Wir Pneumologen haben bei der ärztlichen Versorgung des Lungenkarzinoms (LC) eine zentrale Rolle. Von der Erfassung des generellen Risikos für ein LC, der besonderen Aufmerksamkeit für die Risikopopulation der Patienten mit COPD, der Prävention durch Angebote von Tabakrauchentwöhnung, der Diagnosesicherung durch Gewinnung von adäquatem Gewebe mittels Bronchoskopie und endobronchialen Ultraschall, der präoperativen Diagnostik („fit for surgery“?), der Durchführung medikamentöser Therapien bis hin zu palliativen Maßnahmen wie Stentimplantationen und Pleurodesen sowie der Therapie von Dyspnoe und Schmerztherapie reicht das Aufgabenspektrum des Pneumologen.

Interdisziplinarität ist für die Pneumologie eine Selbstverständlichkeit

Interdisziplinarität ist für die Pneumologie eine Selbstverständlichkeit, wie sie in den zertifizierten Lungenkrebszentren auch vorbildlich praktiziert wird. Dies soll auch in den vier Themen der vorliegenden Ausgabe von Der Pneumologe zum Ausdruck kommen. Zwei inhaltlich zusammenhängende Themen, Gewebsgewinnung in Zeiten der molekularen Diagnostik und die Immuntherapie beim metastasierten Stadium, umrahmen die beiden Themen Lebensqualität nach resezierenden Verfahren der Lungenchirurgie und neue Erkenntnisse bei der Strahlentherapie des NSCLC.

Weisen Lungenkarzinome molekulare Veränderungen auf, für die zielgerichtete medikamentöse Therapien zur Verfügung stehen, können die Patienten davon hinsichtlich Ansprechraten und Prognose erheblich profitieren. Voraussetzung ist aber die Gewinnung adäquaten Materials zur Analyse. P. Kaukel und F. Herth, Heidelberg, stellen in ihrem Beitrag die dazu geeigneten aktuellen diagnostischen Verfahren dar. Wie wird das Staging hinsichtlich des Lymphknotenbefalls durchgeführt? Was ist die Rolle des endobronchialen Ultraschalls? Ohne Testung auf molekulare Alterationen ist eine Entscheidung zur „targeted therapy“ nicht möglich und dem Patienten werden unter Umständen wirksame Therapieoptionen vorenthalten. Wichtig ist, in Zeiten der Verfügbarkeit von Medikamenten, die auch Resistenzmutationen adressieren können, Biopsien bei Progression des Tumors unter Therapie zu wiederholen.

Nach einer aktuellen Untersuchung des Helmholtz-Zentrums werden in Deutschland etwa ein Drittel der Patienten mit Lungenkarzinom durch eine Operation behandelt. Nach wie vor ist die chirurgische Therapie die Therapie der Wahl im Stadium I und II (wenngleich die Strahlentherapie auch hier Fortschritte erzielt hat). In lokal fortgeschrittenen Stadien ist für resektable Tumoren die neoadjuvante Chemotherapie mit konsekutiver Operation eine wichtige Option. Im seinem Beitrag geht S. Limmer, Würzburg, auf die Bedeutung der Lebensqualität nach resezierenden Verfahren beim LC ein. Dieser Aspekt ist für den Patienten ähnlich wichtig wie das Gesamtüberleben und sollte in die Überlegung, welche sei die beste Therapie, zusammen mit dem Patienten einbezogen werden. S. Limmer geht auch auf die Problematik der Messung von Lebensqualität ein. Besonders wichtig wird die Frage der postoperativen Lebensqualität auch für die immer größer werdende Gruppe der operierten über 70-Jährigen mit häufigen Komorbiditäten. Die verschiedenen Varianten der minimalinvasiven Thoraxchirurgie zeigen besonders hier ihr Potenzial hinsichtlich der Verbesserung der postoperativen Lebensqualität.

In den LC-Tumorboards kommt es immer wieder zu Diskussionen über das optimale therapeutische Konzept zwischen der Thoraxchirurgie und der Strahlentherapie. Deshalb ist es wichtig, die aktuellen Konzepte und besonders auch belastbare Daten zu Fortschritten der jeweiligen Fachdisziplin zur Kenntnis zu nehmen. P. Kleine und M. Flentje, Würzburg, stellen in ihrem Beitrag die jüngsten Verbesserungen strahlentherapeutischer Möglichkeiten dar. War die stereotaktische Bestrahlung in frühen Stadien I und II zunächst für inoperable Patienten reserviert, wird heute auch die Frage der Alternative zur Operation gestellt, auch wenn die Datenlage hier noch recht überschaubar ist. Die intensitätsmodulierte Radiotherapie bei lokal fortgeschrittenen Stadien, die Optimierung der Strahlentherapie durch nuklearmedizinische Bildgebung und die Rolle der Radiotherapie im Stadium IV werden anhand aktueller Studienergebnisse dargestellt.

Die Immuntherapie des Lungenkarzinoms wird nicht nur in der Laienpresse als großer Durchbruch gefeiert. Umso wichtiger ist eine kritisch-nüchterne Stellungnahme und Einordnung der sog. Checkpoint-Inhibition, die D. Heigener, P. Steffen und M. Reck, Großhansdorf, im letzten Beitrag liefern. Die ohne Zweifel aufregenden Ergebnisse, die durch das Lösen der tumorinduzierten Bremse des Immunsystems in den beiden vergangenen Jahren erzielt werden konnten, haben das Potenzial, unser Vorgehen beim metastasierten Stadium zu ändern. Doch stellen sich noch viele Fragen: Welche Biomarker erlauben es, die geeigneten Patienten auszuwählen? Wie ist der Stellenwert der Kombinationstherapien oder gibt es Ansätze in der Erstlinientherapie? Und zuletzt dürfen wir auch der Diskussion um die sehr hohen Kosten dieser Therapien nicht aus dem Weg gehen, auch wenn hier zum ersten Mal Langzeitüberleben im metastasierten Stadium des LC in mehr als nur einzelnen Fällen möglich werden sollte.

Ich danke den Autoren herzlich für ihre ausgewogenen und durchwegs höchst aktuellen Beiträge. Darin wird deutlich, dass die Therapie des Lungenkarzinoms auf Basis einer immer differenzierteren Diagnostik einen Fortschritt erzielt hat, der vor einigen Jahren nicht abzusehen war. Die Pneumologen in Praxis und Klinik tun gut daran, diesen Fortschritt zum Nutzen unserer Patienten auch in Zukunft mitzugestalten.

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Prof. Dr. Berthold Jany

Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP)