Zusammenfassung
Hintergrund
Die Evidenz zum Einfluss körperlicher Aktivität (kA) auf die Anfallsfrequenz in Humanstudien ist niedrig.
Ziel
Literaturbasierte narrative Darstellung des Einflusses von kA auf Status epilepticus (SE) im Tiermodell.
Material und Methode
Auf Basis einer systematischen Literaturrecherche wurden kontrollierte, sportliche Interventionsstudien im Tiermodell für alle Anfallsmodelle sowie Belastungsformen und Modalitäten eingeschlossen, die den Einfluss auf klinische Endpunkte wie Anfallsfrequenz, Latenz und Intensität von Anfällen oder epilepsietypische Aktivität im EEG untersuchten.
Ergebnisse
Es wurden 33 Studien mit 37 Interventionen (Ausdauer‑, Schwimm- oder Krafttrainings verschiedener Intensität, Dauer und Frequenz) eingeschlossen, im Rahmen derer eine Trainings- mit einer Kontrollgruppe verglichen wurde. Die untersuchten Endpunkte waren sehr heterogen und beinhalteten unter anderem epilepsietypische Aktivität im EEG, Latenz bis zum ersten Anfall, Stärke der Symptome oder Anfallsfrequenz. Insgesamt zeigte sich nach 20 Interventionen ein positiver Effekt, nach 9 Interventionen ein heterogener Effekt (positiv oder ausbleibend), nach 6 Interventionen ein ausbleibender Effekt und nach 1 Intervention ein positiver und ein negativer Effekt bezüglich der untersuchten klinischen Endpunkte.
Schlussfolgerung
Im Tiermodell scheint kA keinen relevanten negativen Einfluss auf anfallsassoziierte Endpunkte zu haben und wirkt sich tendenziell in den meisten Fällen, z. B. hinsichtlich der Anfallsfrequenz, positiv aus. Diese Ergebnisse sollten zur Untersuchung des Einflusses von kA auf die Anfallsfrequenz in Humanstudien motivieren.
Abstract
Background
The evidence for the influence of physical activity (PA) on seizure frequency in human studies is very low.
Objective
Literature-based narrative presentation of the influence of PA on status epilepticus (SE) in animal models.
Material and methods
Based on a systematic literature research, controlled exercise intervention studies for all animal models on seizures as well as all exercise modalities and types were included, which investigated clinical endpoints, such as seizure frequency, latency and intensity of seizures or epileptiform activity.
Results
A total of 33 studies investigating 37 interventions (endurance, swimming and strength training of various durations, intensities and frequencies) involving a training group and a control group were included. The investigated endpoints were very heterogeneous and included epileptiform activity, latency to the first seizure, severity of symptoms and seizure frequency. Overall, 20 Interventions showed a positive effect on clinical endpoints, 9 interventions revealed a heterogeneous effect (positive or missing), 6 interventions were not associated with any clinical effect and in 1 intervention 1 endpoint was negatively influenced and 1 positively.
Conclusion
In animal models, PA does not appear to have a relevant negative impact on seizure-associated endpoints and in most cases a positive trend towards clinical features of SE (for example on seizure frequency) was reported. These results should motivate investigation of the influence of PA on seizure frequency in human studies.
Die Angst vor negativen Einflüssen von körperlicher Aktivität (kA) auf den Verlauf von Epilepsien sowie vor sportinduzierten Anfällen sind vermutlich 2 Gründe für die lang geltende Empfehlung gegen Sportausübung für Menschen mit Epilepsie [18]. Aus Humanstudien ist jedoch der positive Einfluss von kA auf viele krankheitsassoziierte Aspekte wie z. B. die psychologische Gesundheit [44] bekannt. Die Beeinflussung der Anfallsfrequenz wurde bislang wenig untersucht, und Hinweise auf einen positiven Zusammenhang existieren hauptsächlich in Tiermodellen. Eine starke Evidenz für eine antiepileptische Wirksamkeit von kA in Tiermodellen könnte den klinischen Transfer jedoch erheblich stimulieren.
Methodik
Die Literaturrecherche wurde am 24.05.2022 auf PubMed und Web of Science durchgeführt. Es wurde der Suchterminus „(epilepsy OR seizure OR antiepileptic OR epileptic) AND (animal OR rat OR mouse OR rodent) AND (exercise OR ‚physical activity‘ OR sport OR training OR ‚physical effort‘)“ verwendet. Eingeschlossen wurden kontrollierte Interventionsstudien im Tiermodell (Ratten, Mäuse), die die Auswirkungen von sportlichem Training auf Endpunkte wie Anfallsfrequenz, Latenz oder Intensität von Anfällen oder epilepsietypische Aktivität im EEG untersuchen. Im Rahmen dieser Übersichtsarbeit wurden Ergebnisse von Training in Epilepsiemodellen im Vergleich zu Epilepsiekontrollgruppen beschrieben. Studien, die eine zusätzliche Medikamenteninjektion beinhalten, wurden nicht beschrieben.
Ergebnisse
Insgesamt wurden von 3489 identifizierten Studien 33 in die Übersichtsarbeit eingeschlossen. In 19 Studien wurde die Intervention (INT) vor SE-Induktion durchgeführt (INTvSE) [1, 4, 10, 14, 19, 21, 23, 24, 26, 28,29,30,31, 33, 37, 39, 40, 42, 45] und in 14 Studien nach SE-Induktion (INTnSE) [2, 5, 6, 8, 9, 20, 27, 32, 34, 35, 38, 43, 46]. Eine Studie verwendete WAG/Rij-Ratten mit spontaner Absence-Epilepsie, sodass diese der Gruppe INTnSE zugeordnet wurde [12].
Status-epilepticus-Induktion und Untersuchungstiere
In 2 Studien der Gruppe INTvSE wurden die Auswirkungen von Amygdalastimulationen auf das Kindling untersucht [4, 10]. Verschiedene chemische Konvulsiva wie Homozystein Thiolacton (n = 2) [23, 24], Kainsäure (n = 4) [29,30,31, 40], Pentylenetetrazol (PTZ) (n = 4) [1, 14, 33, 39], Pilocarpin (n = 4) [19, 21, 37, 45] und Penicillin (n = 3) [26, 28, 42] kamen in den anderen Studien zur SE-Induktion zur Anwendung.
In der Studiengruppe INTnSE wurden Pentylenetetrazol (n = 2) [32, 35], Ascorbinsäure und/oder Penicillin (n = 2) [27, 43] und Pilocarpin (n = 9) [2, 5, 6, 8, 9, 20, 34, 38, 46] eingesetzt sowie das Absence-Epilepsie-Modell der WAG/Rij-Ratten [12].
In 28 Studien wurden männliche und in 2 Studien [45, 46] weibliche Ratten untersucht. Drei Studien nutzten männliche Mäuse [29,30,31].
Interventionsprogramme und Belastungsmodalitäten
In der Gruppe INTvSE wurden Schwimmtraining (n = 6), kombiniertes Schwimm- und Ausdauertraining (n = 1), erzwungenes Ausdauertraining auf dem Laufband/-rad (n = 11) und freiwilliges Ausdauertraining (freier Zugang zum Laufband/-rad) (n = 1) durchgeführt. Eine Studie verglich freiwilliges und erzwungenes Ausdauertraining.
In der Gruppe INTnSE wurden Schwimmtraining (n = 4), erzwungenes Ausdauertraining (n = 8), freiwilliges Ausdauertraining (n = 3) und Krafttraining (Klettern an einer Leiter) (n = 2) durchgeführt. Zwei Studien verglichen freiwilliges und erzwungenes Ausdauertraining und eine weitere Schwimmtraining und freiwilliges Ausdauertraining.
Die Trainingsprogramme sind detailliert im Online-Zusatzmaterial in den Tabellen S1 und S2 dargestellt.
In der INTvSE-Gruppe variierten Häufigkeit und Dauer der Schwimmeinheiten zwischen 15 und 90 Einheiten und 15–60 min pro Einheit, die Ausdauereinheiten zwischen 1 und 65 Einheiten und 15–60 min pro Einheit mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten. In den freiwilligen Ausdauertrainingsinterventionen hatten die Tiere 27 und 30 Tage Zugang zum Laufband (Tab. S1).
In der INTnSE-Gruppe wurde das Schwimmtraining zwischen 20 und 90 Einheiten bei unterschiedlichen Dauern durchgeführt (15–60 min). Über 10 bis 59 Einheiten mit einer Dauer von 30–60 min pro Einheit wurden die Tiere in den Ausdauerinterventionen bei unterschiedlicher Geschwindigkeit trainiert. Das freiwillige Ausdauertraining wurde über 10, 30 oder 45 Tage durchgeführt und die Krafttrainingseinheiten jeweils über 20 Einheiten (Tab. S2).
Ergebnisse zu den klinischen Endpunkten
In den eingeschlossenen Studien wurden unterschiedliche Endpunkte erhoben (Tab. S1, S2). Einige wurde zu einem festgelegten Zeitpunkt und andere mehrmals innerhalb einer Zeitspanne erhoben. Die im Online-Zusatzmaterial in Tab. S1 und S2 dargestellten Ergebnisse beziehen sich auf die jeweiligen primär berichteten Hauptergebnisse der eingeschlossenen Studien und auf einen Gruppenvergleich zwischen der Epilepsietrainingsgruppe und der Epilepsiekontrollgruppe.
Innerhalb der Gruppe INTvSE wurden unter anderem die Endpunkte „Anzahl Stimulationen“ [4, 10], „Anzahl an Injektionen“ [40], „Latenz SE“ [21, 45], „Latenz erste Symptome“ [21, 37], „Latenz erster Anfall“ [1, 14, 19, 23, 24, 28, 39], „Latenz Konvulsionen“ [33], „Dauer Konvulsionen“ [33], „Intensität Symptome“ (basierend auf festgelegter Skala) [1, 14, 21, 37], „Frequenz Symptome“ [37], „Zeit Anfallsmanifestation“ [37], „Anfallsfrequenz“ [1], „Anzahl Anfallsepisoden“ [23], Mortalität [30, 33], „epileptiforme Aktivität“ im EEG [1, 26, 28, 39], „Anfallsaktivität“ [29,30,31] untersucht (Tab. S1).
Innerhalb der Studiengruppe INTnSE wurden die Endpunkte „Anfallsfrequenz“ [2, 5, 6, 8, 9, 20, 34, 38, 46], „Latenz“ [32, 35], „Dauer Anfälle“ [32], „Intensität Symptome“ [32] und „epileptiforme Aktivität“ im EEG [12, 27, 43] erhoben (Tab. S2).
In der Gruppe INTvSE wurden durch 10 Interventionen in 10 Studien positive Effekte unter anderem auf die Anfallsaktivität, epileptiforme Aktivität und Anfallslatenzen zugunsten der Epilepsietrainingsgruppe beobachtet (Schwimmintervention n = 4, erzwungene Ausdauerintervention n = 5, freiwillige Ausdauerintervention n = 1) [1, 4, 14, 19, 26, 29,30,31, 33, 40]. Fünf Interventionen in 5 Studien zeigten heterogene Ergebnisse (Schwimmintervention n = 3, erzwungene Ausdauerintervention n = 2) [9, 21, 37, 39, 42]: Während einige positiv beeinflusst wurden, konnte bei anderen kein Gruppenunterschied gefunden werden (Tab. S1). Bei 3 Ausdauerinterventionen in 3 Studien konnte kein Effekt auf alle eingeschlossenen Endpunkte, z. B. Latenzen, Inzidenzen, Intensitäten oder epileptiforme Aktivität, beobachtet werden [24, 28, 45]. In einer Studie, die ein freiwilliges Ausdauertraining durchführte, war die Intensität der motorischen Symptome in der Trainingsgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe stärker. Allerdings wurde in der Epilepsietrainingsgruppe auch eine verkürzte Latenz bis zum Auftreten des ersten Anfalls gefunden [45].
In der Gruppe INTnSE wurden durch 11 Interventionen in 11 Studien positive Auswirkungen auf die untersuchten Endpunkte beobachtet (Schwimmintervention n = 3, erzwungene Ausdauerintervention n = 4, freiwillige Ausdauerintervention n = 2, Kraftintervention n = 2) [2, 5, 6, 8, 12, 20, 32, 34, 43, 46]. Dabei wurden Parameter wie epileptiforme Aktivität, Latenzen und Dauern sowie Anfallsfrequenzen positiv beeinflusst. Vier Interventionen aus 3 Studien zeigten heterogene Ergebnisse (Schwimmintervention n = 1, erzwungene Ausdauerintervention n = 2, freiwillige Ausdauerintervention n = 1) [9, 27, 35]. So war z. B. die Anfallsdauer reduziert, die Latenz bis zum ersten Anfall allerdings nicht [35], oder Spikes im EEG wurden positiv hinsichtlich der Anzahl und Frequenz, nicht aber der Amplitude und Latenz beeinflusst [27]. Durch 2 weitere Interventionen konnte kein Gruppenunterschied bezüglich des einzig beobachteten Endpunktes Anfallsfrequenz beobachtet werden (erzwungene Ausdauerintervention n = 2) [38, 46].
Diskussion
Die Anzahl und Art der untersuchten Studienendpunkte in den 37 Interventionen aus 33 Studien variiert zum Teil erheblich. Zusammenfassend aus beiden Studiengruppen (INTvSE, INTnSE) konnte in 20 Interventionen ein positiver Effekt auf verschiedene Endpunkte, wie z. B. Anfallsfrequenz oder epileptiforme Aktivität, in der Epilepsietrainingsgruppe beobachtet werden. Neun Interventionen zeigten heterogene Ergebnisse bezüglich der untersuchten klinischen Endpunkte. Bei 6 Interventionen konnte kein Trainingseffekt nachgewiesen werden. Es zeigten sich demnach keine Unterschiede zwischen der Trainingsgruppe und der Kontrollgruppe. Lediglich durch eine freiwillige Ausdauerintervention wurde die Stärke motorischer Symptome negativ beeinflusst, allerdings gleichzeitig auch ein positiver Effekt auf die Latenz bis zum ersten Anfall beobachtet.
Neben den Studienendpunkten zeigte sich eine Heterogenität hinsichtlich der untersuchten Trainingsprogramme. Diese unterschieden sich hinsichtlich der Anzahl der Einheiten, der Dauer, der Laufgeschwindigkeit oder der Zusatzgewichte. Die Gründe für das Ausbleiben eines Effekts nach einigen der untersuchten Interventionen erscheinen im Vergleich mit anderen Studien nicht eindeutig. So blieb beispielsweise der Effekt auf Parameter der epileptiformen Aktivität in der Gruppe INTvSE nach 90 Einheiten Schwimmtraining über jeweils 30 und 60 min aus, nicht aber nach 15 min [42] oder nach 21 Einheiten à 60 min [1]. Ein ähnliches Bild zeigt sich in der Gruppe INTnSE. Im direkten Vergleich der Interventionen muss allerdings berücksichtigt werden, dass die beobachteten Endpunkte studienspezifisch sind und sich nicht oder nur schwer studienübergreifend vergleichen lassen. Tendenziell gibt es jedoch Hinweise darauf, dass die Applikation von nur wenigen Interventionen (1 bis 10 Einheiten) weniger effektiv zu sein scheinen, obwohl ein Effekt auch bei häufigeren Interventionen (90 Einheiten) teilweise ausgeblieben ist. Ein möglicher Einflussfaktor könnten die unterschiedlichen Wirkmechanismen der verwendeten chemischen Konvulsiva zur SE-Induktion sein. Iqbal et al. (2017) [25] untersuchten in einem systematischen Review und einer Metaanalyse nur die Studien, in denen das Pilocarpin-Modell angewendet wurde. Die Autoren schlussfolgerten, dass die Effizienz des Trainings von der Dauer abhänge. Eine solche Schlussfolgerung ist in dieser weit gefassten Übersichtsarbeit im Sinne einer Dosis-Wirkungs-Beziehung aufgrund der Heterogenität der Anfallsmodelle nicht möglich, jedoch bestanden mit Ausnahme einer Studie auch keine negativen Effekte.
Der beobachtete positive Effekt auf die untersuchten Endpunkte in den freiwilligen, aber nicht in den erzwungenen Ausdauertrainingsgruppen der Forschergruppe Vannucci Campos (2016, 2017) [45, 46] wird möglicherweise auch vom Geschlecht der Tiere beeinflusst. Epilepsien, besonders im Pilocarpin-Modell, welches hier zur Anwendung kam, scheinen einen Einfluss auf die hormonelle Regulation bei weiblichen Ratten zu haben [3]. Der Einfluss auf die Endpunkte Anfallsfrequenz sowie Latenz bis zum ersten motorischen Anfall und damit einhergehend der Zusammenhang mit kA ist dabei nicht eindeutig geklärt, sodass die Vergleichbarkeit zu den anderen Studien eingeschränkt ist.
Neben der Beobachtung und Beschreibung von Endpunkten im Kontext mit kA wie Anfallsfrequenz, Latenz und Intensität von Anfällen oder epilepsietypischen Veränderungen im EEG werden in der Literatur auch mögliche zugrunde liegende physiologische Wirkmechanismen diskutiert [11]. Die Bedeutungen des „brain-derived neurotropic factor“ (BDNF) und des Neuropeptids Y (NPY) sind dabei nur 2 Ansatzpunkte bei der mechanistischen Betrachtung. KA kann die Expression des BDNF und des NPY steigern [16, 22], die Bedeutung von BDNF bei Epilepsien ist jedoch noch unklar. Zum einen könnte eine exzitatorische Wirkung bestehen [36], zum anderen wird aber auch eine Modulation der Expression von Neuropeptiden, beispielsweise des NPY, vermutet [17]. Über die Modulation synaptischer Kopplung in der Hippocampusformation dient NPY möglicherweise als endogenes Antikonvulsivum [13]. Auch andere Mechanismen werden in diesem Kontext diskutiert [7].
Obschon die Übertragbarkeit der Ergebnisse aufgrund der Anwendung eines Anfallsmodells auf den Menschen eingeschränkt ist und keine methodische Bewertung der Studien vorgenommen wurde, sodass das Verzerrungspotenzial der vorliegenden Ergebnisse unklar ist, sollten die positiven Ergebnisse und das weitestgehende Ausbleiben von negativen Ergebnissen zur Untersuchung des Einflusses von kA auf epileptische Anfälle im Menschen motivieren [15, 41]. Eine systematische Übersichtarbeit konnte zeigen, dass sich in Humanstudien zumeist positive Effekte von kA auf Lebensqualität und Depressionen zeigen und in den meisten Fällen ein negativer Einfluss auf die Anfallsfrequenz ausbleibt oder diese sogar bei einigen Patienten reduziert werden kann [44].
Fazit für die Praxis
Bei der jahrzehntelang geltenden Empfehlung gegen Sportausübung spielen die Sorge vor Hyperventilation beim Sporttreiben sowie die Sorge vor kA-induzierten Anfällen eine Rolle. Zu Ersterem existieren allerdings keine validen Daten, wohingegen das Risiko für Anfälle unter Berücksichtigung individueller Faktoren zu evaluieren ist. Auf Basis der Ergebnisse aus Tiermodellen und aus ersten klinischen Studien scheint es, dass die Annahme von kA-induzierten negativen klinischen Auswirkungen nicht ohne Weiteres aufrechterhalten werden kann. Während Anfälle beim Sport (z. B. beim Klettern) durchaus eine Gefahr für Verletzungen darstellen können, scheint populationsbasiert keine allgemein erhöhte Verletzungsrate beim Sport zu bestehen. Zum besseren klinischen Umgang mit Sport bei Epilepsien veröffentlichte die „International League Against Epilepsy“ 2016 eine Risikoklassifikation nach Sportarten und klinischem Verlauf, an denen sich Kliniker gut orientieren können.
Literatur
Acar S, Kapucu A, Akgun-Dar K (2022) The effects of regular swimming exercise during sodium valproate treatment on seizure behaviors and EEG recordings in pentylenetetrazole-kindled rats. Epilepsy Res. https://doi.org/10.1016/j.eplepsyres.2021.106830
de Almeida AA, Gomes da Silva S, Lopim GM, Vannucci Campos D, Fernandes J, Cabral FR, Arida RM (2017) Resistance exercise reduces seizure occurrence, attenuates memory deficits and restores BDNF signaling in rats with chronic epilepsy. Neurochem Res 42(4):1230–1239. https://doi.org/10.1007/s11064-016-2165-9
Amado D, Cavalheiro EA (1998) Hormonal and gestational parameters in female rats submited to pilocarpin model of epilepsy. Epilepsy Res 32:266–274
Arida RM, de Jesus Vieira A, Cavalheiro EA (1998) Effect of physical exercise on kindling development. Epilepsy Res 30(2):127–132
Arida RM, Scorza FA, dos Santos NF, Peres CA, Cavalheiro EA (1999) Effect of physical exercise on seizure occurrence in a model of temporal lobe epilepsy in rats. Epilepsy Res 37(1):45–52
Arida RM, Fernandes MJ, Scorza FA, Preti SC, Cavalheiro EA (2003) Physical training does not influence interictal LCMRglu in pilocarpine-treated rats with epilepsy. Physiol Behav 79(4):789–794. https://doi.org/10.1016/S0031-9384(03)00204-X
Arida RM, Scorza FA, Terra VC, Scorza CA, de Almeida A‑C, Cavalheiro EA (2009) Physical exercise in epilepsy: what kind of stressor is it? Epilepsy Behav 16(3):381–387. https://doi.org/10.1016/j.yebeh.2009.08.023
Arida RM, Sanabria ERG, da Silva AC, Faria LC, Scorza FA, Cavalheiro EA (2004) Physical training reverts hippocampal electrophysiological changes in rats submitted to the pilocarpine model of epilepsy. Physiol Behav 83(1):165–171. https://doi.org/10.1016/j.physbeh.2004.08.008
Arida RM, Scorza CA, Scorza FA, Gomes da Silva S, da Graca Naffah-Mazzacoratti M, Cavalheiro EA (2007) Effects of different types of physical exercise on the staining of parvalbumin-positive neurons in the hippocampal formation of rats with epilepsy. Prog Neuropsychopharmacol Biol Psychiatry 31(4):814–822. https://doi.org/10.1016/j.pnpbp.2007.01.021
Arida RM, Scorza FA, Silva de Lacerda AF, Gomes da Silva S, Cavalheiro EA (2007) Physical training in developing rats does not influence the kindling development in the adult life. Physiol Behav 90(4):629–633. https://doi.org/10.1016/j.physbeh.2006.11.016
Arida RM, de Almeida A‑CG, Cavalheiro EA, Scorza FA (2013) Experimental and clinical findings from physical exercise as complementary therapy for epilepsy. Epilepsy Behav 26(3):273–278. https://doi.org/10.1016/j.yebeh.2012.07.025
Aygun H, Ayyildiz M, Agar E (2019) Swimming exercise decreases the absence-like epileptic activity in WAG/Rij rats. Behav Brain Res 363:145–148. https://doi.org/10.1016/j.bbr.2019.01.060
Baraban SC, Hollopeter G, Erickson JC, Schwartzkroin PA, Palmiter RD (1997) Baraban 1997 Knock-out mice reveal a critical antiepileptic Role for Neuropeptide Y. J Neurosci 17(23):8927–8936
Barzroodi Pour M, Bayat M, Golab F, Eftekharzadeh M, Katebi M, Soleimani M, Karimzadeh F (2019) The effect of exercise on GABA signaling pathway in the model of chemically induced seizures. Life Sci 232:116667. https://doi.org/10.1016/j.lfs.2019.116667
Capovilla G, Kaufman KR, Perucca E, Moshé SL, Arida RM (2016) Epilepsy, seizures, physical exercise, and sports: A report from the ILAE Task Force on Sports and Epilepsy. Epilepsia 57(1):6–12. https://doi.org/10.1111/epi.13261
Cotman CW, Berchtold NC (2002) Exercise: A behavioral intervention to enhance brain health and plasticity. Trends Neurosci 25(6):295–301
Croll SD, Wiegand SJ, Anderson KD, Lindsay RM, Nama H (1994) Regulation of neuropeptides in adult rat forebrain by the neurotrophins BDNF and NGF. Eur J Neurosci 6:1343–1353
Dubow JS, Kelly JP (2003) Epilepsy in sports and recreation. Sports Med 33:499–516
Epps SA, Kahn AB, Holmes PV, Boss-Williams KA, Weiss JM, Weinshenker D (2013) Antidepressant and anticonvulsant effects of exercise in a rat model of epilepsy and depression comorbidity. Epilepsy Behav 29(1):47–52. https://doi.org/10.1016/j.yebeh.2013.06.023
Gomes FGN, Gomes Da Silva S, Cavalheiro EA, Arida RM (2014) Beneficial influence of physical exercise following status epilepticus in the immature brain of rats. Neuroscience 274:69–81. https://doi.org/10.1016/j.neuroscience.2014.05.024
Gomes da Silva S, de Almeida AA, Silva Araujo BH, Scorza FA, Cavalheiro EA, Arida RM (2011) Early physical exercise and seizure susceptibility later in life. Int J Dev Neurosci 29(8):861–865. https://doi.org/10.1016/j.ijdevneu.2011.07.011
Hoffman JR, Ostfeld I, Kaplan Z, Zohar J, Cohen H (2015) Exercise enhances the behavioral responses to acute stress in an animal model of PTSD. Med Sci Sports Exerc 47(10):2043–2052. https://doi.org/10.1249/MSS.0000000000000642
Hrncic D, Rasic-Markovic A, Lekovic J, Krstic D, Colovic M, Macut D, Susic V, Djuric D, Stanojlovic O (2014) Exercise decreases susceptibility to homocysteine seizures: the role of oxidative stress. Int J Sports Med 35(7):544–550. https://doi.org/10.1055/s-0033-1357162
Hrncic D, Grubac Z, Sutulovic N, Rasic-Markovic A, Rankov-Petrovic B, Susic V, Djuric D, Stanojlovic O (2016) The effects of acute physical activity on severity of seizures induced in rats by homocysteine thiolactone. Act Nerv Super Rediviva 58(3):83–87
Iqbal M, Rahman MS, Zafar S, Chen X‑L, Liu J‑X, Liu Y (2017) Systematic review and meta-analysis of the efficacy of different exercise programs in pilocarpine induced status epilepticus models. Epilepsy Behav 73:256–267. https://doi.org/10.1016/j.yebeh.2017.06.007
Kayacan Y, Tutkun E, Arslan G, Ayyildiz M, Agar E (2016) The effects of treadmill exercise on penicillin-induced epileptiform activity. Arch Med Sci 12(5):935–940. https://doi.org/10.5114/aoms.2016.61907
Kayacan Y, Kisa EC, Ghojebeigloo BE, Kocacan SE, Ayyildiz M, Agar E (2019) The effects of moderate running exercise and L‑tyrosine on penicillin-induced epileptiform activity in rats. Acta Neurobiol Exp (Wars) 79(2):148–154
Kayacan Y, Ghojebeigloo BE, Cerit G, Kocacan SE, Ayyildiz M (2020) Physical exercise and 5‑hydroxytryptophan, a precursor for serotonin synthesis, reduce penicillin-induced epileptiform activity. Epilepsy Behav 112:107403. https://doi.org/10.1016/j.yebeh.2020.107403
Kim H‑J, Kim I‑K, Song W, Lee J, Park S (2013) The synergic effect of regular exercise and resveratrol on kainate-induced oxidative stress and seizure activity in mice. Neurochem Res 38(1):117–122. https://doi.org/10.1007/s11064-012-0897-8
Kim H‑J, Song W, Kim J‑S, Jin EH, Kwon M‑S, Park S (2014) Synergic effect of exercise and lipoic acid on protection against kainic acid induced seizure activity and oxidative stress in mice. Neurochem Res 39(8):1579–1584. https://doi.org/10.1007/s11064-014-1350-y
Kim H‑J, Song W, Jin EH, Kim J, Chun Y, An EN, Park S (2016) Combined low-intensity exercise and ascorbic acid attenuates Kainic acid-induced seizure and oxidative stress in mice. Neurochem Res 41(5):1035–1041. https://doi.org/10.1007/s11064-015-1789-5
Lin X‑Y, Cui Y, Wang L, Chen W (2019) Chronic exercise buffers the cognitive dysfunction and decreases the susceptibility to seizures in PTZ-treated rats. Epilepsy Behav 98(Pt A):173–187. https://doi.org/10.1016/j.yebeh.2019.07.032
Meigoni ZS, Jabari F, Motaghinejad M, Motevalian M (2022) Protective effects of forced exercise against topiramate-induced cognition impairment and enhancement of its antiepileptic activity: molecular and behavioral evidences. Int J Neurosci. https://doi.org/10.1080/00207454.2021.1873979
Peixinho-Pena LF, Fernandes J, de Almeida AA, Novaes Gomes FG, Cassilhas R, Venancio DP, de Mello MT, Scorza FA, Cavalheiro EA, Arida RM (2012) A strength exercise program in rats with epilepsy is protective against seizures. Epilepsy Behav 25(3):323–328. https://doi.org/10.1016/j.yebeh.2012.08.011
Rambo LM, Ribeiro LR, Oliveira MS, Furian AF, Lima FD, Souza MA, Silva LFA, Retamoso LT, Corte CLD, Puntel GO, de Avila DS, Soares FAA, Fighera MR, Mello CF, Royes LFF (2009) Additive anticonvulsant effects of creatine supplementation and physical exercise against pentylenetetrazol-induced seizures. Neurochem Int 55(5):333–340. https://doi.org/10.1016/j.neuint.2009.04.007
Scharfman HE (2005) Brain-derived neurotrophic factor and epilepsy – A missing link? Epilepsy Curr 5(3):83–88
Setkowicz Z, Mazur A (2006) Physical training decreases susceptibility to subsequent pilocarpine-induced seizures in the rat. Epilepsy Res 71(2–3):142–148. https://doi.org/10.1016/j.eplepsyres.2006.06.002
Siliano MR, Lima E, Valente SC, Naffah-Mazzacoratti MDG, Cavalheiro EA, Arida RM, Amado D (2006) Effect physical exercise in Animals submitted to pilocarpine model. J Epilepsy Clin Neurophysiol 12(2):63–68
Souza MA, Oliveira MS, Furian AF, Rambo LM, Ribeiro LR, Lima FD, Dalla Corte LC, Silva LFA, Retamoso LT, Dalla Corte CL, Puntel GO, de Avila DS, Soares FAA, Fighera MR, de Mello CF, Royes LFF (2009) Swimming training prevents pentylenetetrazol-induced inhibition of Na+, K+-ATPase activity, seizures, and oxidative stress. Epilepsia 50(4):811–823. https://doi.org/10.1111/j.1528-1167.2008.01908.x
Tchekalarova J, Shishmanova M, Atanasova D, Stefanova M, Alova L, Lazarov N, Georgieva K (2015) Effect of endurance training on seizure susceptibility, behavioral changes and neuronal damage after kainate-induced status epilepticus in spontaneously hypertensive rats. Brain Res 1625:39–53. https://doi.org/10.1016/j.brainres.2015.08.022
Téllez-Zenteno JF, Hunter G, Wiebe S (2008) Injuries in people with self-reported epilepsy: a population-based study. Epilepsia 49(6):954–961. https://doi.org/10.1111/j.1528-1167.2007.01499.x
Tutkun E, Ayyildiz M, Agar E (2010) Short-duration swimming exercise decreases penicillin-induced epileptiform ECoG activity in rats. Acta Neurobiol Exp (Wars) 70(4):382–389
Tutkun E, Arslan G, Soslu R, Ayyildiz M, Agar E (2015) Long-term ascorbic acid administration causes anticonvulsant activity during moderate and long-duration swimming exercise in experimental epilepsy. Acta Neurobiol Exp (Wars) 75(2):192–199
van den Bogard F, Hamer HM, Sassen R, Reinsberger C (2020) Sport and physical activity in epilepsy. Dtsch Arztebl Int 117(1–2):1–6. https://doi.org/10.3238/arztebl.2020.0001
Vannucci Campos D, Lopim GM, de Almeida VS, Amado D, Arida RM (2016) Effects of different physical exercise programs on susceptibility to pilocarpine-induced seizures in female rats. Epilepsy Behav 64(Pt A):262–267. https://doi.org/10.1016/j.yebeh.2016.08.011
Vannucci Campos D, Lopim GM, da Silva DA, de Almeida AA, Amado D, Arida RM (2017) Epilepsy and exercise: An experimental study in female rats. Physiol Behav 171:120–126. https://doi.org/10.1016/j.physbeh.2016.12.040
Funding
Open Access funding enabled and organized by Projekt DEAL.
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Ethics declarations
Interessenkonflikt
F. van den Bongard, J.K. Gowik und C. Reinsberger geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
Additional information
Verfügbarkeit der Daten
Da es sich um eine Literaturübersicht handelt, können keine Daten zur Verfügung gestellt werden.

Zusatzmaterial online – bitte QR-Code scannen
Supplementary Information
10309_2023_574_MOESM1_ESM.docx
Tab. S1: Übersicht der Interventionen und Endpunkte aus den Studien in der Gruppe INTvSE. Tab. S2: Übersicht der Interventionen und Endpunkte aus den Studien in der Gruppe INTnSE
Rights and permissions
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.
Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der Lizenzinformation auf http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de.
About this article
Cite this article
van den Bongard, F., Gowik, J.K. & Reinsberger, C. Auswirkungen körperlicher Aktivität auf Status epilepticus im Tiermodell. Clin Epileptol (2023). https://doi.org/10.1007/s10309-023-00574-4
Accepted:
Published:
DOI: https://doi.org/10.1007/s10309-023-00574-4
Schlüsselwörter
- Training
- Anfälle
- Epilepsie
- Tiermodell
- Status epilepticus
Keywords
- Training
- Seizure
- Epilepsy
- Animal model
- Status epilepticus