Die Zahl der wissenschaftlichen Publikationen zum Thema Mikrobiom ist in den vergangenen Jahren förmlich explodiert. Für eine ganze Reihe von Erkrankungen wurden mittlerweile Verbindungen zum Mikrobiom nachgewiesen oder sind zumindest plausibel. Dazu zählen chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED), Adipositas, Asthma und Allergien, Diabetes mellitus, Herz-Kreislauf- sowie Krebserkrankungen und sogar Autismus und Depression.

Einige Beispiele: Bei CED-Patienten finden sich Verschiebungen im Darm-Mikrobiom: Firmicutes-Bakterien sind reduziert, Proteobacteria nehmen zu [1]. Auch für multiple Sklerose, rheumatoide Arthritis und Lupus erythematodes (SLE) wurden Veränderungen in der Zusammensetzung der Mikroorganismen beobachtet. So findet im SLE-Tiermodell eine Zunahme an Lachnospiraceae bei gleichzeitiger Abnahme von Lactobacillae statt [2]. Der Anstieg immunologisch bedingter Erkrankungen wird zum einen im Zusammenhang mit dem vermehrten Einsatz von Antibiotika diskutiert, zum anderen mit veränderten Ernährungsgewohnheiten. Diese wirken sich ebenfalls auf das Mikrobiom aus.

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Einige von rund einer Billion Mikroorganismen im menschlichen Körper.

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Sogar bei psychiatrischen Erkrankungen scheint das Mikrobiom beteiligt zu sein. So unterscheidet sich etwa bei Autisten das Verhältnis von Firmicutes zu Bacteroides von jenem bei Gesunden [3]. Und die Übertragung von Darmbakterien depressiver Patienten auf sterile Ratten führte bei den Tieren zu depressiven Verhaltensweisen [4].

Jahrelange Nachwirkungen nach Antibiotikagabe

Eine Antibiotikatherapie hat neben der erwünschten Eliminierung des Krankheitserregers meist auch unerwünschte Wirkungen. Im Vordergrund steht die drastische Veränderung der physiologischen Bakterienflora des Patienten, Dysbiose genannt. Allen bekannt ist das erhöhte Risiko für Vaginalmykosen infolge der Reduktion von Lactobazillen durch eine Antibiose. Die verminderte Vielfalt und die massive Verringerung der Bakterien im Darm wiederum schafft für Antibiotika-resistente Erreger wie Clostridium difficile ein günstiges Milieu. Eine Clostridien-Infektion kann noch zwei Monate nach Ende einer Antibiotikagabe erfolgen.

Als falsch erwiesen hat sich die Annahme, die physiologische Bakterienflora würde sich binnen weniger Wochen nach Ende der Antibiotika-Gabe normalisieren. Richtig ist: Die Dysbiose kann über Monate bis hin zu mehreren Jahren andauern [5]. Auch resistente Erreger überdauern längere Zeit, selbst dann, wenn der Selektionsdruck durch das Antibiotikum schon lange fehlt. So wurden im Stuhl von Patienten bakterielle Resistenzgene noch Jahre nach Ende der Antibiose nachgewiesen [6].

Wie lässt sich das Mikrobiom schützen?

Durch folgende Maßnahmen wird die Darmflora geschützt:

  • Strenge Indikationsstellung: Antibiotika zum Beispiel bei Atemwegsinfekten nur verordnen, wenn diese wirklich indiziert sind.

  • Das richtige Präparat wählen, hier gilt: So eng wie möglich, so breit wie nötig.

  • Die richtige Therapiedauer wählen: So kurz wie möglich, so lang wie nötig.

  • CAVE: Je breiter das Wirkspektrum und je länger die Therapiedauer, desto stärker ist die Mikrobiom-Schädigung.

Zudem können Probiotika eine Antibiotika-assoziierte Diarrhö (AAD) vermeiden oder lindern. So hat ein Cochrane-Review ergeben: In der Gruppe von Kindern und Jugendlichen (2 Wochen bis 17 Jahre), die zusätzlich zum Antibiotikum ein Probiotikum erhalten hatten, lag die AAD-Rate bei 8% (163 von 1.992 Patienten). In der Placebo- oder unbehandelten Gruppe hatten 19% (364 von 1.906) eine AAD [7]. Auch das Risiko für Clostridien-assoziierten Durchfall lässt sich um 64 % reduzieren, wenn zur Antibiose ein Probiotikum gegeben wird [8].