Liebe Kolleginnen und Kollegen,

nach der Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) versteht man unter Telemedizin das Erbringen von Gesundheitsleistungen zu Diagnose, Therapie oder Prävention im Gesundheitswesen unter Überbrückung räumlicher Entfernungen. Damit ist Telemedizin ein weitgefasster Begriff und kein eigenes Fachgebiet. Der Begriff „Telemedizin“ ist vielmehr eine Art Sammelbecken für innovative Versorgungsmethoden, bei denen räumliche Distanzen zwischen Arzt und Patient mittels Informations- und Kommunikationstechnik überbrückt werden. Durch telemedizinische Verfahren kann eine qualitativ hochwertige Versorgung unabhängig vom Aufenthaltsort der Patienten angeboten werden. Telemonitoring kann potentiell die Versorgung chronisch lungenkranker Patienten in Hinblick auf Behandlungsqualität und Qualitätsmanagement, leitlinienorientierte Behandlung, Therapietreue und Selbstverantwortung, Lebensqualität und Verringerung stationärer Aufenthalte optimieren und dadurch Kosten einsparen.

In dieser Ausgabe von Der Pneumologe machen die einzelnen Beiträge deutlich, wie unterschiedlich der Stand des evidenzbasierten Wissens für die Empfehlung von telemedizinischen Strategien bezüglich verschiedener pneumologischer Erkrankungen ist. Im Beitrag von Dr. M. Jehn werden interessante Perspektiven zum Einsatz der Telemedizin zur Erfassung von Umwelteinflüssen bei Patienten mit Lungenerkrankungen aufgezeigt. Der Beitrag von Prof. M. Kohlhäufl und Prof. M. Pfeifer bezieht in dieser Ausgabe kritisch Stellung zur Evidenz von Telemonitoring bei COPD-Patienten in Hinblick auf wichtige primäre Zielvariablen, wie die Gesamtzahl der Exazerbationen, Lebensqualität, stationäre Aufnahmen und Mortalität. Des Weiteren hat sich in der Pneumologie die außerklinische Beatmung als Therapieform bei chronischer ventilatorischer Insuffizienz in den letzten 20 Jahren etabliert. Die Zahl der außerklinisch invasiv beatmeten Patienten ist in den letzten Jahren in Deutschland deutlich angewachsen. Die außerklinische invasive Beatmung erfordert eine engmaschige, kompetente ärztliche und pflegerische Versorgung, die vielfältige Einsatzgebiete der Telemedizin in diesem Bereich eröffnet, wie der Beitrag von Dr. J. Geiseler aufzeigt. Im Beitrag von Dr. H. Suhling werden bisherige Studien zur Verbesserung der Vernetzung von Transplantationszentren und Patienten vor und nach Lungentransplantation vorgestellt. Im Bereich der Schlafmedizin sind zur Akzeptanz der nCPAP-Therapie praktische Verbesserungen zur Adhärenzsteigerung dringend erforderlich, z. B. bei Problemgruppen wie Patienten nach Apoplex. Moderne telemedizinische Technologie ermöglicht eine Fernabfrage der Therapiegeräte und eine zentrale Auswertung der Daten. Im Beitrag von Dr. G. Nilius wird eine aktuelle kritische Bestandsaufnahme zur wissenschaftlichen Evidenz bezüglich der telemedizinischen Versorgung von Patienten unter nCPAP-Therapie mit ersten vielversprechenden Ergebnissen dargestellt. Der Artikel von Dr. R. von Baer und Dr. M. Barczok bietet einen Überblick über die aktuellen technischen, telemedizinischen Möglichkeiten, die ohne großen Aufwand umsetzbar sind, und präsentiert aktuelle Entwicklungen bei Sensoren und Endgeräten.

Technische Einschränkungen für eine flächendeckende Anwendung bestehen nicht

Aktuell liegen Hemmnisse zur flächendeckenden Anwendung der Telemedizin nicht im technischen Bereich. Hürden, die einer schnelleren Verbreitung entgegenstehen, sind vor allem die mangelnde Interoperabilität der Systeme, offene Rechtsfragen und fehlende Abrechnungsmöglichkeiten. Bei der Vielfalt der telemedizinischen Projekte, die natürlich auch wirtschaftliche Interessen verfolgen, ist es wichtig, die Projekte nach wissenschaftlichen Kriterien, Transparenz, aber insbesondere nach aktueller Bedarfslage und medizinischer Sinnhaftigkeit zu gewichten und zu beurteilen.

In diesem Schwerpunktheft wird die Brücke von wichtigen pneumologischen Erkrankungen zum evidenzbasierten möglichen Einsatz der Telepneumologie geschlagen. Die Beiträge geben einen faszinierenden Überblick über die Möglichkeiten der Telemedizin in der Pneumologie und liefern wichtige Anregungen für die weitere versorgungsmedizinische Forschung aus diesem innovativen Gebiet.

Prof. Dr. Martin Kohlhäufl und Prof. Dr. Michael Pfeifer