Gesammelte Antworten aus dem Berufsverband der Pneumologen Nordrhein. Von Norbert Mülleneisen Sebastian Sohrab, Abdelhakim Bayarassou, Susana Jörger-Tuti, Marcus Joest, Sebastian Böing, Wolfgang Wende.

Ein befreundeter dermatologischer Oberarzt einer Uniklinik sagte mir neulich, wenn er sich nochmals entscheiden müsse, würde er Pneumologe werden. Das hat mich nachdenklich gemacht. Ich bin gerne Pneumologe und würde, ohne zu zögern, erneut diesen Weg in die Pneumologie wählen, zumal es heutzutage schneller gehen würde. Warum? Ich habe mal meine Kollegen im Berufsverband gefragt. Hier ist eine Kollektion der Antworten.

  • Weil es Spaß macht nachzudenken. Ja so ein Huster, der raucht, ist keine Herausforderung, das macht der Pneumologe auf Rückenmarksebene. Aber ein Asthmatiker, der im Sommer seine Beschwerdesaison hat, aber nicht auf Gräser, Alternaria und Cladosporium reagiert, da braucht man doch sein Gehirn. Wir haben spannende Fälle, und immer neue Krankheitsbilder gewinnen an Bedeutung.

  • Weil es viele Stellen gibt. Schauen Sie mal im Deutschen Ärzteblatt die Stellenanzeigen durch. Die Zukunft ist rosig. Unser Stellenwert in der Inneren Medizin ist groß und wächst stetig. Die Pneumologie atmet förmlich auf nach langen Jahren des Schattendaseins in Tuberkulosekliniken am Stadtrand.

Der Stellenwert der Pneumologie in der Inneren Medizin ist groß und wächst stetig

  • Die Pneumologie ist sehr variabel und vielfältig. Sie bietet jedem einen eigenen Lieblingsspielplatz. Detektive unter uns haben großen Spaß daran, in der Allergologie etwas herauszufinden. Technikaffine schwärmen von der Beatmungs- und Schlafmedizin, wo Apparatemedizin wirklich hilft. Die Macher unter uns sind gerne interventionell unterwegs, Bronchoskopien, Thorakoskopien, Stenteinlagen und Kryobiopsien inklusive. Unsere Kümmerer fühlen sich in der pneumologischen Psychosomatik und Palliativmedizin wohl, hier werden sogar einzelne Krankheitsbilder wie die zystische Fibrose voll besetzt. Als Schnittstellenfach bestehen darüber hinaus enge Verknüpfungen mit der Infektiologie, der Kardiologie sowie der Onkologie und der Arbeits- und Umweltmedizin.

  • Weil es nette Kollegen gibt. Haben Sie mal die Ellbogen der Kardiologen in der Uni gespürt? Mit Pneumologen kann man abends saufen, ohne Angst zu haben, am nächsten Morgen mit einem Messer im Rücken aufzuwachen. Die Kollegen sind nett, kooperativ und nicht so konkurrierend.

  • Weil die Pneumologie viel mit anderen Gesundheitsberufen kooperiert und ungeheuer interdisziplinär ist. Wir arbeiten zusammen mit Atmungstherapeuten, pneumologischen Fachassistentinnen, Ökotrophologen, Physiotherapeuten/Atemtherapeuten, Sporttherapeuten u. a. m. Wir bekommen so immer neue Anregungen und können uns hinterfragen und neu positionieren.

  • Weil man in der Praxis und in der Klinik arbeiten kann. Weil es auch in der Praxis finanziell lukrativ ist. Wir verdienen nach den Kardiologen das meiste Geld in der Inneren Medizin. Aber wir Giemen nicht so nach Geld wie die Kardiologen.

  • Dum spiro spero, weil wir den Menschen Hoffnung geben, die mit ihrer Atmung kämpfen. Luftnot wird als existenziell bedrohlich empfunden. Deshalb sind die Patienten so dankbar, wenn wir die Luftnot lindern können.

  • Als Student habe ich mich für Infektionskrankheiten interessiert, damals gab es eine neue Erkrankung, die nur Schwule befiel und die man „gay related immunodeficency“ nannte. Später erfuhren wir, es war HIV. Das brachte mich in die Pneumologie, denn diese Patienten hatten meist atypische Pneumonien. Ich habe dann viel mit den Dermatologen zusammengearbeitet, die das Kaposi-Sarkom bei diesen Patienten betreuten. Ich habe dann diese Patienten bronchoskopieren dürfen und kam über die Bronchologie zum Bronchialkarzinom und zur Onkologie. In der Praxis kam später die Allergologie hinzu, denn das allergische Asthma ist die häufigste Erkrankung und der Heuschnupfen die dritthäufigste Erkrankung bei niedergelassenen Pneumologen. Über die Allergologie kam ich zur Immunologie und zu Immundefekten und habe dabei viel mit Pädiatern zusammengearbeitet und unglaublich viel von den Kinderpneumologen und Kinderallergologen gelernt.

  • Der Pneumologe ist der geborene Umweltmediziner und ist Kämpfer gegen Tabak, Feinstaub und Luftverschmutzung. Das kann man, indem man sich berufspolitisch engagiert, einen QZ leitet oder in die Kommunalpolitik geht. Das hilft auch, um die Gruppe der Pneumologen zusammenzuhalten.

  • Ich habe mir eine Pollenfalle angeschafft, um zu verstehen, welche Pollen zu welcher Zeit bei mir in der Luft sind, um so die Beschwerden meiner Patienten besser den Allergenen zuordnen zu können.

  • In unserem Qualitätszirkel der niedergelassenen Pneumologen gibt es eine Liste der seltenen Erkrankungen und wer sich dafür interessiert. So kann man Patienten mit seltenen Erkrankungen besser versorgen und muss die Patienten nicht immer an weit entfernte Universitätskliniken verweisen. Man kann diese Kollegen um Rat fragen oder die Patienten überweisen.

  • Die häufigsten Todesursachen weltweit sind auf Platz 3 COPD, Platz 4 Pneumonien, Platz 6 Bronchialkarzinom und Platz 10 Tuberkulose. Wir haben also genug zu tun, und wir werden auch künftig gebraucht. Wir sind die zuständige Fachgruppe für neue Atemwegspandemien wie SARS-CoV‑2.

  • Wer atmet lebt. Das Herz schlägt schon im Mutterleib, aber das eigentliche selbstständige Leben auf dieser Erde beginnt doch mit dem ersten Atemzug. Und von diesem Augenblick bis zum letzten Atemzug sind wir Pneumologen zuständig. Und wir lassen keinen alleine. Was kann es Besseres geben?

  • In der Pneumologie wird nicht nur gestorben. Wir haben im Vergleich zu anderen Fachgruppen viele junge Patienten mit Asthma oder Allergien, auch Kinder. Wir haben leicht kranke Patienten und schwer kranke Patienten zugleich. Unsere psychische Belastung ist nicht so schwer.

  • Die Pneumologie ist sauber im Vergleich zu anderen Fachgruppen. Sie ist interessanter, mannigfaltiger, interaktiver, interdisziplinärer als andere Fächer.

  • Wer die Pneumologie liebt, der kümmert sich gerne um Menschen, in kaum einer anderen internistischen Disziplin spüren Patienten ihre Einschränkung so unmittelbar wie in der Lungenheilkunde. Diabetes, Hypertonie oder Niereninsuffizienz werden bei Verschlechterung oft gar nicht wahrgenommen, eine kleine Änderung der Atmung aber sehr wohl. Die Dankbarkeit unserer Patienten, wenn wir ihnen mehr Luft verschaffen, ist Erfolg und Ansporn zugleich.

  • Ich war nie gut in Physik und Chemie, nur Biologie hatte mir im Abitur gefallen. Meine Liebe zu den Naturwissenschaften, war also kein Grund, Arzt zu werden. Auch der Wunsch, Menschen zu helfen, war keine meiner Hauptmotivationen. Aber seit ich Pneumologe bin, habe ich endlich Inhalationsphysik, ideales Gasgesetz und die Flowgesetze verstanden. Das macht Spaß und hilft mir im Alltag.

  • Dass ich jeden Tag mit Menschen, seien es Patienten oder Mitarbeiter, zusammenarbeiten darf, ist mir wichtig. Mein Job vereint alles, was ich täglich gerne mache und auch in Zukunft machen will. In der Pneumologie ist die wissenschaftliche, technische und menschliche Entwicklung nie abgeschlossen, man lernt immer dazu. Das fordert meinen Geist und befriedigt tägliche meine Neugier.

  • Kein Tag in der Pneumologie ist wie ein anderer. Man kann viel mit Routine machen, aber man muss zwischen den Zeilen genau zuhören, um den Patienten zu verstehen. Hier sind Empathie und Psychologie gefragt. Jedenfalls mache ich etwas, das für andere Menschen wichtig und bedeutsam ist. Abends weiß ich, was ich geleistet habe, und montags freue ich mich, wieder Arbeiten gehen zu dürfen.

  • Schon im alten China legte man auf die Atemtechnik viel wert: Sowohl im Yoga als auch im Kampfsport ist bewusstes Atmen essenziell.

  • Pneumologie ist innovativ und digital, aber auch menschlich und z. B. aktiv in der Versorgung von ukrainischen TBC-Patienten.

Pneumologie ist innovativ und digital

  • Arbeitszeiten und Arbeitsabläufe sind in der pneumologischen Praxis gut zu planen und mit dem Familienleben gut vereinbar. Frau bestimmt schlicht selber, wann sie wo wie arbeiten will und muss nicht erst mit der Pflegedienstleitung reden. Wer wenig arbeiten will, kann das machen und verdient dann eben weniger. Es gibt in der Praxis keinen Verwaltungschef, der einem sagt, was man an Umsatz machen muss.

  • Weil Pneumologie mit der Zeit geht: Flexibilität und freie Zeiteinteilung sind heute ein hohes Gut. Pneumologie bietet aufgrund der zahlreichen ambulant behandelbaren Erkrankungen die Chance, auch in der Klinik künftig in Teilzeit oder flexiblen Arbeitszeitmodellen zu arbeiten. Auch für einen Wiedereinstieg nach einer beruflichen Pause (z. B. durch eine längere Elternzeit) finden sich in der ambulanten Pneumologie zahlreiche Chancen. Viele niedergelassene Kollegen*innen suchen Wieder- und Quereinsteiger*innen.

  • Zusatzqualifikationen wie die Schlafmedizin bieten sogar die Chance, im „Homeoffice“ tätig zu sein und Patientenversorgung von zu Hause zu praktizieren. So können Polysomnographien technisch nahezu von jedem Ort der Welt ausgewertet werden. Durch digitale Möglichkeiten können Positivdrucktherapien wie CPAP und verwandte Verfahren überwacht und Patienten hinsichtlich einer weiteren Diagnostik und Einstellung mittels Videosprechstunde beraten werden.

  • Ob ich noch mal Arzt werden will, ich weiß es nicht. Es gibt so viele andere Interessen, schöne Berufe. Aber wenn es denn Arzt sein soll, dann ist das Pneumologendasein schon eine feine Sache. Ich mag die Community, als kleine Gruppe kennt man sich, hilft sich – meistens zumindest. Die jährlichen Kongresse, immer in anderen Städten – so lernt man Deutschland kennen –, sind wie Familientreffen. Legendär der Kongress in Bad Reichenhall mit Vorträgen in Kursaal und Kino und der Industrieausstellung im Bierzelt. Auf regionaler Ebene gibt es den Qualitätszirkel, ein tolles Format, bei dem KollegInnen aus Klinik und Praxis sich regelmäßig treffen und austauschen.

  • Nicht, dass es in der Praxis keine Bürokratie gäbe. Aber vieles kann man selber gestalten oder delegieren, und die Mitarbeiter stellt man selber ein und motiviert man auch selber. Wenn man will, bezahlt man einen Bonus oder gewährt eine Gehaltserhöhung und muss nicht erst mit der Verwaltung oder Pflegedienstleitung reden. Burn-out durch überbordende Bürokratie gibt es nicht in der Praxis, wenn man die MFA gut behandelt. Dann halten die einem den Rücken frei für die ärztlichen Tätigkeiten. Ich habe in 26 Jahren noch nie eine Kassenabrechnung machen müssen und immer gut verdient.

  • Die KV unterstützt bei Krankheit oder Entbindung. Ärztinnen können sich nach Entbindung bis zu 12 Monaten vertreten lassen. Bei Kindererziehungszeiten mit Genehmigung sogar bis zu 36 Monaten.

  • Wenn ich will, rede ich mit der kranken Oma länger, als ich das im Krankenhaus durfte. Es ist meine Zeit, die ich opfere, und es ist noch nicht mal mein Geld, das ich verliere, denn ich kann die Psychosomatik-Ziffern einsetzen, wenn ich den Kurs Psychosomatische Grundversorgung habe.

Wer eine familiäre Atmosphäre liebt, ist in der Pneumologie richtig

  • Die Pneumologie hat inzwischen eine enorme wissenschaftliche Dynamik entwickelt. In keinem Bereich der Onkologie hat es in den letzten Jahren einen solchen Fortschritt gegeben wie in der pneumologischen Onkologie, die Prognose des nichtkleinzelligen Lungenkarzinoms hat sich dramatisch verbessert. Für das schwere Asthma stehen heute Antikörpertherapien zur Verfügung, von denen die Älteren unter uns jahrzehntelang geträumt haben. Selbst für Krankheitsbilder mit sehr begrenztem Therapiespektrum wie der Lungenfibrose stehen aktuell mehr als 10 verschiedene Substanzen in der Pipeline. Und für alle, die gerne mitforschen wollen, gibt es viele Möglichkeiten, sich beispielsweise im Rahmen von Phase-3-Studien oder lokalen Forschungsprojekten einzubringen.

  • Wer eine familiäre Atmosphäre liebt, ist in der Pneumologie richtig. Wir sind eine überschaubare Gruppe, die sich immer gegenseitig unterstützt und dazu noch sehr gut organisiert ist. Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie ermöglicht mit den einzelnen Sektionen aktive Mitgestaltung, der deutschlandweit wechselnde Jahreskongress ist neben dem Wissenstransfer auch unser jährliches Familientreffen. Berufspolitisch sind die Landesverbände im Bundesverband der Pneumologie aktiv, hier sorgen wir unter anderem für die Zukunft der wohnortnahen fachärztlichen Versorgung. Daneben gibt es noch viele landeseigene wissenschaftliche Gesellschaften sowie die Deutsche Forschergruppe Pneumologie in der Primärversorgung (DFPP), ein Zusammenschluss von hausärztlich-pneumologischen ÄrztInnen.