Sehr geehrte Frau Kollegin,

sehr geehrter Herr Kollege,

Das Schlimmste, was einer Lunge passieren kann, ist, dass sie von einem Chirurgen behandelt wird.

So argumentierte 1835 Baron Dupuytren, als er selbst als einer der berühmtesten Chirurgen seiner Zeit an einem Pleuraempyem litt und leider auch unbehandelt daran verstarb. Inzwischen sind fast 200 Jahre vergangen und die Thoraxchirurgie hat sich zu einer selbstständigen fachlichen Säule unter dem Dach der Chirurgie entwickelt. Als ein Pneumologe und ein Thoraxchirurg geben wir dieses Themenheft gemeinsam heraus in der Überzeugung, dass das Beste, was einem Patienten – nicht nur seiner Lunge – passieren kann, eine bei Bedarf interdisziplinäre Behandlung durch Spezialisten unterschiedlicher Fachgebiete ist, die einen auf Verständnis der Möglichkeiten und Grenzen des jeweiligen anderen Gebiets basierenden Dialog pflegen. Denn nicht alles, was technisch machbar ist, ist auch medizinisch sinnvoll.

Pneumologie und Thoraxchirurgie haben eine gemeinsame Geschichte, die der Tuberkulosetherapie. Viele Jahrzehnte lang waren der künstlich angelegte „Pneu“, die thorakoskopische Pneumolyse und die Thorakoplastiken die einzigen Therapien mit Aussicht auf Heilung dieser Erkrankung. Dabei gab es in speziellen Zentren immer eine enge Kooperation zwischen behandelnden Chirurgen, interventionell orientierten und sogar operativ tätigen Pneumologen. Wie auch die Pneumologie hat sich die Thoraxchirurgie seither rasant und dynamisch weiterentwickelt.

Pneumologen und Chirurgen arbeiten nicht nur in der Tuberkulosetherapie eng zusammen

Beide Gebiete werden und bleiben auch weiterhin in eigenständigen Fachgesellschaften repräsentiert. Wir sind allerdings der Auffassung, dass besonders auf regionaler Ebene gemeinsame Strukturen einerseits den Dialog befördern, andererseits aber auch eine bessere Interessenvertretung ermöglichen können. In der bisherigen Mitteldeutschen Gesellschaft für Pne umologie (MDGP) sind wir diesen Schritt konsequent gegangen. In diesem Jahr haben sich die Pneumologen und Thoraxchirurgen der Region in der Mitteldeutschen Gesellschaft für Pneumologie und Thoraxchirurgie (MDGP) zu einer gemeinsamen, wissenschaftlichen Fachgesellschaft gleichberechtigt zusammengeschlossen. Aus diesem Anlass nahmen wir uns die Freiheit, ausschließlich Autoren aus dem mitteldeutschen Raum um Beiträge zu bitten. Allen Beiträgen ist gemein, dass sie auf die interdisziplinäre Kommunikation zielen.

Ein onkologischer Schwerpunkt der Thoraxchirurgie ist heutzutage die operative Behandlung des Bronchialkarzinoms. Die kurative Resektion bietet unverändert die einzige Heilungschance bei einem rechtzeitig diagnostizierten Lungenkrebs. Instrumentarium und Operationsverfahren haben sich weiterentwickelt und die Operation ist häufig Teil eines multimodalen Therapiekonzepts. Bronchioangioplastische Resektionen und verbesserte anästhesiologische Techniken ermöglichen heute die Behandlung von Patienten, bei denen noch vor einigen Jahren eine Heilung unmöglich erschien. Der Beitrag von Sven Seifert (Chemnitz) und Andre Nemat (Erfurt) gibt eine Übersicht über die aktuellen Standards der chirurgischen Therapie des Bronchialkarzinoms.

Minimal-invasive Operationstechniken haben das Spektrum der Thoraxchirurgie erweitert. Neben diagnostischen Indikationen sind auch komplexe therapeutische Eingriffe minimal-invasiv möglich geworden. Sie können und sollen offene, konventionelle Methoden ersetzen, sobald sie dieselbe Qualität erreichen. Im Beitrag von Thomas Lesser (Gera) wird der Einsatz dieser Operationsverfahren zusammengefasst.

Weiterhin können nichtonkologische, meist entzündliche und infektiöse Thoraxerkrankungen eine operative Therapie erfordern. Dies ist sowohl bei Ineffektivität als auch bei primär fehlenden Erfolgsaussichten einer medikamentösen Therapie möglich. Gerade bei den nichttumorbedingten Erkrankungen ist eine enge Kommunikation zwischen Pneumologen und Chirurgen essenziell. Das Spektrum dieser Krankheiten und die Möglichkeiten der operativen Therapie werden im Beitrag von Henning Busk, Christoph Huth und Jens Schreiber (Magdeburg) dargestellt.

Die Lunge ist ein bevorzugtes Zielorgan für Metastasen extrapulmonaler maligner Tumore. Obwohl es sich dabei immer um eine generalisierte Tumorerkrankung handelt, hat die Chirurgie bei isolierten pulmonalen Metastasen einen etablierten Stellenwert in einem interdisziplinär abgestimmten onkologischen Gesamtkonzept. Auf dem Gebiet der lokalen Therapie pulmonaler Metastasen wurden in den letzten Jahren auch minimal-invasive Therapieverfahren wie die Radiofrequenzablation entwickelt. Bei allen offensichtlichen Vorteilen dieser Methoden hinsichtlich der Invasivität, sind wir, die Unterzeichner, der Überzeugung, dass es die Datenlage zum jetzigen Zeitpunkt nicht rechtfertigt, einem operablen Patienten die kurative Resektion vorzuenthalten. Axel Rolle (Coswig) fasst die Voraussetzungen, Methoden und Ergebnisse der chirurgischen Therapie pulmonaler Metastasen zusammen.

Trotz aller Erfolge der operativen und anästhesiologischen Techniken sind perioperative Komplikationen möglich, die teilweise noch Jahre nach dem Eingriff auftreten können. Ihre Kenntnis ist für alle Ärzte essenziell, die an der Betreuung dieser Patienten beteiligt sind. Da die Entlassung aus stationärer Behandlung heute frühzeitig erfolgt, sind Kenntnisse potenzieller postoperativer Komplikationen auch für den niedergelassenen Pneumologen und Hausarzt wichtig. Die relevantesten perioperativen Komplikationen werden im Beitrag von Jens Schreiber, Christoph Huth und Thomas Hachenberg (Magdeburg) dargestellt.

Wir hoffen, dass es uns gelungen ist, mit dieser Ausgabe von Der Pneumologe einen Überblick über die vielfältigen und interdisziplinären Facetten der modernen Thoraxchirurgie zu geben und wünschen Ihnen eine anregende Lektüre.

Ihre

Prof. Dr. J. Schreiber

Prof. Dr. A. Rolle