Laboruntersuchungen haben in der klinischen Medizin ein janusköpfiges Gesicht.

Sie können, im Verein mit Anamnese und klinischer Untersuchung, die Vortestwahrscheinlichkeit für diagnosesichernde Maßnahmen erhöhen und eine schlankere, zielgerichtete Diagnoseführung ermöglichen. Manchmal sind sie sogar in der Lage, die Diagnose zu sichern (z. B. im Fall einer Immunvaskulitis).

Im ärztlichen Alltag jedoch gehört die Labordiagnostik allzu oft zum Armamentarium der Absicherungsmedizin und ersetzt die zur Kunst der Differenzialdiagnose gehörende klinische Erfahrung durch die „Laborlatte“. Eine der Grundlagen dieses Missverständnisses ist die niedrige Schwelle, mit der Laboruntersuchungen indiziert und durchgeführt werden können. Sie sind – jede für sich – relativ billig und belästigen den Patienten nur wenig. Es wäre jedoch einmal lohnenswert zu untersuchen, wie viele unnötige invasive Prozeduren veranlasst werden auf der Basis ungezielt in Auftrag gegebener und falsch interpretierter Laborbefunde.

Im Umgang mit Laborbefunden lauern einige Fallstricke.

Oft wird zum Beispiel vergessen, dass die Normalwertgrenze von Laborbefunden auf das Zweifache der Standardabweichung der Grundgesamtheit eingestellt wird. Dies bedeutet, dass auch bei Gesunden einer von zwanzig Laborwerten im „pathologischen Bereich“ liegt. Diese Zahl wird fast schon bei einem einfachen „Blutbild“ erreicht.

Ein anderer wichtiger Aspekt in der kritischen Bewertung von Laborwerten ist die grundsätzliche Problematik von Surrogatmarkern. Sie besitzen eine „bedingte stochastische Unabhängigkeit“ von dem sie repräsentierenden Endpunkt. Ein mit einer Erkrankung assoziiertes Auftreten erhöhter Serumspiegel eines bestimmten Eiweißes ist ein davon unabhängiges Ereignis und darf nicht mit der Krankheit selbst identifiziert werden. So bedeutet der Nachweis von antinukleären Autoantikörpern im Serum von Patienten mit interstitiellen Lungenerkrankungen nicht das Vorliegen einer Kollagenose. Solche Antikörper können im Alter häufiger auch bei Gesunden nachweisbar werden.

Außerdem sind Laborparameter mit hoher Sensitivität im Allgemeinen auch wenig spezifisch. Solche Marker (wie das C-reaktive Protein oder das D-Dimer) dienen am besten zur Ausschlussdiagnostik, nicht aber zum Nachweis einer Erkrankung oder zur Differenzialdiagnose untereinander ähnlicher Erkrankungen.

In den vergangenen Jahren wurden erhebliche Fortschritte in der Labordiagnostik gemacht

Unabhängig von diesen kritischen Gesichtspunkten muss festgestellt werden, dass in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte in der Labordiagnostik gemacht wurden. Neue, spezifischere Marker verdrängen zu Recht herkömmliche Laborparameter. Im vorliegenden Heft haben die Herausgeber versucht, einige für das aktuelle klinische Management bronchopulmonaler Erkrankungen wichtige Felder der Labordiagnostik zu definieren.

Der Beitrag über infektiologische Marker – im Zentrum das Procalcitonin – demonstriert, dass es durch kluge Studien mit klinischen Endpunkten gelingt, mit Labordiagnostik den Einsatz von Antibiotika erheblich zu begrenzen. Dies ist sowohl bei häufigen und banalen bronchialen Infektionen wie auch in der Intensivmedizin möglich.

Die Übersicht über Autoantikörper in der Diagnose pulmonaler Kollagenosen und Vaskulitiden stellt zu Recht den hohen Stellenwert der Autoimmunphänomene nicht nur für die Diagnose, sondern auch für die Verlaufskontrolle und die Therapieführung dieser Erkrankungsfamilien in den Vordergrund.

Im Beitrag über Tumormarker in der thorakalen Onkologie werden die heute verfügbaren tumorassoziierten Antigene vorgestellt und der klinische Einsatz kritisch diskutiert. Hier zeigt sich deutlich, dass aus Sicht der praktischen Medizin geklärt werden muss, welche handlungsrelevanten Fragen durch die Bestimmung von Tumormarkern beantwortet werden.

Die bronchoalveoläre Lavage (BAL) in ihrer klinischen Verwendbarkeit wird in einem weiteren Beitrag dargestellt. Bei dieser zytologischen Technik wurde ein breites Spektrum von Anwendungsfeldern seit ihrer Etablierung Ende der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts beschrieben. Die Autoren unterscheiden sehr deutlich zwischen Befunden, die zur Diagnose verhelfen können, solchen, die einen erheblichen diagnostischen Beitrag leisten können und den weniger relevanten Befunden in der BAL.

Wir hoffen, Ihnen in dieser Ausgabe von Der Pneumologe eine aktuelle und spannende Zusammenstellung über wichtige Themen der Labordiagnostik in der Pneumologie zu präsentieren, die vor dem Hintergrund der dynamischen Entwicklung des Faches von hoher praktischer Relevanz für praktisch tätige Ärzte sind und hoffentlich viele Fragen zur pneumologischen Labordiagnostik beantworten können.

Prof. Dr. Joachim Lorenz

Prof. Dr. Klaus Dalhoff