgen. Beide Impfstoffe für Kinder sind ab einem Alter von einem Jahr zugelassen.

Krim-Kongo Hämorrhagisches Fieber (CCHF)

Erreger

Das Krim-Kongo-Hämorrhagische-Fieber-Virus (CCHFV) gehört zur Familie der Bunyaviridae, Genus Nairovirus. Es ist das geografisch am weitesten durch Zecken übertragene Virus. Die Pathogenese ist weitgehend unklar. Schwere Verläufe gehen mit einer hohen Menge proinflammatorischer Zytokine sowie einer Störung des Gerinnungssystems einher.

Vektor

Innerhalb eines enzootischen Zyklus zirkuliert CCHFV zwischen Zecken und verschiedenen Vertebratenwirten, die trotz hoher Virämie nicht erkranken. Für die Transmission ist der Speichel von Hyalomma-Laufzecken (Abb. 6) bedeutsam. Eine transovarielle Weitergabe des Virus an die nächste Zeckengeneration ist möglich.

6
figure 7

Hyalomma-Zecken (adult)

© digitalg / Getty Images / iStock

Epidemiologie

Infektionen finden hauptsächlich im Verbreitungsgebiet der Hyalomma-Zecken statt (Afrika, Asien, Südeuropa, naher Osten). Die in Deutschland registrierten Erkrankungen waren bisher sämtlich importiert.

Inkubationszeit

Die Inkubationszeit liegt zwischen 3–7 Tagen.

Symptomatik

Das typische CCHF verläuft dreiphasig: Prähämorrhagisch treten Schüttelfrost, Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen sowie ggf. eine Konjunktivitis und Nackensteifigkeit auf. Auch sind Magen-Darm-Beschwerden und psychische Störungen beschrieben worden. Nach einigen Tagen entwickelt sich eine Hepatomegalie. In 25% der Fälle kommt es zu schweren Hämorrhagien mit petechialen Blutungen der Haut, Ekchymosen, Nasen-, Zahnfleisch- sowie Harnwegsblutungen und Kreislaufschock. Die Letalität liegt zwischen 10–50%. In der Rekonvaleszenzphase können sich Haarausfall, Polyneuritis, Seh- und Hörstörungen sowie Gedächtnisstörungen manifestieren.

Differenzialdiagnosen

Infrage kommen andere virale hämorrhagische Fieber (VHF) wie Dengue-, Ebola-, Lassa-, Chikungunya- und Gelbfieber sowie Hantavirus- und Marburgvirus-Infektionen.

Diagnostik

Laborchemisch fällt eine schwere Thrombozytopenie auf. Aspartat-Aminotransferase (ASAT), Alanin-Aminotransferase (ALAT), Laktat-Dehydrogenase (LDH) und Kreatin-Kinase (CK) sind oft erhöht; im Verlauf kommt es zur Urämie.

Die diagnostische Methode der Wahl ist die PCR aus dem Blut. Wenn der Direktnachweis nicht gelingt, ist eine Serodiagnostik anzustreben. Die Anzucht mittels Zellkulturverfahren muss in einem Sicherheitslabor der Stufe S4 erfolgen.

Therapie

Die Behandlung ist primär supportiv. Ribavirin war in einigen Fällen wirksam [19].

Hygiene und Prävention

Patienten müssen in einem Kompetenz- und Behandlungszentrum für hoch kontagiöse, lebensbedrohliche Infektionskrankheiten untergebracht werden, da CCHFV auch von Mensch-zu-Mensch weitergegeben werden kann. Schon der Verdacht auf CCHF zieht weitreichende Maßnahmen nach sich (Absprache mit dem Gesundheitsamt, Isolation, „barrier nursing“). Eine Impfung steht nicht zur Verfügung.

Colorado-Zeckenfieber (Bergfieber)

Erreger

Das Colorado-Zeckenfieber-Virus (Colorado-Tick-Fever-Virus, CTFV) ist ein unbehülltes Virus mit doppelsträngiger RNA und gehört zur Familie Reoviridae, Gattung Coltivirus. Zwei Serotypen CTFV-Ca und CTFV-FI sind unterscheidbar, wobei letzterer als Eyach-Virus (benannt nach der Ortschaft des Erstnachweises) in europäischen Zecken vorkommt und möglicherweise auch humanpathogen ist [5].

Vektor

Das Virus wird durch verschiedene Zeckenarten übertragen, hauptsächlich Dermacentor andersoni und D. variabilis. Reservoire sind Hirsche, Grauhörnchen, Schafe und Mäuse.

Epidemiologie

CTFV ist in Bergregionen > 1500 m in den westlichen USA (z. B. Rocky-Mountains) und Kanada endemisch. Die Erkrankung tritt hauptsächlich im Frühsommer auf. Zwischen 2002–2012 wurden knapp 100 Fälle bekannt [5].

Inkubationszeit

Die Inkubationszeit beträgt zwischen 4–6 Tage.

Symptomatik

CTF wurde aufgrund der klinischen Symptomatik lange Zeit als „milde Form“ des Rocky-Mountain-Fleckfiebers (Rickettsiose) betrachtet. Der Fieberverlauf ist biphasisch (Dromedartyp). Die akute Phase dauert etwa 2 Tage. Anschließend folgen eine 2–3 Tage dauernde Remission sowie ein erneuter Fieberanstieg für 2–3 Tage. Währenddessen kann es zu Kopf-, Gelenk- und Muskelschmerzen, Fotophobie und einer Meningoenzephalitis kommen. Ein kleiner Teil der Patienten entwickelt ein flüchtiges Exanthem. Im Allgemeinen verläuft die Erkrankung gutartig; sehr selten ist die Infektion tödlich. Die Rekonvaleszenzphase ist oft ausgedehnt.

Differenzialdiagnosen

Rocky-Mountain-Fleckfieber

Diagnostik

Diagnostische Möglichkeiten stehen in Europa nur in wenigen Speziallaboratorien zur Verfügung. In den USA sind Antikörpertests und der Direktnachweis aus dem Blut mittels PCR üblich.

Therapie

Eine spezifische Therapie existiert nicht.

Hygiene und Prävention

Infizierte sollten über längere Zeit von der Blutspende ausgeschlossen werden, da ein potenzielles Übertragungsrisiko besteht. Eine zugelassene Impfung existiert nicht.

Kyasanur-Waldfieber (Kyasanur-Waldkrankheit) und Al-Khurma-Hämorrhagisches-Fieber (AHF)

Erreger

Der Auslöser des Kyasanur-Waldfiebers (Kyasanur Forest Disease, KFD) ist das behüllte Flavivirus „Kyasanur-Forest-Disease-Virus“ (KFDV).

Das nur in Saudi-Arabien vorkommende Al-Khurma-Hämorrhagische-Fieber-Virus (AHFV), welches eine ähnliche Erkrankung beim Menschen auslöst (Al-Khurma-Hämorrhagisches-Fieber, AHF) ist eng mit KFDV verwandt. Es wird ebenfalls durch Zecken übertragen.

Vektor

Schildzecken der Gattung Haemaphysalis gelten als Hauptvektoren. Reservoire sind Nagetiere, Vögel und Fledermäuse sowie ggf. verschiedene Affenarten und der infizierte Mensch. Schafe und Kamele gelten als Hauptreservoir für das AHFV.

Epidemiologie

KFD ist geografisch strikt auf Süd-Indien und Nord-Ost-Pakistan begrenzt. Betroffen sind vorwiegend Waldarbeiter, aber auch Touristen abseits städtischer Regionen. Jährlich werden mehrere hundert Erkrankungen bekannt [20]. Die Dunkelziffer ist wahrscheinlich sehr viel höher. Die Anzahl aller bisher gemeldeter Fälle von AHF ist sehr gering (< 20).

Inkubationszeit

Nach dem Zeckenstich vergehen 3–7 Tage bis zur ersten Symptomatik.

Symptomatik

KFD beginnt mit unspezifischen Beschwerden wie Kopf-, Glieder- und Muskelschmerzen; manchmal ist ein Exanthem sichtbar. Relativ häufig findet sich eine Konjunktivitis und Lymphadenitis. Typisch ist ein biphasischer Verlauf: Nach einer langen virämischen Fieberphase von bis zu zehn Tagen sind die Patienten für 1–3 Wochen fieberfrei. Anschließend kehrt das Fieber zurück. Bei einigen Infizierten kommt es dann zu meningoenzephalen Affektionen, die in der Klinik der FSME ähneln. Die Letalität beträgt 3–5%. Todesursache ist meistens ein hämorrhagisches Lungenödem.

Differenzialdiagnosen

Dengue-, Hanta-, Zika-, Chikungunya- sowie das Japanische Enzephalitis-Virus können vergleichbare Symptome hervorrufen. Gelbfieber hat eine ähnliche Klinik — der Erreger kommt allerdings (bisher) nicht in Asien vor.

Diagnostik

Bei der Laboruntersuchung finden sich meist eine Leukopenie und eine Erhöhung der Leberenzyme. Eine zuverlässige Virusdiagnostik ist nur in wenigen Speziallaboratorien mittels Antikörper-Detektion (ELISA) oder PCR möglich. Serologische Kreuzreaktionen mit anderen Flaviviren sind zu berücksichtien.

Therapie

Es steht keine spezifische Therapie zur Verfügung.

Hygiene und Prävention

Ein inaktivierter Impfstoff steht in Indien zur Verfügung. Beim Aufsuchen von Waldgebieten ist die Zeckenexpositionsprophylaxe essenziell.

Omsker Hämorrhagisches Fieber (Omsk-Fieber, OHF)

Erreger

Das Omsker Hämorrhagische-Fieber-Virus (OHFV) ist ein Flavivirus. Es gehört zum TBE-Komplex und löst ein ähnliches Krankheitsbild aus wie das KFDV. Das Virus hat eine starke Affinität zu vaskulären Endothelzellen.

Vektor

Verschiedene Schildzecken der Gattung Dermacentor (D. reticularis, D. marginatus) und Ixodes (I. apronophorus) sind potenzielle Überträger. Aufgrund der transovariellen Virusweitergabe sind sie auch ein Reservoir. Bisamratten und Wühlmäuse gelten im Infektionszyklus als hoch-virämische Inkubatoren (amplifying hosts), an denen sich die Zecken initial infizieren. OHFV kann auch über Ausscheidungsflüssigkeiten dieser Tiere sowie durch Mücken der Gattung Stegomyia (früher: Aedes) übertragen werden.

Epidemiologie

OHF ist auf den ländlichen Raum von Sibirien begrenzt. Bis Ende der 1950er Jahre wurden in der Umgebung zu Omsk ca. 1.500 Fälle dokumentiert. Im Laufe der Jahre kam es zu einer starken Verminderung der Infektionszahlen. Heute tritt OHF nur noch sporadisch auf. Hauptsaison für Erkrankungen sind die Monate August bis September.

Inkubationszeit

Die Inkubationszeit beträgt 2–7 (max. 10) Tage.

Symptomatik

Die ersten Symptome sind unspezifisch; manchmal tritt eine zervikale Lymphadenopathie auf. Die Fieberphase kann bis zu zwei Wochen dauern. In einigen Fällen ist der Verlauf jedoch biphasisch mit einem Fieberrezidiv und meist intensivierter Begleitsymptomatik (Muskelschmerzen, Husten, Gastroenteritis, Meningoenzephalitis). Auch ein hämorrhagischer Verlauf ist möglich. Die Letalität liegt bei 0,5–3%.

Differenzialdiagnosen

Die wesentliche infektiologische Differenzialdiagnose ist FSME.

Diagnostik

Beim hämorrhagischen Verlauf zeigt sich eine ausgeprägte Thrombozytopenie, Anämie und Leukopenie. Die Patienten sind oft hypoton.

Eine gezielte Diagnostik (ELISA, PCR) ist nur in wenigen spezialisierten Laboren verfügbar. Kreuzreaktionen mit anderen Flaviviren sind zu beachten.

Therapie

Eine kausale Therapie existiert nicht.

Hygiene und Prävention

Eine Impfung steht nicht zur Verfügung. Im Vordergrund steht die Expositionsprophylaxe. Milch und Milchprodukte sollten vor dem Verzehr pasteurisiert werden. Theoretisch besteht die Möglichkeit einer Mensch-zu-Mensch-Übertragung.

Parasitäre Infektionen

Babesiose (Piroplasmose)

Erreger

Babesien sind einzellige, eukaryontische, intraerythrozytäre Parasiten und gehören wie die Erreger der Malaria und Toxoplasmose zu den Apicomplexa. Mehr als 100 Spezies sind bekannt, wovon nur wenige humanpathogen sind. Am bedeutsamsten sind Babesia divergens (Europa) und B. microti (USA). Der Entwicklungszyklus ähnelt dem der Malaria.

Vektor

Für die Übertragung sind Ixodes-Zecken (hierzulande v.a. der Gemeine Holzbock I. ricinus) bedeutsam, welche die Sporozoiten mit dem Speichel übertragen. Reservoire stellen Wild-, Nage- und Nutztiere dar. Eine Infektion über Bluttransfusionen ist möglich.

Epidemiologie

Infektionen durch B. divergens kommen in Europa nur sporadisch vor. B. microti ist vor allem in den USA endemisch, wo in Seroprävalenzstudien [15] bei 1% der Bevölkerung in Endemiegebieten spezifische Antikörper nachgewiesen werden konnten. Die Erkrankung scheint für den Menschen zunehmende Bedeutung zu haben („emerging infectious disease“). Betroffen sind hauptsächlich Menschen mit (funktioneller) Asplenie oder Immunsuppression.

Inkubationszeit

Die Inkubationszeit beträgt 1–3 Wochen.

Symptomatik

Die meisten Infektionen verlaufen klinisch stumm. Bei Immunkompromittierten und Splenektomierten treten malariaartige Symptome akut auf: Schüttelfrost, Fieber, Hämoglobinurie und Ikterus nach Zeckenstich. Infektionen mit B. divergens verlaufen klinisch oft schwerer. Es kann zu Nierenversagen, ARDS und Gerinnungsstörungen kommen. Die Letalität beträgt bei Splenektomierten 30–40%. Chronisch-rezidivierende Infektionen mit Fieberepisoden, Kopfschmerzen und Arthralgien sind möglich.

Differenzialdiagnosen

Fieberhafte Erkrankungen mit Hämolysezeichen, wie Malaria und Leptospirose, sollten differenzialdiagnostisch bedacht werden.

Diagnostik

Laborchemisch ergibt sich eine Hämolysekonstellation. Transaminasen, Kreatinin und alkalische Phosphatase (AP) sind meist erhöht. Das Blutbild zeigt eine normochrome, normozytäre Anämie mit Leuko- und Thrombozytopenie.

Im Blutausstrich lassen sich die Plasmodien-artigen Babesien in den Erythrozyten darstellen; typisch ist die tetradenförmige Anordnung der Merozoiten („Malteserkreuz“). Zur genauen Speziesbestimmung ist eine spezifische PCR erforderlich.

Therapie

Es hat sich eine Kombinationstherapie mit Clindamycin (3 x 600 mg/d) und oralem Chinin (3–4 x 650 mg/d) über 7–10 Tage bewährt. Wissenschaftlich evaluierte Therapieschemata existieren allerdings nicht. Bei unkomplizierten Infektionen durch B. microti kann auch Azithromycin (500 mg/d) mit Atovaquon oral (2 x 750 mg/d) kombiniert werden. Schwere Infektionen erfordern ggf. Austauschtransfusionen und intensivmedizinisches Management.

Hygiene und Prävention

Eine Impfung ist nicht verfügbar. Infizierte müssen von der Blutspende ausgeschlossen werden.

Nicht-Infektiöse Erkrankungen

Akute Zeckenparalyse

Toxine

Einige Zeckenarten sind in der Lage, ähnlich wie Skorpione oder Spinnen, neurotoxische Speicheltoxine zu injizieren. Diese werden in den Speicheldrüsen produziert. Meistens handelt es sich um sekretorische Proteinstrukturen („Speicheltoxine“) mit neurotoxischem Charakter.

Vektor

Etwa 8% (ca. 40 Spezies) [22] der bekannten Zeckenarten gelten als Toxinproduzenten. Dazu gehören u.a. die Vertreter der Gattungen Amblyomma, Dermacentor, Haemaphysalis, Hyalomma, Ixodes und Rhipicephalus.

Epidemiologie

Die Erkrankung kommt vorwiegend außerhalb von Europa vor, z.B. im westlichen Kanada (D. andersoni), im süd-östlichen Teil der USA (D. variabilis), in Australien (I. holocyclus) oder in Südafrika (I. rubicundus). Betroffen sind meist Frauen und Kinder. Verlässliche epidemiologische Zahlen liegen nicht vor.

Inkubationszeit

Das Krankheitsbild beginnt 4–7 Tage nach dem Zeckenstich.

Symptomatik

Die Zeckenparalyse ist ein neurologisches Krankheitsbild („Neurotoxidrom“). Typisch ist eine Prodromalphase mit Parästhesien am Ort des Einstiches. Im Verlauf kann es zu Diplopie, Dysphagie, Dysarthrie, Lähmung der Extremitäten und Ataxie kommen. In schweren Fällen ist eine Ateminsuffizienz möglich, die zum Tod führen kann. In der Regel ist der Verlauf aber mild und selbstlimitierend.

Differenzialdiagnosen

Neben allergischen Reaktionen müssen Guillain-Barré-Syndrom, Botulismus, Diphtherie und Organophosphatvergiftungen differenzialdiagnostisch berücksichtigt werden.

Diagnostik

Die Zeckenparalyse ist eine klinische Diagnose (Anamnese, Inspektion, Klinik).

Therapie

Die Zecke sollte komplett entfernt und die Einstichstelle gut desinfiziert werden. Die Behandlung der neurologischen Erscheinungen ist rein symptomatisch.

Hygiene und Prävention

Es steht nur die Expositionsprophylaxe zur Verfügung.

Fazit für die Praxis

  • Zecken sollten als potenzielle Vektoren humanpathogener Erkrankungen betrachtet werden.

  • Aufgrund von hohem Reiseverkehr und klimatischen Veränderungen müssen sich Ärzte in Deutschland zunehmend mit einem breiten Spektrum an durch Zecken übertragbaren Erkrankungen fortbilden. Bei unklaren Diagnosen sollte frühzeitig der Kontakt zu einem tropenmedizinischen Zentrum hergestellt werden.

  • Eine ausführliche Reiseberatung mit Kontrolle des Impfausweises ist vor jedem Aufenthalt in besonderen Risikogebieten ratsam.

  • Gegen nicht impfpräventable Erkrankungen, die durch Zecken ausgelöst werden, steht nur die konsequente Zeckenexpositionsprophylaxe (Repellentien; Tragen langer, geschlossener Kleidung; Meiden bestimmter Gebiete) zur Verfügung.

  • Eine Zecke sollte umgehend und schonend von der Haut entfernt werden (z. B. mittels Zeckenzange). Die Einstichstelle ist anschließend gründlich zu desinfizieren und sollte längere Zeit nachbeobachtet werden.

  • Das Erfragen stattgehabter Zeckenstiche (gezielte Anamnese) kann wertvolle diagnostische Hinweise liefern

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Prof. Dr. med. Christoph Lübbert

CME-Fragebogen

Durch Zecken übertragbare Erkrankungen

Welche Aussage bezüglich der Epidemiologie der Lyme-Borreliose trifft zu?

Ein Zeckenstich führt in 15% der Fälle zu einer Übertragung.

Die Lyme-Borreliose ist in Deutschland homogen verbreitet.

In Deutschland sind mehr als 50% der Zecken mit Borrelien infiziert.

B. burgdorferi sensu strictu ist der Haupterreger der Lyme-Borreliose in Deutschland.

Die Übertragung von Borrelien ist einer starken Saisonalität unterworfen und findet vor allem zwischen März und Oktober statt.

Die Seroprävalenzrate der deutschen Bevölkerung für die Lyme-Borreliose beträgt...

< 1%

< 5%

> 25%

bei Risikopopulationen wie Waldarbeitern bis zu 50%.

kann nur schwierig quantifiziert werden, da entsprechende IgM- und IgG-Titer nach wenigen Wochen nicht mehr nachweisbar sind.

Die mit Abstand häufigste Manifestation der Lyme-Borreliose in Mitteleuropa ist...

das Lymphozytom.

die Lyme-Arthritis.

das einzelne Erythema migrans.

multiple Erythemata migrantia.

die Lyme-Karditis.

Welche Aussage bezüglich der Diagnosestellung einer Lyme-Borreliose trifft zu?

Der Nachweis von spezifischen IgM-Antikörpern beweist eine aktive Borreliose.

Das Erythema migrans ist eine klinische Diagnose und bedarf keiner Serologie.

Ein Jahr nach leitliniengerechter Therapie sollte eine serologische Verlaufskontrolle erfolgen.

Für die Diagnosestellung sind sowohl eine passende Klinik als auch eine positive Serologie erforderlich.

Zur Therapieindikation bei Erythema migrans bedarf es den Nachweis einer positiven Serologie.

Welche Aussage bezüglich Therapie und Prävention des Erythema migrans (EM) trifft zu?

Die Standardtherapie eines Erythema migrans ist oral verabreichtes Azithromycin.

Nach einem Zeckenstich wird in Deutschland keine postexpositionelle Prophylaxe mit Doxycyclin verabreicht.

Bei multiplen Erythemata migrantia muss die antibiotische Therapie intravenös verabreicht werden, da diese Ausdruck einer hämatogenen Disseminierung sind.

Die antibiotische Therapie wird nach serologischer Bestätigung begonnen.

Systemische Symptome bei einem Erythema migrans sind Hinweise für eine Disseminierung und benötigen eine längere antibiotische Therapie.

Die Sicherung der Verdachtsdiagnose einer Neuroborreliose erfolgt durch...

den Nachweis spezifischer IgM- und IgG-Antikörper im Serum.

den Nachweis einer erregerspezifischen intrathekalen Antikörpersynthese im Liquor (erhöhter Antikörper-Index).

eine signifikante Liquorpleozytose.

den Nachweis intrathekal gebildeter Immunglobuline der Klassen IgG und IgM.

den Nachweis einer Interleukin-6-Erhöhung im Liquor.

Welche Aussage bezüglich des Zeckenbissfiebers trifft zu?

Als Hauptüberträger gelten aggressive Schildzecken-Arten der Gattung Ixodes, die Kurzzeitsauger sind und den Wirt meist mehrmals hintereinander stechen.

Die Erkrankung spielt vor allem im Busch und Gras im südlichen Afrika (Safaritourismus), aber auch in der Karibik eine nennenswerte Rolle.

Die Erkrankung ist in Nordamerika hochendemisch.

Mittel der Wahl ist Azithromycin für 5–10 Tage.

Rickettsien spielen als auslösende Erreger nur eine untergeordnete Rolle.

Welche Aussage bezüglich des klinischen Verlaufs der Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) trifft zu?

Die FSME verläuft monophasisch.

Die myelitische Verlaufsform geht typischerweise in eine Querschnittssymptomatik über.

Neurologische Langzeitkomplikationen nach FSME sind äußerst selten.

Kopfschmerzen, hohes Fieber und ein stark reduzierter Allgemeinzustand gehören zu den typischen Merkmalen einer FSME.

Der Tod ist zumeist Folge einer disseminierten intravasalen Koagulopathie.

Ausgewiesene Risikogebiete für eine FSME finden sich in...

Frankreich, Spanien und Portugal

England, Schottland und Irland

den USA und Kanada

Süddeutschland, Österreich, der Schweiz sowie in Osteuropa

Nordafrika (sog. Maghreb-Staaten)

Welche Aussage bezüglich Lyme-Borreliose und FSME trifft zu?

Die Erreger von FSME bzw. Lyme-Borreliose können auch durch Mückenstiche übertragen werden.

Das Erythema migrans kann auch als Folge einer FSME-Virusinfektion auftreten.

Die FSME tritt in Deutschland deutlich häufiger auf als die Lyme-Borreliose.

Eine Fazialisparese (häufig beidseits) ist ein typisches Merkmal der Neuroborreliose.

Die chronische Enzephalomyelitis mit schleichendem Verlauf ist eine häufige Manifestation der FSME im Kindesalter.