figure 1

© psdesign1/Fotolia

Multiple biopsychosoziale Faktoren werden laut Dr. Timo Nees, Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Paraplegiologie, UniversitätsKlinikum Heidelberg, für die Entstehung einer Arthrose verantwortlich gemacht. Dabei gehe es nicht nur um die Knorpeldestruktion, sondern um immunologische Mechanismen im Gefolge der anfänglichen mechanischen Schädigung des Knorpels, die zu einer enzymatischen Gelenkdestruktion führen.

„Durch die inflammatorische Suppe kommt es zur Sensibilisierung der Schmerzfasern und Antwort von Nozizeptoren, die letztlich zu Einschränkungen von Alltagaktivitäten, Lebensqualität, Schlaf, Stimmung und sozialer Teilhabe führen.“ berichtete Nees. Auch wenn diese Mechanismen inzwischen gut verstanden sind, gibt es laut Nees weiterhin wenig Evidenz für den Einsatz von medikamentösen Interventionen.

NSAR: Nutzen-Risiko-Abwägung ist wichtig

Wie eine umfassende Netzwerk-Metaanalyse von diesem Jahr [1] bestätigte, sind die häufig eingesetzten nicht-steroidalen Anti-Rheumatika (NSAR) zwar zur akuten Reduktion von Schmerzen geeignet; für eine langfristige Wirksamkeit gäbe es dagegen keine Evidenz. Weil insbesondere in der typischen Altersgruppe der Arthrosepatienten unerwünschte kardiovaskuläre und gastrointestinale Arzneimittelwirkungen zu beachten sind, plädierte Nees für eine sorgfältige Risiko-Nutzen-Abwägung und bei moderaten bis starken Schmerzen für einen zeitlich begrenzten Einsatz von NSAR. Eine NSAR-Dauermedikation sei nicht sinnvoll, auch wenn Patienten dies oft täten.

Orale Chondroprotektiva — keine klare Empfehlung

Für orale Chondroprotektiva sei die Evidenzlage widersprüchlich. In einer Metaanalyse [2] fand sich zwar ein moderater bis starker Effekt auf den Arthroseschmerz. Allerdings sei aufgrund der Unterstützung durch Hersteller von einem Publikationsbias auszugehen und die Qualität der eingeschlossenen Studien eher mäßig. In einer großen multizentrischen randomisierten Studie an Gonarthose-Patienten [3] konnte dagegen weder für 1500 mg/d Glukosaminsulfat, noch für 1200 mg/d Chondroitinsulfat, noch für die Kombination aus beiden ein Effekt gegenüber Placebo erzielt werden. Nees Fazit: Da der symptomatische Effekt weiterhin unklar sei, aber keine erheblichen Sicherheitsbedenken stünden, könne der Placeboeffekt genutzt werden. Einen krankheitsmodifizierenden Effekt zu erwarten sei allerdings unsinnig.

i.a. Glukokortikoide: kurzfristig bei aktivierter Arthrose

Für intraartikulär (i.a.) applizierte Glukokortikoide ist laut Nees zwar ein dezenter Effekt auf Schmerz und Funktion belegt, die Qualität der Evidenz aber wiederum eher niedrig. Aufgrund der präsentierten Datenlage hält Nees eine Therapie mit intraartikulären Glukokortikoiden bei aktivierter Arthrose mit starken Schmerzen und Ergussbildung zur kurzfristigen Schmerzlinderung für sinnvoll, wenn andere Therapiemaßnahmen nicht erfolgreich waren oder Kontraindikationen für sie vorliegen. Unsinnig seien eine langfristige Behandlung, der Einsatz bei geringen Beschwerden und Injektionsintervalle von weniger als drei Monaten.

i.a. Hyaluronsäure: ohne klare Evidenz

Auch für eine Schmerzreduktion und Verbesserung des Knorpelstoffwechsels durch intraartikulär applizierte Hyaluronsäure gibt es keine klare Evidenz. Die Daten sprechen für einen klinisch nicht bedeutsamen Effekt auf den Arthroseschmerz, der gegen die mit allen intraartikulären Injektionen verbundenen Risiken abgewogen werden muss. Zudem bestehe aufgrund der Gewinnung aus Hahnenkämmen ein Allergiepotenzial und für Patienten eine nicht unerhebliche finanzielle Belastung, so Nees. Aufgrund des im Vergleich zu oralen Medikamenten erheblichen Placeboeffektes hielt Nees diese Intervention dennoch in Einzelfällen bei älteren Patienten mit geringen bis mittelgradigen Beschwerden und Kontraindikationen bzw. hohem Risiko einer NSAR-Therapie für gerechtfertigt.

Insgesamt sind aus Nees’ Sicht basistherapeutische Maßnahmen wie Gewichtsreduktion und Kräftigung der Kniestrecker wichtige Maßnahmen, solange die Evidenz für medikamentöse Interventionen so beschränkt ist.