Einen wissenschaftlichen Beleg dafür, dass langjährige Ehepartner nicht nur Bett und Tisch teilen, sondern auch Sorgen und Leid, liefert die Arbeit von Courtney A. Polenick und Kollegen von der University of Michigan in Ann Arbor. Frauen, so zeigt die Studie einmal mehr, nehmen sich die Probleme ihrer männlichen Partner dabei deutlich mehr zu Herzen als umgekehrt.

An der Longitudinalstudie nahmen 963 verheiratete heterosexuelle Paare teil. Die Daten stammen aus der Health and Retirement Study, in der über 50-Jährige in regelmäßigen Abständen gebeten werden, Fragen zu körperlicher und seelischer Gesundheit zu beantworten.

Die Ehepartner waren im Schnitt 63 (Frauen) bzw. 66 Jahre (Männer) alt und seit im Schnitt gut 36 Jahren verheiratet. Ihnen hatte man — jeweils getrennt — zwischen 2006 und 2014 in fünf Wellen Fragebögen zu depressiven Symptomen (Center for Epidemiologic Studies Depression Scale) sowie zu etwaigen Schmerzen vorgelegt und sie darüber hinaus zu ihrer Ehe befragt.

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Würde er sich auch so um sie sorgen?

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22,6% der Frauen und 17,2% der Männer gaben zu Beginn der Erhebung an, unter „bedeutsamen Schmerzen“ zu leiden. Über den gesamten achtjährigen Erhebungszeitraum traten solche Schmerzen bei 50,5% bzw. 40,5% der Befragten auf. Subjektiv bedeutsame depressive Symptome wurden zu Beginn von 8,6% (Frauen) bzw. 5,4% (Männer) berichtet; dieser Prozentsatz stieg im Laufe der Studie auf 22,6% bzw. 15,5%.

Schmerzstärke bestimmt den Verlauf der depressiven Symptome

Wie Polenick et al. berichten, war die Schmerzstärke zu Beginn bei beiden Geschlechtern signifikant mit dem Schweregrad depressiver Symptome im Studienverlauf — dazu zählten u. a. das Gefühl von Niedergeschlagenheit, Einsamkeit, Traurigkeit sowie unruhiger Schlaf — verknüpft.

Überraschenderweise zeigten Frauen mit höheren Werten auf der Schmerzskala im Zeitverlauf insgesamt eine Abnahme depressiver Symptome. Die Forscher erklären dies mit einer beim weiblichen Geschlecht offenbar wachsenden Resilienz gegenüber eigenen Symptomen. Klagten ihre Männer dagegen seit Studienbeginn über Schmerzen, stiegen die Depressionswerte bei den Frauen in den darauffolgenden Jahren deutlich an, und zwar umso mehr, je stärker die von den Männern empfundenen Schmerzen waren. Dieser Effekt überdeckte bei den Frauen den Effekt eigener Schmerzen und blieb auch unabhängig von Komorbiditäten und Eheproblemen bestehen.Umgekehrt schienen die Männer vom Leiden der Gattin wenig belastet zu sein: So blieben die Werte auf der Depressionsskala bei den männlichen Partnern im Verlauf unbeeinflusst von der Schmerzstärke, die die Angetraute zu Studienbeginn empfand.

Besseres Gespür für Schmerzen beim Ehepartner

Polenick und Kollegen führen hierfür drei Hauptgründe an: Der erste sei die bei Frauen stärker ausgeprägte Empathie gegenüber dem Ehegespons. Erstere könnten es offenbar schwerer ertragen, ihren Partner leiden zu sehen. Zum zweiten bewiesen Frauen ein besseres Gespür für Schmerzen beim Partner. Und drittens sei die Ehefrau meist diejenige, die sich im Krankheitsfall um den Partner kümmere. Studien hätten gezeigt, dass verheiratete Frauen vergleichsweise deutlich mehr Zeit in pflegerische Tätigkeiten wie Baden, Anziehen etc. investierten als ihr männlicher Gegenpart.

„Schmerzen beim Partner können der seelischen Gesundheit von Frauen offenbar langfristig schaden“, so das Fazit der Studienautoren. Vor allem Männer neigten dazu, sich emotional zurückzuziehen, wenn sie unter chronischen Schmerzen litten. Auch die sich daraus ergebenden Partnerschaftsprobleme seien eine wichtige Ursache für psychischen Stress bei den Frauen.

Die Experten empfehlen daher, ältere Patienten mit chronischen Schmerzen generell regelmäßig auf depressive Symptome zu screenen und bei Frauen, die ihre Männer pflegen, ganz besonders auf die seelische Gesundheit zu achten. Paarbasierte Interventionen wie ein gemeinsames Schmerzbewältigungs- und Fitnesstraining könnten hilfreich sein, nicht nur im Hinblick auf die Schmerzen, sondern auch auf das psychische Wohlbefinden beider Ehepartner.