FormalPara Kommentar zu

Pfeilschifter V, Strowitzki T (2020) Die EU-Verordnung 536/2014 zur Durchführung von klinischen Prüfungen und ihre Bedeutung für die klinische Forschung. Gynäkologische Endokrinologie 18(4), https://doi.org/10.1007/s10304-020-00345-8. Bitte beachten Sie außerdem den Kommentar von L. Wildt und D. Bachler zur Situation in Österreich (https://doi.org/10.1007/s10304-020-00344-9). Beide Artikel finden Sie in diesem Heft.

Die Schweiz ist im Gegensatz zu den anderen beiden deutschsprachigen Ländern, Deutschland und Österreich, nicht in der EU. Mit den von Verena Pfeilschifter und Thomas Strowitzki ausführlich dargelegten Auswirkungen der neuen EU-Verordnung (VO 536) auf die Bewilligungsverfahren und die Durchführung von klinischen Studien mit Arzneimitteln ist die Schweiz deshalb nicht direkt konfrontiert. In Anbetracht der Tatsache, dass Schweizer Firmen und Forschungsteams in unterschiedlichem Ausmaß an vielen internationalen Projekten beteiligt sind, ist eine eingehende Auseinandersetzung damit, wie die z. T. divergenten Regelungen der Schweiz und der EU bei internationalen Forschungsprojekten mit Schweizer Beteiligung in Einklang zu bringen sind, unabdingbar.

Das Schweizerische Bundesamt für Gesundheit (BAG) hatte dem Rechnung getragen. Nach einem juristischen Vergleich zwischen der EU-Verordnung und der aktuellen schweizerischen Gesetzgebung zur Humanforschung im Jahr 2014, bei dem sich diese als nicht immer kompatibel erwiesen, gab es eine multidisziplinäre Studie in Auftrag, um die möglichen Auswirkungen der EU-Verordnung nach ihrer Umsetzung auf die Schweiz zu untersuchen. Ein Konsortium unter der Leitung von Prof. Michael Hahn vom Institut für europäisches und internationales Wirtschaftsrecht der Universität Bern (IEW) führte die Studie durch und publizierte die Resultate 2019 in einem 190-seitigen Bericht [1].

Die Untersuchung der Rechtslage in der EU und der Schweiz ergab dabei, dass die 2020 Geltung erlangende VO 536 teilweise höhere Anforderungen an die Durchführung von klinischen Prüfungen stellt als die schweizerische Gesetzgebung. Rechtskonflikte im eigentlichen Sinne waren nicht ersichtlich. Da aber das Humanforschungsgesetz (HFG) teilweise weniger weitreichend ist, zieht die von der VO 536 eingeforderte Äquivalenz systemische Risiken nach sich. Die meisten der in der Studie befragten Akteure befürworten eine teilweise Anpassung des Schweizer Rechts an die EU-Gesetzgebung. Aus ihrer Sicht ist dabei v. a. der Bewilligungsprozess zu harmonisieren, bei gleichzeitiger Beibehaltung der Stärken der aktuellen Gesetzgebung – kurze Fristen, breiter Anwendungsbereich des HFG. Im Bericht werden verschiedene mögliche Szenarien und die daraus resultierenden Implikationen diskutiert. Für Interessierte enthält er ein übersichtliches „Executive Summary“ und am Ende auch eine etwas ausführlichere „Bewertende Schlussbetrachtung“. Insgesamt scheinen die Fachleute zuversichtlich zu sein, dass sich auch in dieser Frage ein gangbarer „Schweizer Weg“ finden wird.