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Eine schmerzhafte Polyneuropathie entwickeln nur etwa 5% der Typ-1-, aber etwa 25% der Typ-2-Diabetiker. „Bei den diabetischen Neuropathien muss man die distal-symmetrische Polyneuropathie und die autonome Neuropathie unterscheiden“, sagte Prof. Jochen Seufert, Freiburg, bei der 46. Jahrestagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft, in Leipzig. Neuropathische Schmerzen beeinträchtigen die Lebensqualität der Betroffenen stark, zumal sie mit vielen weiteren Problemen wie Schlaf- und Angststörungen, Depression und ungewolltem Gewichtsverlust assoziiert sind.

Die wichtigste präventive Maßnahme gegen die diabetische Neuropathie ist, den Blutzucker zu optimieren. Neben einer langfristig unzureichenden Diabeteskontrolle gebe es aber noch weitere Risikofaktoren, nämlich übermäßigen Alkoholkonsum, Rauchen und Übergewicht, so Seufert.

Leitsätze gegen neuropathischen Schmerz

Von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie wurden Leitsätze für die medikamentöse Therapie entwickelt. Diese umfassen folgende Empfehlungen:

  • Das wirksamste Medikament muss bei jedem Patienten durch Erprobung unter Berücksichtigung der individuellen Beschwerden, Nebenwirkungen und Kontraindikationen gefunden werden.

  • Jeder Patient benötigt eine individuelle Dosierung in Abhängigkeit von Wirkung und Nebenwirkungen, d.h. eine sorgfältige Titration.

  • Die Wirkungslosigkeit sollte bei ausreichender Dosis erst nach 2–4 Wochen festgestellt werden.

  • Dosen und Applikation müssen je nach Pharmakokinetik und Interaktionsprofil bemessen werden.

  • Bei gleicher analgetischer Wirksamkeit sollen Medikamente bevorzugt werden, deren Risiko für kardiovaskuläre, hepatische, renale und metabolische Nebenwirkungen am niedrigsten ist.

  • Kombipräparate mit Koffein, Benzodiazepin oder Muskelrelaxanzien sind nicht indiziert. Sie bergen das Risiko von Missbrauch und Abhängigkeit.

  • Realistische Therapieziele sind eine Schmerzreduktion um 30–50%, eine Verbesserung der Schlafqualität, eine Verbesserung der Lebensqualität, die Erhaltung der sozialen Aktivität und des Beziehungsgefüges und der Arbeitsfähigkeit.

Welche Medikamente helfen?

Für die Behandlung der diabetischen Polyneuropathie gibt es ein großes Spektrum an Substanzen. „Doch die Bewertung ist in den verschiedenen Leitlinien unterschiedlich“, sagte Prof. Dan Ziegler, Düsseldorf. NSAR und Coxibe seien nicht wirksam und obsolet. Dagegen könne Paracetamol oder Metamizol bei intermittierenden leichten Schmerzen versuchsweise kurzfristig eingesetzt werden. Gemäß der Praxisleitlinien der DDG werden bei chronischen Schmerzen als Medikamente der ersten Wahl Antidepressiva wie Duloxetin, Amitryptilin, Clomipramin und Imipramin empfohlen. Ebenso empfohlen wird der Kalziumkanalmodulator Pregabalin. „Pregabalin moduliert die Aktivität von überaktivierten Schmerzfasern und trägt somit zu einer signifikanten Schmerzreduktion bei“, so Seufert.

Opioide zweite Wahl

Als Medikamente der zweiten Wahl wird zu Opioiden wie Tramadol und Oxycodon, dem Kalziumkanalmodulator Gabapentin und der alpha-Liponsäure geraten. Letztere sollte als i.v. Infusion über 3 Wochen gegeben werden. In der Nationalen Versorgungsleitlinie wird alpha-Liponsäure nicht empfohlen. Mittel der dritten Wahl sind der Natriumkanalblocker Carbamazepin und Capsaicin lokal. Bei starker Symptomatik reicht eine Monotherapie nicht. Hier empfiehlt sich eine Kombitherapie mit einem Opioid. Wichtig sind auch nicht pharmakologische Ansätze wie Elektrotherapie (Nerven- und Muskelstimulation), Physio- und Verhaltenstherapie. „Die Schmerzen können auch durch die Ablenkung und Umlenkung der Aufmerksamkeit — weg von Belastendem hin zu Angenehmem-, Pflegen sozialer Kontakte, körperliche Aktivität und sinnvolle Alltagsgestaltung besser bewältigt werden“, so Seufert.