„Steigende Resistenzraten“ und „zu wenig neue Antibiotika“ sind Stichwörter, die aktuell häufig zu hören sind. Auch als in dem Bericht von Jim O’Neill im Jahr 2016 über die globale Bedrohung antimikrobieller Resistenzen (AMR) 10 Mio. Todesfälle durch AMR im Jahr 2050 prognostiziert wurden, horchten viele verunsichert auf. Der erwähnte Bericht hat dazu geführt, dass eine genauere Abschätzung der tatsächlichen Gefahr, an AMR-Infektionen zu versterben, gefordert wurde. Eine große internationale Forschergruppe, die Antimicrobial Resistance Collaborators, hat insgesamt 471 Mio. Patientenakten weltweit analysiert und die Todesfälle in Zusammenhang mit und durch AMR im Jahr 2019 errechnet. Die wichtigsten Erkenntnisse daraus sind wohl, dass AMR global sehr unterschiedlich verteilt ist, es in Europa ein Nord-Süd-Gefälle gibt, wobei Deutschland zu Nordeuropa gehört und die meisten Todesfälle durch multiresistente Erreger bei Atemwegsinfektionen vorkommen.

Die meisten Todesfälle durch multiresistente Erreger kommen bei Atemwegsinfektionen vor

Der rationale Umgang mit Antibiotika (Antibiotic Stewardship [ABS]), um einer Resistenzentwicklung entgegenzuwirken, ist sowohl für die ambulante als auch die stationäre Pneumologie ein wichtiges Thema. ABS-Programme sollen zu einer optimalen Auswahl, Dosierung und Dauer der antibiotischen Therapie, dem bestmöglichen klinischen Erfolg bei gleichzeitig möglichst geringer Toxizität für den Patienten, einem geringen Einfluss auf die Resistenzentwicklung und einer hohen Kosteneffektivität führen. Diesem Ziel kann auf verschiedenen Wegen näher gekommen werden, wie z. B. durch die Erstellung von Behandlungsleitlinien, konsiliarischen Beratungen zu einzelnen Patienten oder Fortbildungsveranstaltungen rund um das Thema Diagnostik und Therapie von Infektionskrankheiten. In den letzten Jahren hat sich in Deutschland viel auf diesem Gebiet getan und so sind die Verordnungszahlen sowohl für die Antibiotika insgesamt als auch für Reserveantibiotika rückläufig. ABS-Teams konnten in vielen Kliniken etabliert und Ausbildungen zum ABS-Experten durchgeführt werden. Ein 2007 in Freiburg ins Leben gerufenes Antiinfektiva Surveillance-Projekt (ADKA-if) wertet im stationären Bereich die Antibiotika‑, Virostatika- und Antimykotika-Verbräuche aus über 200 Kliniken in ganz Deutschland jährlich aus und vergleicht diese untereinander.

ABS spielt auch in der Pneumologie eine wichtige Rolle. Aus diesem Grund haben wir für dieses Heft 5 der wichtigsten Themen aufgenommen und Experten aus diesen Bereichen gebeten, Empfehlungen für die tägliche Praxis zu geben. Nicht zuletzt auch durch die ABS-Bewegung ist die Bedeutung der Schwere einer Blutstrominfektion mit Staphylococcus aureus bewusster geworden. Die Therapie muss gezielt und ausreichend lange sein. Bei der ambulant erworbenen Pneumonie(CAP)-Leitlinie wurde im Update 2021 erstmals ein Kapitel ABS eingefügt. Obwohl bei schweren Infektionen noch immer der Satz „hit hard and early“ zählt, können auch hier Antibiotika eingespart werden, ohne den Patienten zu gefährden. Eines der größten Potenziale in der Pneumologie, Antibiotika einzusparen, ist die Exazerbation der COPD. Leider fehlt uns bis heute ein guter Biomarker, um bei der Entscheidung viral oder bakteriell hilfreich zu sein.

Wir hoffen, dass wir mit diesem Sonderheft das Interesse an der Infektiologie wecken können und wir alle gemeinsam dem Ziel eines rationalen Antibiotikaeinsatzes Stück für Stück näher kommen.

Mit kollegialen Grüßen,

Jessica Rademacher und Tobias Welte