Zusammenfassung
Seit Beginn des Ackerbaus in Mitteleuropa bis Mitte des letzten Jahrhunderts ist die Anzahl der Ackerwildkrautarten aufgrund der vielfältigen und relativ extensiven landwirtschaftlichen Pflanzenproduktion deutlich gestiegen. Mit der Intensivierung des Ackerbaus, der Überbauung von Ackerflächen, der Verbesserung der chemischen und mechanischen Unkrautbekämpfung und dem Wegfall vieler Kulturpflanzen seit etwa 1950 nahm die Biodiversität von Ackerwildkräutern in Europa stark ab. Dieser Trend konnte anhand von vegetationskundlichen Aufnahmen in der Gemarkung Mehrstetten (Landkreis Reutlingen) dokumentiert werden Hierzu wurden für identische Flächen aktuelle Vegetationsaufnahmen mit Daten aus 1948/1949 und aus 1975–1978 verglichen. Die Zahl der gefundenen Ackerwildkräuter nahm von 1948/49 bis 2011 um 64 % ab (Verlust von 97 Arten). Die Artenzahl am Feldrand war signifikant höher als in der Feldmitte. Mit den Aufnahmen 2011 konnte aufgrund fehlender Charakterarten keine klare Zuordnung zu einer Pflanzengesellschaft mehr vorgenommen werden. Die Zeigerwerte nach Ellenberg, Zeigerwerte von Pflanzen in Mitteleuropa, 1991, haben sich im Untersuchungszeitraum nicht verändert. Keine der 23 im Jahr 1948/49 noch vorhandenen seltenen oder bedrohten Ackerwildkräuter konnten auch 2011 nachgewiesen werden. Als Ursachen für den Artenrückgang vermuten wir den intensiven Ackerbau mit relativ hohen Getreideerträgen und den damit verbundene Einsatz von Mineraldüngern und Herbiziden sowie anderen wirksamen Verfahren der Unkrautbekämpfung.
Abstract
In the period from the beginning of grain cultivation in Central Europe until the middle of the last century, the number of arable weed species has steadily increased due to diverse and extensive cropping systems. Since 1950, crop production systems have been intensified, arable land has been used for development (construction), chemical and mechanical weed control has improved and many crops have disappeared. These factors all have contributed to a strong decrease of weed species diversity. Based on detailed vegetation assessments this pattern was confirmed in the Mehrstetten area (Reutlingen County). Sampling data from 2011 were compared to data available for the same sites from 1948/1949 and 1975–1978. In the period covered, weed diversity decreased from by 64 % (97 species). Abundance of weed species was significantly higher in the field margins as compared to the center of the fields. Vegetation data obtained in 2011 no longer allowed for the identification of plant species communities since no species distinctly characterizing certain communities were recorded. There was no shift in the Ellenberg, Zeigerwerte von Pflanzen in Mitteleuropa, 1991, indicator values. None of the 23 endangered species still present in 1948/49 was recorded in 2011. Based on survey results, we assume that decrease in weed species diversity was caused by intensive cropping practices associated with the use of mineral fertilizer and herbicides as well as other effective methods of weed control.
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Gerhards, R., Dieterich, M. & Schumacher, M. Rückgang von Ackerunkräutern in Baden-Württemberg – ein Vergleich von vegetationskundlichen Erhebungen in den Jahren 1948/49, 1975–1978 und 2011 im Raum Mehrstetten – Empfehlungen für Landwirtschaft und Naturschutz. Gesunde Pflanzen 65, 151–160 (2013). https://doi.org/10.1007/s10343-013-0306-5
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