In dieser Ausgabe der Notfall+Rettungsmedizin werden von der Deutschen Gesellschaft für Interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin (DGINA) erstmals Empfehlungen zur Versorgung kritisch kranker, nichttraumatologischer Patient*innen im Schockraum publiziert (Bernhard et al.). Dagegen gibt es für die Schockraumversorgung traumatologischer Patient*innen bereits seit dem Jahr 1997 Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU), das Weißbuch der DGU ist im Jahr 2019 in der 3. Auflage erschienen und es wurde bereits vor mehr als 10 Jahren auch eine interdisziplinäre S3-Leitlinie mit Beteiligung aller relevanten Fachgesellschaften erstellt. Die darin festgelegten personellen, strukturellen und fachlichen Standards haben u. a. dazu geführt, dass polytraumatisierte Patient*innen standardisiert vorangemeldet und im Schockraum der Klinik von einem breit aufgestellten Team empfangen werden, um die bestmögliche medizinische Versorgung zu gewährleisten.

Einheitliche Versorgungsstrukturen bei nichttraumatologischen Notfällen sind bisher häufig nicht etabliert

Für die meisten Kliniken in Deutschland sind bei nichttraumatologischen Notfällen bisher leider keine solchen einheitlichen, vorbildlichen Strukturen etabliert. Insbesondere außerhalb der regulären Arbeitszeiten werden kritisch kranke Patientinnen und Patienten im Schockraum nicht selten nur von einer Ärztin oder einem Arzt mit nicht näher definiertem Ausbildungsstand und einer Pflegekraft übernommen, die regelhaft weitere Patienten gleichzeitig zu versorgen haben und für solche Situationen auch nicht immer trainiert wurden. Um diese Situation zu verbessern, gibt es nun – 25 Jahre nach der ersten Empfehlung für traumatologische Patient*innen im Schockraum – einen ersten Aufschlag zur Standardisierung auch für nichttraumatologische Schockraumpatient*innen. Die in diesem Heft als Übersicht und gleichzeitig im Supplement als Langversion publizierten Empfehlungen definieren Standards für Schockraumalarmierungskriterien, Patientenübergabe, Ausstattung des Schockraums, Zusammensetzung des Schockraumteams, Versorgungskonzepte, Qualitätssicherung und Fort- und Weiterbildung.

Eine Standardisierung der Anforderungen bei der nichttraumatologischen Schockraumversorgung ist dringend erforderlich

Einige Leserinnen und Leser werden sich vielleicht fragen, inwieweit solche Empfehlungen überhaupt erforderlich sind: Die zugrunde liegenden Krankheitsbilder der Patientinnen und Patienten bei einer nichttraumatologischen Schockraumversorgung sind im Vergleich zu einer traumatologischen Versorgung vielfältiger, was eine Standardisierung der Abläufe sicher erschwert. Zudem bestehen für viele Erkrankungen auch Leitlinien unterschiedlicher Fachgesellschaften einschließlich Empfehlungen zur Schockraumversorgung. Dies macht einerseits klar, dass ein Weißbuch zur „nichttraumatologischen Schockraumversorgung kritisch kranker Patient*innen“ die Leitlinien vieler Fachgesellschaften berücksichtigen muss. Andererseits ist damit auch offensichtlich, dass eine Standardisierung der häufig unterschiedlichen Anforderungen von verschiedenen Fachgesellschaften an die Struktur eines Schockraums und an die initialen Abläufe erforderlich ist. Es ist den Autorinnen und Autoren zu danken, für ein solches wichtiges und komplexes Thema jetzt einen ersten Aufschlag gemacht zu haben, um eine qualitativ hochwertige Versorgung von konservativen, nichttraumatologischen Schockraumpatient*innen 24/7 in den Notfallzentren in Deutschland zu erreichen. Die vorliegenden Empfehlungen wurden bislang nur von der DGINA entwickelt und konsentiert. Sie berühren dabei nicht nur medizinische Aspekte und Vorgaben zahlreicher Fachgebiete, sondern auch grundlegendere strukturell-organisatorische Ablauforganisationen und Details. In diesem Sinne soll die jetzt erfolgte Publikation dieser Empfehlungen in Notfall+Rettungsmedizin Anstoß zur weiteren Diskussion dieser überfälligen Initiative geben. Eine zeitnahe Weiterentwicklung unter Einbindung zusätzlicher relevanter Fachgesellschaften im Rahmen einer interdisziplinären Leitlinie, wie auch bereits von den Autorinnen und Autoren angemerkt, wird dringend empfohlen. Ziel sollte – wie bei der Versorgung traumatologischer Schockraumpatient*innen – eine interdisziplinäre S3-Leitlinie mit Beteiligung aller diesbezüglich relevanten Fachgesellschaften sein.