Zusammenfassung
Hintergrund
Wie Kirchen und Religionen die Fortpflanzungsmedizin bewerten, kann für Patienten und Ärzte gegebenenfalls eine große Rolle spielen. Besonders wichtig ist die wissenschaftliche Ethik, deren Argumentationen überprüfbar, offen für Kritik und universalisierbar sein müssen.
Methodik
Auf Basis der Literatur werden christliche, jüdische und islamische Auffassungen zur Fortpflanzungsmedizin dargestellt. Ihnen werden wissenschaftlich-ethische Einschätzungen gegenübergestellt.
Ergebnisse und Schlussfolgerungen
In den Kirchen und Religionen sind ganz unterschiedliche Meinungen zu den verschiedenen Therapieangeboten der Fortpflanzungsmedizin anzutreffen. Christliche Kirchen haben oftmals Vorbehalte oder sogar ein Nein geäußert. Im Judentum und im Islam reagiert man sehr viel aufgeschlossener. Religiöse Aussagen besitzen allerdings nur eine eingeschränkte Reichweite. Sie beruhen auf den jeweiligen religiösen Traditionen und auf Glaubenssätzen, die nicht von allen geteilt werden. In der pluralistischen Gesellschaft sind deshalb Argumente besonders wichtig, die aus der wissenschaftlichen bzw. rationalen Ethik hervorgehen. Aufgrund ethischer Argumente sollte die deutsche Gesetzgebung zur Fortpflanzungsmedizin liberalisiert werden. Gegen manche Innovationen der Fortpflanzungsmedizin, beispielsweise gegen die Uterustransplantation mit Embryotransfer, sind jedoch ethische Bedenken zu erheben.
Abstract
Background
How churches and religions assess reproductive medicine can play an important role for patients and doctors. Very important is scientific ethics, where the argumentation must be verifiable, open to criticism and be universally applicable.
Method
Based on the available literature the attitudes of Christian, Jewish and Islamic faiths towards reproductive medicine are elaborated and compared to the scientific ethical appraisal.
Results and conclusion
Very different views can be found in different churches and religions regarding the therapy options provided by reproductive medicine. Christian churches have often expressed reservations or imposed prohibitions. Judaism and Islam often show a more open-minded reaction. However, religious statements only have a limited scope. They are based on individual religious traditions and on points of faith that are not shared by everyone. Thus, in a pluralistic society those arguments that are purported by scientific and rational ethics are especially important. On the basis of such ethical arguments German laws regarding reproductive medicine should be liberalised. However, concerns should be raised in relation to some innovations of reproductive medicine, e. g. uterus transplantation that includes embryo transfer.
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Interessenkonflikt
H. Kreß gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Dieser Beitrag beinhaltet keine vom Autor durchgeführten Studien an Menschen oder Tieren.
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Redaktion
H. Kentenich, Berlin
M. David, Berlin
W. Küpker, Bühl
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Kreß, H. Religiöse und ethische Vorbehalte gegen die Reproduktionsmedizin. Gynäkologische Endokrinologie 16, 16–21 (2018). https://doi.org/10.1007/s10304-017-0166-7
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