Notfälle treten seit jeher in allen Bereichen des Lebens auf, 24 h am Tag, 7 Tage die Woche und 365 Tage im Jahr. An jedem Ort der Welt. Dies stellt die Medizin weltweit vor große Herausforderungen. So haben sich in allen Ländern medizinische Systeme entwickelt, die spezifisch auf die dortigen Gegebenheiten reagieren können und die Gesundheit der Bevölkerung sicherstellen sollen.

Alle Bemühungen und Vorkehrungen erlauben weltweit eine gute Versorgung akut erkrankter oder verletzter Patienten. Besonderer Aspekt sind jedoch regional und global sehr unterschiedliche Ausbildungsgrade. Während es weltweit in den meisten Ländern Paramedic-basierte Systeme gibt, bei denen Patienten üblicherweise erst im Krankenhaus mit Ärzten in Kontakt kommen, gibt es in Europa in einigen Ländern notarztbasierte Systeme, beispielsweise in Österreich, der Schweiz, Frankreich und Deutschland, wodurch eine frühzeitige ärztliche Diagnostik und Therapie ermöglicht wird, um das Behandlungsergebnis zu verbessern.

Die meisten Notfälle können jedoch unabhängig vom jeweiligen System gut und routiniert versorgt werden. Es gibt allerdings auch eine ganze Reihe von Notfällen, die anspruchsvoll sind. Das können kritisch kranke Patienten, komplexe Verletzungen oder aber Notfälle in außergewöhnlichen Situationen sein, die jedes Team vor besondere Herausforderungen stellen. Die vorliegende Ausgabe der Zeitschrift Notfall+Rettungsmedizin widmet sich genau diesen ganz besonderen Notfällen mit dem Fokus auf schwer zugänglichen Orten. Gerade solche Notfälle erfordern ein besonders besonnenes Handeln der Helfer, da sie außerhalb der Routine stattfinden. Hier ist oft der Zugang zu den Patienten erschwert oder unmöglich, die Rettung und Versorgung der Patienten komplex oder nahezu nicht möglich oder es ist Spezialwissen erforderlich. Genau diese Aspekte werden von den Autoren in der vorliegenden Ausgabe beleuchtet.

Im industriellen Setting ist verstärkt auf Eigenschutz und organisatorische Besonderheiten zu achten

Notfalleinsätze im industriellen Setting sind nicht selten. Dabei ist es von großer Bedeutung, welche Besonderheiten im nichtmedizinischen Bereich der Versorgung vorliegen und welche bzw. wie die Versorgung bei Patienten mit Kontakt zu den jeweiligen Produkten oder Verarbeitungsmitteln erfolgen soll. Thorsten Becker stellt für diesen Bereich Besonderheiten hinsichtlich des Zugangs, der Gefahren sowie der medizinischen Notfalltherapie vor. Das Augenmerk muss verstärkt auf den Eigenschutz, die Nutzung spezieller persönlicher Schutzausrüstung und die organisatorischen Besonderheiten gelegt werden, da die Versorgung im industriellen Setting einer hohen Aufmerksamkeit in Bezug auf die Notfallstelle und deren spezifische Gefahren bedarf. Nur mit der Unterstützung von Betriebsmitarbeitern oder spezialisierten Kräften ist eine gemeinsame suffiziente und sichere Notfallversorgung des Patienten gewährleistet.

Einsätze der Strömungsrettung erfahren durch den Klimawandel und ein verändertes Freizeit- und Tourismusverhalten in den letzten Jahren eine immer stärkere Bedeutung. Die Einsatzorte umfassen alle Bereiche mit stark fließenden Gewässern, an denen Patienten mit herkömmlichen Mitteln nicht erreicht werden. Dazu zählen auch Orte während Hochwassern oder Starkregenereignissen. Die Versorgung des Patienten kann in diesen Fällen selten mit herkömmlichen rettungsdienstlichen Mitteln erfolgen. Torsten Ahl beschreibt in seinem Beitrag übersichtlich die Vielseitigkeit möglicher Einsatzszenarien sowie die Unterschiede in Ausbildung, Qualifikation, Taktik und medizinischem Versorgungswert von Einheiten der Strömungsrettung. Eine Einbindung von Elementen der taktischen Medizin kann deswegen sinnvoll sein.

Ein noch komplexeres Setting mit der Unmöglichkeit eines Zugangs ohne Hubschraubereinsätze betrifft die Offshore-Rettung. Tobias Warnecke u. Rüdiger Franz erläutern in ihrem Beitrag das komplexe rettungsmedizinische Vorgehen bei der Versorgung von Patienten in einem derartigen Setting. Das Hauptaugenmerk dieser Kurzübersicht liegt auf den Elementen der Rettungskette im stark expandierenden Bereich der Offshore-Windenergie. Das Wetter und die Geografie mit Windparks, die teilweise > 100 km vom Festland entfernt liegen (in der ausschließlichen Wirtschaftszone), bedingen zum Teil lange Anflug- und Transportzeiten. Zwar kann ein Großteil der medizinischen Ereignisse dem hausärztlichen Spektrum zugeordnet werden, jedoch stellt gerade das hochkomplexe Vorgehen zur Rettung der Patienten die Helfer regelhaft vor große Herausforderungen. In den meisten Fällen kann dennoch der Offshore-Rettungshubschrauber eine zeitnahe notärztliche Versorgung sowie eine Rettung beispielsweise per Winde sicherstellen. Therapiefreie Intervalle können dabei durch adäquate Ausbildung und Ausstattung der Helfer vor Ort sowie durch telemedizinische Unterstützung minimiert werden.

Das Thema von Thais Russomano ist in noch weiterer Entfernung lokalisiert. Notfälle im Weltall dürften zwar (noch) nicht zum möglichen Spektrum der täglichen Routine von Mitarbeitern im Rettungsdienst gehören, dennoch ist es wichtig, spezifische Konzepte hierzu zu kennen und zu verstehen, weil sich viele der relevanten Faktoren auch auf die irdische Notfallmedizin übertragen lassen. Insbesondere die notfallmedizinische Versorgung in einem Remote-Setting, weitab jeglicher möglichen Hilfe, in diesem Fall von der Erde aus, stellt die Notfallhelfer vor größte Herausforderungen. Übertragbar ist das durchaus auch auf Expeditionen in die entlegensten Winkel des Globus. Daher sind vorab definierte Konzepte unerlässlich. Hierzu gehört beispielsweise die Telemedizin, die wiederum auch auf der Erde einen zunehmenden Stellenwert besitzt. Die Entwicklungen im Tourismus sind rasant und haben schon die Grenze Erdatmosphäre erreicht. Das Satellitentelefon lässt grüßen.

Wir wünschen Ihnen, sehr geehrte Leserinnen und Leser, viele interessante Informationen und dass Sie den einen oder anderen Aspekt auch für Ihre tägliche Arbeit in der Notfallmedizin nutzen können.

Jochen Hinkelbein und Gernot Rücker