Einführung

Migräne ist eine primäre Kopfschmerzerkrankung, betrifft weltweit ca. 15 % der Bevölkerung und stellt in den Industrieländern die häufigste chronische Schmerzform dar [1, 2]. Sie wird heute als eine komplexe genetisch- und umweltbedingte Störung des zentralen Nervensystems verstanden [1]. Die Migräne ist durch stark behindernde, wiederkehrende, meist einseitige pulsierende Kopfschmerzen gekennzeichnet, die üblicherweise von Übelkeit und/oder Erbrechen, Phono- und Photophobie begleitet sind und durch körperliche Routine-Aktivität verstärkt werden. Während der vergangenen Jahrzehnte wurden große Fortschritte im Verständnis der Pathophysiologie der Migräne erzielt, wobei den zentralen Mechanismen der Migräne, insbesondere der Aktivierung des trigemino-vaskulären Systems viel Aufmerksamkeit geschenkt wurde [3].

Die Therapie der Migräne beruht auf pharmakologischer Akuttherapie und Prophylaxe sowie auf nicht-medikamentösen Interventionen [1]. Die Patientenzufriedenheit ist in Bezug auf die gebräuchliche Schmerztherapie und Anfallsfreiheit gering [4]. Mindestens 25 % der Patienten vertragen aufgrund von Nebenwirkungen nicht die wirksame Migräne-Prophylaxe mit Topiramat [5]. Medikamentenabusus mit hohen Folgekosten ist möglich [6]. Über die Wirksamkeit von nicht-medikamentösen Interventionen zur Migränebehandlung sind bisher nur wenige Studien durchgeführt worden. Zu diesen zählen das aerobe Ausdauertraining, die Akupunktur oder Schein-Akupunktur, das Biofeedback und die kognitive Verhaltenstherapie, die progressive muskuläre Relaxation nach Jacobson und das autogene Training [1].

Eine Reihe von Studien weist auf die potentielle Rolle der perikranialen Triggerpunkte (TrPs) in der Entstehung der Migräne-Attacke hin [7,8,9,10,11,12,13,14]. Das anatomo-physiologische Substrat ist die Konvergenz hochzervikaler und trigeminaler Afferenzen und ihre Projektion in das trigeminovaskuläre System [15]. In diesem Zusammenhang wird spekuliert, dass es durch eine Entzündungsreaktion im Bereich von TrPs [16] zu einer Herabsetzung der Reizschwelle von nozizeptiven und nicht-nozizeptiven Afferenzen und zur Sensibilisierung kommen könnte [17]. Bis jetzt ist noch keine kontrollierte randomisierte Studie mit perikranialer Anwendung der manuellen Triggerpunkt-Therapie (TP-Therapie) durchgeführt worden, obwohl deren Wirksamkeit mehrfach beschrieben worden ist [7, 18].

Ein anderer Ansatz zur Migräneprophylaxe könnte die manuelle Lymphdrainage (LD) sein [19, 20, 28]. Es wird angenommen, dass die LD sympathikolytische und parasympathikotonische Wirkungen entfaltet und ähnlich wie die Entspannungstherapie durch Reduktion der zentralen Übererregbarkeit therapeutisch wirksam ist [20,21,22].

In einer Pilotstudie wollten wir deshalb untersuchen, ob eine TP-Therapie tatsächlich zur Anfallsreduktion bei Migräne führt und ob ein eventueller Effekt durch Kombination mit LD verstärkt werden kann.

Patienten und Methode

Patienten

Von Oktober 2012 bis Januar 2013 wurden alle Frauen und Männer, welche die Kopfschmerzambulanz der Universitätsklinik für Neurologie in Graz wegen Migräne aufgesucht haben, zur Teilnahme an der Studie eingeladen.

Als Einschlusskriterien galten folgende Parameter: Dauer der Migräne mit oder ohne Aura entsprechend der Klassifikation der International Headache Society (IHS) [23] von mindestens einem Jahr; mindestens zwei Attacken pro vier Wochen mit einer Mindestdauer von zwei Stunden bei Einnahme von Akutmedikation bzw. 4–72 h ohne Einnahme von Akutmedikation innerhalb der vergangenen drei Monate [23]; stabile medikamentöse Migräne-Prophylaxe während der vergangenen 3 Monate und während der Studiendauer oder keine Migräne-Prophylaxe. Ausschlusskriterien waren die Teilnahme an einer anderen Studie während der vergangenen drei Monate oder während der aktuellen Studie, die Assoziation mit einem sekundären oder einem anderen idiopathischen Kopfschmerz mit der Ausnahme von Kopfschmerz vom Spannungstyp. Weitere Ausschlusskriterien waren andere chronische Schmerzen, relevante neurologische, psychiatrische, internistische Erkrankungen, sowie Kortisontherapie, Schwangerschaft, Stillzeit und Kontraindikationen der LD und der TP-Therapie (Kardio-pulmonale Erkrankungen, akute Entzündungen, Carotis-sinus-Syndrom, Hyperthyreose, Gerinnungsstörungen, Psychosen, psychische Labilität). Die Patienten wurden aufgefordert während der Studienphase ihren Lebensstil nicht zu ändern. Die Studie wurde von der Ethikkommission der Medizinischen Universität Graz überprüft und unter der Ethikkommissionsnummer 25-016 ex 12/13 genehmigt. Eine schriftliche Einverständniserklärung wurde von allen Patienten eingeholt.

Methode

Patienten, die sich zur Teilnahme an der Studie bereit erklärten, wurden mittels Block-Randomisierung (Blockgröße 9) mithilfe des Computer-Programms „Randomizer“ (Institut für Medizinische Informatik, Statistik und Dokumentation, Medizinische Universität Graz; www.randomizer.at) einer von drei Gruppen zugewiesen. Eine Gruppe erhielt eine TP-Therapie (TP-G), die zweite Gruppe eine Kombination aus TP-Therapie und LD (TPLD-G) und eine „Warte-Vergleichsgruppe“ diente als Kontrollgruppe (KG). Die Interventionen fanden einmal pro Woche statt (Abstand von 7 ± 2 Tage zwischen den Interventionen) über einen Zeitraum von 6 Wochen. Die TP-Therapie erfolgte perikranial mit einer Dauer von 30 min gefolgt von 10 min Nachruhen im Liegen [24]. Sie beinhaltete die manuelle Kompression typischer TrPs bei Kopfschmerz bis in den Schulterbereich [24] sowie eine passive und aktive Mobilisation und Haltungskorrektur des Nackens [24, 25]. Bei der TPLD-G erfolgte während der ersten 30 min die TP-Therapie, unmittelbar danach die LD von 30 min Dauer gefolgt von 10 min Nachruhen im Liegen [26]. Die LD wurde am Hals, Kopf und Abdomen nach Dr. E. Vodder durchgeführt [27,28,29]. Die KG erhielt erst am Ende der Studie die Therapien und während der Behandlungsphase der zwei ersten Gruppen eine soziale Interaktion mit der Physiotherapeutin wie für die anderen Gruppen (Begrüßen, kurze Befragung über den Allgemeinzustand und das Zurechtkommen mit dem Kopfschmerzkalender (KSK), Terminvereinbarungen).

Die Datenerhebung erfolgte mit einem KSK (Wöber, Menarini Pharma GmbH, 2011) über jeweils 4 Wochen zur Baseline (M1), während der letzten vier von sechs Wochen der Intervention (M2) sowie vier Wochen (1. Follow-up; M3) und acht Wochen (2. Follow-up; M4) nach Beendigung der Intervention. Die Patienten wurden gebeten, folgende Parameter aufzuzeichnen: Auftreten einer Migräne-Attacke, ihre Dauer, Intensität, Qualität, die Anzahl der eingenommenen Tabletten an Migräne-Akutmedikamenten (Während der ganzen Studie erfolgte kein Wechsel der Medikamente bzw. deren Dosierung) und die Begleitsymptome (Übelkeit, Erbrechen, Photo- und Phonophobie). Primäre Endpunkte waren die Anzahl der Migräne-Attacken und Migräne-Tage, die Anzahl der Kopfschmerz-Tage und die Responder im ersten Follow-up. Als Responder wurde ein Patient betrachtet, der eine mindestens 50-prozentige Reduktion der Zahl der Migräne-Attacken und/oder Migräne-Tage und/oder der Kopfschmerztage erlebt hatte. Als sekundärer Endpunkt galt die Anzahl der eingenommenen Tabletten an Schmerz-Akutmedikamenten (Tablettenanzahl pro Messperiode).

Die Datenerhebung und -analyse wurde bei der Randomisierung durch Kodierung verblindet.

Statistische Analyse

Die Datenanalyse erfolgte mit dem Statistikprogram IBM SPSS statistics 22. Die deskriptive Darstellung der metrischen Parameter erfolgte mittels Mittelwert und Standardabweichung (SD) für normalverteilte Daten bzw. mittels Median, Minimum und Maximum für nicht-normalverteilte Daten, kategoriale Parameter wurden mittels Anzahl und relative Häufigkeiten dargestellt (Responderrate). Für die Parameter der Baseline-Erhebung, Anzahl der Migräne-Attacken/-Tage, Kopfschmerztage und Schmerz-Akutmedikamente wurden Gruppenvergleiche mittels Varianzanalyse bzw. Kruskal-Wallis Test (Post-hoc Vergleiche mittels t‑Test bzw. U‑Test von Mann und Whitney) durchgeführt, Vergleiche über die Zeit erfolgten mittels Friedmann-Test (Post-hoc Vergleiche mittels Wilcoxon-Vorzeichen-Rang-Summentest). Für den Gruppenvergleich der Responderrate zu den einzelnen Zeitpunkten wurde Fisher’s exakter Test verwendet. Für die Signifikanzbeurteilung wurde die exakte Signifikanz (2-seitig) betrachtet und ein P-Wert von <0,05 angenommen. Für die Post-hoc Analysen wurde die Bonferroni-Korrektur herangezogen. Alle P-Werte wurden explorativ interpretiert.

Ergebnisse

Insgesamt wurden 46 Patienten (38 Frauen und 8 Männer) zwischen 20 und 78 Jahren (Mittelwert 41 Jahre) rekrutiert. Von diesen Patienten blieben insgesamt 37 bis Ende der Studie. Drop-out Gründe waren das Nicht-Retournieren des KSK in der Baseline-Erhebung (n = 5), die Abwesenheit am ersten Therapie-Termin (n = 3) und eine akute Erkrankung (n = 1). Zwölf von 15 Patienten der TP-G, 14 von 15 der TPLD-G und elf von 16 der KG konnten in die Per-Protocol-Analyse aufgenommen werden. Die elf Patienten der KG wurden am Ende der Studie in zwei randomisierten Gruppen behandelt (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Flussdiagramm der ein- und ausgeschlossenen Patienten und der Datenerhebung im Studienverlauf

Die demographischen Daten zeigten keine statistischen Unterschiede zwischen Patienten, welche die Studie abgeschlossen hatten und Studien-Abbrechern (Drop-outs). In Tab. 1 werden die demographischen Daten jener Patienten dargestellt, welche die Intervention abgeschlossen haben. In keiner dieser Variablen bestand zur Baseline ein signifikanter Unterschied zwischen den drei Gruppen.

Tab. 1 Demographische und klinische Merkmale der Patienten in der Baseline

Auch die Zahl der Patienten mit pharmakologischer Migräne-Prophylaxe (mit einem dieser Wirkstoffe: Propranolol/Bisoprolol/Carvedilol (ß-Blocker)/Topiramat/Valproinsäure (Antiepileptika)/Amitriptylin (Anti-Depressiva)/Magnesium/Vitamin B2) war in allen Gruppen gleich. In jeder Gruppe kamen zwei bis vier Patientinnen mit menstrueller Migräne und ein bis zwei Patienten mit chronischer Migräne vor.

In der TP-G wurde die durchschnittliche Anzahl an Migräne-Attacken und -Tagen zwischen Baseline und erstem Follow-up signifikant reduziert (P = 0,049) (Tab. 2), während sich die durchschnittliche Anzahl der Kopfschmerztage innerhalb der Studiendauer nicht signifikant änderte (Tab. 2). Vier (33 %) bzw. drei (25 %) von den zwölf Patienten der TP-G wurden im ersten Follow-up Responder bezüglich Migräne-Attacken und -Tage bzw. Kopfschmerztage (Tab. 3).

Tab. 2 Anzahl der Migräne-Attacken, -Tage und Kopfschmerztage pro Messperiode pro Gruppe: Median [Min–Max]
Tab. 3 Responderzahl pro Messperiode pro Gruppe/n (%)

In der TPLD-G wurde die durchschnittliche Anzahl der Migräne-Attacken und -Tage sowie der Kopfschmerztage zwischen Baseline und erstem Follow-up signifikant reduziert (P = 0,000) (Tab. 2). Von den 14 Patienten der TPLD-G wurden im ersten Follow-up elf (79 %) Responder bezüglich Migräne-Attacken und -Tage und neun (64 %) Responder in Kopfschmerztagen (Tab. 3).

Beim ersten Follow-up ergab die durchschnittliche Anzahl der Migräne-Attacken und -Tage bzw. der Kopfschmerztage zwischen TP-G und TPLD-G bzw. KG keine signifikante Unterschiede, jedoch einen signifikanten Unterschied zwischen TPLD-G und KG (P < 0,01) (Tab. 2). Zu diesem Zeitpunkt zeigten sich folgende Ergebnisse betreffend der Rate an Respondern; TPLD-G versus TP-G: P = 0,045 bezüglich Migräne-Attacken/-Tagen; P = 0,062 bezüglich Kopfschmerztagen; TP-G versus KG: n. s.; TPLD-G versus KG P ≤ 0,001 (Tab. 3).

Die Werte beim zweiten (M2; Therapie-Ende) und vierten Messpunkt (M4; 2. Follow-up) sind den Tab. 2 und 3 zu entnehmen.

Eine signifikante Reduktion der eingenommenen Schmerz-Akutmedikamente gegenüber der Baseline zeigten die TP-G sowie die TPLD-G beim ersten und zweiten Follow-up (P < 0,01) (Tab. 4). Eine signifikante Reduktion der eingenommenen Schmerz-Akutmedikamente gegenüber der KG zeigten die TP-G beim zweiten Follow-up (P<0,01) und die TPLD-G beim ersten Follow-up (P < 0,05) und zweiten Follow-up (P < 0,01) (Tab. 4). Nur während der Therapie kam es zu einem signifikanten Unterschied zwischen der TPLD- und der TP-G (P < 0,05).

Tab. 4 Eingenommene Schmerz-Akutmedikamente in Tabletten-Anzahl pro Messperiode pro Gruppe: Median [Min–Max]

Diskussion

Bei der Auswertung konnte zwischen Migräne nach den Kriterien der IHS und herkömmlichem Kopfschmerz durch die Angaben Dauer, Intensität, Qualität (einseitig, pochend/pulsierend/klopfend/hämmernd, Ruhebedürfnis oder Schmerzzunahme bei Bewegung) und Begleitsymptome (Übelkeit, Erbrechen, Photo- und Phonophobie) unterschieden werden.

TP-Therapie

In unserer Pilot-Studie betrug die Responder-Rate auf Migräne-Attacken und Migräne-Tage der Patienten der TP-G pro vierwöchige Messperiode (M2; M3; M4) durchschnittlich 44 %. Die durchschnittliche Reduktion der Migräne-Attacken und Migräne-Tage für diese Responder betrug 73 %. Über die gesamte Messperiode von zwölf Wochen wurden neun von zwölf (75 %) Patienten zumindest einmal Responder.

Im Verlauf der Studie war die Anzahl der Responder der TP-G beim ersten Follow-up niedriger als bei Therapie-Ende und erreichte beim zweiten Follow-up wieder einen höheren Wert. Dies kann einfach Ausdruck der kleinen Zahl an Patienten gewesen sein bei der geringe Verschiebungen schon zu starken prozentuellen Schwankungen führen. Andererseits ist hervorzuheben, dass zwei der zwölf Patienten überhaupt erst acht Wochen nach Ende der Therapie zu Respondern wurden. Bei diesen zwei Personen bestanden chronische TrPs und es könnte spekuliert werden, dass deren Behandlung deswegen erst mit Verzögerung zu einem Therapie-Erfolg geführt hat [30, 31].

In der TP-G war über die gesamte Studiendauer die Response-Rate auf Kopfschmerzen niedriger als jene auf Migräne-Attacken. 30 % wurden Kopfschmerz-Responder mit einer durchschnittlichen monatlichen Reduktion der Kopfschmerztage von 61 %.

Unter der TP-Therapie war der Konsum von Analgetika beim ersten und zweiten Follow-up im Vergleich zur Baseline signifikant reduziert (bis 53 %). Zwei der zwölf in dieser Gruppe befindlichen Patienten wiesen zur Baseline einen Medikamenten-Übergebrauchs-Kopfschmerz (chronische Migräne und Abusus von Triptanen und/oder Analgetika) auf. Bei M2, M3 und M4 wurde demgegenüber bei keinem der Patienten ein Medikamenten-Übergebrauchs-Kopfschmerz registriert.

Die TP-Therapie schafft eine spezifische Desensibilisierung der cervico-trigemino-vaskulären Achse [16, 17, 24]. Aufgrund der peripheren und zentralen Sensibilisierung anderer Ursache als durch TrPs [32] sowie der neurovegetativen und limbisch-emotionalen Sensibilisierung im Entstehungs- und Unterhaltungsprozess der Migräne [33,34,35] scheint die Kombination der TP-Therapie mit anderen unspezifischen desensibilisierenden und entzündungs-hemmenden Maßnahmen empfehlenswert [35].

TPLD

In der TPLD-Gruppe zeigten durchschnittlich 67 % der Patienten eine durchschnittliche Reduktion der Migräne-Attacken und -Tage von 67 % pro vierwöchige Messperiode. Über die gesamte Studiendauer wurden insgesamt zwölf von 14 Patienten (85 %) mindestens an einem der Messpunkte Responder auf Migräne-Attacken und -Tagen, wobei sechs Teilnehmer dreimal und vier zweimal Responder wurden.

Die TPLD-Gruppe zeigte bei jedem Messpunkt signifikant mehr Responder als die KG, insbesondere am primären Endziel (1. Follow-up; M3) (P = 0,000). An diesem Messpunkt war der Unterschied bezüglich Migräne-Attacken- und -Tage auch zur TP-Gruppe signifikant (P < 0,045). Das ist im Einklang mit der Literatur, welche die stärkste Wirkung der LD ca. 4 Wochen nach der Behandlung beschreibt [19]. Die Abnahme der Zahl der Responder beim zweiten Follow-up (M4) entspricht dem Nachlassen der TPLD-Wirkung. Der durchschnittliche Anteil an Respondern auf Migräne-Attacken und -Tagen pro Messpunkt und die durchschnittliche Reduktion der Migräne-Attacken und -Tage bezogen auf die Gruppe betrugen in unserer Stichprobe 67 % respektive 53 %.

Während der gesamten Studiendauer wurden elf von 14 Patienten (79 %) Responder bezüglich Kopfschmerzen an mindestens einem der Messpunkte (M2–M4). Die Reduktion der Frequenz der Kopfschmerzen für diese Responder betrug 64 % pro Monat. Betreffend die Kopfschmerzreduktion ist die TPLD der TP-Therapie deutlich überlegen. Die durchschnittliche Responderrate auf Kopfschmerzen pro Messpunkt und die durchschnittliche Reduktion der Kopfschmerztage bezogen auf die Gruppe betrugen in unserer Stichprobe 60 % respektive 47 %.

Die TPLD konnte die akute Schmerzmittelgabe effektiver reduzieren als die TP-Therapie. Bei jedem Messpunkt ist der Unterschied zur Baseline signifikant (M3 und M4: P < 0,01; M2: P < 0,05) und beim primären Endpunkt zur KG. Zwei der 14 in der TPLD-G befindlichen Patienten wiesen zur Baseline einen Medikamenten-Übergebrauchs-Kopfschmerz (chronische Migräne und Abusus von Triptanen und/oder Analgetika) auf. Dieser bestand bei keinem der Patienten während der Messpunkte M2, M3 und M4.

Wirksamkeit der Erwartungshaltung und der sozialen Interaktion mit der Physiotherapeutin als Placebo-Effekte

Die soziale Interaktion während den Behandlungen der TP- und TPLD-Gruppe wurde wie für die KG gering gehalten, weshalb es sehr unwahrscheinlich erscheint, dass der Erfolg der TP und TPLD Gruppe auf die soziale Interaktion zurückzuführen ist. Eine soziale Interaktion und das Phänomen der Erwartungshaltung gegenüber zu verabreichenden Behandlungen ist nicht vermeidbar und wurde wissenschaftlich dokumentiert [37, 38].

Therapeutischer Ansatz der Kombinationstherapie TPLD in der Migräneprophylaxe

Die TPLD Therapie führt zu einer verminderten Einnahme von Schmerz-Akutmedikamenten und damit zu einer Reduktion von Nebenwirkungen dieser Medikamente. Für Patienten, die auf Grund schlechter Verträglichkeit oder wegen anderer Gründe eine medikamentöse Therapie vermeiden möchten oder während der Schwangerschaft, bei chronischem Medikamenten-Abusus sowie bei Medikamenten-induzierten Kopfschmerzen kann die TPLD eine effiziente Alternative darstellen. Vorteile der TPLD Therapie sind häufig eine Steigerung des physischen und emotionalen Wohlbefindens [21].

Limitationen – Lösungsvorschläge und Zukunftsaussichten

Bei dieser Studie gab es „Drop-outs“: ein Patient in der TPLD-G (vor Therapie-Beginn), drei Patienten in der TP-G (davon zwei vor Therapie-Beginn und ein Patient wegen einer akuten Appendicitis während der Behandlungsphase der Studie) und fünf Patienten in der KG (Nicht-Erscheinen ohne Angabe von Gründen). Es erscheint unwahrscheinlich, dass dies zu Verzerrungen geführt und die Validität der Studie beeinträchtigt hat, dies ist aber auch nicht ganz auszuschließen [36]. Da wir die fehlenden Werte im Sinne einer Intention-to-treat Analyse nur durch Annahmen hätten ergänzen können haben wir im Sinne einer Pilot-Studie darauf verzichtet.

Die Interventionen wurden von einer einzigen Physiotherapeutin bei einer relativ kleinen Zahl von Patienten durchgeführt. Das Resultat muss daher noch durch eine größere Zahl von Therapeutinnen an einer größeren Stichprobenzahl überprüft werden. Zur besseren Verblindung der Patienten könnte für die unterschiedlichen Interventionen ein übergeordneter Begriff, wie zum Beispiel „Manuelle Therapie zur Migräne-Prophylaxe“ verwendet werden.

Eine weitere Limitation dieser Pilot-Studie ist das Fehlen einer Sham-Prozedur. Aus randomisierten kontrollierten Studien zur Behandlung des Kopfschmerzes ist bekannt, dass bei Placebo-Kontrollgruppen eine Responder-Rate von 30–50 % zu beobachten ist [37, 38]. Daher ist ein Teil der beobachten positiven Effekte möglicherweise auch Ausdruck dieses Placebo-Effektes und nicht der spezifischen therapeutischen Maßnahmen. Allerdings ist eine physiotherapeutische Placebo-Behandlung schwierig, sollte aber in einer weiteren Studie angestrebt werden.

Schlussfolgerungen

Die TP-Therapie und die Kombinationstherapie TPLD sind wirksamer in der Prophylaxe von Migräne als keine Therapie in einer Warte-Vergleichsgruppe. Die Kombination beider Therapieoptionen ist effektiver als die alleinige TP-Therapie.