„Bei der Qualität der notfallmedizinischen Versorgung innerhalb und außerhalb der Kliniken besteht Verbesserungsbedarf“ – diesen Satz würden wahrscheinlich die meisten Leser/innen dieser Zeitschrift unterschreiben. Daran schließt sich allerdings eine weitere zentrale Frage an, nämlich: „Wirksame, d.h. messbare Qualitätsverbesserungen in der Notfallmedizin – wie anfangen?“

Mittels überschaubarer logistischer Maßnahmen sind Verbesserungen bei ST-Hebungs-Infarkten erreichbar

Das vorliegende Themenheft soll dazu beitragen, diese Frage konkret zu beantworten. Hierfür haben wir als Herausgeber ein Bündel unterschiedlicher Methoden zusammengestellt:

Karl-Heinrich Scholz (Hildesheim) stellt das von ihm erarbeitete und seit mittlerweile mehr als 15 Jahren weiterentwickelte Konzept FITT-STEMI (Feedback-Intervention and Treatment-Times in ST-Elevation Myocardial Infarction) vor. Gemeinsam mit vielen Mitstreitern aus Kliniken und Rettungsdiensten ist es ihm gelungen zu zeigen, dass mittels relativ überschaubarer logistischer Maßnahmen hoch signifikante und v. a. Outcome-relevante Verbesserungen der Behandlungsprozesse bei Patient:innen mit ST-Hebungs-Infarkten erreichbar sind.

In ungefähr dem gleichen Zeitraum hat die Aachener Arbeitsgruppe um Stefan Beckers et al. mit viel Energie und Sachverstand ein bundesweit beachtetes Konzept für die Telenotfallmedizin entwickelt – und sah sich dabei anfangs mit erheblichem Misstrauen und Gegenwind konfrontiert. Das lag daran, dass dieses innovative Verfahren vielfach als Widerspruch zu dem in Deutschland etablierten notarztbasierten Versorgungssystem (miss)verstanden wurde. Ebenfalls rund 15 Jahre später zeigt ihr Beitrag, warum derartige Sorgen unberechtigt waren, aber v. a., welche Chancen mit diesem Ansatz verbunden sind.

Mit dem Peer-Review-Verfahren ist in den letzten Jahren ein weiteres Instrument des Qualitätsmanagements im Gesundheitswesen etabliert worden. Dieser kollegiale Dialog auf Augenhöhe hilft dabei, Best-Practice-Lösungen auszutauschen und unterstützt damit den viel zitierten „kontinuierlichen Verbesserungsprozess“. Diesen Ansatz haben sich Beckers et al. zunutze gemacht, um ein Peer-Review für die Ärztliche Leitung Rettungsdienst zu entwickeln, das sie hier erstmals der Fachöffentlichkeit vorstellen – Rückmeldungen an die Autoren zu ihrem zukunftsweisenden Konzept sind daher besonders erwünscht!

„Qualität im Rettungsdienst beginnt in der Leitstelle“ – auch das ist eine inzwischen breit akzeptierte Feststellung, nicht nur in Bezug auf die Telemedizin. Gleichzeitig zeigen aktuelle Auswertungen, dass die seit dem Jahr 2010 in den weltweit gültigen Leitlinien geforderte telefonische Anleitung von Notfallzeugen, die sog. Telefonreanimation, bei Weitem noch nicht den Standard in deutschsprachigen Leitstellen darstellt – auch, wenn Selbsteinschätzungen von Leitstellenverantwortlichen häufig zu anderen Ergebnissen kommen. Dabei muss klar sein: Hierbei geht es nicht um eine akademische Diskussion, sondern um die Tatsache, dass auch mehr als 10 Jahre nach der Veröffentlichung dieser Leitlinie nicht jede*r Notfallpatient*in die konsequente Hilfe erhält, die möglich und erforderlich wäre. Deswegen haben wir als Herausgeber diesem speziellen Aspekt von Qualität einen Kommentar gewidmet.

Nicht nur beim STEMI oder dem außerklinischen Kreislaufstillstand, sondern auch bei der Schlaganfallversorgung bildet die Notrufannahme durch die Rettungsleitstelle den ersten Schritt in der Prozesskette. Am Beispiel des Schlaganfallpfads Tirol zeigen Knoflach et al. in vorbildlicher Weise, wie die sektorenübergreifende Kooperation aller Akteure in Schlaganfallnetzwerken, vom Notrufeingang bis zum Übergang in die Rehabilitation, die Qualität der Versorgung standardisieren und verbessern kann.

Ohne Messungen keine Verbesserungen

Die zitierten Erkenntnisse zu der Verbreitung der Telefonreanimation verdanken wir den Analysen notfallmedizinischer Registerdaten. Zu deren Etablierung haben Rolf Lefering et al. einen entscheidenden Beitrag geleistet und geben in dieser Ausgabe einen Überblick über die Möglichkeiten, nicht zuletzt durch den Vergleich der Ergebnisse zwischen unterschiedlichen Leistungserbringern („Benchmarking“) die Qualität rettungsdienstlicher Leistungen weiter zu verbessern.

Eine der wichtigsten Voraussetzungen, um überhaupt den Stand der Versorgungsqualität messen zu können, ist die Verfügbarkeit einer elektronischen und damit standardisiert auswertbaren Einsatzdokumentation im Rettungsdienst. Dass (und warum) diese auch im Jahr 2022 nicht flächendeckend etabliert ist, beleuchten die Kollegen Luiz (Kaiserslautern) und Häske (Reutlingen) in ihrem Beitrag.

Eine der wichtigsten Voraussetzungen ist die Verfügbarkeit einer elektronischen Einsatzdokumentation

Wir hoffen, dass wir mit diesem breit gefächerten Überblick Ihr Interesse geweckt haben und v. a., dass diese Methoden Sie tatsächlich bei der Erfüllung Ihrer Aufgabe unterstützen: der bestmöglichen Versorgung von Notfallpatient*innen in Präklinik und Klinik.