Eine der größten Herausforderungen in der Epilepsie-Therapie besteht weiterhin darin, dass circa ein Drittel der PatientInnen trotz suffizienter Medikation nicht anfallsfrei wird. Kommt auch ein epilepsiechirurgischer Eingriff im Sinne einer Resektion der Anfallsursprungszone nicht in Frage oder verläuft diese nicht erfolgreich, wird empfohlen, den Einsatz von Neurostimulationsverfahren zu prüfen. Die Neurostimulation ist für diese therapieschwierige Patientengruppe als ergänzendes Verfahren zu sehen, mit dem eine Reduktion der Anfallsschwere und -frequenz angestrebt wird. Hierfür stehen in Europa seit 1994 die Vagus-Nerv-Stimulation (VNS), seit 2010 die tiefen Hirnstimulation (THS) mit Stimulation im anterioren thalamischen Nucleus, sowie seit September 2022 die epikranielle Fokale Cortexstimulation (FCS) zur Verfügung.

Für alle Verfahren besteht eine gute Evidenz zum sicheren und effektiven Einsatz bei PatientInnen mit pharmakoresistenter Epilepsie. So kann bei der Mehrzahl der PatientInnen durch die Neurostimulationstherapie die Anfallsfrequenz und -schwere erfreulicherweise progredient reduziert werden, mit in Publikationen berichteten Anfallsfrequenzreduktionsraten von bis zu 75 % nach Behandlungsdauern von sieben Jahren. Fortbestehende Wissenslücken bzgl. einer optimierten Patientenselektion und der idealen Stimulationsprogrammierung, Stimulations-assoziierten Nebenwirkungen, sowie die begrenzten Möglichkeiten der Individualisierbarkeit der Stimulation limitieren jedoch ihren klinischen Einsatz weiterhin. Zudem erfordern alle drei zugelassenen Verfahren einen chirurgischen Eingriff sowie somit ein eingespieltes Behandlungsteam aus Neuroradiologen, Neurochirurgen und Neurologen, sodass die Neurostimulationsverfahren in der Regel nur an spezialisierten Epilepsie-Zentren angeboten werden.

Eine kürzliche Umfrage zum Einsatz der tiefen Hirnstimulation (THS) im deutschsprachigen Raum ergab, dass diese in den letzten Jahren an der LMU München und am Schweizerischen Epilepsiezentrum in Zürich häufig eingesetzt wurde, wie auch regelmäßig an den Epilepsiezentren Aachen, Freiburg, Magdeburg und Hamburg. In einigen weiteren Epilepsie-Zentren wurde die THS nur in Einzelfällen eingesetzt, mehrere Zentren haben den früheren Einsatz wieder eingestellt. Eine aktuelle Auswertung der europäischen THS-Registerdaten (MORE) zeigte einen Zentrumseffekt, mit besseren Behandlungsergebnissen bei solchen Zentren, die mehr Patienten behandeln. Dies impliziert, dass der erfolgreiche Einsatz der THS eine gewisse Zentrums-Expertise erfordert. Die Fokale Cortexstimulation hat erst kürzlich die CE-Kennzeichnung erhalten, sodass sich ihr Einsatz bislang auf die Studienzentren Freiburg, Mainz, Marburg, München, Bonn, Tübingen und Gent beschränkte. Aktuell sammeln jedoch weitere Zentren erste klinische Erfahrungen. Die subkutane Implantation der Stimulationselektrode ist wesentlich einfacher als die Implantation der intrakraniellen Stimulationselektroden für die THS. Dies ermöglicht zukünftig – zumindest für die fokalen Epilepsien mit prädominantem Anfallsfokus – ggf. einen breiteren Einsatz ähnlich zur VNS, die mittlerweile in nahezu allen Epilepsie-Zentren etabliert ist.

Vor diesem Hintergrund widmet sich dieses Themenheft v. a. den neueren Stimulationsverfahren, der THS und FCS. Dabei wird zum einen auf die Alltagserfahrung mit der THS im Sinne eines Vergleichs der Zulassungs- und Register-Daten, sowie die Sicherheits- und Effektivitätsdaten zur Fokusstimulation eingegangen. Darüber hinaus werden die kognitiven Begleiteffekte der Neurostimulation und ihre Auswirkungen auf den Schlaf beleuchtet. Zum anderen wird die Datenlage zum Konzept der iktalen Stimulation zusammengefasst, und als Ausblick auf ein potenziell zukünftiges, nicht-invasives Stimulationsverfahren die transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS) vorgestellt.

Die vorliegenden Daten belegen, dass die Neurostimulationstherapie für eine Subgruppe von Epilepsie-Patienten eine wertvolle Therapieoption darstellt und bislang im Behandlungsspektrum der Epilepsie zu wenig berücksichtigt wird. Auch wenn die Anwendungsdaten hinter den Ergebnissen der Zulassungsstudien zurückbleiben, hat die wachsende Expertise zu einem besseren methodischen Verständnis, samt der antiepileptischen Wirkung der Neurostimulation und der stimulationsassoziierten Nebenwirkungen geführt. Der Bedarf an effektiveren und möglichst wenig invasiven Verfahren mit der Option der Reversibilität und individualisierbarer Stimulation treibt jedoch die Weiterentwicklung und Erweiterung der bestehenden Neurostimulationsverfahren voran. Die aktualisierten Daten zu Behandlungsergebnissen sollen anregen zu einer neuen Diskussion der praktischen Nutzung von Neurostimulationsverfahren. Sie zeigen ferner, dass in den nächsten Jahren weitere spannende Ergebnisse zu erwarten sind und das Feld der Neuromodulation sich dynamisch weiterentwickelt.

E. Kaufmann

L. Imbach

A. Schulze-Bonhage