Was die Krebsprävention betrifft, so dürfte die Untersuchung von Wissenschaftlern um Dr. Michael Gaziano von der Harvard Medical School das ramponierte Image der Vitaminpräparate wieder etwas aufpolieren. Die Forscher haben eine neue Auswertung der Physicians’ Health Study II vorgelegt, eine der größten und längsten placebokontrollierten Interventionsstudien mit Vitaminpräparaten. Teilnehmer waren knapp 14.700 männliche US-Ärzte im Alter von über 50 Jahren. Die Hälfte der Ärzte erhielt Monatspackungen mit Placebo zugeschickt, die anderen handelsübliche Multivitaminpräparate.

Zur Hälfte Prostatakarzinome

Nach im Schnitt 11,2 Jahren waren knapp 19% der Ärzte gestorben, etwa 6% an Krebs. Eine Tumorerkrankung trat bei etwa 18% auf, die Hälfte davon waren Prostatakarzinome. Schauten die Forscher nun nach der Krebsinzidenz, so gab es in der Vitamingruppe im Vergleich zu Placebo mit 17,0 versus 18,3 pro 1000 Personenjahre etwas weniger Tumoren — ein Unterschied von 8%.

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Große Pille hilft nicht unbedingt viel. Aber nützen Vitamine überhaupt?

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Weniger Krebstote in Vitamingruppe

Versuchten die Forscher nun, das Ergebnis auf einzelne Tumorentitäten herunterzubrechen, so ergaben sich keine signifikanten Unterschiede zwischen Probanden mit Vitaminen und Placebo, auch nicht beim häufigen Prostatakarzinom. Wurden Tumoren der Prostata ausgeklammert, dann ließ sich mit Vitaminen immerhin eine um 12% niedrigere Inzidenz bei der Summe der übrigen Tumoren feststellen, woraus Gaziano und Mitarbeiter schließen, dass Multivitamine zur Prävention von Prostata-Ca. tatsächlich nichts bringen, aber offenbar bei anderen Tumoren. Die krebsbedingte Sterberate war in der Vitamingruppe ebenfalls etwas niedriger (4,9 vs. 5,6 pro 1000 Personenjahre), der Unterschied war hier aber nicht signifikant. Etwas ausgeprägter war der Effekt bei den 1312 Männern, die zu Studienbeginn bereits schon einmal an Krebs erkrankt waren: Hier traten in der Vitamingruppe neue Tumoren zu 27% seltener auf als in der Placebogruppe. Hinweise gab es zudem, dass der Schutzeffekt bei älteren Männern größer ausfällt: Bei den über 70-Jährigen war die Krebsinzidenz in der Vitamingruppe um 18% reduziert, statistisch allerdings nicht signifikant.

Widersprüchliches Bild

Insgesamt ergibt sich mit dieser Untersuchung ein recht widersprüchliches Bild zum präventiven Nutzen von Vitaminpräparaten. Unter den epidemiologischen Studien fand etwa die Women’s Health Initiative mit 160.000 Frauen nach acht Jahren keinen Zusammenhang zwischen den wichtigsten Krebsarten und der Einnahme von Vitaminpräparaten, eine schwedische Studie mit 35.000 Frauen kam nach zehn Jahren auf eine um knapp 20% erhöhte Brustkrebsrate unter Multivitaminen, die Nurses’ Health Study dagegen auf eine deutlich reduzierte Darmkrebsrate unter Vitaminkonsumentinnen.

Zum Teil, so Gaziano und Kollegen, lassen sich die unterschiedlichen Resultate wohl durch unterschiedliche Zeiträume und Dosierungen der einzelnen Studien erklären. Sie plädieren dafür, möglichst lange Zeiträume zu wählen und Dosierungen, die auch bei im Alltag verwendeten Präparaten üblich sind. Zugleich verweisen sie aber darauf, dass bei wohlgenährten Personen ohne Vitaminmangel der Nutzen einer Supplementierung mit relativ niedrig dosierten Vitaminen eher gering sind dürfte.