Am 27. Januar verstarb Jens Wünsche (Abb. 1) kurz vor seinem 57. Geburtstag. Er leitete das Fachgebiet Ertragsphysiologie der Sonderkulturen der Universität Stuttgart-Hohenheim. Jens Wünsche war ein beeindruckender Mensch, Macher und Visionär. Er wurde 1964 in Halle geboren und stammte aus einer obstbaulich geprägten Familie mit Bezug zu den Obstversuchen am Süßen See.

Abb. 1
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Prof. Dr. Jens Wünsche

Nach seinem Diplomstudium der Agrarwissenschaften in Halle floh er aus der DDR in den Westen, lange bevor der Fall der Mauer absehbar war. Unter Prof. Dr. F. Lenz war er am Institut für Obst- und Gemüsebau der Universität Bonn als Doktorand angestellt und konnte 1988–1990 auf der Obstversuchsanlage Klein-Altendorf wohnen – mit Kontakt zu den Versuchen und beteiligte sich dort auch an praktischen Tätigkeiten wie dem Obstbaumschnitt. Dort erfolgten auch seine Untersuchungen zur unterschiedlichen Lichtausnutzung verschiedener Pflanzsysteme (Dichtpflanzung, Einzelreihe, Doppelreihe, Dreireihenpflanzung) mit Unterstützung von Dr. Gustav Engel sowie an der gartenbauwissenschaftlichen Fakultät der Cornell Universität in Geneva, NY, USA unter Leitung von Prof. Alan Lakso. Die Ergebnisse veröffentlichte Herr Wünsche 1993 in seiner Doktorarbeit sowie wissenschaftlichen Zeitschriften.

An seine Promotion schloss Jens Wünsche einen weiteren Forschungsaufenthalt bei Prof. Alan Lakso in Geneva an. Ab 1996 setzte er über 8 Jahre seine Photosynthese Messungen an ganzen Apfelbäumen im Freiland bei John Palmer in Nelson, Neuseeland fort und bildete sich dann in der Molekularbiologie weiter. Legendär ist die Rundfahrt von Jens Wünsche und John Palmer in die deutschen Obstbaugebiete mit einer Einführung in die deutsche Geschichte, auch aus DDR – Sicht für John Palmer, an die sich vielleicht der eine oder andere Besuchte bzw. Leser erinnern kann. Zurück in Nelson waren beide maßgeblich für die Organisation des ISHS Orchard Systems Congress im Februar 2000 verantwortlich. Die in Geneva und Nelson gewonnenen Forschungsergebnisse bildeten die Grundlage seiner Habilitation an der Landwirtschaftlichen Fakultät der Universität Bonn im Jahre 2001 über den Einfluss des Fruchtbehanges auf die Photosynthese der Apfelblätter.

Nach seinem Ruf an die Universität Hohenheim in 2004 leitete er dort das o. g. Fachgebiet in Lehre und Forschung. Sein Forschungsschwerpunkt war die Blütenbildung beim Apfel sowie die Alternanz aus molekular-biologischer Sicht; insgesamt verfasste er ca. 120 Publikationen in internationalen, referierten Zeitschriften.

Von 2012 bis 2016 leitete Jens Wünsche erst die Sektion Obstbau, dann als Präsident die Deutsche Gartenbauwissenschaftliche Gesellschaft (DGG). In der internationalen Gartenbaugesellschaft ISHS rief er 2015 die Initiative ‚young minds‘ zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses im Gartenbau ins Leben. Im August 2018 initiierte Jens Wünsche in Zusammenarbeit mit dem DAAD und der ISHS die internationale Summer School zur Physiologie der Obstgehölze für Masterstudenten aller Nationalitäten.

Jens Wünsche übernahm 2008 – mit Unterstützung von Frau Michaelis und Frau Krause – von Prof. Forkmann die Leitung der Zeitschrift European Journal of Horticultural Science (eJHS, früher die Gartenbauwissenschaft) mit ca. 120 Einsendungen pro Jahr. Jens Wünsche leitete die Geschicke der Zeitschrift aus dem Hause Ulmer und der DGG. Er brachte den Transfer zum ISHS mit Umstellung auf open access auf den Weg, die den Impaktfaktor der Zeitschrift von 0,4 auf heute 1,18 (2019) steigerte und setzte sich dabei für eine ermäßigte Publikationsgebühr für Mitglieder der DGG ein.

Die Gartenbauwissenschaft verliert – viel zu früh im Alter von nicht ganz 57 Jahren und kurz vor der von ihm geplanten SHE/DGG Tagung in Stuttgart im März 2021 – nicht nur einen Professor im Obstbau mit hoher fachlicher Kompetenz, Weitsicht und internationaler Erfahrung, sondern auch einen engen Freund und guten Kollegen mit Humor, Natürlichkeit und sehr viel Menschlichkeit. Jens Wünsche litt seit 4 Jahren an einer schweren Krankheit. Das Mitgefühl gilt seiner Frau Judith und seinen drei Töchtern.

Ich werde meinen Freund Jens Wünsche stets in sehr guter Erinnerung halten

Michael Blanke, Bonn