Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

zum ersten Mal widmet sich Der Pneumologe mit einer ganzen Ausgabe dem Thema „Lunge und Psyche“. Dies sehen wir als einen wichtigen Schritt auf einem Weg an, der von uns Pneumologen noch nicht wirklich entdeckt scheint.

Lange Jahre wurde der engen Verbindung von Lungenerkrankungen und psychiatrischer Komorbidität wenig Beachtung geschenkt, obwohl doch die Lebensqualität dadurch entscheidend negativ beeinflusst wird. Inzwischen wird die Bedeutung dieser Zusammenhänge klarer thematisiert und im klinischen Alltag zunehmend beachtet, auch wenn noch viel Unsicherheit und Wissensdefizite über spezifische diagnostische und therapeutische Optionen in der somatisch geprägten Medizin bestehen. Atemnot ist das vielleicht gravierendste Symptom, das wir als Menschen erleben können. Der Gedanke zu ersticken führt schon beim „nur darüber sprechen“ auch bei Gesunden zu Unbehagen und Angstgefühlen. Atemnot kann die Betroffenen rasch in eine mehr oder weniger bedrohliche Situation bringen. Daher ist es nicht erstaunlich, dass vor allem Patienten mit akuten, ungewohnten Atemnotzuständen Ängste bis hin zu Panikattacken entwickeln können. Im Falle chronischer Atemnot können solche Ängste von schweren Depressionen begleitet sein. Daraus entwickeln sich oft Teufelskreise aus Atemnot, Angst und Depression, die sich gegenseitig verstärken. Wenn Menschen erleben müssen, dass die Atmung immer knapper wird oder wenn schon geringste Anstrengungen zu unüberwindbaren Belastungen werden, ist es nicht verwunderlich, dass neben dem körperlichen Gefühl, nicht genug atmen zu können, eine psychische Erlebenskomponente auftreten kann.

Da wir Pneumologen uns zu Recht als Experten für die Diagnostik und Therapie von Lungenerkrankungen, die mit Atemnot einhergehen, sehen, sollte neben der Erfassung der Atemeinschränkung unser Blick auch auf die häufig koinzidente psychische Komorbidität gerichtet sein.

Mit dem aktuellen Themenheft wird ein klinisch relevanter Überblick über die enge Verflechtung von Lunge und Psyche gegeben. Dies soll dem pneumologisch tätigen Arzt helfen, Frühsymptome, die auf eine psychiatrische Miterkrankung hinweisen, zu erkennen und eine gezielte Weiterbehandlung zu initiieren.

In dem Beitrag von C. Bausewein wird darauf hingewiesen, dass vor einer möglichen Therapie von Angst und Depression das Erkennen dieser Probleme im alltäglichen Umgang mit den Patienten den ersten Schritt darstellt. Im Weiteren wird aufgezeigt, dass bereits Informationen zur Erkrankung selbst sowie Hinweise zum bestmöglichen Umgang mit Atemnot und den oft damit einhergehenden psychischen Symptomen im täglichen Leben sehr hilfreich sein können. Erst zuletzt sollte die Indikation zu Opioiden gegen Atemnot oder Psychopharmaka zur Besserung von Angst und Depression gestellt werden.

Der Zusammenhang zwischen Lunge und Psyche verdient mehr Beachtung im medizinischen Alltag

Dass wir hinsichtlich der der psychischen Komorbidität bei COPD zugrundeliegenden komplexen psychologisch/verhaltensbezogenen und peripher-physiologisch/neuronalen Prozesse noch in den Kinderschuhen stecken und hier noch erheblicher Forschungsbedarf besteht, darauf verweist A. von Leupoldt, ein ausgewiesener Experte auf diesem Gebiet, eindringlich in seinem Artikel .

Das Zigarettenrauchen stellt den ätiologischen Hauptfaktor für die Entwicklung einer COPD dar. Andererseits ist das Tabakrauchen unter Personen mit psychischen Störungen und/oder Patienten mit psychiatrischen Erkrankungen überproportional verbreitet. Besonders hohe Raucherprävalenzen treten unter andrem bei Suchtstörungen auf. In dem Beitrag von S. Mühlig werden diese Zusammenhänge eingehend besprochen und insbesondere die klinischen Bezüge zur alltäglichen Praxis hergestellt.

Neben der COPD gehören die malignen Erkrankungen der Lunge zu den täglichen Herausforderungen in der pneumologischen Praxis. In den letzten Jahren wurden sehr gute Strukturen und Qualitätssicherungen geschaffen, wie Tumorzentren, Tumorboards oder Nachsorgeeinrichtungen, sodass sich die Versorgung der Patienten mit Bronchialkarzinom nachweislich verbessert hat. Auch die Psychoonkologie hat darin einen festen und gesicherten Stellenwert erhalten, sodass dieses Angebot jedem Patienten offen steht. Das entbindet jedoch den behandelnden Arzt nicht von der Verantwortung, die eigenen kommunikativen Fähigkeiten systematisch weiter zu entwickeln und zu schulen, wie dies auch der nationale Krebsplan einfordert. C. Grah, vom Lungenkrebszentrum Havelhöhe, Berlin, arbeitet in seinem engagierten Beitrag die Bedeutung der professionellen Gesprächsführung heraus und zeigt auf, dass eine „richtige“ Kommunikation zwischen Arzt und Tumorpatient nicht nur die Lebensqualität verbessern, sondern auch das Überleben verlängern kann.

Für den lungenkranken Patienten ist die Notwendigkeit einer Sauerstofftherapie oder einer nichtinvasiven Beatmung ein extremer Einschnitt in sein Leben, der bei vielen Betroffenen Sorgen, Ängste, Schamgefühle und auch Verzweiflung auslöst. Die Abhängigkeit von einem Gerät, die Einschränkung des autonomen Handels, der Organisationsaufwand und vieles mehr, das mit der Einleitung einer Sauerstofflangzeitbehandlung oder einer häuslichen Beatmung assoziiert ist, erzeugen eine Vielzahl von psychomentalen Belastungen. M. Tempel, Psychosomatikerin an der Klinik Donaustauf, beschreibt in ihrem Artikel aus ihrer langjährigen Erfahrung heraus, wie diese besonderen Belastungen bei den Patienten erkannt werden können, welche Auswirkungen bedacht werden müssen und wie Hilfe aussehen kann. Angesichts der enormen Zunahme an außerklinisch beatmeten Patienten wird dies zu einer wachsenden Herausforderung, sowohl im stationären Bereich als auch in der ambulanten klinischen Praxis.

Lungen und Psyche – eine Verbindung, deren Bedeutung für den medizinischen Alltag inzwischen nicht mehr in Frage gestellt wird. Ohne Zweifel können wir den chronisch lungenkranken Patienten nur dann umfassend gerecht werden, wenn wir dies in unserem täglichen ärztlichen Handeln strukturiert und professionell bedenken und umsetzen.

Wir wünschen Ihnen bei der Lektüre viele Anregungen und hilfreiche Ideen für Ihren ärztlichen Alltag. Es ist zum Teil ungewohnte, teils nicht leicht bekömmliche Kost, die in diesem Heft angeboten wird. Dennoch glauben wir, dass die Effektivität und der Wert unseres ärztlichen Tuns erheblich gesteigert werden kann, wenn wir uns auch diesen so wichtigen Aspekten des Krankheitserlebens unserer Patienten stellen. Die Patienten werden es uns mit einer neuen Qualität von Arzt-Patienten-Beziehung danken.

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Prof. Dr. Klaus Kenn

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Prof. Dr. Michael Pfeifer