Die Tuberkulose (TB) stellt weltweit eines der größten Gesundheitsprobleme dar. Ende der 1970er-Jahre glaubten viele, dass diese Infektionskrankheit schon besiegt sei. Dies war ein folgenschwerer Irrtum: Als Folge des Aufkommens von HIV-Aids Anfang der 1980er-Jahre und des vermehrten Auftretens komplexer Medikamentenresistenzen in den 1990er-Jahren kam es in vielen Regionen der Welt zu einem deutlichen Anstieg schwerer TB-Fälle. Die Entwicklung neuer diagnostischer Verfahren, neuer Antibiotika und neuer Impfstoffe wurde dagegen vernachlässigt. Noch immer beruht die Diagnostik weltweit hauptsächlich auf der Sputummikroskopie – eingeführt 1882 von Robert Koch. Die BCG-Impfung – eingeführt vor fast 100 Jahren – ist immer noch das alleinige TB-Impfverfahren, das aber im Wesentlichen nur Kinder gegen schwere Verlaufsformen schützt. Das letzte Antibiotikum gegen TB (Rifampicin) wurde vor mehr als 40 Jahren entwickelt.

Entwicklungen auf diagnostischem, therapeutischem und präventivem Gebiet werden aufgezeigt

Ausgabe 1/2011 von Der Pneumologe ging ausführlich auf die TB-Epidemiologie weltweit und in Deutschland, auf neue Entwicklungen in der molekularen Epidemiologie, auf die bedrohlichen Folgen der HIV/TB-Koinfektion und der Medikamentenresistenzen ein. In diesem Schwerpunktheft sollen neue und zukünftig zu erwartende Entwicklungen auf diagnostischem, therapeutischem und präventivem Gebiet aufgezeigt werden, welche hoffentlich dazu beitragen, die von der WHO gesteckten Millenniumziele mit Rückgang der TB-Inzidenz und der TB-Mortalität zu erreichen. Dass das Ziel der globalen Elimination der TB, d. h. weniger als 1 Fall pro 1 Mio. Einwohner, bis 2050 erreicht wird, muss jedoch stark angezweifelt werden.

Erst im Laufe der letzten 10 Jahre ist vonseiten der WHO und der Stop TB-Partnership, der inzwischen über 1500 Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) angehören, ein Programm zur Entwicklung neuer Waffen im Kampf gegen die TB ins Leben gerufen worden: die „Foundation for Innovative New Diagnostics“ (FIND) konzentriert sich auf die Entwicklung neuer diagnostischer Tests, die „Global Alliance for TB Drug Development“ auf die Herstellung neuer Medikamente und die „AERAS Global TB Vaccine Foundation“ auf die neuer Impfstoffe. Allein für die Jahre 2011–2015 ist für diese Forschungen ein Bedarf von 10 Milliarden US-Dollar veranschlagt worden einschließlich der Forschungsprogramme zur praktischen Umsetzung der Bekämpfungsmaßnahmen.

Im ersten Beitrag beschreiben E. Richter und S. Rüsch-Gerdes vom Nationalen Referenzzentrum für Mykobakterien im Forschungszentrum Borstel neue Verfahren in der bakteriologischen Diagnostik. Nukleinsäureamplifikationstechniken (NAT) ermöglichen eine Diagnostik mit höherer Sensitivität als die Mikroskopie, erlauben die rasche Unterscheidung gegenüber nichttuberkulösen Mykobakterien und seit Kurzem auch die schnelle und relativ einfache Resistenzbestimmung gegen einige wichtige Antituberkulotika. Letzteres hat eine besondere Bedeutung für Länder mit einer hohen MDR-TB-Rate, wo es derzeit meist noch erheblich an Laborkapazität mangelt. Hier hat beispielsweise die WHO gerade die Xpert MTB/RIF zur möglichst flächendeckenden Einführung in den betroffenen Regionen empfohlen. Die Autoren betonen aber, dass die Kultur weiterhin der Referenzstandard in der bakteriologischen TB-Diagnostik ist. Mithilfe der molekularbiologischen Fingerprint-Verfahren können zudem sowohl die epidemiologischen Untersuchungsergebnisse verbessert als auch Laborkontaminationen aufgedeckt werden.

J.-P. Zellweger aus der Schweiz geht auf neue Ansätze in der Therapie der Tuberkulose ein und beschreibt Medikamente, die in der Pipeline sind und bald klinisch erprobt werden. Dazu weist er auf die neue WHO-Strategie zur Therapie der Tuberkulose hin, die in den einzelnen Punkten in Deutschland bereits seit Langem empfohlen sind.

Im dritten Beitrag schildert T. Ulrichs aus Berlin den derzeitigen Stand und die Schwierigkeiten bei der Entwicklung neuerer Impfstoffe. Mit Sicherheit wird es auch in Zukunft keinen einheitlichen perfekten Impfstoff geben, sondern für die verschiedenen Indikationen müssen unterschiedliche Vakzine, z. B. für latent mit TB infizierte Personen oder für noch nicht infizierte Personen, entwickelt werden.

Abschließend zeigen R. Diel et al. die Bedeutung der IGRA-Teste für die Diagnostik der latenten Tuberkuloseinfektion und der aktiven Tuberkulose auf. Auch diese Teste sind erst in den vergangenen Jahren nach Entzifferung des Genoms des M. tuberculosis 1998 entwickelt worden und bedürfen bei einigen Indikationen, z. B. in der Aufdeckung einer latenten Tuberkuloseinfektion bei Kindern oder bei immungeschwächten Personen, noch weiterer Studien. Es gibt jedoch bereits klare Indikationen, z. B. beim TB-Screening vor Gabe von TNF-α-Blockern. Interessant sind auch die Zahlen über die TB als Berufskrankheit. Die absolut gemeldeten Verdachtsfälle sind in den letzten Jahren relativ konstant geblieben, jedoch ist die Rate der Anerkennung als Berufskrankheit konstant angestiegen.

Den Autoren der Beiträge danke ich für die sorgfältige Darstellung der Themen in diesem Schwerpunktheft.

Prof. Dr. R. Loddenkemper