Fettleibigkeit wird vor allem dann, wenn sie stammbetont ist und ihren Ausdruck in einem vergrößerten Taillenumfang findet, zu den Risikofaktoren für eine koronare Herzkrankheit gezählt. Als pathophysiologische Bindeglieder zwischen Adipositas und KHK gelten kardiometabolische Risikofaktoren wie Insulinresistenz, Dyslipidämien und Typ-2-Diabetes.

Doch nicht alle Menschen mit Übergewicht oder Fettleibigkeit weisen diese metabolischen Störungen auf. Bedeutet das, dass sie nicht zum Kreis der KHK-gefährdeten Personen gehören? Darüber ist man sich derzeit nicht einig. Dass es den „metabolisch gesunden Fettleibigen“ gibt, bei dem kein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko besteht, wird sowohl behauptet als auch bestritten.

Forschungsergebnisse einer großen europäischen Studiengruppe scheinen den Kritikern dieses Konzepts nun recht zu geben. Die Untersucher nutzen dafür Daten der EPIC-Studie (European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition), an der 366.521 Frauen und 153.457 Männer in zehn europäischen Ländern beteiligt sind.

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Wenn die Waage streikt, ist das KHK-Risko erhöht.

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In einer EPIC-CVD benannten Substudie sind nun die Daten von 7637 Teilnehmern, bei denen im Follow-up-Zeitraum von rund 12 Jahren eine KHK aufgetreten war, genauer analysiert worden. Diese „Fälle“ sind mit einer repräsentativen Referenzgruppe, die aus 10.474 nach Zufallsprinzip ausgewählten Studienteilnehmern bestand, verglichen worden (case cohort analysis).

Klassifizierung nach Körpergewicht und metabolischem Profil

Anhand des Body-Mass-Indexes (BMI) wurden die Teilnehmer als normalgewichtig, übergewichtig oder adipös klassifiziert. Zudem wurden sie danach unterteilt, ob sie „metabolisch gesund“ oder „metabolisch ungesund“ waren . Maßgeblich dafür war das Fehlen oder Vorliegen von Veränderungen, die gemeinhin in die Definition des „Metabolischen Syndroms“ fallen, nämlich Blutdruckerhöhung, Hypertriglyzeridämie, niedriges HDL-Cholesterin, Hyperglykämie und vergrößerter Taillenumfang. Lagen drei oder mehr dieser Störungen vor, erfolgte eine Einstufung als „metabolisch ungesund“.

Als Referenzgruppe fungierten normalgewichtige Teilnehmer, die anhand dieser Kriterien als „gesund“ klassifiziert worden waren. Im Vergleich zu dieser Gruppe hatten Teilnehmer, die zwar normalgewichtig waren, aber das Attribut „metabolisch ungesund“ attestiert bekamen, ein etwa doppelt so hohes KHK-Risiko (Hazard Ratio [HR] 2,15). Noch etwas höher war dieses Risiko, wenn zur Einstufung als „ungesund“ auch noch Übergewicht hinzu kam (HR 2,33). Bei einer Kombination aus „ungesundem“ metabolischem Profil und Fettleibigkeit war das KHK-Risiko vergleichsweise am höchsten (HR 2,54).

Erhöhtes Risiko trotz „metabolischer Gesundheit“

Interessant sind nun die Ergebnisse bei jenen Teilnehmern, die trotz bestehenden Übergewichts oder Adipositas als „gesund“ klassifiziert worden waren. Es zeigte sich, dass auch bei ihnen die Wahrscheinlichkeit einer KHK-Entwicklung höher war als bei „gesunden“ Teilnehmern mit Normalgewicht. Im Fall von Übergewicht war das Risiko relativ um 26% (HR 1,26) und im Fall von Adipositas um 28% (HR 1,28) erhöht. Die Risikoerhöhung war damit allerdings deutlich geringer als in der „metabolisch ungesunden“ Gruppe.

Nach Ansicht der Studienautoren kann damit das Konzept der „metabolisch gesunden Adipositas“ wohl ad acta gelegt werden. Nach ihrer Ansicht sprechen die Ergebnisse dafür, dass auch übergewichtige Personen ohne einschlägige metabolische Risikofaktoren von einer Gewichtsreduktion profitieren könnten. Sie weisen darauf hin, dass etwa Leitlinien in Großbritannien und den USA mit Blick auf diesen Personenkreis derzeit keine Empfehlungen zur Gewichtsabnahme beinhalten.