Der Begriff „katameniale Epilepsie“ leitet sich ab aus dem (Alt‑)Griechischen (katamenios = monatlich) [25]. Bereits 1881 berichtete William Gowers von seiner Beobachtung, dass die Mehrheit der Frauen in seiner Klinik eine perimenstruelle Verschlechterung ihrer Anfallssituation schilderten [11].

Entscheidend für die Einordnung und weiterführende therapeutische Empfehlungen ist eine sorgfältige und prospektive Dokumentation der Anfälle im Zusammenhang mit dem Menstruationszyklus. Von einer Anfallszunahme ist erst dann auszugehen, wenn sich die Frequenz im Vergleich zur Baseline bzw. anderen Zeiträumen mindestens verdoppelt [3, 10].

Pathophysiologische Überlegungen

Zu den pathophysiologischen Determinanten gehören

  1. 1.

    die neuroaktiven Eigenschaften der reproduktiven Steroide,

  2. 2.

    die Schwankungen der neuroaktiven Steroidspiegel über den Menstruationszyklus und

  3. 3.

    die unterschiedliche Anfälligkeit epileptischer Substrate für neuroaktive Steroidwirkungen [15].

Neurosteroide modulieren neuronale Exzitabilität durch direkte Interaktion mit den GABA-A-Rezeptoren. Allopregnanolon als Metabolit von Progesteron wirkt dabei als allosterischer Modulator direkt aktivierend auf die GABA-A-Rezeptoren und verstärkt die neuronale Inhibition. Ein Progesteronabfall (z. B. prämenstruell) kann somit eine erhöhte neuronale Exzitabilität bewirken [30].

Die Wirkung von Östrogen auf die Neuroexzitabilität ist komplex und basiert im Wesentlichen auf 2 Mechanismen:

  • ein kurzfristiger, nichtgenomischer (membranvermittelter) Effekt und

  • ein längerfristiger (Stunden bis Tage) genomischer Effekt über die Bindung an den intrazellulären Östrogenrezeptor mit konsekutiver Bindung an die Desoxyribonukleinsäure (DNA) und Kontrolle der Genexpression [13].

Einen weiterführenden Überblick zum Thema Neurosteroide bei Frauen mit Epilepsie bzw. bei katamenialer Epilepsie geben die Übersichten von Vadlamudi et al. [31] und Joshi et al. [22].

Die unterschiedlichen Wirkmechanismen der Neurosteroide (über Rezeptorbindung intrazellulär oder membranvermittelt über die Modulation von Ionenkanälen) sind in der Arbeit von Reddy [30] übersichtlich in einer schematischen Abbildung dargestellt.

Definition

Im Allgemeinen wird eine katameniale Epilepsie diagnostiziert, wenn die Anfallshäufigkeit in einer bestimmten Phase des Zyklus in 2 von 3 Zyklen um mindestens das Doppelte ansteigt [20].

Insbesondere basierend auf den Arbeiten von Herzog [21] wird inzwischen von 3 Formen der Anfallshäufung ausgegangen: bei ovulatorischen Zyklen unterscheidet man eine Anfallshäufung perimenstruell (C1-Muster) und periovulatorisch (C2-Muster), bei anovulatorischen Zyklen eine Anfallshäufung während der gesamten Lutealphase (C3-Muster). Die Abb. 1 verdeutlicht schematisch die C1-, C2- und C3-Muster der katamenialen Epilepsie im Zyklusverlauf.

Abb. 1
figure 1

Schematische Darstellung der C1-, C2- und C3-Muster der katamenialen Epilepsie im zeitlichen Rahmen. rel. Hormonkonzentration relative Hormonkonzentration, perim. perimenstruell, periovulator. periovulatorisch, inadäq. Lutealphase inadäquate Lutealphase. Erläuterung: Tag 1 des Zyklus wird als 1. Tag der Menstruation definiert. Perimenstruell wird als Tag −3 bis +3 der Menstruation definiert

Die Tab. 1 listet die beschriebenen Muster zyklusabhängiger Anfallshäufung tabellarisch auf.

Tab. 1 Zyklusabhängige Anfallshäufung

Prävalenz

Einführend ist darauf hinzuweisen, dass es nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Jahr 2021 mehr als 14 Mio. Mädchen und Frauen im Alter von 15 bis unter 45 Jahren gab, für die eine katameniale Verstärkung der Anfallsfrequenz potenziell relevant sein könnte.

In der NIH(National Institutes of Health)-Progesteron-Studie konnten 44,2 % der 294 randomisierten Teilnehmerinnen, die die 3‑Monats-Baseline-Phase abgeschlossen hatte, als katameniale Epilepsie eingeordnet werden [18]. Dabei ließ sich die Anfallshäufung folgenden Mustern zuordnen: C1: 39,8 %, C2: 33,9 % und C3: 47,1 %.

Für alle Frauen, unabhängig vom Epilepsiesyndrom oder der Anfallssituation, ist die reale Prävalenz der katamenialen Patterns zum aktuellen Zeitpunkt aber nicht gut definiert [33]. Voinescu et al. untersuchten in einer prospektiven Beobachtungsstudie neben der Schwangerschaftsrate das Auftreten und die Verteilung katamenialer Muster in einer heterogenen Kohorte von Frauen mit Epilepsie ohne Hormontherapie. Es kamen 23 der 89 für die Studie eingeschlossenen Frauen für die Analyse infrage: 12 von 23 erfüllten die Kriterien einer katamenialen Epilepsie; davon zeigten 5 von 23 ein C1-Muster, 2 von 23 ein C2-Muster, 5 von 23 ein kombiniertes C1/C2-Muster. Es wurde lediglich eine Frau mit anovulatorischen Zyklen erfasst. Sie wies kein C3-Muster auf. Es gab keine Unterschiede in der Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines katamenialen Musters zwischen den Frauen, die dieses vorher berichtet hatten, im Vergleich zu denen, die dies nicht angegeben hatten [33].

Therapie

Hormonelle Behandlungsmöglichkeiten

Gestagenbehandlung

Es gibt 2 Formen der Gestagenbehandlung:

  • eine zyklische Progesterontherapie, bei der Progesteron während der Lutealphase zugeführt und prämenstruell allmählich entzogen wird, und

  • eine Suppressivtherapie, bei der das Ziel darin besteht, den Menstruationszyklus zu unterdrücken, was im Allgemeinen mit injizierbaren Gestagenen oder Gonadotropin-Releasing-Hormon-Analoga erreicht wird [14].

Zyklische Progesterontherapie.

Zwei offene Studien zur adjunktiven Progesterontherapie bei Frauen mit katamenialer Epilepsie führten zu einer klinisch bedeutsamen und statistisch signifikanten Verringerung der Anfallshäufigkeit [16, 17].

Daraus resultierte die Durchführung der NIH-Progesteron-Studie, einer randomisierten, placebokontrollierten, doppelblinden klinischen Studie über Progesteron vs. Placebo in der Behandlung von therapieschwierigen Anfällen bei Frauen mit und ohne katameniale Epilepsie [18]. Das Studiendesign sah vor, zu einer bereits optimierten anfallssuppressiven Behandlung entweder Progesteron als Lutschtabletten 3‑mal 200 mg/Tag oder Placebo zu applizieren, beginnend mit der Ovulation (Zyklustag 14) und endend mit dem ersten Tag der Menstruation (mit der Option des ausschleichenden Absetzens: 3‑mal 100 mg/Tag an den Tagen 26/27, 3‑mal 50 mg/Tag am Tag 28).

Verglich man den Anteil von ≥ 50%-Respondern in der Anfallshäufigkeit zwischen einer 3‑monatigen Basislinie und einer 3‑monatigen Behandlungsphase, gab es keine Unterschiede in der Anfallshäufigkeit beim Vergleich zwischen Behandlungsgruppe und Placebo. Betrachtete man jedoch die Patientinnen mit einem starken C1-Muster isoliert, wurde der Unterschied signifikant: 37,8 % sprachen auf Progesteron an gegenüber 11,1 % in der Placebogruppe. Bei Probandinnen mit C2- oder C3-Mustern oder bei den Patientinnen ohne katameniales Muster, die etwas mehr als 50 % der Studienpopulation ausmachten, wurde kein Ansprechen beobachtet.

Eine zweite randomisierte placebokontrollierte iranische Studie untersuchte Frauen mit fokaler oder generalisierter Epilepsie und einem katamenialen Muster. Die adjuvante Progesterongabe (80 mg/Tag) erfolgte in der 2. Zyklushälfte über 3 Monate, 38 Frauen wurden eingeschlossen. Sowohl in der Behandlungsgruppe als auch in der Placebogruppe sank die Anfallsfrequenz. Dieser Unterschied war in der Behandlungsgruppe signifikant größer (p = 0,024) [27].

Progestin-Therapie.

Zwei kleine, doppelblinde, randomisierte Cross-over-Studien verglichen Norethisteron (ein Gestagen der 1. Generation) mit Placebo. In der ersten Studie wurden die Frauen randomisiert einer Behandlung mit Norethisteron 3‑mal 5 mg/Tag, Norethisteron 3‑mal 350 µg/Tag oder Placebo zugeordnet. Die Studie schloss 9 Patientinnen ein, keine zeigte eine signifikante Abnahme der Anfallshäufigkeit [7]. Eine weitere Studie schloss 15 Patientinnen ein und verglich randomisiert Norethisteron 0,35 mg/Tag und Placebo, ebenfalls ohne eine statistisch signifikante Differenz zwischen den Gruppen [6].

Einen sehr guten Überblick über die bereits durchgeführten Progesteron-Studien geben Nucera et al. [28]. Die Autoren haben 19 Artikel (457 Patientinnen) systematisch untersucht und kamen zu dem Schluss, dass trotz möglicher Hinweise für eine Wirksamkeit der Progesteronbehandlung bei katamenialer Epilepsie aus unkontrollierten Studien es doch an belastbaren Daten aus großen und gut durchgeführten randomisierten kontrollierten Studien fehlt.

Auch Maguire et al. [26] kamen in ihrem Cochrane-Database-Review zu einer ähnlichen Einschätzung und bewerteten die Evidenz aus den Norethisteron-Studien mit einer sehr geringen Sicherheit und die Evidenz aus den eingeschlossenen Progesteron-Studien mit einer geringen bis moderaten Sicherheit.

Kombinierte orale Kontrazeptiva (Ethinylestradiol und synthetisches Gestagen) im sog. Langzyklus werden ebenfalls angewendet, um die zyklischen Schwankungen der endogenen Hormone zu minimieren und damit die Anfallshäufigkeit zu verringern, obwohl es für diesen Ansatz keine evidenzbasierten Daten gibt [32].

Die durchgängige Gestagenmonotherapie mit Gestagenen in ausreichend hoher Ovulationshemmdosis stellt eine pragmatische Behandlungsmöglichkeit mit synergistischem Effekt (Kontrazeption) und relativ günstigem Nebenwirkungsprofil dar, auch wenn hierfür ebenfalls keine systematischen Studien mit der resultierenden Evidenz vorliegen.

Gonadotropin-Releasing-Hormon-Analoga-Therapie.

Hierzu liegen ältere Fallserien u. a. von Bauer et al. vor [4]. GnRH(Gonadotropin-Releasing-Hormon)-Analoga bewirken im Grunde eine medikamentöse Ovarektomie. Die Behandlung ist nebenwirkungsträchtig: Häufige Nebenwirkungen sind Rötungen, Scheidentrockenheit und Dyspareunie. Zu den ernsten Langzeitrisiken gehören Osteoporose und Herz-Kreislauf-Erkrankungen [14].

Weitere nichthormonelle Behandlungsmöglichkeiten

Es gibt einige wenige Fallberichte oder kleine offene Serien, die nichthormonelle Behandlungsoptionen untersuchen [32].

  1. 1.

    Acetazolamid ist vielleicht die älteste Strategie, die als spezifische Behandlung der katamenialen Epilepsie eingesetzt wird. Die ersten Berichte stammen aus den 1950er-Jahren [2]. Der Algorithmus wurde hauptsächlich bei C1-Mustern, aber auch bei anderen Mustern eingesetzt, z. B. 250–500 mg täglich 3 bis 7 Tage vor der Menstruation [24]. Hierbei sind allerdings potenziell teratogene Effekte bzw. die fehlende Datenlage zum Fehlbildungsrisiko einschränkend zu nennen.

  2. 2.

    Benzodiazepine werden in der Praxis häufig eingesetzt mit ähnlich überschaubaren Daten, wobei die meisten für Clobazam verfügbar sind (20–30 mg täglich, 10 Tage lang, beginnend 2 Tage vor der Anfallsverschlechterung [9]). Mögliche unerwünschte Wirkungen unter Benzodiazepinen (verzögerte Reagibilität und Müdigkeit, Suchtpotenzial) können die Anwendung limitieren.

  3. 3.

    Es wurde beschrieben, die Dosis des Anfallssuppressivums während der zyklischen Anfallszunahme zu erhöhen, wenn Serumkonzentration, Nebenwirkungen und Pharmakokinetik dies erlauben. Auch hierfür gibt es keine unterstützenden Beweise, und potenziell teratogene Effekte sind zu berücksichtigen.

Ausblick

Katameniale Muster sollten besser identifiziert werden

Voinescu et al. fanden keine Assoziation zwischen den von Frauen berichteten katamenialen Mustern und den prospektiv erhobenen Daten, was sich hinsichtlich der korrekten Anfallserfassung mit anderen Untersuchungen deckt [8, 12]. Zukünftig dürften Methoden der elektronischen und mobilen (Langzeit‑)Anfallserfassung auch vor dem Hintergrund eines personalisierten Behandlungsansatzes eine immer wichtigere Rolle spielen [33].

Alshakhouri et al. benennen ebenfalls die Probleme bei der subjektiven Anfallserfassung und folgern daraus, dass ein objektiver Biomarker für das Vorliegen katamenialer Epilepsien wünschenswert sei. Sie diskutieren in diesem Zusammenhang die Möglichkeiten einer häuslichen oder einer ultralangen EEG(Elektroenzephalogramm)-Aufzeichnung (mit subkutaner Ableitung) oder die Untersuchung von Blutproben zur Hormonbestimmung [1].

Wir benötigen bessere Studien zu den therapeutischen Möglichkeiten

In ihrem Cochrane-Database-Review bemängeln Maguire et al. das Fehlen von qualitativ hochwertigen klinischen Studien und kritisierten insbesondere, dass verschiedene Muster bei katamenialen Epilepsien mit demselben Therapieschema behandelt wurden. Sie schlagen daher die Berücksichtigung pathophysiologischer Mechanismen beim Studiendesign vor, wofür wiederum große Stichproben bzw. multizentrische Studien erforderlich sein dürften [26].

Ähnlich argumentieren Nucera et al. und favorisieren große prospektive Studien oder internationale Register, insbesondere auch um systematisch Daten über die Progesteronserumspiegel im Zusammenhang mit den verabreichten Dosierungen zu sammeln, mit den klinischen Ergebnissen in Beziehung setzen und so die Wirksamkeit der Progesteronbehandlung belegen zu können [28].

Allopregnanolon – eine Schlüsselsubstanz?

Experimentelle Studien haben gezeigt, dass die anfallssuppressiven Eigenschaften von Progesteron und Deoxycorticosteron auf ihrer Umwandlung zu den Neurosteroiden Allopregnanolon (3α-Hydroxy-5α-pregnan-20-on) und Allotetrahydrodeoxycorticosteron (3α,21-Dihydroxy-5α-Pregnan-20-on; THDOC) basieren [29].

Auch Herzog et al. vermuteten in einer sich an die NIH-Progesteron-Studie anschließenden Untersuchung Allopregnanolon als Vermittler der Anfallsverminderung bei den mit Progesteron behandelten Frauen. Sie maßen das Allopregnanolon in der Mitte der Lutealphase und verglichen dabei Probandinnen, bei denen perimenstruell die Anfallshäufigkeit um mindestens das 3fache angestiegen war, mit allen, die nichtperimenstruell mindestens 3‑mal mehr Anfälle hatten. Es fand sich eine signifikante Korrelation zwischen der Verringerung der Anfallshäufigkeit und dem Anstieg der Allopregnanolon-Konzentrationen, was die Idee unterstützt, dass Allopregnanolon die Veränderungen der Anfallsschwelle bei Progesteronentzug vermittelt [19].

In einer kleinen Studie an schwangeren Frauen konnten Voinescu et al. zeigen, dass niedrige Allopregnanolon-Konzentrationen im 3. Trimester mit einer erhöhten Anfallsfrequenz während der Schwangerschaft assoziiert waren [34].

Alshakhouri [1] sieht vielversprechende Ansätze für die Behandlung katamenialer Epilepsien durch die Modulation von Allopregnanolon und verweist auf die Zulassung von Medikamenten für psychiatrische Indikationen wie Brexanolon [23] und andere Verbindungen, die mit den Wirkungen von Allopregnanolon auf das Gehirn interagieren, wie z. B. Sepranolon [5].

Natürlich sind auch hier qualitativ hochwertige klinische Studien zur Überprüfung der Wirksamkeit dieser Substanzen erforderlich.

Fazit für die Praxis

  • Nehmen Sie Angaben der Frauen über eine zyklusabhängige Anfallszunahme ernst! Die Evidenz zum Vorliegen verschiedener katamenialer Muster (C1-Muster: Anfallszunahme perimenstruell, C2-Muster: Anfallszunahme periovulatorisch, C3-Muster: Anfallszunahme in der Lutealphase) ist überzeugend.

  • Für mindestens 3 Menstruationszyklen sollten die Anfälle in zeitlichem Zusammenhang zum Menstruationsbeginn sorgfältig dokumentiert werden. Hierfür können perspektivisch auch Möglichkeiten der elektronischen Anfallserfassung hilfreich sein.

  • Falls sich ein klares katameniales C1-Muster mit perimenstrueller Anfallszunahme nachweisen lässt, kann unter Berücksichtigung der Ergebnisse der NIH(National Institutes of Health)-Progesteron-Studie die Gabe von Progesteron erfolgen (Dosierung: Tag 14–25 des Zyklus: 3‑mal 200 mg/Tag, Tag 26/27: 3‑mal 100 mg/Tag, Tag 28: 3‑mal 50 mg/Tag).

  • Alternative Strategien (wie z. B. die Gabe von Clobazam oder Acetazolamid, die Dosisanhebung des Anfallssuppressivums während der zyklischen Anfallszunahme, aber auch eine Dauer-Gestagentherapie) sind nicht evidenzbasiert. Darüber sollten Sie bei einem entsprechenden Einsatz informieren.