Obwohl der Schlaf in den letzten Jahren immer besser erforscht wurde, birgt er weiterhin große Rätsel. Störungen des Schlafs sind ein interdisziplinäres Thema, mit dem sich immer mehr Disziplinen der Medizin in Klinik, Forschung und Lehre befassen. In diesem Jahr wurden Schlafstörungen in der Januarausgabe der Zeitschrift Der Nervenarzt systematisch, umfassend und inhaltlich auf hohem Niveau abgehandelt. Jedem an neuen Erkenntnissen und praxisrelevanten Empfehlungen zur Prävention, Diagnostik und Therapie von Schlafstörungen interessierten Arzt sei die Lektüre dieses im Springer-Verlag erschienenen Hefts empfohlen. Schlaf führt schon beim Gesunden zu einer physiologischen Veränderung der Atmung. Aus einer krankhaften Störung des Schlafs können Atmungsstörungen resultieren und umgekehrt haben Störungen der Atmung im Schlaf regelhaft negative Auswirkungen auf das Schlafprofil.

Die enorme klinische und sozioökonomische Bedeutung schlafbezogener Atmungsstörungen (SBAS) als eigenständiges Krankheitsbild oder als klinisch relevante Komorbidität im Spektrum der Schlafstörungen mit schwerwiegenden Auswirkungen auf Lebensqualität, Morbidität und Mortalität sowie mit hohem Risiko für Eigen- und Fremdgefährdung wird zunehmend erkannt. Deshalb ist es eine logische Konsequenz, dass die Herausgeber von Der Pneumologe sich kürzlich entschlossen haben, die nun vorliegende Ausgabe der Zeitschriftenreihe den schlafbezogenen Atmungsstörungen zu widmen.

SBAS haben schwerwiegende Auswirkungen auf die Lebensqualität, Morbidität und Mortalität

Das aktuelle Heft umfasst insgesamt sechs Artikel zum Leitthema. Ausgewählt wurden Beiträge zu schlafmedizinischen Forschungsfeldern, in denen die Wissenschaft in den letzten Jahren neue Erkenntnisse gewonnen oder große Fortschritte im Management erzielt hat, die von praktischer Relevanz für die Behandlung unserer Patienten sind.

Zahlreiche Erwachsene, die sich allgemeinchirurgischen, herzchirurgischen Operationen oder orthopädischen Eingriffen unterziehen, leiden an einer Schlafapnoe, die im Regelfall präoperativ entweder nicht bekannt oder nicht therapiert ist. Der Übersichtsartikel von Y. A. Zausig und Kollegen widmet sich diesem extrem wichtigen Thema. Die Autoren diskutieren Strategien der perioperativen Versorgung und gehen dabei auf die präoperative Diagnose und Therapie der SBAS, die Risikoevaluation, auf die Besonderheiten der Prämedikation und der Narkoseführung sowie auf das postoperative Monitoring der Betroffenen ein. Besonders hilfreich für den klinischen Alltag erscheinen mir in diesem Beitrag die konkreten Hinweise auf existierende Empfehlungen zur perioperativen Versorgung von Patienten mit SBAS.

Der Artikel von W. Galetke fokussiert auf aktuelle schlafmedizinische Aspekte bei COPD, Asthma bronchiale und allergischer Rhinitis. Da es sich hierbei um Krankheiten mit hoher Prävalenz in der Bevölkerung handelt, treffen diese oft zwangsläufig mit einer ebenfalls häufigen SBAS zusammen. Es resultieren Interaktionen, die sich negativ auf die Schlaf- und Lebensqualität und auch auf die Prognose auswirken können. Dem Autor ist es gelungen, die gegenseitige Beeinflussung der Pathophysiologie und die wechselseitigen Auswirkungen auf das klinische Bild sowie die relevanten Prinzipien der schlafmedizinischen Behandlung dieser Gesundheitsstörungen schlüssig darzustellen.

Die Zwerchfelllähmung wird meist verharmlost und vernachlässigt

Zwar sind in den letzten Jahren einige Übersichtsartikel zur Rolle der Schlafmedizin und der Bedeutung von SBAS bei neuromuskulären Erkrankungen erschienen, doch fehlen darin regelhaft Hinweise auf die pathophysiologischen Besonderheiten und den negativen Einfluss des Schlafs bei zugrundeliegender Zwerchfelllähmung – aus meiner Sicht die häufigste dieser insgesamt seltenen neuromuskulären Erkrankungen. Der Beitrag von S. Werther und Mitarbeitern stellt die Pathophysiologie der Zwerchfelllähmung vor dem Hintergrund aktueller schlafmedizinischer Forschungsergebnisse dar und gibt praktische Hinweise zur gestuften Diagnostik und Therapie dieser gravierenden Gesundheitsstörung, die im klinischen Alltag leider allzu oft bagatellisiert oder ignoriert wird.

Die schlafmedizinische Forschergruppe um O. Oldenburg aus dem Herzzentrum in Bad Oeynhausen steuert zwei Beiträge zur Rolle der Schlafmedizin im Zusammenhang mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei. Die Autoren postulieren, dass der obstruktiven Schlafapnoe eine eigene Rolle in der Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zukommt. Darüber hinaus sprechen neuere Forschungsdaten unter anderem aus dem Herzzentrum Bad Oeynhausen dafür, dass die zentrale Schlafapnoe – und insbesondere die Cheyne-Stokes-Atmung – eine bedeutsame Komorbidität mit unabhängiger prognostischer Bedeutung bei bereits kardial manifesten Erkrankungen wie der Herzinsuffizienz darstellt. Bei der Häufigkeit dieser Erkrankungen ist die Forderung der Kollegen nach der Entwicklung effektiverer Wege zur Prävention, Diagnostik und Therapie von SBAS in der Kardiologie auch aus dem Blickwinkel eines Pneumologen und Schlafmediziners uneingeschränkt zu befürworten. Die Schlafmedizin als interdisziplinäres Querschnittsfach muss sich dieser Herausforderung durch Entwicklung adäquater Versorgungsmodelle mit dem Ziel der Beseitigung von „künstlichen“ Versorgungsengpässen wie beispielsweise der nur limitiert verfügbaren und zudem kostenintensiven Polysomnographie als Goldstandard der Diagnostik zeitnah und unter Einbindung der Gesundheitsökonomie widmen.

Den Beitrag von S. Böing und Kollegen möchte ich jedem Leser ganz besonders ans Herz legen. In ihrer aktuellen und kritischen Standortbestimmung zur apparativen Therapie der SBAS thematisieren die Autoren alle relevanten Aspekte – auch solche, die momentan kontrovers diskutiert werden oder nicht abschließend beantwortet sind. Ich stimme den Autoren uneingeschränkt zu, dass die derzeitigen Rahmenbedingungen (Stichwort Ausschreibungen der Krankenkassen, technische Ausstattung der Versicherten durch Vertragshändler) die apparative Versorgung unserer Patienten im Sinne der nationalen und internationalen Empfehlungen stark einschränken oder gar gefährden und die zwingend notwendige Nachsorge immer seltener sichergestellt werden kann. Doch lesen Sie selbst. Es lohnt sich auch wegen der zahlreichen Tipps, die von praktischer Relevanz für jeden Arzt sind, der Patienten mit SBAS apparativ versorgt oder generell bereut.

Abschließend möchte ich mich bei allen Autoren ganz herzlich bedanken, die diese Ausgabe mit ihrer Expertise und ihrem Fleiß erst möglich gemacht haben. Ihnen, den Lesern, wünsche ich einen Zugewinn an aktuellen Erkenntnissen zum Stellenwert und Management von SBAS im klinischen Alltag – und zwar zum Wohle der Patienten, die unseren schlafmedizinischen Rat suchen.

Prof. Dr. Helmut Teschler