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Präimplantationsdiagnostik in Deutschland nach dem Urteil des Bundesgerichtshofes 2010

Preimplantation genetic diagnosis in Germany after the ruling of the Federal High Court in 2010

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Gynäkologische Endokrinologie Aims and scope

Zusammenfassung

Durch die Präimplantationsdiagnostik bietet sich eine Möglichkeit, bei Paaren mit schweren genetisch-determinierten Erkrankungen bereits vor Etablierung einer Schwangerschaft betroffene Embryonen zu diagnostizieren und von eben dieser Schwangerschaft auszuschließen. Dadurch kann ein möglicher belastender Schwangerschaftsabbruch verhindert werden. Diese Arbeit gibt einen Überblick über den medizinischen Stand der Präimplantationsdiagnostik international mit dem Indikationsbereich und der Schwangerschafts- und Geburtenrate. Es zeigt sich, dass auch international die Indikation zu einer Präimplantationsdiagnostik (PID) streng gestellt wird. Darüber hinaus wird die rechtliche Situation in Deutschland beleuchtet. Nachdem viele Jahre sehr unterschiedliche Auffassungen bezüglich der Zulässigkeit der PID aufeinanderprallten und Ärzte aus Angst vor Strafverfolgung daher diese Methode nicht anwendeten, hat das Urteil des Bundesgerichtshofs jetzt für Rechtssicherheit für Ärzte und Betroffene gesorgt. Die PID ist in Deutschland möglich geworden! Das Aneuploidie-Screening (PGS) zur Diagnostik von numerischen Chromosomenstörungen ist jedoch von der Präimplantationsdiagnostik für monogene Erkrankungen oder Translokationen abzugrenzen. Das PGS kann nach gegenwärtigem Wissensstand nicht zur Verbesserung der Schwangerschaftsrate und Reduzierung der Abortrate bei älteren Patientinnen eingesetzt werden. Deshalb sollte dieses Aneuploidie-Screening am Embryo oder auch an der Eizelle (Polkörperdiagnostik) nicht mehr außerhalb von Studien angeboten werden.

Abstract

For couples with severe genetically determined diseases preimplantation genetic diagnosis offers the option to diagnose affected embryos before pregnancy has been established and thus to exclude such embryos from transfer to the womb. In this way a possibly stressful termination of pregnancy can be avoided. This article gives a review of the state of affairs regarding international preimplantation genetic diagnosis usage with commonly occurring indication as well as pregnancy and birth rates. It can be seen that the indication for preimplantation genetic diagnosis (PGD) is not liberally applied. Furthermore, the legal situation in Germany will be explained. After confrontational opinions with respect to the permissibility of PID collided over many years and physicians did not use PGD because they were afraid of prosecution, the judgment of the Federal High Court has now provided security for physicians and affected couples. PID has become possible in Germany! Preimplantation genetic aneuploidy screening (PGS) for diagnosis of chromosome abnormalities cannot be used for improvement of the pregnancy rate and reduction of the abortion rate in older patients. Therefore, PGS on embryos or oocytes (polar body analysis) should not be offered outside clinical studies.

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Abb. 1

Notes

  1. Nachweise bei Hülsmann/Koch, Landesbericht Bundesrepublik Deutschland, in: Eser/Koch/Wiesenbart (Hrsg.), Regelungen der Fortpflanzungsmedizin und Humangenetik, Bd. 1, 1990, S. 68 ff., 76.

  2. Abgedruckt bei Eser/Koch/Wiesenbart, a.a.O. (Fn. 3), S. 144ff.

  3. Rohentwurf eines bayerischen Gesetzes zur Regelung von Fragen der Fortpflanzungsmedizin von 1986, abgedruckt bei Eser/Koch/Wiesenbart, S. 102 ff., Art. 5, Alternative 2, Abs. 2.

  4. BT-Drs. 10/6775.

  5. Hervorgegangen aus einem Diskussionsentwurf der Arbeitsgemeinschaft leitender Medizinalbeamter der Länder und des Bundes (AGMLB), Frauenarzt 1994, 438 ff.

  6. BT-Drs. 12/7094, S. 25.

  7. I.d.F. vom 4. April 1997.

  8. Hierzu Taupitz, Die Menschenrechtskonvention zur Biomedizin – akzeptabel, notwendig, oder unannehmbar für die Bundesrepublik Deutschland?, VersR 1998, 542 ff.; Kienle, Das Verbot des Klonens von Menschen, ZRP 1998, 186 ff.

  9. Siehe hierzu Voltejus, ZRP 1995, 47 ff.

  10. Bericht vom 20.07.1999; so auch die Bioethik-Kommission der Bayerischen Staatsregierung zur Präimplantationsdiagnostik vom Juli 2003.

  11. Diskussionsentwurf zu einer Richtlinie zur Präimplantationsdiagnostik, DÄ 2000 (C), 423 ff. v. 03.03.2000

  12. Veröffentlicht im Januar 2003, abrufbar über die Homepage des Ethikrats; s. auch Enquete-Kommission Recht und Ethik der modernen Medizin vom 14.5.2002, BT-Drs. 14/9020, S. 86.

  13. Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik, Bt. Drucks. 15/1234 vom 25.06.2003.

  14. Diesen Zusammenhang findet man bei den unterschiedlichsten gesellschaftspolitischen Strömungen; s. nur Steindor, „Die Menschenrechtskonvention zur Bioethik des Europarats – Embryonenforschung und Forschung an nicht einwilligungsfähigen Personen, in: Schriftenreihe der Juristenvereinigung Lebensrecht Nr. 15, 1998, 39, 44 ff.

  15. Die Frage, warum Verfahren hierzulande verboten sind, mit ihnen im Ausland gemachte Erfahrungen aber in die tägliche Praxis einfließen, ist nicht nur rhetorisch zu stellen.

  16. Gesetz über genetische Untersuchungen beim Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG) v. 31.07.2009, BGBl. I 2009, 2529 (3672); siehe auch Bundestag-Drucks. 16/10532; der Bundesrat hat am 15.5.2009 darauf verzichtet, den Vermittlungsausschuss anzurufen.

  17. Stellvertretend für andere Benda, Verständnisversuche über die Würde des Menschen, NJW 2001, 2147, 2148, unter Bezugnahme auf die beiden Entscheidungen des BVerfGE 39, 1 ff. und 88, 203 ff. zu § 218 a StGB; Middel, Verfassungsrechtliche Fragen der Präimplantationsdiagnostik und des therapeutischen Klonens, 2005; Böckenförde-Wunderlich, Präimplantationsdiagnostik als Rechtsproblem, 2002; a. A. R. Merkel, DIE ZEIT, Nr. 25/2001 S. 42; im Ergebnis ähnlich Sendler, Menschwürde, PID und Schwangerschaftsabbruch, NJW 2001, 2148 ff.

  18. Sendler a.a.O; H.-G. Koch, Zum Status des Embryos in vitro aus rechtlicher und rechtsvergleichender Sicht, 1. Österreichische Bioethik-Konferenz, Wien 13.7.2001.

  19. Beckmann, Rechtsfragen der Präimplantationsdiagnostik, MedR 2001, 169 ff.; Günther, Strafrechtliche Verbote der Embryonenforschung?, MedR 1990, 161 Ziff. VII; Laufs, Fortpflanzungsmedizin und Arztrecht, 1992, S. 79; siehe auch Quaas/Zuck, § 68 Rdnr. 84 ff. mwN.

  20. Günther, Pränatale Diagnose und Pränatale Therapie genetischer Defekte aus strafrechtlicher Sicht, in: Günther/Keller (Hrsg.), Fortpflanzungsmedizin und Humangenetik – Strafrechtliche Schranken?, 2. Aufl. 1991, S. 237.

  21. Insoweit wird vorausgesetzt, dass der erforderliche naturwisschenschaftliche Beweis erbracht werden kann. Jenseits des Acht-Zell-Stadiums wird ein Verlust der Totipotenz angenommen, Ludwig/Al-Hasani/Diedrich, Präimplantationsdiagnostik, in: Diedrich (Hrsg.) Weibliche Sterilität, Springer 1998, S. 692 ff.; Diedrich/Felberbaum/Griesinger/Hepp/Kreß/Riedel, Reproduktionsmedizin im internationalen Vergleich, 2008, Gutachten im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung.

  22. Günther/Taupitz/Kaiser, Kommentar zum Embryonenschutzgesetz, Einführung A Rn 196, § 2 ESchG Rn 54 ff.;. Neidert, Brauchen wir ein Fortpflanzungsmedizingesetz? MedR 1998, 347 (allerdings eine Änderung der Berufsordnung anmahnend); Ratzel, Zulässigkeit der Präimplantationsdiagnostik? Neue Gesichtspunkte, GesR 2004, 77 ff.; Giwer, Rechtsfragen der Präimplantationsdiagnostik, 2005; a.A. KG Berlin, Beschl.v. 09.10.2008, 1 AR 678/06 – 3 Ws 139/08, GesR 2009, 191, Das LG Berlin hatte die Anklage der Staatsanwaltschaft nicht zugelassen. Die dagegen eingelegte Beschwerde hatte Erfolg. Das KG sieht in der PID eine Verletzung von § 1 Abs. 1 Nr. 2, §  2 Nr. 1 ESchG; im anschließenden Hauptverfahren hat das LG Berlin den angeklagten Frauenarzt dennoch freigesprochen, LG Berlin, Urt.v. 14.05.2009, (512) 1 Kap Js 1424/06 KLs (26/08), bestätigt durch BGH, Urt. v. 06.07.2010 – 5 StR 386/09.

  23. Böckenförde-Wunderlich, Präimplantationsdiagnostik als Rechtsproblem, Mohr Siebeck 2002, S. 77 ff., 82 ff. zurückhaltende Genehmigungspraxis der HFEA (Human Fertilisation and Embryology Authority) derzeit nur 5 Kliniken zugelassen; Anzahl durchgeführter PIDs eher gering.

  24. Pressemitteilung der HFEA vom 01.08.2002 (http://www.hfea.gov.uk).

  25. Vgl. BGHSt 1, 5.

  26. BGH, Urt. v. 06.07.2010 – 5 StR 386/09.

  27. Möller/Thaele, Das Schicksal nicht transferierter („verwaister“) Embryonen, Frauenarzt 2001, 1393 ff.

  28. Diedrich/Felberbaum/Griesinger/Hepp/Kreß/Riedel, Reproduktionsmedizin im internationalen Vergleich, 2008, 22, 28 ff. Neidert, „Entwicklungsfähigkeit“ als Schutzkriterium und Begrenzung des Embryonenschutzgesetzes. Inwieweit ist der Single-Embryo-Transfer zulässig? MedR 2007, 279, 284, der einen gewissen Beurteilungsspielraum auch bei Embryonen annimmt.

  29. So auch schon Riedel, in: Diedrich/Felberbaum/Griesinger/Hepp/Kreß/Riedel, Reproduktionsmedizin im internationalen Vergleich, 2008, 105, obwohl dieses Verfahren angeblich bereits häufig –auch bei Embryonen- angewendet werde; a.A. Neidert a.a.O.

  30. Ratzel/Heinemann, Zulässigkeit der Präimplantationsdiagnostik nach Abschnitt D IV Nr. 14 Satz 2 (Muster-)Berufsordnung – Änderungsbedarf? MedR 1997, 540 ff.

Literatur

  1. Marc Hughes, persönliche Mitteilung (2006)

  2. Goossens V, Harton G, Moutou C et al (2009) ESHRE PGD Consortium data collection IX: cycles from January to December 2006 with pregnancy follow-up to October 2007. Hum Reprod 24(8):1786–1810

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  3. Mastenbroek S, Scriven P, Twisk M et al (2008) What next for preimplantation genetic screening? More randomized controlled trials needed? Hum Reprod 23(12):2626–2628

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  4. Haaf T, Tresch A, Lambrecht A et al (2009) Outcome of intracytoplasmic sperm injection with and without polar body diagnosis of oocytes. Fertil Steril (92):101–111

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  5. Ludwig M, Diedrich K (1996) Grundlagen und Anwendungsbereiche der Präimplantationsdiagnostik. Gynäkologe (29):495–501

  6. Griesinger G, Bündgen N, Diedrich K et al (2009) Polkörperdiagnostik für monogene Erkrankungen. Dtsch Ärztebl 106(33):533–538

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Diedrich, K., Ratzel, W., Griesinger, G. et al. Präimplantationsdiagnostik in Deutschland nach dem Urteil des Bundesgerichtshofes 2010. Gynäkologische Endokrinologie 8, 291–298 (2010). https://doi.org/10.1007/s10304-010-0394-6

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