Einführung und Rahmen

Im Jahr 2015 haben der Europäische Rat für Wiederbelebung (ERC) und die Europäische Gesellschaft für Intensivmedizin (ESICM) ihre ersten gemeinsamen Leitlinien für die Reanimation erstellt und zeitgleich in Resuscitation und Intensive Care Medicine veröffentlicht [1, 2]. Diese Leitlinien zur Postreanimationsbehandlung wurden für 2020 umfassend aktualisiert und enthalten die seit 2015 veröffentlichten wissenschaftlichen Erkenntnisse. Zu den behandelten Themen gehören das Postreanimationssyndrom, die Steuerung von Oxygenierung und Beatmung, hämodynamische Zielparameter, koronare Reperfusion, gezieltes Temperaturmanagement (TTM), Behandlung von Krampfanfällen, Prognosestellung, Rehabilitation und Langzeitüberleben.

Methoden

Die umfassende Beschreibung des Entwicklungsprozesses der Leitlinie ist in einer Zusammenfassung [3] verfügbar.

Der internationale Konsens für den Überprüfungsprozess der wissenschaftlichen Evidenz zur kardiopulmonalen Reanimation

Dem International Liaison Committee on Resucitation (ILCOR, www.ilcor.org) gehören Vertreter der American Heart Association (AHA), des European Resuscitation Council (ERC), der kanadischen Heart and Stroke Foundation (HSFC), des australischen und neuseeländischen Ausschusses für Wiederbelebung (ANZCOR), des Reanimationsrats des südlichen Afrikas (RCSA), der Interamerikanischen Herzstiftung (IAHF) und des Reanimationsrats Asiens (RCA) an. Von 2000 bis 2015 bewerteten Forscher der ILCOR-Mitgliedsräte die wissenschaftlichen Arbeiten in 5-Jahres-Zyklen. Nach der Veröffentlichung des Internationalen Konsenses über den wissenschaftlichen Kenntnisstand von CPR und ECC 2015 mit Behandlungsempfehlungen (CoSTR 2015; [4]) verpflichtete sich ILCOR zu einem kontinuierlichen Evidenzbewertungsprozess, dessen Themen priorisiert und jährlich als CoSTR-Updates veröffentlicht werden [5,6,7]. Für das CoSTR 2020 führten die sechs ILCOR-Task Forces drei Arten der Evidenzbewertung durch: die systematische Überprüfung, die Scoping-Überprüfung und die Evidenzaktualisierung, insgesamt wurden 184 Themen behandelt [8]. Es wurde vereinbart, dass nur systematische Überprüfungen (diese verwendeten die Grading-of-Recommendations-Assessment-Development-and-Evaluation[GRADE]-Methode) zu neuen oder geänderten Behandlungsempfehlungen führen können [9]. Die Datenanalyse aus jeder systematischen Überprüfung wurde der Task Force vorgelegt, und die Task Force entwarf den zusammenfassenden wissenschaftlichen Konsens für die Behandlungsempfehlungen. Jede Behandlungsempfehlung gab den Grad der Empfehlung (Empfehlungen = stark, Vorschläge = schwach) und den Grad der Evidenz an. Die Entwürfe für 2020-CoSTR wurden für einen zweiwöchigen Kommentarzeitraum auf der ILCOR-Webseite (ilcor.org) veröffentlicht. Danach wurden die endgültigen Formulierungen der wissenschaftlichen Aussagen und Behandlungsempfehlungen von den Task Forces vervollständigt und in den Zeitschriften Resuscitation und Circulation als Konsens für Wissenschafts- und Behandlungsempfehlungen (CoSTR) für 2020 veröffentlicht.

Der Europäische Rat für Wiederbelebung und die Europäische Gesellschaft für Intensivmedizin zur Entwicklung von Leitlinien für die Behandlung nach Wiederbelebung, Leitlinien Postreanimationsbehandlung

Zum Verfassen der Leitlinien wurden 15 Personen aufgrund ihres Fachwissens, ihrer ERC- und ESICM-Repräsentation und -Diversität (Geschlecht, Arzt und Nichtarzt sowie Geografie [Nord- und Südeuropa]) für die ERC-ESICM-Gruppe ausgewählt.

Diese ERC-ESICM-Leitlinien zur Postreanimationsbehandlung basieren hauptsächlich auf dem Abschnitt Advanced Life Support des CoSTR-Dokuments 2020 und stellen einen Konsens der Vertreter des ERC und des ESICM dar [10]. Wenn Behandlungsempfehlungen von ILCOR bereitgestellt werden, wurden diese vom ERC und ESICM übernommen. In Ermangelung einer ILCOR-Empfehlung beruhten die Leitlinien des ERC-ESICM auf der Überprüfung und der Diskussion der gemeinsamen Arbeitsgruppe, bis ein Konsens erzielt wurde. Die Vorsitzenden der Arbeitsgruppe stellten sicher, dass alle Mitglieder die Möglichkeit hatten, ihre Ansichten darzulegen und zu diskutieren, und dass die Diskussionen offen und konstruktiv waren. Alle Diskussionen fanden während acht zweistündigen Zoom-Videokonferenzen statt, die zwischen Januar 2020 und November 2020 abgehalten wurden. Alle 15 Mitglieder der Gruppe erzielten in einem offenen Verfahren einen Konsens über alle Behandlungsempfehlungen.

Diese Leitlinien wurden von den Mitgliedern der Post-Resuscitation Care Writing Group entworfen und vereinbart, bevor sie zwischen dem 21. Oktober und dem 5. November 2020 auf der ERC-Webseite zur Kommentierung veröffentlicht wurden. Die Möglichkeit, die Leitlinien zu kommentieren, wurde über soziale Medien (Facebook, Twitter) beworben sowie über das ERC-Netzwerk von 33 nationalen Resuscitation Councils. Neun Personen aus vier Ländern machten 25 Kommentare. Eine dieser Personen war ein medizinischer Laie. Die Überprüfung dieser Kommentare führte zu acht Änderungen.

Zusammenfassung der wichtigsten Änderungen

Eine Zusammenfassung der wichtigsten Änderungen gegenüber den ERC-ESICM-Leitlinien für die Postreanimationsbehandlung aus 2015 ist in Tab. 1 (Siehe Zusatzmaterial online https://doi.org/10.1007/s10049-021-00892-y) aufgeführt.

Die Kernaussagen aus diesem Abschnitt sind in Abb. 1 dargestellt.

Abb. 1
figure 1

Zusammenfassung der Postreanimationsbehandlung

Kurze Leitlinie für die klinische Praxis

Dieser Abschnitt enthält eine Zusammenfassung der wichtigsten Empfehlungen. Die den Empfehlungen zugrundeliegenden Argumente sind im Abschnitt „Argumente für die Leitlinien“ aufgeführt.

Sofortige Nachsorge

  • Die Postreanimationsbehandlung wird unabhängig vom Ort unmittelbar nach einem ROSC begonnen (Abb. 2).

  • Bei einem Kreislaufstillstand außerhalb des Krankenhauses soll der Transport zu einem Cardiac-Arrest-Zentrum erfolgen.

Abb. 2
figure 2

Postreanimationsalgorithmus. SBP systolischer Blutdruck, PCI perkutane Koronarintervention, CT Pulmonalis Angiographie, CTPA CT-Angiographie, ICU Intensivstation, EEG Elektroenzephalographie, ICD implantierter Kardioverterdefibrillator

Diagnose der Ursache des Kreislaufstillstands

  • Wenn klinische (z. B. hämodynamische Instabilität) oder EKG-Hinweise auf eine Myokardischämie vorliegen, führen Sie zuerst eine Koronarangiographie durch. Darauf folgt die CT-Gehirn- und/oder CT-Lungenangiographie, wenn die Koronarangiographie keine ausreichende Ursache identifiziert.

  • Eine frühzeitige Erkennung einer respiratorischen oder neurologischen Ursache kann durch die Durchführung eines zerebralen und Thorax-CT-Scans bei Einweisung ins Krankenhaus vor oder nach der Koronarangiographie erreicht werden (siehe Koronarreperfusion).

  • Wenn vor dem Kreislaufstillstand Anzeichen oder Symptome vorliegen, die auf eine neurologische oder respiratorische Ursache hinweisen (z. B. Kopfschmerzen, Krampfanfälle oder neurologische Defizite, Atemnot oder dokumentierte Hypoxämie bei Patienten mit bekannter Atemwegserkrankung), führen Sie ein CT-Gehirn und/oder eine CT-Lungenangiographie durch.

Atemwege und Atmung

Atemwegsmanagement nach ROSC

  • Die Sicherung der Atemwege und der Beatmung soll nach ROSC fortgesetzt werden.

  • Patienten, die einen kurzen Kreislaufstillstand und eine sofortige Rückkehr zur normalen Gehirnfunktion hatten und normal atmen, benötigen möglicherweise keine Intubation, sollen jedoch Sauerstoff über eine Gesichtsmaske erhalten, wenn ihre Sauerstoffsättigung weniger als 94 % beträgt.

  • Bei Patienten, die nach ROSC im Koma bleiben oder eine andere klinische Indikation für Sedierung und mechanische Beatmung haben, sollen intubiert werden, wenn dies nicht bereits während der CPR durchgeführt wurde.

  • Die Intubation soll nur von erfahrenen Behandlern mit einer ausreichend hohen Erfolgsrate durchgeführt werden.

  • Der Intubationserfolg muss durch Kapnographie bestätigt werden.

  • In Abwesenheit von intubationserfahrenem Personal ist es sinnvoll, einen supraglottischen Atemweg (SGA) einzuführen oder den Atemweg mit alternativen Techniken zu sichern, bis qualifiziertes und in der Intubation erfahrenes Personal verfügbar ist.

Kontrolle der Sauerstoffversorgung

  • Verwenden Sie nach ROSC 100 % (oder die maximal verfügbare Konzentration) Sauerstoff, bis die Sauerstoffsättigung oder der Partialdruck des arteriellen Sauerstoffs zuverlässig gemessen werden kann.

  • Nach ROSC titrieren Sie die eingeatmete Sauerstoffkonzentration, sobald SpO2 zuverlässig gemessen werden kann oder arterielle Blutgaswerte ermittelt werden können, um eine Sauerstoffsättigung von 94 bis 98 % oder einen arteriellen Sauerstoffpartialdruck (PaO2) von 10 bis 13 kPa bzw. 75 bis 100 mm Hg zu erreichen (Abb. 3).

  • Vermeiden Sie nach ROSC eine Hypoxämie (PaO2 < 8 kPa oder 60 mm Hg).

  • Vermeiden Sie Hyperoxämie nach ROSC.

Abb. 3
figure 3

Ziele für Hämodynamik, Oxygenierung und Beatmung

Kontrolle der Beatmung

  • Verwenden Sie arterielle Blutgasanalysen und die etCO2 -Messung bei mechanisch beatmeten Patienten zur Kontrolle der Beatmung.

  • Bei Patienten, die nach ROSC eine mechanische Beatmung benötigen, steuern Sie die Beatmung entsprechend einem physiologischen arteriellen Kohlendioxidpartialdruck (PaCO2), d.h. 4,5–6,0 kPa oder 35–45 mm Hg.

  • Bei Patienten, die mit einem gezielten Temperaturmanagement (TTM) behandelt werden, soll der PaCO2 engmaschig überwacht werden, da eine Hypokapnie auftreten kann.

  • Verwenden Sie bei TTM und niedrigeren Temperaturen durchgängig entweder einen temperatur- oder einen nichttemperaturkorrigierten Ansatz zur Messung der Blutgaswerte.

  • Verwenden Sie eine lungenprotektive Beatmungsstrategie, indem Sie ein Atemzugvolumen von 6 bis 8 ml kg−1 des idealen Körpergewichts anstreben.

Kreislauf

Koronare Reperfusion

  • Bei erwachsenen Patienten mit ROSC nach einem Kreislaufstillstand mit Verdacht auf kardialen Ursprung und ST-Erhöhung im EKG soll eine Notfall-PCI durchgeführt werden.

  • Bei Patienten mit ROSC nach einem Kreislaufstillstand außerhalb des Krankenhauses (OHCA) ohne ST-Erhöhung im EKG soll die Notfall-PCI in Betracht gezogen werden, wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit eines akuten Koronarverschlusses besteht (z. B. Patienten mit hämodynamischer und/oder elektrischer Instabilität).

Hämodynamisches Monitoring und Behandlung

  • Alle Patienten sollen mit einer kontinuierlichen arteriellen Blutdruckmessung überwacht werden, und es ist sinnvoll, bei hämodynamisch instabilen Patienten das Herzzeitvolumen zu überwachen.

  • Führen Sie bei allen Patienten eine frühzeitige (so bald wie möglich) Echokardiographie durch, um eine zugrundeliegende Herzpathologie zu erkennen und den Grad der Myokardfunktionsstörung zu quantifizieren.

  • Vermeiden Sie Hypotonie <65 mm Hg als Zielwert des mittleren arteriellen Drucks (MAP), um eine angemessene Urinproduktion (>0,5 ml kg−1h−1) und normales oder abnehmendes Laktat zu erreichen (Abb. 3).

  • Während der TTM bei 33 °C kann eine Bradykardie unbehandelt bleiben, wenn Blutdruck, Laktat, ScvO2 oder SvO2 ausreichend sind. Wenn nicht, erhöhen Sie die Zieltemperatur, jedoch nicht höher als 36 °C.

  • Halten Sie patientenadaptiert die Perfusion mit intravenöser Flüssigkeitssubstitution, Noradrenalin und/oder Dobutamin aufrecht und orientieren sich nach intravaskulärem Volumen, Vasokonstriktion oder Inotropie.

  • Geben Sie keine Steroide routinemäßig nach einem Kreislaufstillstand.

  • Vermeiden Sie Hypokaliämie, da diese mit ventrikulären Arrhythmien assoziiert ist.

  • Erwägen Sie eine mechanische Kreislaufunterstützung (z. B. eine intraaortale Ballonpumpe, ein linksventrikuläres ‘Assist Device’ oder eine arteriovenöse extrakorporale Membranoxygenierung), um einen anhaltenden kardiogenen Schock aufgrund eines linksventrikulären Versagens zu überbrücken, wenn die Behandlung mit Flüssigkeitsgaben, inotropen und vasoaktiven Arzneimitteln unzureichend ist. Bei hämodynamisch instabilen Patienten mit akutem Koronarsyndrom (ACS) und rezidivierender ventrikulärer Tachykardie (VT) oder Kammerflimmern (VF) sollen trotz optimaler Therapie auch ein linksventrikuläres ‘Assist Decive’ oder eine arteriovenöse extrakorporale Membranoxygenierung in Betracht gezogen werden.

Neurologisches Defizit (Optimierung der neurologischen Erholung)

Kontrolle von Krampfanfällen

  • Wir empfehlen die Elektroenzephalographie (EEG), um Krampfanfälle bei Patienten zu diagnostizieren und die Behandlungseffekte zu überwachen.

  • Zur Behandlung von Anfällen nach Kreislaufstillstand empfehlen wir Levetiracetam oder Natriumvalproat als Antiepileptikum der ersten Wahl zusätzlich zu Sedativa.

  • Wir empfehlen, dass bei Patienten nach Kreislaufstillstand keine routinemäßige Anfallsprophylaxe angewendet wird.

Temperaturkontrolle

  • Wir empfehlen ein gezieltes Temperaturmanagement (TTM) für Erwachsene nach OHCA oder Kreislaufstillstand im Krankenhaus (IHCA; unabhängig vom Initialrhythmus), die nach ROSC nicht das Bewusstsein wiedererlangen.

  • Halten Sie eine Zieltemperatur mindestens 24 h lang auf einem konstanten Wert zwischen 32 °C und 36 °C.

  • Vermeiden Sie eine Temperaturerhöhung (>37,7 °C) für mindestens 72 h nach ROSC bei Patienten, die komatös bleiben.

  • Verwenden Sie in der Prähospitalphase (vor der Krankenhauseinlieferung) keine kalten intravenösenFlüssigkeiten zur Einleitung eines TTM.

Allgemeines Intensivmanagement

  • Verwenden Sie kurzwirksame Sedativa und Opioide.

  • Vermeiden Sie die routinemäßige Verwendung eines Muskelrelaxans bei Patienten, die einer TTM unterzogen werden. Dies kann jedoch bei starkem Kältezittern während der TTM in Betracht gezogen werden.

  • Verwenden Sie routinemäßig eine Prophylaxe von Stressulzcera bei Patienten nach Kreislaufstillstand.

  • Verwenden Sie eine Prophylaxe zur Verhinderung einer tiefen Venenthrombose.

  • Versuchen Sie, einen Blutzuckergehalt von 7,8 bis 10 mmol L−1 (140–180 mg dL−1) zu erreichen, indem Sie bei Bedarf eine Insulininfusion verwenden. Vermeiden Sie eine Hypoglykämie (<4,0 mmol L−1, bzw. <70 mg dL−1).

  • Starten Sie die enterale Ernährung mit niedrigen Raten (trophische Ernährung) während der TTM und erhöhen Sie sie nach dem Wiedererwärmen, falls angezeigt. Wenn eine TTM von 36 °C als Zieltemperatur verwendet wird, kann die enterale Ernährung frühzeitig während der TTM erhöht werden.

  • Eine routinemäßige prophylaktische Antibiotikatherapie wird nicht empfohlen.

Prognoseerstellung

Allgemeine Hinweise

  • Bei Patienten, die nach einer erfolgreichen Herz-Lungen-Wiederbelebung komatös bleiben, soll eine neurologische Einschätzung unter Verwendung klinisch-neurologischer Untersuchungen, Elektrophysiologie, Biomarkern und Bildgebung durchgeführt werden. Dies kann der gezielten Information der Angehörigen des Patienten dienen und den behandelnden Ärzten helfen, die Behandlungsstrategie auf Basis der klinisch-neurologischen Untersuchungen vorzunehmen (Abb. 4 und 5).

  • Kein einzelner Prädiktor ist 100 % zuverlässig. Daher wird eine multimodale Strategie zur Neuroprognostikation empfohlen.

  • Bei der Vorhersage eines schlechten neurologischen Ergebnisses sind eine hohe Spezifität und Genauigkeit wünschenswert, um falsch pessimistische Vorhersagen zu vermeiden.

  • Die klinisch-neurologische Untersuchung ist von zentraler Bedeutung für die Prognosebestimmung. Um falsch pessimistische Vorhersagen zu vermeiden, sollen Ärzte mögliche Interaktionen und Nebenwirkungen durch Sedativa und andere Medikamente berücksichtigen, welche die Untersuchungsergebnisse verfälschen könnten.

  • Wenn Patienten mit TTM behandelt werden, wird eine tägliche klinische Untersuchung empfohlen, die endgültige prognostische Beurteilung soll jedoch erst nach dem Wiedererwärmen erfolgen.

  • Ärzte müssen sich der Gefahr einer sich selbst erfüllenden Prophezeiungsverzerrung bewusst sein, welche auftritt, wenn die Ergebnisse eines Indextests mit ungünstiger Prognosestellung für Behandlungsentscheidungen verwendet werden, insbesondere in Hinsicht auf lebenserhaltende Therapien.

  • Prädiktoren für die neurologische Prognose zielen darauf ab, den Schweregrad einer hypoxisch-ischämischen Hirnverletzung zu bestimmen. Die neurologische Prognose ist einer von mehreren Aspekten, die bei Diskussionen über das Genesungspotenzial eines Patienten berücksichtigt werden müssen.

Abb. 4
figure 4

Prognoseerstellung. EEG Elektroenzephalographie; NSE neuronenspezifische Enolase; SSEP somatosensorisch evozierte Potenziale

Abb. 5
figure 5

Algorithmus für die Prognoseerstellung. EEG Elektroenzephalographie; NSE neuronenspezifische Enolase; SSEP somatosensorisch evozierte Potenziale; ROSC Rückkehr des Spontankreislaufs. 1 Neben (Analgo‑)Sedierung und neuromuskulärer Blockade stellen Hypothermie, schwere Hypotonie, Sepsis, Hypoglykämie, Sepsis sowie Stoffwechsel- oder Atemstörungen andere wesentliche Probleme dar. 2 Verwenden Sie ein automatisiertes Pupillometer, um die Lichtreaktion der Pupillen zu bestimmen, falls verfügbar. 3 Suppression (niedrigamplitudige bis isoelektrische Muster) im Hintergrund-EEG, generalisierte periodische Entladungen bei ansonsten flachem EEG oder Burst-Suppression gemäß ACNS 4 Steigende NSE-Werte zwischen 24 und 48 h oder 24/48 h und 72 h deuten weiterhin auf ein wahrscheinlich schlechtes Ergebnis hin. 5 Definiert als anhaltende, generalisierte Muskelzuckungen (Myoklonus) von 30 min Dauer oder länger. * Vorsicht bei widersprüchlichen Befunden, da diese möglicherweise auf ein gutes Ergebnis hinweisen (Einzelheiten siehe Text)

Multimodale Prognosebewertung

  • Beginnen Sie die Prognosebewertung mit einer genauen klinischen Untersuchung, die erst durchgeführt werden soll, nachdem größere Störfaktoren (z. B. Restsedierung, Unterkühlung) ausgeschlossen wurden (Abb. 5).

  • Bei einem komatösen Patienten ≤3 bei ≥72 h nach ROSC ist in Abwesenheit von Störfaktoren ein schlechtes Ergebnis wahrscheinlich, wenn zwei oder mehr der folgenden Prädiktoren vorliegen: keine Pupillen- und Hornhautreflexe bei ≥72 h, bilateral ohne N20 SSEP-Welle bei ≥24 h, hoch malignes EEG bei >24 h, neuronenspezifische Enolase (NSE) >60 µg L−1 bei 48 h und/oder 72 h, Status myoklonus ≤72 h oder diffuse und umfangreiche anoxische Schädigung im Gehirn-CT/MRT. Die meisten dieser Anzeichen können vor 72 h nach ROSC registriert werden, bewertet werden die Ergebnisse jedoch nur zum Zeitpunkt der Durchführung der klinischen Prognose.

Klinische Untersuchung

  • Die klinische Untersuchung ist anfällig für Störungen durch Sedativa, Opioide oder Muskelrelaxanzien. Eine mögliche Beeinflussung durch Restsedierung soll immer berücksichtigt werden.

  • Ein Glasgow Motor Score von ≤3 (abnorme Flexion oder entsprechende Reaktion auf Schmerzen) 72 h oder später nach ROSC kann Patienten identifizieren, bei denen möglicherweise eine neurologische Prognosebewertung erforderlich ist.

  • Bei Patienten, die 72 h oder später nach ROSC komatös bleiben, können die folgenden Tests ein schlechtes neurologisches Ergebnis vorhersagen:

    • Beidseitiges Fehlen des Standard-Pupillenlichtreflexes

    • Quantitative Pupillometrie

    • Beidseitiges Fehlen des Hornhautreflexes

    • Vorhandensein von Myoklonien innerhalb von 96 h und insbesondere Status myoklonus innerhalb von 72 h

  • Wir empfehlen außerdem, das EEG in Gegenwart von Myoklonien aufzuzeichnen, um die Erkennung einer damit verbundenen epileptiformen Aktivität oder von EEG-Zeichen wie Hintergrundaktivität oder Kontinuität zu ermöglichen, was auf ein Potenzial für eine neurologische Erholung hindeutet.

Neurophysiologie

  • Führen Sie ein EEG bei Patienten durch, die nach dem Kreislaufstillstand bewusstlos sind.

  • Hochmaligne EEG-Muster beinhalten einen unterdrückten Hintergrund mit oder ohne periodische Entladungen und Burst-Supression-Muster. Wir empfehlen, diese EEG-Muster nach dem Ende der TTM und nach Beendigung der Sedierung als Indikatoren für eine ungünstige Prognose zu bewerten.

  • Das Vorhandensein eindeutiger Anfälle im EEG während der ersten 72 h nach ROSC ist ein Indikator für eine schlechte Prognose.

  • Das Fehlen einer Hintergrundaktivität im EEG ist ein Indikator für eine schlechte Prognose nach Kreislaufstillstand.

  • Das bilaterale Fehlen somatosensorisch evozierter kortikaler N20-Potenziale ist ein Indikator für eine schlechte Prognose nach Kreislaufstillstand.

  • Berücksichtigen Sie die Ergebnisse des EEG und der somatosensorisch evozierten Potenziale (SSEP) immer im Zusammenhang mit klinischen Untersuchungsergebnissen und anderen Tests. Erwägen Sie immer die Wirkung eines Muskelrelaxans, wenn Sie SSEP durchführen.

Biomarker

  • Verwenden Sie serielle NSE-Messungen in Kombination mit anderen Methoden, um das Ergebnis nach Kreislaufstillstand beurteilen zu können. Steigende Werte zwischen 24 und 48 h oder 72 h in Kombination mit hohen Werten nach 48 und 72 h weisen auf eine schlechte Prognose hin.

Bildgebung

  • Verwenden Sie Bildgebung von zerebralen Strukturen zur Vorhersage eines schlechten neurologischen Ergebnisses nach Kreislaufstillstand in Kombination mit anderen Prädiktoren. Dies soll nur in Zentren durchgeführt werden, welche über eine Expertise in diesen Untersuchungen verfügen.

  • Verwenden Sie den Nachweis eines generalisierten Hirnödems, welches sich in deutlicher Verringerung des Verhältnisses von grauer zu weißer Substanz beim CCT oder einer umfassenden Diffusionsbeschränkung bei der Hirn-MRT äußert, um ein schlechtes neurologisches Ergebnis nach Kreislaufstillstand vorherzusagen.

  • Berücksichtigen Sie die Ergebnisse der Bildgebung immer in Kombination mit anderen Methoden zur neurologischen Prognose.

Rückzug von der lebenserhaltenden Therapie oder Therapiezieländerung

  • Bei Diskussionen über den Entzug der lebenserhaltenden Therapie („withdrawal of life-sustaining therapy“, WLST) und die Bewertung der Prognose für die neurologische Genesung: WLST-Entscheidungen sollen weitere Aspekte wie Alter, Komorbidität, allgemeine Organfunktion und die Lebenseinstellungen der Patienten mit berücksichtigen.

  • Geben Sie dem Team und den Angehörigen ausreichend Zeit, wenn Sie über den weiteren Behandlungsweg entscheiden.

Langzeitergebnisse nach Kreislaufstillstand

  • Führen Sie vor der Entlassung aus dem Krankenhaus eine Funktionsbewertung der körperlichen und nichtkörperlichen Beeinträchtigungen durch, um den Bedarf an frühzeitiger Rehabilitation zu ermitteln und um gegebenenfalls eine Rehabilitation einzuleiten (Abb. 6).

    Abb. 6
    figure 6

    Empfehlungen für die Beurteilung und Nachsorge im Krankenhaus sowie die Rehabilitation nach Kreislaufstillstand

  • Organisieren Sie eine Follow-up-Untersuchung für alle Überlebenden eines Kreislaufstillstands innerhalb von 3 Monaten nach der Entlassung aus dem Krankenhaus. Diese soll umfassen:

    1. 1.

      Screening auf kognitive Probleme

    2. 2.

      Screening auf emotionale Probleme und Müdigkeit

    3. 3.

      Bereitstellung von Informationen und Unterstützung für Überlebende und Familienmitglieder

Organspende

  • Alle Entscheidungen bezüglich der Organspende müssen den aktuellen gesetzlichen und ethischen Anforderungen entsprechen.

  • Eine Organspende soll bei Personen in Betracht gezogen werden, die einen ROSC erreicht haben, aber die neurologischen Kriterien für den unumkehrbaren Ausfall der Hirnfunktionen (Hirntod) erfüllen (Abb. 7).

  • Bei komatösen beatmeten Patienten, welche die neurologischen Kriterien für den Tod nicht erfüllen, aber eine Therapiezieländerung festgelegt wurde, soll eine Organspende in Betracht gezogen werden, wenn ein Kreislaufstillstand auftritt.

Abb. 7
figure 7

Algorithmus Organspende nach Kreislaufstillstand. * Beinhaltet einen 24-stündigen Beobachtungszeitraum nach der Wiedererwärmung auf 36 °C vor dem klinischen Test auf Hirntod ([19]. Adaptiert von [20].) (Die Rechtslage zur Organspende nach persistierendem Kreislaufstillstand (Donation after Circulatory Determination of Death, DCD) ist in den deutschsprachigen Ländern unterschiedlich: während in Deutschland für die Organspende grundsätzlich die Feststellung des Hirntodes erforderlich ist, ist in Österreich, der Schweiz und Luxemburg die Organspende bei erfolgloser Reanimation grundsätzlich möglich. Im Moment wird sie allerdings aus organisatorisch/logistischen Gründen nur an wenigen Orten durchgeführt)

Cardiac-Arrest-Zentren

  • Erwachsene Patienten mit nichttraumatischem OHCA sollen für den Transport zu einem Cardiac Arrest Zenter gemäß dem lokalen Protokoll in Betracht gezogen werden.

Evidenz, die den Leitlinien zugrunde liegt

Postreanimationssyndrom

Das Postreanimationssyndrom umfasst eine hypoxisch-ischämische Hirnschädigung und Myokardfunktionsstörung nach Kreislaufstillstand, die systemische Ischämie/Reperfusionsreaktion sowie die anhaltende auslösende Pathologie [21,22,23,24]. Die Schwere dieses Syndroms hängt von der Dauer und der Ursache des Kreislaufstillstands ab. Sie tritt möglicherweise gar nicht auf, wenn der Kreislaufstillstand nur sehr kurz ist. Bei Patienten, die auf der Intensivstation (ICU) überlebt haben und anschließend im Krankenhaus sterben, ist die häufigste Ursache für den Abbruch der Behandlung die Prognose eines schlechten neurologischen Ergebnisses. Dies kommt in etwa zwei Dritteln nach OHCA und etwa 25 % nach einem Kreislaufstillstand im Krankenhaus vor [25,26,27,28,29]. Herz-Kreislauf-Versagen ist für die meisten Todesfälle in den ersten drei Tagen verantwortlich, während für den größten Teil der späteren Todesfälle in vielen Ländern die Beendigung der lebenserhaltendenden Massnahmen (WLST) verantwortlich ist, basierend auf einer ungünstigen Prognose aufgrund einer schweren hypoxisch-ischämischen Hirnschädigung [26, 29, 30]. Eine hypoxisch-ischämische Hirnverletzung nach Kreislaufstillstand ist mit Hypotonie, Hypoxämie, Hyperoxämie, Pyrexie, Hypoglykämie, Hyperglykämie und zerebralen Krampfanfällen verbunden. Eine signifikante Myokardfunktionsstörung tritt häufig nach einem Kreislaufstillstand auf, beginnt sich jedoch in der Regel nach 2–3 Tagen zu erholen, obwohl die vollständige Genesung erheblich länger dauern kann [31,32,33,34,35,36]. Die Ganzkörperischämie/Reperfusion von Kreislaufstillstand, CPR und ROSC aktiviert Immun- und Gerinnungskaskaden, die zum Mehrfach-Organversagen beitragen und das Infektionsrisiko erhöhen [37,38,39,40,41,42,43,44,45,46]. Somit hat das Postreanimationssyndrom viele Gemeinsamkeiten mit der Sepsis, einschließlich intravaskulärem Volumenmangel, Vasodilatation, Endothelschädigung und Mikrozirkulationsstörungen [47,48,49,50,51,52,53,54,55,56].

Diagnose der Ursache des Kreislaufstillstands

Diese Leitlinien basieren auf einem Konsensus von Expertenmeinungen.

Die kardialen Ursachen von OHCA wurden in den letzten Jahrzehnten eingehend untersucht. Hingegen ist wenig über nichtkardiale Ursachen bekannt. Eine frühzeitige Erkennung einer respiratorischen oder neurologischen Ursache würde den Transfer des Patienten auf eine spezialisierte Intensivstation zur optimalen Versorgung ermöglichen. Verbesserte Kenntnis der Prognose ermöglicht auch die Diskussion über die Angemessenheit spezifischer Therapien, einschließlich TTM. Mehrere Fallserien zeigten, dass diese Strategie erlaubt, Diagnosen nichtkardialer Ursachen für einen Kreislaufstillstand bei einem erheblichen Anteil der Patienten zu erkennen [57, 58]. Bei Patienten mit anhaltendem ROSC bei Krankenhauseinlieferung gibt es erhebliche regionale Unterschiede in der Inzidenz von subarachnoidalen Blutungen als Ursache des Kreislaufstillstands. Veröffentlichte Fallserien berichten über 16,2 % in Japan [59], 11,4 % in Korea [60] und 7 % in Frankreich [61]. Bei Patienten mit Kreislaufstillstand im Zusammenhang mit Trauma oder Blutung ist wahrscheinlich ein Ganzkörper-CT-Scan angezeigt [10, 62, 63].

Atemwege und Atmung

Atemwegsmanagement nach ROSC

Diese Leitlinien basieren auf einem Experten-Konsens.

Patienten können, abhängig von Umgebung oder bestimmten Umständen, vor, während oder nach einem Kreislaufstillstand intubiert werden [64]. Nach den meisten Kreislaufstillständen wird eine Trachealintubation während der Reanimation oder bei Verbleiben des Patienten im Koma nach ROSC durchgeführt [65].

Die Trachealintubation nach ROSC bei komatösen Patienten erleichtert die Behandlung nach der Reanimation durch kontrollierte Beatmung und Oxygenierung, Schutz der Lunge vor Aspiration des Mageninhalts, Kontrolle über zerebrale Kranpfanfälle und TTM (Details siehe unten).

Post-ROSC-Patienten sind häufig hämodynamisch instabil und benötigen je nach Bewusstseinsniveau möglicherweise eine medikamentös unterstützte Trachealintubation. Bezogen auf die Fähigkeiten des Behandelnden, die Überwachung und die Auswahl der Medikamente soll das gleiche Maß an Sorgfalt wie für jeden anderen schwerkranken Patienten gewährleistet werden [66, 67]. Es gibt keine Empfehlungen für eine bestimmte Wirkstoffkombination [68]. Die Verwendung einer niedrigen Dosis eines Sedativums, eines Analgetikums und eines schnell-wirksamen Muskelrelaxans ist wahrscheinlich optimal.

Kontrolle der Oxygenierung

Diese Leitlinien basieren auf dem systematischen ILCOR-Review zu Oxygenierungs- und Ventilationszielen nach Kreislaufstillstand, der 7 randomisierte kontrollierte Studien und 36 Beobachtungsstudien [69] und CoSTR umfasste [10]. Die ILCOR-Behandlungsempfehlungen bezogen auf die Oxygenierung lauten:

  • Wir schlagen die Verwendung von 100 % inspiratorischen Sauerstoff vor, bis die arterielle Sauerstoffsättigung oder der Partialdruck des arteriellen Sauerstoffs bei Erwachsenen mit ROSC nach Kreislaufstillstand in jeder Situation zuverlässig gemessen werden kann (schwache Empfehlung, sehr wenig sichere Evidenz).

  • Wir empfehlen, eine Hypoxämie bei Erwachsenen mit ROSC nach Kreislaufstillstand unter allen Umständen zu vermeiden (starke Empfehlung, sehr wenig sichere Evidenz).

  • Wir empfehlen, eine Hyperoxämie bei Erwachsenen mit ROSC nach Kreislaufstillstand unter allen Umständen zu vermeiden (schwache Empfehlung, sehr wenig sichere Evidenz).

Aus pathophysiologischer Sicht besteht bei Patienten nach Kreislaufstillstand das Risiko einer hypoxisch-ischämischen Hirnschädigung und einer damit einhergehenden Organfunktionsstörung [10, 24, 70, 71]. Die Rolle der Blutsauerstoffwerte während des Krankheitsprozesses ist kaum bekannt [72]. Studien zeigen, dass eine zerebrale Ischämie nach einem Kreislaufstillstand mit einem schlechten Reanimationserfolg in Verbindung zu bringen ist [73]. Die Verabreichung von mehr Sauerstoff kann die Sauerstoffversorgung des Gehirns erhöhen [74]. Andererseits würden höhere Sauerstoffwerte logischerweise einen Anstieg der schädlichen freien Sauerstoffradikale verursachen [75]. Es ist auch wahrscheinlich, dass die Wirkung von Sauerstoffwerten zwischen verschiedenen Organen wie Herz und Gehirn variiert.

Zahlreiche experimentelle Studien haben den Einfluss von Hyperoxämie auf eine neurologische Schädigung mit gemischten Ergebnissen bewertet [76]. Sechs randomisierte kontrollierte Studien (RCT) haben verschiedene Oxygenierungsziele für unterschiedliche Zeiträume zwischen unmittelbar und bis zu 48 h nach ROSC verglichen [77,78,79,80,81,82]. Eine Untergruppenanalyse einer großen randomisierten kontrollierten Studie, die auf eine arterielle Sauerstoffsättigung von 90–97 % anstelle 90–100 % abzielte, zeigte, dass bei Patienten mit einem Risiko für eine hypoxisch-ischämische Hirnschädigung die 180-Tage-Mortalität in der Zielgruppe mit niedrigerem Sauerstoffgehalt geringer war [77]. Dieser Unterschied zeigte sich jedoch als statistisch nicht mehr signifikant, wenn er für die Unterschiede bei den Ausgangswerten korrigiert wurde [83]. Eine randomisierte kontrollierte Pilotstudie, die auf einen Sauerstoffpartialdruck von 10 bis 15 kPa anstelle 20 bis 25 kPa abzielte, zeigte keine veränderten Werte der Biomarker für neurologische Schädigungen. Insgesamt ist die Evidenzlage uneinheitlich. Sie deutet jedoch darauf hin, dass eher eine normale Sauerstoffversorgung als eine Hyperoxämie angestrebt werden soll. Beobachtungsdaten legen nahe, eine Hypoxämie zu vermeiden. Es liegen jedoch keine randomisierten kontrollierten Studien zu diesem Thema vor.

Bei den meisten Patienten ist nach einem Kreislaufstillstand eine kontrollierte Sauerstoffversorgung durch eine endotracheale Intubation und mechanische Beatmung für mindestens 24–72 h erforderlich. Die Ausnahme stellt der vollständig bewusste Patient mit offenen Atemwegen dar, welcher mit Sauerstoffmaske oder nichtinvasiver Beatmung behandelt wird, mit einer Ziel-SpO2 von 94–98 %. Während des Kreislaufstillstands wird der Patient mit der maximal verfügbaren inspiratorischen Sauerstoffkonzentration beatmet, bei professioneller Wiederbelebung normalerweise 100 %[10]. Nach ROSC soll das Ziel darin bestehen, die Sauerstoffversorgung entweder mit einem Pulsoxymeter oder vorzugsweise mit einer frühzeitigen arteriellen Blutgasprobe zu überwachen. Die früh nach ROSC gemessene Sauerstoffversorgung kann sich sehr unterscheiden und variiert von Hypoxämie bis zu extremer Hyperoxämie [84]. Daher ist es angebracht, den eingeatmeten Sauerstoff zu titrieren, indem entweder der Sauerstofffluss bei Anwendung einer Beutelmaskenbeatmung oder der inspirierte Sauerstoffanteil (FiO2) bei Verwendung eines mechanischen Beatmungsgeräts angepasst wird [85]. Eine längere Verwendung von 100 % inspiriertem Sauerstoff, beispielsweise während des Transports, führt häufig zu extremer Hyperoxämie [86]. Eine weitere Methode zur Überwachung ist die zerebrale Sauerstoffüberwachung mithilfe der Nahinfrarotspektroskopie. Ihre Rolle bei der Postreanimationsbehandlung ist jedoch ungewiss [87, 88].

Kontrolle der Beatmung

Diese Leitlinien basieren auf demselben systematischen Review des ILCOR, der bereits im Abschnitt über die Oxygenierung aufgeführt ist [10, 69]. Die ILCOR-Behandlungsempfehlungen in Bezug auf die Beatmung lauten:

  • Es gibt nicht genügend Anhaltspunkte für oder gegen eine leichte Hyperkapnie im Vergleich zur Normokapnie bei Erwachsenen mit ROSC nach Kreislaufstillstand.

  • Wir empfehlen, bei Erwachsenen mit ROSC nach Kreislaufstillstand nicht routinemäßig gegen eine Hypokapnie vorzugehen (schwache Empfehlung, wenig sichere Evidenz).

Nach ROSC sind die Kohlendioxidpartialdruckwerte (PCO2) im Blut häufig aufgrund von Hypoventilation während des Arrests und schlechter Gewebedurchblutung erhöht, [89] was eine gemischt respiratorische und metabolische Azidose verursacht [90]. Kohlendioxid ist ein bekannter Regulator des Blutgefäßtonus und des zerebralen Blutflusses [91]. Ein erhöhter PCO2 (Hyperkapnie) erhöht den zerebralen Blutfluss, das zerebrale Blutvolumen und den intrazerebralen Druck. Eine Hypokapnie führt zu einer Vasokonstriktion, die den Blutfluss verringern und eine zerebrale Ischämie verursachen kann [92].

Die Hauptmethode zur Steuerung des PaCO2 bei einem mechanisch beatmeten Patienten ist die Anpassung des Minutenvolumens durch das Ändern der Beatmungsfrequenz und/oder des Atemzugvolumens. Im Allgemeinen ist die Begrenzung des Atemzugvolumens und die Anwendung einer protektiven Beatmungsstrategie der Behandlungsstandard, insbesondere bei Patienten mit akutem Atemnotsyndrom (ARDS; [10, 93, 94]). Ein akutes Atemnotsyndrom ist bei Patienten mit Kreislaufstillstand keine Seltenheit und geht mit schlechteren Ergebnissen einher [10, 95, 96]. Eine geringe Lungencompliance begünstigt ein funktionell schlechtes Ergebnis bei Patienten mit OHCA [97]. Eine Beatmung mit kleinerem Atemzugvolumen ist jedoch kein gängiges Verfahren in der neuro-intensivmedizinischen Versorgung [98].

In zwei Pilotstudien wurden verschiedene Kohlendioxidziele während der weiteren Behandlung verglichen [78, 99]. Eine Studie ergab, dass eine leichte Hyperkapnie (50–55 mm Hg) im Vergleich zu Normokapnie (35–45 mm Hg) zu niedrigeren neuronenspezifischen Enolase (NSE)-Werten führte, einem Marker für das Ausmaß der neurologischen Schädigung [99]. Eine andere Pilotstudie verglich das untere und obere Ende des Bereichs der Normokapnie (33–45 mm Hg) in den ersten 36 h nach der Reanimation und fand keinen Unterschied bei den Markern für neurologische Schädigungen [78]. Beide Studien zeigten, dass ein höherer PaCO2 mit einer höheren zerebralen Oxygenierung, durch Nahinfrarotspektroskopie (NIRS) gemessen, in Verbindung gebracht werden konnte. Die klinischen Auswirkungen dieses Zusammenhangs sind jedoch ungewiss [88]. Mehrere große Beobachtungsstudien hatten zum Ziel, den optimalen CO2-Wert während der Behandlung nach einem Kreislaufstillstand zu ermitteln [100,101,102,103,104,105]. Die Ergebnisse sind uneinheitlich. Während einige Studien auf eine Schädigung durch sowohl Hypo-, als auch Hyperkapnie hinweisen, suggerieren andere einen größeren Reanimationserfolg bei leichter Hyperkapnie. Jüngste Beobachtungsdaten aus Großbritannien legen einen Zusammenhang zwischen arteriellem Sauerstoffanteil und Kohlendioxid nahe. Daten aus den ersten 24 h nach der Reanimation zeigten, dass eine Kombination aus Hypoxie und Hypokapnie mit einem schlechteren Ergebnis verbunden war. Von Schäden durch Hyperoxie wurde nicht berichtet [106]. Frühere Beobachtungsdaten von finnischen Intensivstationen zeigten ähnliche Ergebnisse [100].

Beobachtungsdaten legen nahe, dass Patienten, die TTM durchlaufen, zu Hypokapnie neigen [107]. Dies kann durch engmaschige arterielle Blutgasanalysen zur Bestimmung des Kohlendioxids und Überwachung des endtidalem CO2 vermieden werden. Bei Patienten mit niedrigeren Temperaturzielen bei TTM, ist das Management des PaCO2 besonders herausfordernd [108]. Für die Empfehlung einer bestimmten Methode zur Bestimmung des PaCO2 während der Hypothermie gibt es nur limitierte Evidenz. Die Empfehlungen zur Verwendung eines temperatur- oder nichttemperaturkorrigierten Ansatzes zur Messung von Blutgasen basieren auf Expertenmeinungen [109].

Die Empfehlung für das Atemzugvolumen basiert auf den aktuellen Leitlinien für die protektive Beatmungsstrategie auf Intensivstationen [110] und begrenzten Beobachtungsdaten von Patienten nach Kreislaufstillstand [111]. Eine Beobachtungsstudie legt nahe, dass ein Atemzugvolumen von 6 bis 8 ml/kg zur Beatmung der Lunge von Patienten nach Kreislaufstillstand mit einem besseren Ergebnis verbunden sein kann [111]. Diese Studie zeigt auch, dass durch Verwendung einer höheren Beatmungsfrequenz eine Normokapnie erreicht werden kann [111].

Kreislauf

Koronare Reperfusion

Perkutane Koronarintervention nach ROSC mit ST-Hebung.

Arrhythmien, die durch Myokardischämie verursacht werden, sind die häufigste Ursache für den plötzlichen Herztod (SCD) bei Erwachsenen [112, 113]. Die Methode der sofortigen Reperfusion der verursachenden Koronarläsion mittels perkutaner Koronarintervention (PCI) wird seit mehr als 20 Jahren angewendet. Sie wird durch viele Beobachtungsstudien gestützt, die einen signifikanten Zusammenhang zwischen der frühen perkutanen koronaren Intervention (PCI) und der Überlebensrate sowie dem günstigen neurologischen Outcome nach einem prähospitalen Kreislaufstillstand berichteten. Während der Nutzen einer frühen PCI bei einem prähospitalen Kreislaufstillstand, der durch einen kürzlich aufgetretenen Koronarverschluss verursacht wurde, allgemein anerkannt ist, besteht die wesentliche Herausforderung darin, die besten Kandidaten für eine Koronarangiographie (CAG) unter allen reanimierten Patienten zu ermitteln. Unter den Patienten mit ST-Streckenhebung (STE) oder Linksschenkelblock (LBBB) weisen mehr als 80 % eine akute Koronarläsion im Post-ROSC-Elektrokardiogramm auf [114]. Ein systematischer Review, welcher für die ILCOR CoSTR 2015 durchgeführt wurde, identifizierte 15 Beobachtungsstudien mit 3800 Patienten, die einen Mortalitätsvorteil bei durchgeführter Herzkatheteruntersuchung, gegenüber verzögerter oder keiner Herzkatheterisierung, bei Patienten mit ROSC nach Kreislaufstillstand mit Anzeichen von STE im EKG zeigten [115]. Die Behandlungsempfehlung aus dem Jahr 2015 lautete, bei ausgewählten erwachsenen Patienten mit ROSC nach OHCA mit Verdacht auf kardialen Ursprung mit ST-Hebung im EKG eine sofortige notfallmäßige Herzkatheteruntersuchung durchzuführen, anstelle damit bis zu einem späteren Zeitpunkt zu warten oder ganz darauf zu verzichten (starke Empfehlung, wenig sichere Evidenz). In den Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie zur Behandlung des akuten Myokardinfarkts mit ST-Streckenhebung von 2017 heißt es: „Bei Patienten mit reanimiertem Kreislaufstillstand und einem mit STEMI übereinstimmenden EKG wird eine primäre PCI-Strategie empfohlen“ [116].

Perkutane Koronarintervention nach ROSC ohne ST-Hebung.

Bei Patienten mit OHCA ohne ST-Streckenhebung zeigten mehrere große Beobachtungsreihen, dass das Fehlen einer ST-Streckenhebung das Vorhandensein eines kürzlich aufgetretenen Koronarverschlusses nicht vollständig ausschließt [117]. Daher soll die Entscheidung für eine frühe Koronarangiographie auf einer sorgfältigen Beurteilung des Patienten hinsichtlich des Vorhandenseins einer hämodynamischen oder elektrischen Instabilität und einer anhaltenden Myokardischämie beruhen, wobei mehrere Faktoren zu berücksichtigen sind, darunter Anamnese, Warnsymptome vor dem Stillstand, initaler Herzrhythmus des Cardiac Arrest, [118] EKG-Muster nach ROSC und Echokardiographie sowie Komorbiditäten. Wenn eine ischämische Ursache als wahrscheinlich angesehen wird, soll ein ähnlicher Ansatz wie bei Patienten mit STEMI verfolgt werden. Bei Patienten mit einer geringen Wahrscheinlichkeit für eine ischämische Ursache des Kreislaufstillstands kann eine Verzögerung der Koronarangiographie um einige Stunden oder Tage Zeit für die Erstbehandlung auf der Intensivstation verschaffen, was eine frühzeitige Einleitung der hämodynamischen Optimierung, Schutzbeatmung und TTM ermöglicht. Im Sinn dieses Wait-and-see-Managements kann auch die Durchführung einer Koronarangiographie bei Patienten mit der geringsten Wahrscheinlichkeit einer akuten Koronarläsion eventuell umgangen werden. Diese beiden Strategien (frühe versus verzögerte Koronarangiographie) wurden bei Patienten mit VF-Arrest und ohne Schock in einer randomisierten kontrollierten Studie evaluiert. Es zeigte sich kein Unterschied im 90-Tage-Überleben, dem primären Ergebnis (Odds Ratio 0,89; 95 %-Konfidenzintervall [CI] 0,62–1,27; P = 0,51; [11]). In dieser Studie betrug die mittlere Zeit bis zur Zieltemperatur 5,4 h in der Gruppe mit sofortiger Angiographie und 4,7 h in der Gruppe mit verzögerter Angiographie (Verhältnis der geometrischen Mittelwerte 1,19; 95 % CI 1,04–1,36). Eine andere kürzlich veröffentlichte randomisierte kontrollierte Pilotstudie, die die frühzeitige mit der verzögerten Durchführung einer Koronarangiographie verglich, zeigte ebenfalls keinen Unterschied im primären Studienergebnis, welches sich aus Wirksamkeits- und Sicherheitsparametern zusammensetzte [119]. Weitere Studien zur Untersuchung dieser Hypothese sind aktuell am Laufen (DISCO NCT02309151, COUPe NCT02641626, TOMAHAWK NCT02750462, EMERGE NCT02876458). Die 2020 erschienen Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie zur Behandlung von akuten Koronarsyndromen bei Patienten ohne persistierende ST-Streckenhebung empfehlen bei hämodynamisch stabilen Patienten ohne ST-Streckenhebung, nach erfolgreicher Reanimation aus OHCA, die verzögerte Durchführung einer Angiographie anstelle einer sofortigen Angiographie in Betracht zu ziehen [12].

Im Idealfall würden Koronarinterventionen nur bei Patienten ohne dauerhafte schwere neurologische Schädigung durchgeführt werden. Patienten mit irreversibler hypoxisch-ischämischer Hirnschädigung profitieren wahrscheinlich nicht von einer PCI, selbst wenn die ursächliche Koronarläsion erfolgreich behandelt wird [120]. Das Fehlen eines allgemein akzeptierten prognostischen Vorgehens in den ersten Stunden nach ROSC macht es jedoch unmöglich, diese Patienten mit hoher Sensitivität und Spezifität zum Zeitpunkt der Krankenhauseinweisung zu ermitteln.

Hämodynamische Überwachung und Behandlung

Hämodynamische Überwachung.

Bei bis zu 60 % der Patienten mit Kreislaufstillstand [33, 121] können nach der Reanimation Myokardfunktionsstörungen und ein niedriger Herzindex auftreten. Bei Patienten mit einem akuten Myokardinfarkt (AMI) als Ursache des Stillstands können diese Symptome noch häufiger auftreten [122]. Eine frühe Echokardiographie kann die zugrundeliegende Herzpathologie identifizieren, den Grad der Myokardfunktionsstörung quantifizieren und bei der Steuerung des hämodynamischen Managements helfen. Serielle Echokardiographien oder invasive Überwachung durch einen Lungenarterienkatheter quantifizieren die Myokardfunktionsstörung und zeigen Trends an [31, 32, 123]. Eine Beeinträchtigung der Herzfunktion tritt am häufigsten in den ersten 24–48 h auf. Danach verschwindet sie allmählich [33, 121]. Ob ein niedriges Herzzeitvolumen (oder ein niedriger Index) mit einem schlechten Outcome verbunden ist, ist derzeit unklar. Eine Teilstudie der TTM-Studie zeigte, dass ein niedriger Herzindex möglicherweise in keiner Verbindung mit dem Outcome steht, wenn die Laktat-Clearance beibehalten wird [124]. Diese Befunde waren unabhängig von der Ziel-Körpertemperatur. Sowohl nichtinvasive als auch invasive Überwachung mittels Echokardiographie, arteriellem Zugang und Messung des Herzzeitvolumens werden üblicherweise auf der Intensivstation durchgeführt. Es ist sinnvoll, dies als Leitfaden für die Behandlung bei Patienten mit Kreislaufstillstand zu verwenden (Best-Practice-Empfehlung).

Hämodynamisches Management.

Mittlerer arterieller Druck und zerebrale Perfusion Ein systematischer Review, welcher für die ILCOR CoSTR 2015 erstellt wurde, suchte nach Studien, in denen die Anpassung der Therapie zum Erreichen eines bestimmten hämodynamischen Ziels gegenüber einem Vorgehen ohne hämodynamisches Ziel verglichen wurde [125]. Bis zu diesem Zeitpunkt konnten nur Beobachtungsstudien erfasst werden [126,127,128,129,130]. Dieser Review identifizierte außerdem Beobachtungsstudien, welche ein spezifisches Vorgehen mit Blutdruckziel mit einem Vorgehen ohne Blutdruckuiel verglichen [131,132,133]. Die CoSTR-Behandlungsempfehlungen für 2015 lauteten:

  • Wir empfehlen, hämodynamische Ziele (z.B. MAD, systolischer Blutdruck) während der weiteren Behandlung und als Teil eines Maßnahmenpakets nach der Reanimation zu berücksichtigen (schwache Empfehlung, wenig sichere Evidenz).

  • Es gibt nicht genügend Evidenz, um bestimmte hämodynamische Ziele zu empfehlen. Solche Ziele sollen auf individueller Patientenbasis betrachtet werden und werden wahrscheinlich durch den Status nach Kreislaufstillstand und vorbestehende Komorbiditäten beeinflusst (schwache Empfehlung, wenig sichere Evidenz).

Ein Evidenz-Update für dieses Thema wurde in die ILCOR-CoSTR 2020 aufgenommen und umfasste 2 randomisierte kontrollierte Studien [10, 134, 135] und 11 Beobachtungsstudien [124, 136,137,138,139,140,141,142,143,144,145], die seit dem systematischen Review von 2015 veröffentlicht wurden [125]. Zwei randomisierte kontrollierte Studien (die 232 Patienten umfassten) verglichen ein Blutdruckziel von 65–75 mm Hg mit 80–100 mm Hg mit [134] und ohne [135] zielgerichteter Optimierung der Herzfunktion. Diese Studien waren nicht auf klinische Ergebnisse ausgerichtet, sondern verwendeten Ersatzmarker wie MRT [134] und NSE für neurologische Schädigungen [135]. Während diese Studien zeigten, dass höhere MAD-Ziele mit Vasopressoren sicher sind und beispielsweise nicht zu Herzrhythmusstörungen führen, konnten sie keine eindeutige Verbesserung der Surrogatmarker für Hirnschädigungen durch ein höheres MAD-Ziel beweisen.

Neun Beobachtungsstudien ergaben, dass Hypotonie mit einem schlechten Outcome verbunden war [137,138,139,140,141,142, 144, 145]. Eine Studie ergab, dass die Zeit unterhalb des optimalen MAD (erhoben durch Korrelation zwischen Nahinfrarotspektroskopie und Blutdruck) mit einem schlechten Outcome verbunden war [136]. Eine andere Studie stellte fest, dass ein niedriges Herzzeitvolumen nicht mit einem schlechten Outcome in Verbindung stand [124], während die letzte Studie bessere Ergebnisse bei Patienten nachwies, die Flüssigkeiten anstelle von Vasopressoren zur Erhöhung des MADs erhielten [143]. Diese Beobachtungen sind vergleichbar mit den fünf Beobachtungsstudien, die in den ILCOR-Leitlinien von 2015 enthalten sind [125]. Obwohl Hypotonie (<65 mm Hg) durchweg mit einem schlechten Outcome verbunden ist, haben wir keine sichere Evidenz, um ein optimales MAD-Ziel zu bestimmen.

Der mittlere arterielle Druck (MAD) ist eine der Hauptdeterminanten des zerebralen Blutflusses (CBF; [146]). Wenngleich bei Patienten mit nicht-anoxischer Hirnschädigung aufgrund einer zerebralen Schwellung und eines erhöhten Hirndrucks (ICP) im Allgemeinen ein hoher MAD erforderlich ist [147], liegen nur wenige Daten zu ICP-Werten von Patienten vor, die einen Kreislaufstillstand überlebt haben. Bei vielen Patienten ist die CBF-Autoregulation nach einem Kreislaufstillstand beeinträchtigt oder die Untergrenze nach rechts verschoben [136, 148]. Dies bedeutet, dass bei niedrigeren MAD-Werten bei einigen Patienten der CBF vom MAD abhängig sein kann und ein erhöhtes Risiko für zerebrale Hypoperfusion oder Hyperämie mit intrakranieller Hypertonie besteht.

Die Überwachung von zerebraler Sauerstoffsättigung oder ICP zur Ermittlung des Vorhandenseins einer Autoregulation und zur Bestimmung eines optimalen MAD kann einen individuelleren Ansatz ermöglichen [149]. In einer retrospektiven Studie betrug der geschätzte optimale MAD (d.h. das MAD-Ziel, bei dem die Autoregulation effektiver ist) 85 mm Hg bei Patienten nach Kreislaufstillstand mit erhaltener Autoregulation und 100 mm Hg, wenn die Autoregulation beeinträchtigt war [136]. Eine weitere kleine Beobachtungsstudie berechnete einen mittleren optimalen MAD von 89 mm Hg unter denselben Umständen [150]. Es gibt jedoch keine prospektiven Studien, in denen bewertet wird, ob ein autoregulationsgesteuertes MAD-Ziel die neurologische Schädigung und/oder das Outcome beeinflussen kann. Eine neuere Studie hat gezeigt, dass nach einem Kreislaufstillstand, insbesondere in Fällen nicht kardialen Ursprungs, Episoden mit erhöhtem ICP und/oder Gehirnhypoxie häufig sind und ein höherer MAD erforderlich ist, um die Sauerstoffversorgung des Gehirns zu verbessern [150]. Vorläufige Ergebnisse, basierend auf der Messung der Sauerstoffanreicherung (PbtO2) des Gehirngewebes, haben gezeigt, dass bei reanimierten komatösen Patienten eine Beeinträchtigung der Sauerstoffdiffusion trotz Optimierung der Sauerstoffzufuhr zum Gehirn zu einer anhaltenden Gehirnhypoxie führen kann [151]. Die Implementierung und die Sicherheit dieser invasiven Überwachungsinstrumente bei Patienten mit Kreislaufstillstand müssen noch weiter evaluiert werden. Obwohl all dies Beobachtungsergebnisse sind, weisen sie darauf hin, dass optimale MAD-Ziele möglicherweise patientenindividuell interpretiert werden müssen. Außerdem unterstützen sie die Notwendikeit weiterer Forschung zur Bestimmung optimaler MAD-Ziele für Patienten, die nach einem Kreislaufstillstand auf einer Intensivstation behandelt werden. Der transkranielle Doppler (TCD) kann bei Patienten nach einem Kreislaufstillstand Informationen über die zerebrale Hämodynamik liefern und in Zukunft möglicherweise eine Rolle bei der Optimierung der Hämodynamik dieser Patienten spielen [152]. Mithilfe des TCD können Veränderungen des zerebralen Blutflusses beobachtet werden, was ein Zielparameter für die Behandlung sein könnte [153,154,155]. Die Technik und Interpretation dieser Bilder ist jedoch vom Anwender abhängig und erfordert ein ,akustisches Fenster‘ beim Patienten. Darüber hinaus ändert sich die zerebrale Hämodynamik kontinuierlich. Serielle Messungen sind nur zeitweise möglich und die Überwachung ist arbeitsintensiv. Basierend auf der von ILCOR zusammengefassten Evidenz [10] raten wir dazu, eine Hypotonie (MAP <65 mm Hg) zu vermeiden und auf MAP abzuzielen, um eine angemessene Urinausscheidung (>0,5 ml kg−1h−1) sowie normale oder abnehmende Laktatwerte zu erreichen (Best-Practice-Aussage).

Herzfrequenz Tachykardie war in einer retrospektiven Studie mit einem schlechten Outcome verbunden [156]. Während einer milden induzierten Hypothermie ist die normale physiologische Reaktion Bradykardie. In Tiermodellen wurde gezeigt, dass dies die diastolische Dysfunktion reduziert, die normalerweise früh nach einem Kreislaufstillstand auftritt [157]. Bradykardie wurde zuvor als Nebeneffekt angesehen, insbesondere unterhalb einer Rate von 40 Schlägen pro Minute. Es wurde jedoch gezeigt, dass Bradykardie mit einem guten Outcome verbunden ist [158, 159]. Ein ähnlicher Zusammenhang zwischen Bradykardie und verbessertem Outcome wurde bei Patienten gezeigt, die nicht mit TTM behandelt wurden [160].

Sedierung, kontrollierte Beatmung und eine Temperatur zwischen 32 und 36 °C senken den Sauerstoffverbrauch bei Patienten mit Kreislaufstillstand. Obwohl Bradykardie üblicherweise das Herzzeitvolumen verringert, wird dies in der Situation nach Kreislaufstillstand hingenommen. Wir empfehlen, eine Bradykardie (Herzfrequenz <30–40 min−1) unbehandelt zu lassen, solange keine Anzeichen einer Hypoperfusion vorliegen (d.h. Erhöhung des Laktats, Verringerung der Urinausscheidung usw.; Best-Practice-Empfehlung).

Flüssigkeitsreanimation, vasoaktive und inotrope Medikamente.

Es gibt nur begrenzte Evidenz zur Empfehlung einer optimalen Flüssigkeitstherapie nach Kreislaufstillstand. Eine Studie mit invasiver Überwachung (einschließlich Füllungsdrucken) zeigte, dass in den ersten 24 h bis zu 5–7 l Flüssigkeit verabreicht wurden [33]. Eine retrospektive Studie ergab, dass bei einem Behandlungsalgorithmus, der die Puls-Kontur-Analyse mit kontinuierlichem Herzzeitvolumen (PiCCO) miteinbezog, größere Flüssigkeitsvolumina (4–5 l während der ersten 24 h) mit einer geringeren Inzidenz von akutem Nierenversagen verbunden waren [161].

Es gibt nur wenig direkte Evidenz für den Vergleich verschiedener vasoaktiver Arzneimittel bei Patienten mit Kreislaufstillstand. Daher basiert diese Empfehlung auf indirekten Belegen von kritisch kranken Patienten im Allgemeinen. Die jüngste Cochrane-Studie zu Vasopressoren bei Schock umfasste 28 randomisierte kontrollierte Studien (n = 3497 Patienten) und ergab keinen Mortalitätsvorteil bei einem der 6 untersuchten Vasopressoren. Da Noradrenalin der am häufigsten eingesetzte Vasopressor ist, schlugen die Autoren vor, keine wesentlichen Abweichungen gegenüber der klinischen Praxis vorzunehmen [162]. Wir empfehlen Noradrenalin zur Primärbehandlung von hypotensiven Patienten nach Kreislaufstillstand, da es die am häufigsten verwendete vasoaktive Substanz für Patienten nach Kreislaufstillstand ist. Eine kürzlich durchgeführte randomisierte kontrollierte Studie, bei der an 57 Patienten mit akutem Myokardinfarkt und kardiogenem Schock die Gabe von Noradrenalin und Adrenalin miteinander verglichen werden sollte, wurde vorzeitig abgebrochen, da bei mit Adrenalin behandelten Patienten signifikant öfter ein refraktärer Schock auftrat [163]. In den Pilotversuchen COMACARE und NEUROPROTECT wurde Noradrenalin auch eingesetzt, um höhere MAD-Ziele zu erreichen [134, 135]. Keine der Studien zeigte Hinweise auf relevante Tachykardien, Arrhythmien oder wiederkehrende Schockzustände in der Gruppe mit höherem MAD, obwohl im Vergleich zur Grupe mit niedrigerem MAD signifikant höhere Noradrenalindosen verwendet wurden. Dies deutet darauf hin, dass Noradrenalin von Patienten nach einem Kreislaufstillstand gut vertragen wird [134].

Eine Myokardfunktionsstörung nach Reanimation erfordert häufig inotrope Unterstützung. Basierend auf Studiendaten ist der Einsatz von Dobutamin das hierfür am meisten etablierte Verfahren [164, 165]. Allerdings verursacht die systemische Entzündungsreaktion, die häufig nach einem Kreislaufstillstand auftritt, auch eine Vasoplegie und schwere Vasodilatation [33]. In der NEUROPROTECT-Studie wurde Dobutamin zur Steigerung des Herzindex in der Gruppe mit höherem MAD eingesetzt. Dies verringerte zwar nicht die neurologische Schädigung, erhöhte aber auch nicht das Ausmaß der Myokardverletzung [134].

Steroide.

Das ILCOR führte eine Evidenzaktualisierung zur Verwendung von Steroiden bei Patienten mit Kreislaufstillstand gemäß der Leitlinien für 2020 durch [10]. Drei kleine randomisierte kontrollierte Studien und eine große Beobachtungsstudie haben sich mit der Verwendung von Steroiden bei Patienten nach Kreislaufstillstand befasst [166,167,168,169]. Zwei der randomisierten kontrollierten Studien verwendeten Steroide sowohl während der Reanimation bei innenklinischen Kreislaufstillständen als auch nach ROSC [166, 167]. Die erste dieser randomisierten kontrollierten Studien zeigte ein verbessertes Überleben bis zur Entlassung durch eine Kombination aus Methylprednisolon, Vasopressin und Adrenalin während des Kreislaufstillstands und Hydrokortison nach ROSC bei Patienten mit Schock im Vergleich zur Verwendung von nur Adrenalin und Placebo (9/48 [19 %] gegenüber 2/52 [4 %]; RR 4,87; 95 % CI 1,17–13,79; [167]). Die zweite randomisierte kontrollierte Studie zeigte ein verbessertes Überleben bis zur Entlassung mit günstigem neurologischen Outcome durch Methylprednisolon, Vasopressin und Adrenalin während des Kreislaufstillstands und Hydrokortison bei Patienten mit Post-ROSC-Schock im Vergleich zu nur Adrenalin und Placebo (18/130 [9,13 %] gegenüber 7/138 [1,5 %]; RR 2,94; 95 % CI 1,16–6,50; [166]). Nur die dritte randomisierte kontrollierte Studie beschränkte die Verwendung von Steroiden auf die Phase nach der Reanimation; sie zeigte keinen Nutzen der Steroide nach ROSC, umfasste jedoch nur 50 Patienten [169].

Eine Studie wurde kürzlich abgeschlossen, aber noch nicht veröffentlicht (NCT02790788). Das ILCOR empfahl die Durchführung eines systematischen Reviews, sobald die kürzlich abgeschlossene Studie veröffentlicht wird, weswegen seine Behandlungsempfehlung gegenüber 2010 vorerst unverändert bleibt: [170]

  • Es gibt nicht genügend Evidenz, um die Verwendung von Kortikosteroiden bei Patienten mit ROSC nach einem Kreislaufstillstand zu befürworten oder zu widerlegen.

Solange es keine Evidenz von höherer Sicherheit gibt, empfehlen wir, dass Patienten nach einem Kreislaufstillstand nicht routinemäßig Steroide verabreicht werden (schwache Empfehlung, wenig sichere Evidenz).

Kalium.

Eine Hyperkaliämie tritt unmittelbar nach einem Kreislaufstillstand häufig auf. Die anschließende endogene Katecholaminfreisetzung und Korrektur der metabolischen und respiratorischen Azidose fördert den Transport von Kalium nach intrazellulär, was zu einer Hypokaliämie führt. Eine Hyperkaliämie in der Zeit nach dem Kreislaufstillstand ist mit einem schlechteren Outcome verbunden [171]. Eine Hypokaliämie kann andererseits zu ventrikulären Arrhythmien führen. Basierend auf diesen Beobachtungsstudien schlagen wir vor, Kalium so zu verabreichen, dass die Serumkaliumkonzentration zwischen 4,0 und 4,5 mmol L−1 gehalten wird (Best-Practice-Empfehlung).

Mechanische Kreislaufunterstützung.

Wenn die Behandlung mit Volumen, Inotropika und Vasoaktiva zur Unterstützung der Perfusion nicht ausreicht, sollen Sie das Einbringen eines mechanischen Hilfsmittels zur Kreislaufunterstützung in Betracht ziehen (z. B. IMPELLA, Abiomed, USA; [129, 172, 173]). Eine Studie ergab, dass 10–15 % der Patienten mit OHCA und anhaltendem kardiogenem Schock letztendlich eine mechanische Kreislaufunterstützung benötigen [174]. Bei Patienten mit kardiogenem Schock ohne Kreislaufstillstand befürworten einige Zentren immer noch die Verwendung einer intraaortalen Ballonpumpe (IABP), obwohl die IABP-SHOCK-II-Studie bei Verwendung einer IABP keine Verbesserung der 30-Tage-Mortalität bei Patienten mit Myokardinfarkt und kardiogenem Schock zeigte [175, 176]. Eine kürzlich durchgeführte kleine randomisierte kontrollierte Studie fand keinen Unterschied im Outcome von Patienten mit akutem Myokardinfarkt und kardiogenem Schock, wenn entweder mit einem IMPELLA-Gerät oder einer IABP behandelt wurde [177]. Eine weitere retrospektive Studie, in die nur Patienten nach Kreislaufstillstand eingeschlossen waren, ergab keinen Unterschied im klinischen Ergebnis, jedoch eine höhere Blutungshäufigkeit bei Verwendung von IMPELLA verglichen mit IABP [172]. Bisher scheint die Evidenz, welcher Typ von mechanischer Unterstützung überlegen ist, unklar zu sein. Daher soll über ihre Verwendung von Fall zu Fall entschieden werden.

Die ESC-Leitlinien für die Behandlung von Patienten mit ventrikulären Arrhythmien und die Prävention des plötzlichen Herztods von 2015 enthalten die folgende Empfehlung für die Verwendung mechanischer Kreislaufunterstützung: Linksventrikuläre Unterstützung oder arteriovenöse extrakorporale Membranoxygenierung sollen auch bei hämodynamisch instabilen Patienten mit akutem Koronarsyndrom (ACS) und rezidivierender ventrikulärer Tachykardie (VT) oder Kammerflimmern (VF) berücksichtigt werden [178].

Implantierbare Kardioverterdefibrillatoren

Ein implantierbarer Kardioverterdefibrillator (ICD) ist ein Gerät zur Behandlung bestimmter lebensbedrohlicher Arrhythmien. Die Europäische Gesellschaft für Kardiologie hat Leitlinien zu den Indikationen für die ICD-Therapie veröffentlicht [178]. Ein ICD kann zur Primär- oder Sekundärprävention implantiert werden. Ersteres gilt für Personen, bei denen noch keine gefährliche Arrhythmie aufgetreten ist, bei denen jedoch ein hohes Risiko für eine solche besteht. Diese Gruppe umfasst Patienten mit Kardiomyopathien, vererbten primären arrhythmischen Syndromen, angeborenen Herzerkrankungen, aber auch Personen mit primären Arrhythmien in strukturell normalen Herzen [179, 180]. Die Sekundärprävention bezieht sich auf die Patienten, die bereits ein gefährliches arrhythmisches Ereignis überlebt haben und dem Risiko weiterer Vorkommnisse ausgesetzt sind. Eine sorgfältige Selektion der Patienten ist erforderlich, um diejenigen zu bestimmen, die von einer ICD-Implantation profitieren können und deren Leben durch Vorbeugung eines arrhythmischen plötzlichen Herztods verlängert werden kann.

Neurologisches Defizit (Optimierung der neurologischen Erholung)

Kontrolle von Krampfanfällen

Krampfanfälle werden bei 20–30 % der Patienten mit Kreislaufstillstand auf der Intensivstation berichtet und sind normalerweise ein Zeichen für eine schwere hypoxisch-ischämische Hirnschädigung. Krampfanfälle können als klinische Krämpfe (klinischer Krampfanfall) und/oder als typische Aktivität im EEG (elektrographischer Krampfanfall) beobachtet werden.

Myoklonien sind plötzliche, kurze, schockartige, unwillkürliche Muskelkontraktionen. Sie stellen die bei Weitem häufigste Art von klinischem Anfall bei Patienten nach Kreislaufstillstand dar [181, 182]. Sie sind häufig generalisiert, können jedoch fokal (periodisches Öffnen der Augen, Schlucken, Zwerchfellkontraktionen usw.) oder multifokal auftreten [183]. Sie entwickeln sich typischerweise in den ersten 1–2 Tagen nach dem Kreislaufstillstand und sind häufig bereits während der ersten Tage rückläufig. Sie werden mit einer schlechten Prognose in Verbindung gebracht. Einige Patienten überleben jedoch mit einem guten Ergebnis [184, 185]. Die meisten posthypoxischen Myoklonien haben einen kortikalen Ursprung [186]. Das EEG zeigt bei einem wesentlichen Anteil der Patienten synchrone, zeitlich begrenzte Entladungen oder Burst-Suppression-Muster [184].

Auch fokale und generalisierte tonisch-klonische Anfälle können nach einem Kreislaufstillstand auftreten. Es ist nicht ungewöhnlich, dass bei einem einzelnen Patient mehrere Anfallssubtypen auftreten [181].

Das Lance-Adams-Syndrom ist eine weniger häufige Form des Myoklonus, das sich normalerweise bei Patienten entwickelt, welche das Bewusstsein wiedererlangt haben [187, 188]. Es tritt häufiger nach einem hypoxischen Kreislaufstillstand auf und betrifft hauptsächlich die Extremitäten, wo es durch gezielte Aktionen oder sensorische Stimulation induziert wird. Es kann invalidisierend sein und wird oft chronisch [185].

Teile der Evidenz für diese Leitlinie sind in einem systematischen Review enthalten, der in die ILCOR 2015 CoSTR einfloss [125] und im Jahr 2020 aktualisiert wurde [10]. Die aktualisierten Behandlungsempfehlungen für 2020 lauten:

  • Wir empfehlen eine Anfallsprophylaxe bei erwachsenen Überlebenden nach Kreislaufstillstand (schwache Empfehlung, sehr wenig sichere Evidenz).

  • Wir empfehlen die Behandlung von Anfällen bei erwachsenen Überlebenden nach Kreislaufstillstand (schwache Empfehlung, sehr wenig sichere Evidenz).

Studien mit kontinuierlicher EEG-Überwachung zeigen, dass die epileptiforme Aktivität und klinischen Krämpfe gleichermaßen häufig sind und dass es eine erhebliche Überlappung gibt [189]. Die Bewertung elektrographischer Anfälle wird häufig durch gleichzeitige Vorliegen von Hirnschädigungen, metabolischen Faktoren und Sedierung erschwert, wodurch klinische Korrelate und Auswirkungen der Behandlung schwerer zu bewerten sind. Neue Definitionen des elektrographischen Status epilepticus wurden kürzlich von der American Clinical Neurophysiology Society (ACNS) veröffentlicht [190]. Das ACNS verwendet strenge und konservative Kriterien, die von Patienten nach einem Kreislaufstillstand normalerweise nicht erfüllt werden [189]. Stattdessen weisen die meisten dieser Patienten EEG-Muster auf, die abhängig von der jeweiligen EEG-Interpretation als elektrographische „Anfälle“ oder, bei längerer Dauer als „Status epilepticus“ definiert werden können.

Sedativa sind sehr effektiv beim Unterdrücken von Krampfanfällen und werden zur Behandlung des Status epilepticus als Third-line-Therapie empfohlen. Bei Patienten unter mechanischer Beatmung und/oder unter TTM-Behandlung werden Propofol und Benzodiazepine routinemäßig in den ersten Tagen nach Kreislaufstillstand eingesetzt. Diese Substanzen unterdrücken dosisabhängig klinisch erkennbare Myokloni sowie epileptiforme Aktivität im EEG [191, 192]. Die Anfallsaktivität kann während des gezielten Aussetzens der Sedierung demaskiert werden. Es gibt nur begrenzte Hinweise darauf, dass herkömmliche Antiepileptika (in erster Linie Valproat und Levetiracetam) die epileptische Aktivität im EEG von Patienten nach Kreislaufstillstand unterdrücken [193]. Diese Substanzen unterdrücken jedoch Myokloni anderer Ursachen [194]. Phenytoin und Fosphenytoin werden noch immer verbreitet zur Behandlung des Status epilepticus eingesetzt. Bei Patienten nach Kreislaufstillstand sind sie jedoch aufgrund ihrer negativen inotropen und vasodilatierenden Wirkung nur eingeschränkt geeignet [195]. In einer kürzlich publizierten Studie waren Valproat, Levetiracetam und Fosphenytoin zur Beendigung des konvulsiven Status epilepticus gleich wirksam, wobei Fosphenytoin vermehrt hypotensive Episoden verursachte [13].

Für den prophylaktischen Einsatz von Antiepileptika nach Kreislaufstillstand gibt es derzeit keine Grundlage. Studien zu den Effekten von Bolusgaben von Thiopental [196] sowie von Diazepam/Magnesium [197] nach erfolgreicher Wiederbelebung zeigten keine Vorteile hinsichtlich Überleben oder neurologischer Funktion, allerdings zielten diese Studien auf die Untersuchung von Neuroprotektion (und nicht auf die Unterdrückung von Krampfanfällen). Bisher wurde keine randomisierte Studie durchgeführt, ob die Behandlung von klinisch aufgetretenen oder elektrographisch nachgewiesenen Anfällen das Patienten-Outcome verändert. Aktuell läuft allerdings eine multizentrische Studie zur aggressiven Behandlung des postanoxischen Status epilepticus [198]. Verschiedene Fallserien berichten, dass 4–44 % der Patienten mit postanoxischem Status epilepticus ein gutes Outcome erreichten [199,200,201,202]. Diese Patienten wurden in der Regel mit mehreren Antiepileptika behandelt und durchliefen eine verzögerte Aufwachphase, oft über zwei Wochen hinaus.

Das EEG ist ein wichtiges Instrument zum Nachweis von epilepsiespezifischen Potenzialen bei Patienten mit klinisch sichtbaren Krampfanfällen sowie zum Überwachen der Behandlung. Beispielsweise kann das im Rahmen einer TTM-Therapie auftretende Kältezittern als Krampfanfall fehlgedeutet werden. Die aktive Behandlung des Status epilepticus erfordert im Allgemeinen wiederholte Routine-EEG oder eine kontinuierliche EEG-Überwachung. Ein Vorteil für die kontinuierliche EEG-Überwachung im Vergleich mit Routine-EEG konnte allerdings bisher nicht gezeigt werden. Kontinuierliches EEG-Monitoring ist arbeitsintensiv und verursacht in der Regel relevante Zusatzkosten für die Versorgung. Daher ist die Kosten-Nutzen-Bewertung dieses Vorgehens umstritten und kann stark von den Rahmenbedingungen abhängen [203, 204].

Da postanoxische Krampfanfälle und Status epilepticus als Zeichen einer hypoxisch-ischämischen Hirnschädigung gewertet werden, ist die Einschätzung der Prognose hinsichtlich eines günstigen Outcomes zentraler Bestandteil der Behandlungsstrategie. Die EEG-Grundaktivität ist dabei von Bedeutung, allerdings kann deren Beurteilung schwierig sein, wenn z. B. begleitend überschießende Entladungen auftreten. Eine kontinuierliche, normale Spannung und reaktive Grundaktivität im EEG sind prognostisch günstige Kriterien, während ein Burst-Supression-Muster oder eine spannungsarme Grundaktivität ohne Reaktivität mit einer ungünstigen Prognose assoziiert sind [184, 202]. Das frühzeitige Einsetzen (<24 h) elektrographischer Anfälle vor der Rückkehr einer kontinuierlichen Grundaktivität ist mit einer schlechteren Prognose verbunden [200, 205, 206]. Bei diesen Patienten wird das EEG häufig durch die laufende Therapie beeinflusst. Für diese Situationen wird daher die zusätzliche Abschätzung der Hirnschädigung empfohlen, unter Einsatz von Methoden, die wenig oder gar nicht von Sedativa und Antiepileptika beeinflusst werden. Dies sind z. B. somatosensorisch evozierte Potenziale, NSE im Serum und neuroradiologische Untersuchungen (vorzugsweise MRT).

Krampfanfälle können die zerebrale Stoffwechselaktivität steigern und die durch den Kreislaufstillstand bedingte Hirnschädigung verstärken: Krampfanfälle sollen mit Levetiracetam und/oder Valproinsäure behandelt werden. Mögliche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten sind zu beachten. Schon nach dem Erstereignis soll mit der Erhaltungstherapie begonnen werden. Weitere Behandlungsoptionen sind Perampanel, Zonisamid oder Topiramat. Zur Unterdrückung von Myokloni und elektrographisch nachgewiesenen Krampfpotenzialen kann die Steigerung der Propofol-Dosierung oder die Gabe von Benzodiazepinen erwogen werden. Bei ausgewählten Patienten können Thiopental oder Phenobarbital in Betracht gezogen werden.

Die hochdosierte Behandlung mit Sedativa und konventionellen Antiepileptika kann das Aufwachen verzögern sowie die Dauer der mechanischen Beatmung und die Verweildauer auf der Intensivstation verlängern [207]. Es gilt zu bedenken, dass ein generalisierter Myoklonus in Kombination mit epileptiformen Entladungen ein frühes Zeichen eines Lance-Adams-Syndroms sein kann, welches mit einem guten neurologischen Ergebnis vereinbar ist [184, 187]. In solchen Fällen kann eine aggressive Behandlung die klinischen Untersuchungsergebnisse verschleiern und eine fälschlicherweise ungünstige Prognosestellung zur Folge haben.

Temperaturkontrolle

Für den CoSTR 2015 wurde ein umfassendes systematisches Review zum Targeted Temperature Management (TTM) durchgeführt [125, 208,209,210]. Nach erneuter Überprüfung der verfügbaren Evidenz für das CoSTR 2020 blieben diese ILCOR-Empfehlungen gegenüber 2015 unverändert [10].

  • Wir empfehlen die Wahl und Aufrechterhaltung einer konstanten Zieltemperatur zwischen 32 °C und 36 °C für Patienten, bei denen TTM eingesetzt wird (starke Empfehlung, moderates Evidenzniveau). Es ist unbekannt, ob ausgewählte Subpopulationen von niedrigeren (32–34 °C) oder höheren (36 °C) Temperaturen profitieren könnten; weitere Untersuchungen dürften zur Aufklärung beitragen.

  • Wir empfehlen die Anwendung von TTM anstelle von keinem TTM für Erwachsene nach OHCA mit initial schockbarem Rhythmus, wenn sie nach ROSC bewusstlos bleiben (starke Empfehlung, niedriges Evidenzniveau).

  • Wir raten zur Anwendung von TTM anstelle von keinem TTM für Erwachsene nach OHCA mit initial nichtschockbarem Rhythmus, die nach ROSC bewusstlos bleiben (schwache Empfehlung, sehr niedriges Evidenzniveau).

  • Wir raten zum TTM anstelle von keinem TTM, für erwachsene Patienten nach intrahospitalem Kreislaufstillstand (IHCA) bei allen initialen Rhythmen, wenn es zu keiner neurologischen Reaktion nach ROSC kommt (schwache Empfehlung, sehr niedriges Evidenzniveau).

  • Wir raten im Fall des Einsatzes von TTM zu einer Behandlungsdauer von mindestens 24 h (schwache Empfehlung, sehr niedriges Evidenzniveau).

  • Wir sprechen eine Empfehlung gegen die routinemäßige Anwendung von prähospitaler Kühlung mittels rascher Gabe großer Mengen kalter Infusionslösungen unmittelbar nach ROSC aus (starke Empfehlung, moderates Evidenzniveau).

  • Wir empfehlen die Verhinderung von Fieber sowie dessen Behandlung bei anhaltend komatösen Erwachsenen nach Abschluss der TTM zwischen 32 und 36 °C (schwache Empfehlung, sehr niedriges Evidenzniveau).

Behandlung von Fieber.

Die Definition von Fieber variiert zwischen verschiedenen Studien und meist wird die spezifische Ursache des Fiebers nicht angegeben (wie z. B. Ischämie-Reperfusion, neurogenes Fieber, Infektion). Eine große Beobachtungsstudie, in der konsekutive Messungen der Mundhöhlentemperatur bei mehr als 35.000 gesunden Erwachsenen durchgeführt wurden, ergab als mittlere Körpertemperatur in der Mundhöhle 36,6 °C (99 % range: 35,3–37,7 °C; [211]). Eine brauchbare Definition für Fieber ist von daher eine Körpertemperatur über 37,7 °C, wie sie auch in einer aktuellen großen randomisierten Studie zum Kreislaufstillstand verwendet wurde [15]. Allerdings beruht diese Messung bei kritisch kranken Patienten üblicherweise auf der gemessenen Körperkerntemperatur (Blut, Blase, Speiseröhre) und erlaubt nur eine Schätzung der Gehirntemperatur, welche um 0,4 K bis 2,0 K höher liegen kann [212].

Fieber tritt in den ersten 2–3 Tagen nach Kreislaufstillstand häufig auf und ist in Beobachtungsstudien mit schlechteren Ergebnissen assoziiert [213]. Fieber nach TTM (Induktion einer Hypothermie von 32–36 °C) wird auch als Rebound-Hyperthermie bezeichnet und ist mit schlechteren Ergebnissen assoziiert, insbesondere bei hohen Temperaturen [214, 215]. Es ist allerdings ungeklärt, ob Fieber zu einem schlechten neurologischen Ergebnis beiträgt oder nur ein Marker für eine schwere Hirnschädigung ist. Bisher existiert keine Vergleichsstudie zwischen einer kontrollierten Normothermie (Einhalten einer Zieltemperatur von unter 37,8 °C) und dem Unterlassen einer Fieberkontrolle.

Gezieltes Temperaturmanagement (TTM).

Kühlung versus Normothermie Eine Metaanalyse zeigte, dass eine induzierte milde Hypothermie neuroprotektiv war und das Outcome nach Kreislaufstillstand in Tiermodellen verbesserte [216]. Die Autoren merkten an, dass die Übertragbarkeit der Ergebnisse schwierig sein könnte, da an größeren (gyrenzephalen) Tieren mit zusätzlichen Komorbiditäten praktisch keine Studien durchgeführt werden. Als allgemein gut akzeptierte Hypothese unterdrückt die Absenkung der Körperkerntemperatur verschiedene schädigende Stoffwechselprozesse bzw. Mediatorkaskaden, welche zum neuronalen Zelltod führen. Die spezifischen Mechanismen der hypothermieinduzierten Neuroprotektion sind bisher allerdings unklar [217]. Hypothermie reduziert die zerebrale metabolische Rate für Sauerstoff (CMRO2) um etwa 6 % pro 1 K geringerer Körperkerntemperatur. Die Freisetzung von exzitatorischen Aminosäuren und die Produktion von freien Radikalen wird dadurch reduziert [218, 219]. Im Temperaturbereich von 33 bis 36 °C lässt sich allerdings bei Erwachsenen kein Unterschied in der entzündlichen Zytokinausschüttung nachweisen [220].

Alle Studien zur induzierten milden Hypothermie (TTM) nach Kreislaufstillstand untersuchten ausschließlich Patienten mit eingeschränktem Bewusstsein (GCS <9). Je eine randomisierte und eine quasi-randomisierte Studie zeigten ein verbessertes neurologisches Überleben bei Krankenhausentlassung oder nach 6 Monaten bei komatösen Patienten nach einem OHCA mit initial schockbarem Rhythmus [221, 222]. Die Kühlung wurde innerhalb von Minuten bis Stunden nach ROSC eingeleitet und eine Zieltemperatur von 32–34 °C für 12–24 h aufrechterhalten. Diese beiden Studien markierten einen Meilenstein in der modernen Versorgung nach Kreislaufstillstand. Eine etwas neuere multizentrische Studie aus Frankreich randomisierte 581 erwachsene komatöse Patienten nach einem IHCA oder einem OHCA mit initial nichtschockbarem Rhythmus (Asystolie bzw. PEA) zur Therapie mit TTM bei 33 °C oder 37 °C für 24 h. [14] Nach Einsatz von TTM bei 33 °C erreichte ein höherer Anteil an Patienten ein günstiges neurologisches Ergebnis am Tag 90, gemessen als Cerebral Performance Category (CPC) von 1–2 (10,2 % gegenüber 5,7 %; Differenz 4,5 %; 95 % CI 0,1–8,9; p = 0,04), während sich die Mortalität nicht unterschied (81,3 % gegenüber 83,2 %, Differenz −1,9; 95 % CI −8,0–4,3). Der Vorteil einer niedrigeren Zieltemperatur war bei Patienten, die schneller einen ROSC erreichten (<15 min), und bei Patienten mit Kreislaufstillstand im Krankenhaus (IHCA) ausgeprägter. Diese Ergebnisse unterscheiden sich von einer früheren retrospektiven Register-Studie mit 1830 Patienten bei nicht schockbarem OHCA, in der Patienten mit induzierter milder Hypothermie ein im Durchschnitt schlechtes neurologisches Ergebnis erreichten (korrigierte OR 1,44 [95 % CI, 1,04–2,01]) [223]. Die aktuell noch laufende „TTM2-Studie“ vergleicht eine gezielte Hypothermie von 33 °C mit einer strikten Normothermie (<37,8 °C) über eine 40-stündige Interventionsperiode bei 1900 Patienten nach einem OHCA [15].

Zeitpunkt der Einleitung einer Kühlungsbehandlung Tierexperimentelle Daten legen nahe, dass ein TTM möglichst rasch eingeleitet werden soll [224], obwohl Verzögerungen von einigen Stunden bei verschiedenen Tierarten neuroprotektiv zu sein scheinen [216]. Einige RCT untersuchten eine frühe Kühlung mit Beginn bereits prähospital direkt nach ROSC [225, 226]. Zwar konnte die Zieltemperatur so schneller erreicht werden als mit dem Beginn der Kühlung im Krankenhaus, aber ein signifikanter Einfluss auf das Patienten-Outcome wurde nicht gefunden. Darüber hinaus fand sich in einer der Studien bei der Verwendung kalter Flüssigkeiten eine erhöhte Inzidenz an erneuten prähospitalen Kreislaufstillständen sowie eine erhöhte Inzidenz an Lungenödemen bei Krankenhausaufnahme [227].

Intraarresthypothermie (bereits während der CPR begonnen) wurde als effektive Methode zur Einleitung eines TTM vorgeschlagen; allerdings führte die Verwendung von kalten Flüssigkeiten während der CPR in einer großen RCT an OHCA-Patienten zu keiner Verbesserung des Reanimationsergebnisses. Bei Patienten mit initial schockbarem Rhythmus wurde sogar eine verringerte ROSC-Rate gefunden [227]. Eine kleine Machbarkeitsstudie [228] und eine RCT [229] haben die Verwendung einer transnasalen Verdunstungskühlung untersucht, unter der Vorstellung, bei OHCA-Patienten eine schnelle Abkühlung im Gehirn zu induzieren. Beide Studien berichteten über keine signifikante Verbesserung der Reanimationsergebnisse, obwohl in der letzteren Studie eine Post-hoc-Analyse ein verbessertes neurologisches Ergebnis nach 90 Tagen für eine Subgruppe von Patienten zeigte, bei denen ein initial schockbarer Rhythmus vorlag und bei denen die Abkühlung in weniger als 20 min nach dem Kollaps eingeleitet wurde [229, 230].

Optimale Zieltemperatur während der Kühlungsbehandlung Die Studie „Targeted Temperature Management nach Cardiac Arrest“ (TTM-Studie) randomisierte 950 OHCA-Patienten mit initial schockbaren sowie mit nichtschockbaren Rhythmen. Die Behandlung umfasste eine 36-stündige Temperaturkontrolle (28 h bei Zieltemperatur, gefolgt von langsamer Wiedererwärmung) sowie Fieberkontrolle bis zu 72 h nach Randomisierung; die beiden Zieltemperaturen während der Interventionsphase betrugen 33 °C und 36 °C [30]. Zur Einschätzung der Prognose und zum Absetzen der lebenserhaltenden Behandlung (WLST) wurden strenge Protokolle befolgt. Für den primären Endpunkt wurde kein Unterschied gefunden (Gesamtmortalität; Hazard Ratio 1,06; 95 % CI 0,89–1,28), ebenso fand sich für das neurologische Outcome nach 6 Monaten kein Unterschied (relatives Risiko 1,02 [0,88–1,16]). Neurologisches Ergebnis und kognitives Funktionsniveau waren ebenfalls ähnlich [231, 232], ebenso wie die Biomarkerwerte für Hirnschädigung [233, 234]. TTM bei 33 °C war assoziiert mit verringerter Herzfrequenz, erhöhtem Laktat, höherem Bedarf an Vasopressoren und höherem erweiterten kardiovaskulären SOFA-Score (im Vergleich zu TTM bei 36 °C; [139, 235]). In einer kleinen dreiarmigen randomisierten Studie wurden 32 °C mit 33 °C und 34 °C verglichen. Es fand sich kein Unterschied im neurologischen Ergebnis, gemessen als modifizierter Rankin-Score (mRS) von 0–3 am Tag 90 (62,3 %; 95 % CI 48,3–76,6 vs. 68,2 %; 95 % CI 52,4–81,4 vs. 65,1 %; 95 % CI 49,0–79,0; [236]).

Seit der Veröffentlichung der vorherigen Leitlinien (2015) haben viele Einrichtungen ihr Routineverfahren auf eine Zieltemperatur von 36 °C angepasst [237, 238]. Es wurde berichtet, dass eine Änderung auf 36 °C zu einer schlechteren Temperaturkontrolle und häufigerem früheren Fieber geführt hat [239], aber es gibt andere Berichte, die eine gute Einhaltung eines 36 °C-Protokolls und einen möglichen klinischen Vorteil wie früheres Erwachen und geringeren Einsatz von Sedativa belegen [240]. Ergebnisse aus 2 großen Registerstudien, eine aus dem CARES-Register in den USA [241] und eine aus dem australischen und neuseeländischen ANZICS-CORE-Zentrum [242] weisen darauf hin, dass es nach der Veröffentlichung der TTM-Studie zu einem breiten Praxiswandel beim TTM gekommen ist: Es wurden höhere Minimaltemperaturen auf der Intensivstation und ein reduzierter Einsatz von TTM beobachtet. Darüber hinaus nahm das Überleben ab, was jedoch statistisch nicht mit einer verminderten Verwendung von TTM assoziiert war [241]. In dieser Gesamtsituation ist daher die optimale Temperatur während einer induzierten milden Hypothermie unbekannt. Weitere, qualitativ hochwertige Studien mit großer Fallzahl sind zur Klärung erforderlich [243].

Dauer der Kühlungsbehandlung Die optimale Dauer für eine induzierte milde Hypothermie bzw. TTM ist unbekannt, obwohl die Hypothermie in den meisten Fällen für 24 h durchgeführt wird. Frühere Studien behandelten Patienten mit 12–28 h TTM [30, 221, 222]. Zwei Beobachtungsstudien ergaben keinen Unterschied in den Ergebnissen nach 24 h im Vergleich zu 72 h TTM [244, 245]. Eine kürzlich durchgeführte randomisierte Studie (n = 351) untersuchte TTM bei 33 °C während 48 bzw. 24 h bei bewusstlosen Patienten nach OHCA [246]. Zwischen den Gruppen ergab sich kein signifikanter Unterschied hinsichtlich eines schlechten neurologischen Ergebnisses (absoluter Unterschied 4,9 %; relatives Risiko (RR) für CPC 1–2 nach 6 Monaten 1,08; 95 % CI 0,93–1,25). Unerwünschte Ereignisse traten häufiger in der Gruppe mit längerer Kühlungsbehandlung auf (RR 1,06; 95 % CI 1,01–1,12).

Kontraindikationen für ein gezieltes Temperaturmanagement (TTM).

Innerhalb des empfohlenen TTM-Bereichs von 32 bis 36oC gibt es nur wenige anerkannte Kontraindikationen, wenn überhaupt. Ergebnisse einer Post-hoc-Analyse der TTM-Studie legen nahe, dass beim Auftreten einer schweren kardiovaskulären Beeinträchtigung bei 33 °C die Zieltemperatur angehoben werden könnte [235].

Weitere Therapien zur Verbesserung des neurologischen Ergebnisses

Im Gegensatz zu einer Reihe positiver experimenteller Studienergebnisse zu mehreren Neuroprotektiva [21] zeigten klinische Studien keinen positiven Effekt [167, 196, 197, 247,248,249,250]. Auch in jüngerer Zeit konnte weder für Erythropoetin [251], noch Cyclosporin [252] oder Exenatide [253], entweder als alleinige Therapie oder als Ergänzung zum TTM, eine Verbesserung des neurologisch intakten Überlebens gezeigt werden. Die Kombination von Xenon und induzierter milder Hypothermie, welche sich im experimentellen Kontext als vorteilhaft und gegenüber der induzierten milden Hypothermie allein als überlegen gezeigt hat [21, 254], wurde in mehreren Studien ohne überzeugende Effekte untersucht [255,256,257] und wird derzeit weiter klinisch evaluiert (XePOHCAS, EudraCT-Nummer 2017-00251432). Darüber hinaus haben volatile Anästhetika in experimentellen Umgebungen [258] und in klinischen Machbarkeitsstudien [259,260,261] positive Auswirkungen auf die Erholung des Herzens und des Gehirns gezeigt; es fehlen jedoch Outcome-Daten. In jüngster Zeit wurde gezeigt, dass isolierte Schweinehirnzellen länger als 4–6 h überleben und elektrische Aktivität zeigen können, wenn eine Reperfusion des Gehirns unter Laborbedingungen durchgeführt wurde [262]. Sehr spezifische extrakorporale lebenserhaltende Konzepte (kontrollierte Reperfusion des gesamten Körpers) haben auch nach 15 bis 20 min experimentellen Kreislaufstillstands und auch beim Menschen gutes neurologisches Überleben gezeigt [263, 264]. Diese Konzepte werden derzeit ebenfalls klinisch evaluiert [265].

Allgemeine Intensivbehandlung

Zur prophylaktischen Antibiotikagabe wurde kürzlich ein systematischer Review (mit ILCOR-CoSTR) publiziert [10, 266]. In der ILCOR-Empfehlung heißt es:

  • Wir raten von der Gabe prophylaktischer Antibiotika bei Patienten nach ROSC ab (schwacher Empfehlungsgrad, niedriges Evidenzniveau).

Alle weiteren Leitlinien für die intensivmedizinische Basistherapie nach Kreislaufstillstand basieren auf Expertenmeinungen. In der Regel folgt die Post-cardiac-arrest-Behandlung den allgemeinen Grundsätzen in der Intensivmedizin. Einige wenige Unterschiede sind dabei inhärent: Während nur wenige Fragestellungen der allgemeinen Intensivmedizin spezifisch bei Patienten nach Kreislaufstillstand untersucht wurden, sind hingegen Patienten nach Kreislaufstillstand verbreitet in Studien zur allgemeinen Intensivtherapie einbezogen worden. Spezifisch für Patienten nach Kreislaufstillstand sind das Risiko der Hirnschädigung (mit dem Erfordernis einer zerebroprotektiven Behandlung), das häufige Auftreten von Störungen der Myokardfunktion, der Einsatz von Antikoagulanzien und Thrombozytenaggregationshemmern sowie das hohe Risiko einer Aspirationspneumonie. Die typische Verweildauer von Patienten nach Kreislaufstillstand variiert von drei Tagen bis mehreren Wochen wegen der unterschiedlichen Zeit bis zum Erwachen. Dies beeinflusst bestimmte Aspekte der Behandlung, wie z. B. den Beginn und die Durchführung der Ernährung.

Viele Patienten nach Kreislaufstillstand benötigen eine angemessene Sedierung und Schmerzbehandlung, insbesondere die mit TTM Behandelten. Während der TTM kommt es häufig zu Kälterzittern – dies kann mit Opioiden und Sedativa behandelt werden. TTM beeinflusst den Metabolismus mehrerer Medikamente, wobei deren Wirkung in der Regel verlängert wird. Eine randomisierte kontrollierte Studie (RCT) hat die Verwendung von Propofol und Fentanyl mit Midazolam und Fentanyl verglichen [267]. In dieser Studie mit 59 Patienten war die Verwendung von Propofol und Remifentanil mit einer kürzeren Zeit bis zum Aufwachen assoziiert, allerdings war dies mit einem häufigeren Bedarf an Noradrenalin verbunden [267]. Ähnliche Befunde wurden in Beobachtungsstudien erhoben [268]. Unterbrechungen der Sedierung werden am besten nach der Beendigung von TTM und vollständiger Wiedererwärmung eingeleitet.

Die routinemäßige Anwendung von Muskelrelaxanzien hat sich in Beobachtungsstudien als vorteilhaft erwiesen, [269, 270] allerdings zeigte eine kleine randomisierte Pilotstudie keinen solchen Nutzen [271]. Für Patienten mit ARDS und kritischer Hypoxämie konnte eine Metaanalyse positive Auswirkungen von Muskelrelaxanzien auf das Ergebnis zeigen [272]. Insofern kann bei Patienten mit kritischer Hypoxämie und ARDS nach Kreislaufstillstand die Verwendung von Muskelrelaxanzien in Betracht gezogen werden, entsprechend der Evidenz für ihre Verwendung beim ARDS. Die Patienten sollen mit Oberkörperhochlagerung von 30° gelagert werden. Dies kann den Hirndruck (ICP) senken und das Risiko einer Aspirationspneumonie verringern. Viele Patienten haben ein hohes Risiko für eine Aspiration und/oder eine beatmungsassoziierte Pneumonie [273]. Eine kürzlich durchgeführte RCT untersuchte den prophylaktischen Einsatz von Antibiotika bei OHCA-Patienten [274]. Zwar zeigte die Studie eine Abnahme an beatmungsassoziierten Pneumonien, allerdings wurden keine Unterschiede für die weiteren klinischen Endpunkte gefunden. Daher werden prophylaktische Antibiotika nicht empfohlen. Antibiotika können jedoch bei eindeutig verdächtigen Infiltraten im Röntgenthoraxbild in Betracht gezogen werden.

Patienten benötigen eine Magensonde zur Entlastung von abdominalen Aufblähungen. Eine kleine Beobachtungsstudie konnte zeigen, dass eine gering dosierte enterale Ernährung während der TTM toleriert wird [275]. Dementsprechend kann die enterale Ernährung während der TTM mit geringen Dosen (als trophische Ernährung) eingeleitet werden und gegebenenfalls nach der Wiedererwärmung gesteigert werden. Bei TTM mit einer Zieltemperatur von 36 °C können die enteralen Portionen frühzeitig während der TTM gesteigert werden.

Die routinemäßige Ulkusprophylaxe bei Intensivpatienten verringert die Mortalität nicht [276, 277]. Eine kürzlich durchgeführte Metaanalyse zeigte jedoch, dass bei Hochrisikopatienten die Anwendung der Ulkusprophylaxe die gastrointestinale Blutungsrate verringerte [278]. Patienten nach Kreislaufstillstand haben wahrscheinlich ein höheres Ulkusrisiko als allgemeine Intensivpatienten, da sie sowohl vor als auch nach dem Stillstand Antikoagulanzien und Thrombozytenaggregationshemmer erhalten [279]. Daher erscheint eine Ulkusprophylaxe bei Patienten nach Kreislaufstillstand sinnvoll, insbesondere bei Patienten mit Koagulopathien [38].

Sofern Patienten nicht bereits aufgrund von Myokardischämien Antikoagulation erhalten, wird bei kritisch kranken Patienten die Prophylaxe von tiefen Venenthrombosen (TVT) empfohlen [280, 281]. Der Einsatz von Thrombozytenaggregationshemmern verhindert TVT nicht [282]. Patienten nach OHCA haben ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von TVT, insbesondere während einer TTM-Behandlung [283]. Diese treten bei einer invasiven TTM-Behandlung häufiger auf, wahrscheinlich infolge der Katheterplatzierung in der V. femoralis [284]. Zur TVT-Prophylaxe nach Kreislaufstillstand existiert keine spezifische Evidenz. Daher soll die Behandlung individualisiert erfolgen und auf allgemeinen intensivmedizinischen Empfehlungen basieren [280].

Hyperglykämien treten nach OHCA häufig auf [171]. Als beste Behandlungsstrategie gilt die kontinuierliche Insulininfusion. Die Leitlinien der American Diabetes Association für 2019 empfehlen für die Mehrheit der Intensivpatienten eine Zielglukose im Bereich von 7,8 bis 10,0 mmol L−1 (140–180 mg dL−1; [285]). Die strenge Glukosekontrolle scheint keinen Nutzen zu bringen und kann mit klinisch relevanten Hypoglykämien einhergehen (<4,0 mmol L−1 entspricht <70 mg dL−1; [286]), was bei kritisch kranken Patienten nachteilig ist [287]. Grundsätzlich werden glukosehaltige Lösungen bei Patienten mit Hirnschädigung nicht empfohlen [288], sie können jedoch zur Behandlung von Hypoglykämien erforderlich sein [287].

Prognosestellung

Etwa zwei Drittel der intrahospitalen Todesfälle bei Patienten nach OHCA sind durch eine hypoxisch-ischämische Hirnschädigung bedingt [26, 27]. In einer Minderzahl sind diese Todesfälle eine direkte Folge der irreversiblen hypoxisch-ischämischen Hirnschädigung, dem Hirntod [289]. Die meisten dieser neurologisch bedingten Todesfälle resultieren jedoch aus dem aktiven Absetzen der lebenserhaltenden Behandlung („withdrawal of life-sustaining treatment“, WLST), wenn aufgrund der Schwere der hypoxisch-ischämischen Hirnschädigung ein Überleben mit schlechtem neurologischen Ergebnis sehr wahrscheinlich ist [29, 290]. Eine gewissenhafte Prognosestellung ist daher unerlässlich, um einerseits unangemessene WLST bei Patienten zu vermeiden, bei denen noch die Chance auf eine klinisch relevante Besserung besteht, und andererseits, um eine sinnlose Behandlung von Patienten mit schweren irreversiblen neurologischen Schäden zu vermeiden.

Outcome-Parameter in Studien zur neurologischen Prognosestellung

Das neurologische Ergebnis nach Kreislaufstillstand wird meistens anhand der Cerebral Performance Categories (CPC) eingestuft [291]. Der CPC wird mittels einer 5‑stufigen Skala bewertet: CPC 1 (keine oder minimale neurologische Beeinträchtigung); CPC 2 (geringfügige neurologische Beeinträchtigung); CPC 3 (schwere neurologische Beeinträchtigung); CPC 4 (anhaltender vegetativer Zustand) und CPC 5 (Tod). Ein weiteres verbreitetes Bewertungsinstrument für das Outcome ist der modifizierte Rankin-Score (mRS [292]), der 7 Werte von 0 (keine Symptome) bis 6 (tot) umfasst. Ein ILCOR-Statement von 2018 [293] schlug die Verwendung des mRS anstelle des CPC zur Messung der funktionellen Erholung nach Kreislaufstillstand vor, da der mRS eine bessere Unterscheidung zwischen leichter und mittelschwerer Beeinträchtigung ermöglicht [294, 295] und eine höhere Interrater-Zuverlässigkeit aufweist [296]. Die meisten Studien zur neurologischen Prognose nach Kreislaufstillstand verwenden jedoch immer noch den CPC.

Sowohl aus Gründen der Klarheit als auch zu statistischen Zwecken dichotomisieren Studien zur Vorhersage des neurologischen Ergebnisses in die Kategorien „gut“ oder „schlecht“. Allerdings gibt es bisher keinen allgemeinen Konsens darüber, was als schlechtes neurologisches Ergebnis bewertet werden soll. Noch bis 2006 gaben die meisten einschlägigen Studien CPC 4 und 5 („vegetativer Zustand“ oder „Tod“) als schlechtes Ergebnis und CPC von 1 bis 3 (von „fehlender“ bis „schwerer“ neurologischer Behinderung) als gutes Ergebnis an. Seither schließen die meisten Studien auch CPC 3 in die schlechten neurologischen Ergebnisse mit ein [297]. Ein kürzlich durchgeführter systematischer Review [16] fand 90 von 94 (96 %) Studien zu neurologischem Outcome nach Kreislaufstillstand, die ein schlechtes neurologisches Ergebnis als CPC 3–5 definierten, während nur vier Studien ein schlechtes Ergebnis als CPC 4–5 definierten.

In prognostischen Genauigkeitsstudien wird ein Prädiktor (Indextest) auf seine Fähigkeit hin bewertet, ein Ergebnis vorherzusagen; das Design entspricht dabei dem von diagnostischen Genauigkeitsstudien. Während in diagnostischen Genauigkeitsstudien der Indextest gegen einen anderen Test bewertet wird (welcher als Referenz- oder Goldstandard verwendet wird), bewerten prognostische Genauigkeitsstudien den Indextest gegenüber dem Eintreten des vorhergesagten Ereignisses (Zielbedingung) nach der Testaufzeichnung [298]. Wenn die Testergebnisse im Binärformat ausgedrückt werden (d. h. positiv vs. negativ) wird die Genauigkeit als Sensitivität und Spezifität ausgedrückt, welche die Vorhersagekraft des Tests angeben, diejenigen (Personen) zu identifizieren, die die Zielbedingung entwickeln bzw. nicht entwickeln. Da die meisten neuroprognostischen Tests ein schlechtes neurologisches Ergebnis vorhersagen, ist eine hohe Spezifität wünschenswert (d. h. eine sehr geringe Rate falscher pessimistischer Vorhersagen, die zum unangemessenen WLST führen). Im Idealfall ist ein Indextest zu 100 % spezifisch, d. h. seine Falsch-positiv-Rate (FPR) soll Null sein; in der Praxis ist es aber unrealistisch, dies zu erreichen. Wie spezifisch ein Indextest für die Prognosestellung nach Kreislaufstillstand sein soll, ist bisher nicht allgemein konsentiert. In einer kürzlich durchgeführten Umfragestudie gaben 56 % der 640 Gesundheitsfachpersonen als akzeptablen Wert für WLST an, dass die FPR an Patienten, die sich sonst möglicherweise erholt hätten, bei ≤0,1 % liegen soll [299]. Neben dem absoluten Wert der Spezifität ist die Genauigkeit der Schätzung wichtig. Ein sehr spezifischer Test, der ein schlechtes Ergebnis vorhersagt, ist klinisch wenig nützlich, wenn seine Präzision gering ist (d. h. wenn die Konfidenzintervalle seiner Spezifität breit sind), da dies eine hohe Unsicherheit für die geschätzte Spezifität anzeigt. In der ERC-ESICM-Stellungnahme 2014 zur neurologischen Prognosestellung nach Kreislaufstillstand [300] waren die stärksten Prädiktoren diejenigen, bei denen die Obergrenze des 95 %-CI der FPR kleiner als 5 % war.

Für einige neuroprognostische Tests, wie z. B. von Biomarkern der Hirnschädigung oder dem Dichteverhältnis von grauer zu weißer Substanz im Hirn-CT, werden die Ergebnisse als kontinuierliche Variable ausgedrückt. In diesem Fall hängen Sensitivität und Spezifität von der Auswahl des Schwellenwerts ab, der positive von negativen Testergebnissen differenziert. Die Werte für Sensitivität und Spezifität werden durch Variieren des Positivitätsschwellenwerts über alle seine möglichen Werte erhalten und werden durch eine Receiver-Operating-Characteristic(ROC)-Kurve ausgedrückt. Die Dichotomisierung kontinuierlicher Vorhersagevariablen für ein binäres Testergebnis beinhaltet die Schwierigkeit, einen konsistenten Schwellenwert für eine 100%-ige Spezifität zu finden. Sehr hohe Werte in einem Test können durch Ausreißer verursacht sein, die zu Verzerrungen führen und die gleichzeitig die Testempfindlichkeit verringern.

Hauptursachen für Verzerrungen bei der neurologischen Prognosestellung

Eine der Hauptverzerrungen bei der neurologischen Prognosestellung nach Kreislaufstillstand ist die sich selbst erfüllende Prophezeiung. Dies passiert, wenn das Behandlungsteam das Ergebnis des Prognosetests kennt und es für Entscheidungen verwendet, die das Ergebnis des Patienten beeinflussen, z. B. WLST. Dies führt zu einer Überschätzung der Testgüte mit dem Risiko für ein unangemessenes WLST. Ein 2013 veröffentlichter systematischer Review zur Neuroprognostizierung nach Kreislaufstillstand [301, 302] identifizierte für 64 von 73 (88 %) der Studien ein Risiko für eine Verzerrung aufgrund sich selbst erfüllender Prophezeiung.

Im Idealfall müssen die Indextests verblindet durchgeführt werden, um eine sich selbst erfüllende Prophezeiungsverzerrung zu vermeiden. Dies ist jedoch in der Praxis schwer zu erreichen. Das Verbergen klinischer Untersuchungsergebnisse vor dem Behandlungsteam ist nahezu unmöglich, während das Vorenthalten von Ergebnissen aus EEG oder Hirnbildgebung unethisch wäre, da dann Informationen über potenziell behandelbare Komplikationen (z. B. Anfälle oder intrakranielle Hypertonie) nicht verfügbar wären. Trotzdem wurden einige Prädiktoren, wie z. B. Biomarker, verblindet ausgewertet [233]. Eine Verzerrung durch sich selbst erfüllende Prophezeiung kann weitgehend minimiert werden, wenn eine aktive WLST-Leitlinie fehlt. Dies wurde in einigen Studien beschrieben, die in Ländern oder Bereichen durchgeführt wurden, in denen Behandlungseinschränkungen aus kulturellen, rechtlichen oder religiösen Gründen nicht akzeptiert werden [303, 304].

Weitere Strategien zur Verringerung des Risikos falscher pessimistischer Vorhersagen umfassen (a) die Vermeidung von Therapieeinflüssen (z. B. Sedativa) auf klinische Untersuchungsergebnisse oder EEG; (b) das Vermeiden von Entscheidungen über lebenserhaltende Behandlungen auf der Basis eines einzelnen Indextests (und stattdessen der Verwendung eines multimodalen Ansatzes, siehe Abb. 5 – Multimodaler Prognosealgorithmus); (c) die Interpretation aller Indextests ausschließlich im klinischen Kontext.

Eine spezifische Verzerrungsquelle in neuroprognostischen Studien nach Kreislaufstillstand ist das Vorhandensein eines Zeitintervalls zwischen der Aufzeichnung des Indextests, der normalerweise sehr früh nach dem Stillstand durchgeführt wird, und der Beurteilung des neurologischen Ergebnisses. Da die Erholung von einem hypoxisch-ischämischen Hirnschaden nach Kreislaufstillstand Zeit erfordert, beträgt der früheste empfohlene Zeitpunkt für die Beurteilung 30 Tage nach dem Ereignis oder des neurologischen Entlassungsbefunds [293]. Eine weitere neurologische Erholung kann jedoch auch noch später erfolgen. Folglich kann sich eine frühzeitige Vorhersage des Ergebnisses, gemessen durch CPC oder mRS bei Krankenhausentlassung, bei späterer erneuter Bewertung gelegentlich als falsch erweisen [305]. Aus diesem Grund raten die Leitlinien dazu, das neurologische Ergebnis 3 oder 6 Monate nach dem Ereignis neu zu bewerten [298]. Die Mehrzahl der Studien, die in das systematische Review als Basis der vorliegenden Leitlinien einbezogen wurden, berichtet über das neurologische Ergebnis mindestens 6 Monate nach Kreislaufstillstand.

Eine weitere Verzerrung, die teilweise mit der Zeitverzögerung zwischen Indextest und dem gemessenen Reanimationsergebnis zusammenhängt, ist die Überlagerung durch extrazerebrale Todesursachen. Dazu gehören kardiovaskuläre Instabilität, die nach Kreislaufstillstand die zweithäufigste Todesursache im Krankenhaus ist [26], und das Multiorganversagen aufgrund einer globalen Ischämie-Reperfusions-Schädigung [306, 307]. Obwohl die Wahrscheinlichkeit für diese Komplikationen nach dem Kreislaufstillstand am höchsten ist, kann der Tod durch extrazerebrales Organversagen auch nach neurologischer Genesung auftreten [308]. Die Prävalenz für Tod nach dem Erwachen aus dem Koma betrug auf der Intensivstation 16 % in einer Single-Center-Studie, [309] und 4,2 % während des Krankenhausaufenthalts in einer kürzlich durchgeführten multizentrischen europäischen Studie mit 4646 Patienten [310]. In dieser Studie trat der Tod im Mittel 9 (3–18) Tage nach dem Erwachen ein; nach IHCA war das Ereignis häufiger als nach OHCA.

Klinische Untersuchung

Diese Leitlinien werden durch Evidenz gespeist, welche aus einem systematischen Review zur Prognostizierung und aus dem ILCOR-CoSTR 2020 stammt [10, 16]. Die relevanten Behandlungsempfehlungen im ILCOR CoSTR 2020 lauten:

  • Wir raten dazu, für die Vorhersage des neurologischen Ergebnisses von Erwachsenen, die nach Kreislaufstillstand komatös bleiben, den Pupillenlichtreflex frühestens 72 h nach ROSC zu verwenden (schwache Empfehlung, sehr niedriges Evidenzniveau).

  • Wir raten dazu, für die Vorhersage des neurologischen Ergebnisses von Erwachsenen, die nach Kreislaufstillstand komatös waren, eine quantitative Pupillometrie frühestens 72 h nach ROSC zu verwenden (schwache Empfehlung, niedriges Evidenzniveau).

  • Wir raten dazu, für die Vorhersage eines schlechten neurologischen Ergebnisses bei Erwachsenen, die nach Kreislaufstillstand komatös waren, das bilaterale Fehlen eines Hornhautreflexes frühestens 72 h nach ROSC zu verwenden (schwache Empfehlung, sehr niedriges Evidenzniveau).

  • Wir raten dazu, das Vorhandensein von Myokloni oder Status myokloni innerhalb von 96 h nach ROSC in Kombination mit anderen Tests zu verwenden, um ein schlechtes neurologisches Ergebnis bei komatösen Erwachsenen nach Kreislaufstillstand vorherzusagen (schwache Empfehlung, sehr niedriges Evidenzniveau). Wir raten außerdem dazu, das EEG während myoklonischer Zuckungen aufzuzeichnen, um den Phänotyp des Myoklonus zu charakterisieren.

Augenreflexe.

Die derzeitig für die neurologische Prognosestellung nach Kreislaufstillstand verwendeten Augenreflexe sind der Pupillen- und der Hornhautreflex. Der Pupillenlichtreflex (PLR) ist eine durch Lichtreiz ausgelöste zeitweise Verringerung der Pupillengröße. Der Standard-PLR (s-PLR) wird visuell ausgewertet und üblicherweise mit einer Taschenlampe ausgelöst. In den letzten Jahren ist auf der Intensivstation die quantitative Bewertung der PLR mittels tragbarer Pupillometer verfügbar geworden. Eine bilateral fehlende s‑PLR hat eine geringe Spezifität für die Vorhersage eines schlechten Ergebnisses in den ersten Stunden nach ROSC, aber ihre Genauigkeit nimmt im Lauf der Zeit zu und erreicht 96 h nach ROSC eine 100%ige Spezifität mit einer Sensitivität von 20 bis 25 % [16]. Dieser Verlauf ist wahrscheinlich auf den Prozess der Wiederherstellung der Gehirnfunktion nach einer anoxisch-ischämischen Schädigung zurückzuführen, kann aber auch teilweise auf Interferenzen durch Sedativa zur Aufrechterhaltung der TTM zurückzuführen sein. Der s‑PLR ist kostengünstig und einfach in der Anwendung, aber subjektiv und anfällig für Interrater-Variabilität [311].

Die quantitative Bewertung der PLR (automatisierte Pupillometrie) liefert eine objektive und quantifizierbare Messung der Pupillenreaktion. Die gebräuchlichsten Messparameter in der Pupillometrie sind die prozentuale Verringerung der Pupillengröße, die meist als qPLR [312] angegeben wird, sowie der neurologische Pupillenindex (NPi; [313]). Der NPi wird aus mehreren dynamischen Parametern der Pupillenreaktion mittels eines proprietären Algorithmus berechnet (Pupillenverengung, Dilatationsgeschwindigkeit, Größe und prozentuale Größenreduktion nach Stimulation). Ein NPi-Wert ≥3 gilt als normal. Auf einem niedrigen Evidenzniveau konnte gezeigt werden, dass NPi im Gegensatz zu s‑PLR ein ungünstiges Reanimationsergebnis ohne falsch-positive Ergebnisse bereits 24–72 h nach ROSC vorhersagen kann [16]. In einer Studie war mithilfe des Pupillometers bereits bei sehr geringen Pupillengrößen eine Reaktion erkennbar (Pupillengrößen, die vermutlich auf Sedativa zurückzuführen sind; [313]). Die Ergebnisse der Pupillometrie werden als kontinuierliches Maß ausgedrückt, weshalb der Schwellenwert für eine 100%ige Spezifität zwischen verschiedenen Studien variiert. In drei Studien, die einem kürzlich publizierten Review zugrunde lagen, lag der Schwellenwert für NPi weniger als 24 h nach ROSC bei <2,4 und zwischen 24–72 h bei 2,0 [16]. Eine weitere Limitation der automatisierten Pupillometrie sind die zusätzlichen Kosten.

Der Hornhautreflex (CR) wird durch Berühren des äußeren Rands (Limbus) der Hornhaut mit einem Wattebausch ausgelöst. Alternativ kann ein Luft- oder Wasserspritzer verwendet werden, um das Risiko eines Hornhautabriebs zu minimieren [314]. Die entsprechende Reizantwort erfolgt durch ein Zwinkern der Augen. Bei Patienten, die nach Kreislaufstillstand komatös sind, sagt eine fehlende CR ein schlechtes neurologisches Ergebnis 72 h nach ROSC mit 100%iger Spezifität und 25–40%iger Sensitivität voraus [16]. So wie der PLR kann auch der CR durch Sedativa gestört werden. Zusätzlich kann der CR durch Muskelrelaxanzien vermindert werden. Eine kürzlich durchgeführte Umfragestudie ergab inkonsistente Untersuchungsmodalitäten für den CR [315].

Motorische Reaktion.

Fehlende motorische Reaktion oder Extremitätenstreckungen auf Schmerzen (Glasgow Coma Score: motorische Komponente [M] 1 bzw. 2) ist mit einem schlechten neurologischen Ergebnis nach Kreislaufstillstand verbunden [16]. Die Spezifität ist jedoch gering und erreicht fast nie 100 %, selbst wenn sie 96 h nach ROSC vorgenommen wird. Wie beim CR basiert die motorische Reaktion auf Kontraktionen der quergestreiften Muskulatur und kann daher durch Muskelrelaxanzien beeinträchtigt werden. Aufgrund seiner hohen Sensitivität (>60 % ab 72 h nach ROSC) kann ein M = 1–2 als Kriterium zur Identifizierung von Patienten verwendet werden, bei denen nach einem Kreislaufstillstand eine Prognoseeinschätzung erfolgen soll. Jüngste Erkenntnisse zeigten jedoch, dass die Verwendung von M ≤ 3 als Einstiegskriterium die Sensitivität für die Vorhersage eines schlechten Ergebnisses erhöht, ohne die Spezifität zu verringern [316].

Myokloni und Status myokloni.

Myokloni sind plötzliche, kurze, unwillkürliche ruckartige Zuckungen, die durch Muskelkontraktionen oder deren Hemmungen ausgelöst werden. Ihre Verteilung kann fokal, multifokal oder generalisiert sein [317]. Das Vorhandensein von Myokloni innerhalb von 96 h nach ROSC bei komatösen Patienten nach einem Kreislaufstillstand ist in den meisten Fällen mit einem schlechten neurologischen Ergebnis verbunden [16]. Allerdings wurde eine falsch-positive Rate von bis zu 22 % beschrieben [318]. Die meisten Prognostizierungsstudien lieferten keine Definition oder Beschreibung von Myokloni. Bei einigen Patienten mit günstigem Reanimations-Outcome kann der Myoklonus nach Wiedererlangen des Bewusstseins in chronischer Form als Aktionsmyoklonus (d. h. ausgelöst durch Spontanbewegungen) bestehen bleiben; dies ist als Lance-Adams-Syndrom bekannt [185, 319].

Klinisch manifeste Myokloni können gelegentlich mit elektrisch ausgelösten Anfällen assoziiert sein, weshalb eine gleichzeitige EEG-Aufzeichnung nützlich sein kann. Einige Studien haben spezifische Zeichen im EEG identifiziert, die mit gutartigen Myokloni verbunden sind, wie z. B. eine reaktive [182, 187] und/oder eine kontinuierliche EEG-Grundaktivität [182, 184]. Das Auftreten diffuser und kontinuierlicher myoklonischer Zuckungen wird üblicherweise als Status myoklonus bezeichnet. Eine konsensierte Definition des Status myoklonus fehlt jedoch. In der ERC-ESICM-Empfehlung von 2014 zur neurologischen Prognose nach Kreislaufstillstand wurde vorgeschlagen, den Status myoklonus bei komatösen Überlebenden als kontinuierlichen und generalisierten Myoklonus zu definieren, der mindestens 30 min anhält [300]. Evidenz aus 2 Studien, in denen keine elektrographischen Merkmale des Status myoklonus unterschieden wurden [16] ergab, dass der Status myoklonus innerhalb von 24 h [320] oder innerhalb von 7 Tagen nach ROSC [181, 320] fast immer mit einem schlechten neurologischen Ergebnis verbunden war (Spezifität 99–100 %).

Prädiktoren, die auf klinischen Untersuchungen basieren, bieten Vorteile aufgrund von geringem Materialaufwand, niedrigen Kosten (außer Pupillometrie) und der Verfügbarkeit am Krankenbett. Ihre Hauptlimitationen liegen in der Beeinträchtigung durch Sedativa, Opioide und – mit Ausnahme der PLR – Muskelrelaxanzien. Darüber hinaus ist ihre Bewertung anfällig für Subjektivität. Automatisierte Messmethoden, wie die Pupillometrie für den PLR, können zumindest diese Einschränkungen beseitigen. Schließlich lassen sich klinische Untersuchungsergebnisse nicht vor dem Behandlungsteam verbergen, wodurch die Gefahr einer Bewertungsverzerrung durch sich selbst erfüllende Prophezeiung entsteht.

Neurophysiologie

Diese Leitlinien werden durch Evidenz gespeist, welche aus einem systematischen Review zur Prognostizierung und aus dem ILCOR-CoSTR 2020 stammt [10, 16]. Die relevanten Behandlungsempfehlungen im ILCOR-CoSTR 2020 lauten:

  • Wir empfehlen, die Neuroprognostizierung immer mithilfe eines multimodalen Ansatzes durchzuführen, da kein einzelner Test eine ausreichende Spezifität zur Eliminierung falsch positiver Ergebnisse aufweist (starke Empfehlung, Evidenz mit sehr geringer Sicherheit).

  • Wir raten zur Vorhersage eines schlechten Ergebnisses bei erwachsenen komatösen Patienten nach Kreislaufstillstand zur Verwendung einer bilateral fehlenden N20-Welle in den somatosensorisch evozierten Potenzialen (SSEP) ab ≥24 h nach ROSC in Kombination mit anderen Indizes (schwache Empfehlung, Evidenz mit sehr geringer Sicherheit).

  • Wir raten davon ab, das Fehlen einer EEG-Grundreaktivität allein zu verwenden, um ein schlechtes Ergebnis bei komatösen Erwachsenen nach Kreislaufstillstand vorauszusagen (schwache Empfehlung, Evidenz mit sehr geringer Sicherheit).

  • Wir raten dazu, das Vorhandensein einer Anfallsaktivität im EEG in Kombination mit anderen Indizes zu verwenden, um ein schlechtes Ergebnis bei komatösen Erwachsenen nach Kreislaufstillstand vorauszusagen (schwache Empfehlung, Evidenz mit sehr geringer Sicherheit).

  • Wir raten dazu, ein Burst-Suppression-Muster im EEG ≥24 h nach ROSC in Kombination mit anderen Indizes zu verwenden, um ein schlechtes Ergebnis bei nicht sedierten, komatösen Erwachsenen nach Kreislaufstillstand vorauszusagen (schwache Empfehlung, Evidenz mit sehr geringer Sicherheit).

Elektroenzephalographie (EEG).

Die Elektroenzephalographie (EEG) ist eine der am häufigsten verwendeten und untersuchten Methoden zur Beurteilung der Hirnfunktion und zur Prognose nach Kreislaufstillstand [321]. Das EEG ist außerdem wichtig für die Diagnose und die Behandlung von Krampfanfällen.

Die Hauptaspekte bei der Beurteilung des EEG sind die Grundaktivität, darüber gelagerte Entladungen und Reaktivität. Die EEG-Grundaktivität ist für die Prognose am wichtigsten und wird üblicherweise klassifiziert als kontinuierlich, diskontinuierlich, Burst-Suppression (50–99 % Unterdrückungsperioden) oder Suppression (>99 % Aktivität mit <10 μV-Amplitude; [322]). Eine standardisierte Terminologie für das EEG in der Intensivmedizin wurde vom ACNS vorgeschlagen [190].

Unmittelbar nach einem Kreislaufstillstand ist das EEG bei vielen Patienten vollständig supprimiert, aber bei den meisten Patienten, die ein gutes Outcome erreichen, kehrt innerhalb der ersten 24 h ein kontinuierliches Normalspannungs-EEG zurück [323, 324]. Die benötigte Zeit für diese Erholung ist mit dem Outcome korreliert [322, 325]. Der EEG-Hintergrund ist in der ersten Aufzeichnung oft diskontinuierlich und von niedriger Frequenz [323, 326]. Sedativa beeinträchtigen die Hintergrundkontinuität und können dosisabhängig einen diskontinuierlichen Hintergrund oder ein Burst-Suppression-Muster induzieren [327, 328].

Hintergrundmuster.

Supression Ein supprimierter (<10 μV) oder Niederspannungshintergrund (<20 μV) ist am ersten Tag nach einem Kreislaufstillstand relativ häufig [303, 323, 324]. Ein supprimierter EEG-Hintergrund <10 μV 24 h ist nach ROSC jedoch ein zuverlässiger Prädiktor für eine schlechte Prognose [329,330,331,332,333,334], obwohl in einer Studie 2 falsch-positive Vorhersagen nach diesem Muster 48–72 h nach Kreislaufstillstand berichtet wurden [331]. Für die Bewertung einer supprimierten Hintergrundaktivität bestand allerdings auch unter erfahrenen Neurophysiologen nur eine moderate Interrater-Übereinstimmung [331, 335].

Burst Suppression Die ACNS-Terminologie definiert als Burst Supression (BS), wenn 50–99 % der EEG-Aufzeichnung aus Suppression besteht, welche sich mit Bursts abwechselt. Die Definition enthält keine Amplitudenkriterien für die Bursts, diese können aber als hochepileptiforme Bursts bezeichnet werden, basierend auf ihrem Aussehen [190] als Vorhandensein identischer Bursts (entweder die ersten 0,5 s eines Bursts oder jedes stereotypische Cluster von ≥2 Bursts erscheinen in >90 % der Bursts in jedem Kanal als visuell ähnlich). Dies deutet auf eine schlechte Prognose im postanoxischen Koma hin [336]. Eine Forschungsgruppe schlug auch eine Trennung von BS-Mustern in synchron (mit stark epileptiformen oder identischen Bursts) und heterogen (nichtsynchron) vor [334]. Die Kriterien für die Burst-Amplitude und das Erscheinungsbild variieren zwischen den Studien erheblich. Ein erheblicher Teil der Patienten mit BS während der ersten 24 h und einige Patienten mit BS-Muster nach 24 h erreichen immer noch ein gutes neurologisches Ergebnis, was vermutlich mit der Verwendung von Sedativa zusammenhängt [305, 323, 329,330,331, 337,338,339]. Unter erfahrenen Neurophysiologen bestand eine sehr hohe Interrater-Übereinstimmung für die Einschätzung als BS [331].

Diskontinuierlich Ein diskontinuierlicher Hintergrund mit Supressionsperioden >10 % der Aufzeichnung besitzt während der ersten 24 h nach Kreislaufstillstand eine geringe prognostische Aussagekraft [340, 341] und nach 24 h eine uneinheitliche Vorhersagekraft [329,330,331, 341].

Reaktivität Die EEG-Reaktivität ist eine messbare Änderung der Amplitude oder Frequenz bei externer Stimulation (Hör- und Schmerzempfindlichkeit). Es gibt keinen allgemein anerkannten Standard für Reaktivitätstests und die Vorhersagekraft dieses Aspekts variierte zwischen den Studien erheblich [16, 342]. Eine fehlende EEG-Reaktivität während der ersten 24 h nach Kreislaufstillstand ist ein Indikator für ein schlechtes Ergebnis mit hoher Empfindlichkeit, aber geringer Spezifität (41,7–87,5 %; [339, 343,344,345]). Nach 24 h bleibt die Sensitivität der fehlenden EEG-Reaktivität hoch, während die Spezifität zwischen 50 und 100 % variierte [329, 331, 337, 339, 344,345,346,347,348]. Die Interrater-Übereinstimmung in der Bewertung der EEG-Reaktivität variierte von gering bis fast vollständig [331, 349]. Stimulusevozierte rhythmische, periodische oder iktale Entladungen (SIRPIDS) sind keine Manifestation normaler Hintergrundreaktivität – ihre prognostische Bedeutung ist noch nicht definiert [206, 350].

Übergelagerte Muster.

Periodische Entladungen Als periodisches Muster wird eine sich wiederholende Wellenform bezeichnet, bei der zwischen den Entladungen ein quantifizierbares Intervall erkennbar ist. Falls kein solches Intervall vorhanden ist, wird das Muster als rhythmisch bezeichnet [190]. Periodische Entladungen (PD) können über verschiedenen Grundaktivitäten aufgelagert sein und sind mit einer schlechteren Prognose verbunden. Generalisierte periodische Entladungen (GPD) sind ein Zeichen für eine ungünstige Prognose mit begrenzter Spezifität [329, 330, 333, 337]. Die Grundaktivität, vor der die PD auftreten, ist allerdings stärker mit dem neurologischen Outcome assoziiert [322]. PD bei einer kontinuierlichen oder einer reaktiven EEG-Grundaktivität sollen nicht als Indikator für ein ungünstiges Outcome gewertet werden [184].

Sporadische epileptiforme Entladungen Sporadische epileptiforme Entladungen beschreiben scharfe Wellen oder Spitzen, ähnlich denen bei Patienten mit Epilepsie, jedoch ohne die Regelmäßigkeit eines periodischen Musters. Die Häufigkeit ihres Auftretens kann stark variieren von selten (<1/h) bis reichlich (≥1/10 s) und geht über in den Bereich der periodischen Entladungen. Während ihr Auftreten mit einem schlechteren Outcome assoziiert ist, liegt die Spezifität für die Vorhersage eines schlechten Outcomes zwischen 66,7 und 100 % [16]; außerdem fehlten in den entsprechenden Studien Informationen zur (potenziell wichtigen) Frequenz bzw. Anzahl der Entladungen [303, 331, 333, 334]. Das Vorhandensein sporadischer epileptiformer Entladungen ist KEIN verlässlicher Indikator für eine schlechte neurologische Prognose.

Elektrographische Anfälle und elektrographischer Status epilepticus Die ACNS definiert eindeutige Anfälle als generalisierte rhythmische Spike-and-Wave-Entladungen mit einer Frequenz ≥3 Hz oder als sich eindeutig entwickelnde Entladungen jeglicher Art >4 Hz [190]. Diese Definition wurde in verschiedenen Studien uneinheitlich angewandt. Krampfanfälle hatten eine geringe Sensitivität, aber eine hohe Spezifität für ein schlechtes Outcome, unabhängig vom Zeitpunkt [329, 331, 333, 337, 351].

Der Begriff elektrographischer Status epilepticus (ESE) ist definiert als elektrographischer Anfall, der ≥10 aufeinanderfolgende Minuten andauert oder innerhalb eines 60-minütigen Aufzeichnungszeitraums mehr als 20 % einnimmt. Diese Definition wurde erstmals 2021 in die Aktualisierung der ACNS-Terminologie aufgenommen, und keine der derzeit verfügbaren prognostischen Studien hat sie bisher angewandt. Einige Studien stützten ihre Definition von ESE auf die ACNS-Klassifizierung eindeutiger Anfälle mit einer Dauer von ≥30 min, schlossen jedoch auch epileptiforme Entladungen ≥1 Hz ein [200, 325] sowie in einer Studie ≥0,5 Hz als ESE [352]. Andere Studien verwendeten unklare Definitionen von ESE [305, 337, 338, 344]. Der Anteil der mit ESE klassifizierten Patienten variierte zwischen den Studien erheblich, was sehr wahrscheinlich auch auf unterschiedliche Definitionen zurückzuführen ist. Eine Studie zeigte, dass sich ein ESE von hochfrequenten Entladungen früh nach seinem Beginn zu zunehmend langsameren Frequenzen in den folgenden Tagen und Wochen entwickelt [189]. Unabhängig von der verwendeten Klassifizierung ist ein ESE nach Kreislaufstillstand mit einer schlechteren Prognose verbunden, trotzdem haben aber einige Patienten ein gutes Outcome [199, 200, 202]. Wie bereits bei periodischen Entladungen ist es wichtig, die Grundaktivität im EEG zu berücksichtigen, da bei kontinuierlicher Aktivität mit Reaktivität günstigere Outcomes zu erwarten sind [200, 202]. Aufgrund des Fehlens einer standardisierten Klassifizierung empfehlen wir, den Begriff Status epilepticus für die Prognosestellung zu vermeiden und stattdessen EEG-Grundaktivität, überlagernde Entladungen und eindeutige Krampfanfälle entsprechend der standardisierten ACNS-Terminologie zu klassifizieren [190].

Kategorien von Mustern.

In mehreren Studien wurden die ungünstigsten Muster als maligne oder hochmaligne eingestuft. Die häufigste Gruppierung umfasste supprimierten Hintergrund mit oder ohne periodische Entladungen und Burst-Suppression als hochmaligne Muster [329]. Für diese hochmalignen Muster bestand eine starke Interrater-Übereinstimmung, [349] und die Spezifität für ein ungünstiges neurologisches Ergebnis betrug 90,6–100 % [329, 330, 332, 339, 341, 343, 353]. Es wurde auch eine alternative Kategorisierung von ungünstigen Mustern vorgeschlagen, welche eine strengere Definition von Burst-Suppression verwendete [334].

Quantitative EEG-Indizes.

Die automatisierte Bewertung quantitativer EEG-Merkmale wie des Burst-Suppression-Amplituden-Relation und der Reaktivität wurde in Einzelstudien untersucht [354, 355]. Kombinationen quantitativer EEG-Merkmale umfassen den bispektralen Index (BIS) und den Cerebral Recovery Index [356]. Der Schwellenwert und die Spezifität für BIS zur Vorhersage eines schlechten Outcomes variierten erheblich zwischen verschiedenen Studien [357,358,359]. Automatisierte Bewertungen können die Subjektivität bei EEG-Bewertungen verringern. Prospektive multizentrische Studien sind erforderlich, um die prognostische Vorhersagekraft nach Kreislaufstillstand zu bewerten.

Evozierte Potenziale.

Somatosensorisch evozierte Potenziale (SSEP) Bei der Durchführung von SSEP wird der Nervus medianus elektrisch stimuliert und die aufsteigenden Signale werden auf den Höhen des peripheren Plexus brachialis, der Halswirbelsäule, der subkortikalen Ebene und dem sensorischen Kortex aufgezeichnet (N20-Potenzial). SSEP können durch Barbituratkoma unterdrückt werden, bleiben jedoch mit anderen Sedativa wie Propofol und Midazolam erhalten [360]. Ein bilaterales Fehlen der N20-Potenziale mit kurzer Latenz über dem sensorischen Kortex ist ein zuverlässiges Zeichen für eine schlechte Prognose nach Kreislaufstillstand mit hoher Spezifität und begrenzter Sensitivität sowohl früh als auch spät nach Kreislaufstillstand [204, 205, 305, 313, 334, 338, 340, 341, 343, 345, 346, 353, 355, 361,362,363,364,365,366,367,368,369]. Gelegentlich wurden falsch-positive Vorhersagen berichtet [370]. Die Interrater-Zuverlässigkeit für die Interpretation von SSEP war moderat bis gut [371, 372]. Die Aufzeichnungsqualität ist von großer Wichtigkeit und die Überlagerung durch Muskelaktivität ist eine relevante Einschränkung; durch Muskelrelaxanzien kann diese eliminiert werden [360, 371].

Visuell evozierte Potenziale (VEP) und auditorisch evozierte Potenziale (AEP) Es gibt nur wenige Daten, die die Verwendung von visuell evozierten Potenzialen (VEP; [361]) oder auditorisch evozierten Potenzialen (AEP; [364, 367]) zur Prognose des Outcomes nach Kreislaufstillstand unterstützen. Diese Ergebnisse müssen zunächst validiert werden, bevor VEP oder AEP in diesem Zusammenhang empfohlen werden können.

Biomarker

Diese Leitlinien werden durch Evidenz gespeist, welche aus einem systematischen Review zur Prognostizierung und aus dem ILCOR-CoSTR 2020 stammt [10, 16]. Die relevanten Behandlungsempfehlungen im ILCOR-CoSTR 2020 lauten:

  • Wir empfehlen, die Neuroprognostizierung immer mithilfe eines multimodalen Ansatzes durchzuführen, da kein einzelner Test eine ausreichende Spezifität zur Eliminierung falsch-positiver Ergebnisse aufweist (starke Empfehlung, Evidenz mit sehr geringer Sicherheit).

  • Wir raten dazu, die neuronenspezifische Enolase (NSE) innerhalb von 72 h nach ROSC in Kombination mit anderen Tests zu verwenden, um das neurologische Ergebnis von komatösen Erwachsenen nach einem Kreislaufstillstand vorherzusagen (schwache Empfehlung, Evidenz mit sehr geringer Sicherheit). Es besteht kein Konsens über einen Schwellenwert.

  • Wir raten davon ab, das S100B-Protein zur Vorhersage des neurologischen Outcomes von komatösen Erwachsenen nach Kreislaufstillstand zu verwenden (schwache Empfehlung, Evidenz mit geringer Sicherheit).

  • Wir raten davon ab, Serumspiegel von fibrillärem saurem Glia-Protein (GFAP), Serum-Tau-Protein oder Neurofilamentleichtketten im Serum (Nfl) zu verwenden, um ein ungünstiges neurologisches Outcome von komatösen Erwachsenen nach Kreislaufstillstand vorauszusagen (schwache Empfehlung, Evidenz mit sehr geringer Sicherheit).

Proteinbiomarker, die nach der Schädigung von Neuronen und Gliazellen freigesetzt werden, können im Blut gemessen werden und korrelieren wahrscheinlich mit dem Ausmaß der Hirnschädigung und dem neurologischen Outcome. NSE, Nfl und Tau-Protein sind neuronenspezifische Biomarker, während S100B und GFAP aus Astrozyten stammen. Neuronenspezifische Enolase (NSE) wurde zur Beurteilung von Hirnschädigungen und zur Outcome-Prognose nach Kreislaufstillstand seit der letzten Leitlinienüberarbeitung im Jahr 2015 empfohlen [2]. Ihr tatsächlicher Einsatz in der klinischen Praxis ist allerdings nicht bekannt. Seit 2015 sind verschiedene Publikationen zu neuen Biomarkerkandidaten erschienen [234, 373,374,375].

Wichtig ist, dass ein multimodaler Ansatz zur Beurteilung von komatösen Überlebenden nach Kreislaufstillstand angewandt wird. Zu den Vorteilen von Biomarkern zählt, dass quantitative Ergebnisse erhoben werden, dass Probenabnahme und Interpretation einfach sind und sie unabhängig von Sedativawirkungen sind. Zu den Nachteilen zählen die beschränkte Verfügbarkeit, das Fehlen zuverlässiger Referenzwerte, zu wenig umfangreiche Studienpopulationen und, für einige von ihnen, das Fehlen einer externen Validierung. Der Großteil der verfügbaren Evidenz beschränkt sich auf den Zeitraum der ersten 72 h nach Kreislaufstillstand, was aber für die meisten Patienten relevant ist. Allerdings ergibt sich daraus auch die Notwendigkeit für eine Strategie für die prospektive Probenentnahme vor der Einschätzung der Prognose nach mehr als 72 h. Sehr eingeschränkte Evidenz unterstützt die Verwendung von Biomarkern bei Patienten, die nach mehr als 72 h nicht erwachen. Große Studien zur Untersuchung und Validierung von vielversprechenden Biomarkern sind noch notwendig, damit ihr prädiktiver Wert und ihre Reproduzierbarkeit bewertet und konsistente Schwellenwerte mit einer Spezifität im Bereich von 100 % ermittelt werden können. Die Rationale für die Akzeptanz einer Spezifität unter 100 % wäre, dass bei der Messung von Blutbiomarkern immer Ausreißer auftreten werden, z. B. aufgrund ungenauer Kalibrierung oder Problemen mit Laborstandards, aufgrund von Hämolyse oder aufgrund schlechter Probenbehandlung. Falls für einen Blutbiomarker eine 100%ige Spezifität zugrunde gelegt wird, verringert sich die Sensitivität gegenüber Werten, bei denen ihre klinische Verwendung infrage gestellt werden kann. Hingegen erhöht eine falsche „positive rate“ von 1–2 % ihre klinische Relevanz. Bei einem multimodalen Ansatz muss jedes zur Beurteilung eines individuellen Patienten herangezogene Verfahren in die gleiche Richtung weisen. Dies gilt insbesondere für Biomarker aufgrund ihres kontinuierlichen Verlaufcharakters. Normale oder leicht erhöhte Werte (zum korrekten Zeitpunkt der Probenahme) sollen den Kliniker immer auf mögliche Fehler bei den anderen Verfahren aufmerksam machen.

Neuronenspezifische Enolase (NSE).

Neuronenspezifische Enolase wurde ausführlich untersucht; seit dem letzten systematischen Review [301, 302] wurden mindestens 13 einschlägige Beobachtungsstudien veröffentlicht, mit Schwellenwerten von 33 bis 120 µg L−1 innerhalb der ersten 72 h zur Vorhersage eines schlechten neurologischen Outcomes bei Entlassung aus dem Krankenhaus bis zu 6 Monaten nach dem Ereignis, mit einer Spezifität zwischen 75 und 100 % und einer Sensitivität zwischen 7,8 und 83,6 %. In der bislang größten Studie wurden Ausreißer beschrieben [376]. Patienten mit hohem NSE (>90 µg L−1) und gutem Outcome wiesen Störeinflüsse für die NSE-Erhöhung auf, während die meisten Patienten mit niedrigem NSE (<17 µg L−1), die verstarben, keine hypoxisch-ischämische Enzephalopathie als Todesursache hatten. Die Studie wurde in dem kürzlich veröffentlichten systematischen Review nicht eingeschlossen, da der primäre Studienendpunkt die CPC bei der Entlassung von der Intensivstation war [16]. Eine große Subanalyse der TTM-Studie errechnete einen Schwellenwert von 48 µg L−1 nach 48 h und einen Schwellenwert von 38 µg L−1 nach 72 h mit einer Spezifität von 98 % (FPR 2 %) für ein schlechtes neurologisches Outcome nach 6 Monaten [233]. In einer anderen Studie konnte mit einem NSE-Schwellenwert von 50,2 µg L−1 am Tag 4 ein schlechtes neurologisches Outcome nach einem Monat mit 100 % Spezifität und 42,1 % Sensitivität vorausgesagt werden [377].

Die NSE nimmt nach 24 h bei Patienten mit gutem Outcome ab und steigt typischerweise bei Patienten mit schlechtem Outcome an, um bei 48–96 h ihren Höhepunkt zu erreichen. NSE weist nach 24 h eine noch geringe Aussagekraft auf, das am besten geeignete Zeitfenster liegt bei 48–72 h. Ein hoher NSE-Wert 48 h oder 72 h nach Kreislaufstillstand ist ein starker Prädiktor für ein schlechtes Outcome [233, 368, 376,377,378,379,380,381]. Ein Anstieg der NSE zwischen 24–48 h oder 48–72 h ist ein zuverlässiger Indikator für eine schlechte Prognose mit einer ähnlichen Aussagekraft wie der Absolutwert [382]. Eine kleine Studie ergab, dass ein NSE-Verhältnis von 48 h: 24 h ≥ 1,7 eine 100%ige Spezifität für ein schlechtes Outcome aufwies [378]. In einer kürzlich durchgeführten Studie hing die prognostische Aussagekraft von NSE eindeutig vom Patientenalter und der Schwere des Ereignisses ab (gemessen als Dauer bis ROSC; [383]). Es zeigte die beste Aussagekraft im jüngsten Patientenquartil und bei Patienten mit längerer Dauer bis ROSC. In den eingeschlossenen Studien wurden mehrere verschiedene analytische Assays eingesetzt; die von Roche und Brahms für den routinemäßigen klinischen Einsatz bereitgestellte Methodik war dabei am häufigsten. NSE wurde kürzlich in 2 Studien als Surrogatparameter für eine Hirnschädigung verwendet [78, 99].

Schwellenwerte für hohe NSE-Werte müssen in Zusammenarbeit mit dem örtlichen Labor unter Berücksichtigung der Analysemethode festgelegt werden. Erythrozyten enthalten NSE, daher muss die Hämolyse (in Form von freiem Hämoglobin) gemessen und Proben müssen verworfen werden, wenn der Schwellenwert für den Hämolyseindex überschritten wird, da dies zu einem falsch-hohen NSE-Wert führt [384]. Die Halbwertszeit von freiem Hämoglobin beträgt 2–4 h, verglichen mit der 30-stündigen Halbwertszeit von NSE. Daher kann der NSE-Wert zu einem Zeitpunkt, zu dem freies Hämoglobin nicht mehr nachweisbar ist, unangemessen erhöht sein (durch NSE aus Erythrozyten), was bei der Verwendung von NSE zur Prognose nach Kreislaufstillstand problematisch ist [384].

S100B.

Seit 2013 wurden 3 Beobachtungsstudien veröffentlicht [379, 380, 385], 2 von ihnen untersuchten S100B unmittelbar nach ROSC und identifizierten Schwellenwerte im Bereich von 3,56 bis 16,6 µg mit 100%iger Spezifität für ein schlechtes Outcome, aber mit geringen Sensitivitäten von 2,8 bis 26,9 %. In der größten Studie diskriminierte S100B am besten nach 24 h mit einem Schwellenwert von 2,59 µg/L mit 100 % Spezifität, allerdings mit einer geringen Sensitivität von 10 %. Die korrespondierende Sensitivität bei 98 % Spezifität (2 % FPR) lag bei 32 % (Schwellenwert 0,36 µg/L; [385]). Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass S100B keinen echten Mehrwert für die Darstellung von Prognosemodellen mit oder ohne NSE bietet. S100B wird auch in der klinischen Praxis sehr selten eingesetzt und ist aus diesen Gründen nicht in unseren Empfehlungen enthalten.

Gliales fibrilläres saures Protein (GFAP).

In einer Beobachtungsstudie an 100 Patienten sagte GFAP mit einem Schwellenwert von 0,08 µg/L nach 48 h (±12 h) ein schlechtes neurologisches Ergebnis nach einem Monat mit 100 % Spezifität und 21,3 % Sensitivität voraus [373].

Serum-Tau.

In einer Studie sagte Serum-Tau-Protein mit einem Schwellenwert zwischen 72,7 und 875,6 µg/L−1 ein schlechtes neurologisches Outcome nach 6 Monaten voraus, mit 100%iger Spezifität und einer Sensitivität von 4 bis 42 % (Evidenz mit sehr geringer Sicherheit; [374]). Es wurde ein hochempfindlicher Einzelmolekülassay (SIMoA) mit einer Nachweisgrenze auf Einzelmolekülebene verwendet [386].

Neurofilamentleichtketten im Serum (Serum-Nfl).

In einer großen Studie sagte Serum-Nfl mit einem Schwellenwert im Bereich von 1539 bis 12.317 pg ml−1 nach 24 bis 72 h ein schlechtes neurologisches Outcome (CPC 3–5) nach 6 Monaten voraus, mit einer Spezifität von 100 % und einer Sensitivität von 53,1 bis 65 % (Evidenz mit mäßiger Sicherheit; [234]). Zum Nachweis von Nfl wurde dieselbe hochempfindliche SIMoA-Technik verwendet wie für Tau-Protein (siehe oben). In einer Post-hoc-Analyse der COMACARE-Studie, bei der dieselbe SIMoA-Technik für die Analyse verwendet wurde, lagen die Schwellenwerte für Serum-Nfl, mit 99%iger Spezifität für ein schlechtes Outcome, bei 127, 262 und 344 pg ml−1 nach 24 h, 48 h bzw. 72 h; Die Sensitivitäten lagen zwischen 78 und 85 % [387]. In einer anderen Studie, in der die SIMoA-Technik nicht verwendet wurde, konnte Serum-Nfl mit einem Schwellenwert von 252 bis 405 pg ml−1 von Tag 1 bis Tag 7 ein schlechtes neurologisches Outcome (CPC 4–5) nach 6 Monaten mit einer 100%igen Spezifität und Sensitivitäten zwischen 55,6 und 94,4 % voraussagen [375].

Bildgebung

Diese Leitlinien werden durch Evidenz gespeist, welche aus einem systematischen Review zur Prognostizierung und aus dem ILCOR-CoSTR 2020 stammt [10, 16]. Die relevanten Behandlungsempfehlungen im ILCOR-CoSTR 2020 lauten:

  • Wir raten dazu, zerebrale Bildgebung für die Prognosestellung nur in solchen Zentren zu verwenden, in denen spezifische Erfahrungen vorliegen (schwache Empfehlung, Evidenz von sehr geringer Qualität).

  • Wir raten dazu, das Vorhandensein einer signifikanten Verringerung des Verhältnisses von grauer zu weißer Substanz (GM/WM) bei der Hirn-CT innerhalb von 72 h nach ROSC oder das Vorhandensein einer umfassenden Diffusionseinschränkung bei der Hirn-MRT 2–7 Tage nach ROSC in Kombination mit anderen Prädiktoren für die Prognose eines schlechten neurologischen Outcomes bei komatösen Patienten nach Kreislaufstillstand und TTM-Behandlung zu verwenden (schwache Empfehlung, Evidenz von sehr geringer Qualität).

Computertomographie (CT) des Gehirns.

Im Anschluss an einen Kreislaufstillstand verursacht eine hypoxisch-ischämische Hirnschädigung ein zytotoxisches Ödem, das sich als Kontrastverlust zwischen grauer Substanz („grey matter“, GM) und weißer Substanz („white matter“, WM) darstellt (fehlende Weiß-Grau-Differenzierung). Zudem imponiert ein vasogenes Ödem, das zum Anschwellen des Gehirns führt und als Verringerung der Tiefe der kortikalen Sulci (Auslöschung) sichtbar wird [388]. Setzt man die Hounsfield-Einheiten (eine Skala, die in der Computertomographie die Abschwächung von Röntgenstrahlen im Gewebe beschreibt) der grauen Substanz ins Verhältnis zur denen der weißen Substanz, ergibt sich die „grey-white-matter ratio“ (GWR). Die GWR erlaubt die Quantifizierung der Ausprägung des Ödems. Da die graue Substanz eine höhere Dichte besitzt als die weiße, ist die GWR im Normalfall größer als 1. Je niedriger die GWR, desto ausgeprägter ist das Hirnödem.

Eine GWR-Reduktion tritt bei Patienten mit schwerer hypoxisch-ischämischer Hirnschädigung frühzeitig auf. In einem kürzlich durchgeführten systematischen Review zeigten die meisten Studien, die sich mit reduzierter GWR befassten, dass diese bereits 1 h nach ROSC zu 100 % spezifisch für ein schlechtes neurologisches Ergebnis sein konnte [16]. In anderen Studien jedoch [304, 389,390,391] war eine reduzierte GWR erst bis zu 72 h nach ROSC zu 100 % spezifisch für ein schlechtes neurologisches Outcome. Die Methoden zur Messung der GWR waren in den Studien unterschiedlich. In den meisten Studien wurde der Kontrastverlust zwischen grauer und weißer Substanz (GWR) im Bereich der Basalganglien berechnet. In anderen Studien wurden die Messungen im Großhirn durchgeführt (Centrum semiovale und Bereich der Konvexität; [392,393,394]). In fast allen Studien wurde ein GWR-Grenzwert für 100 % Spezifität identifiziert. Dieser Wert variierte jedoch zwischen den Studien. Zum Beispiel lag der Grenzwert für die 100%ige Spezifität des durchschnittlichen GWR, gemessen in den Basalganglien und im Großhirn, innerhalb von 2 h nach ROSC bei 1,10–1,23 [16]. Die GWR-Sensitivität variierte ebenfalls stark zwischen den Studien, was vermutlich auf Unterschiede bei CT-Scannern und Software [395] bei Berechnungsmethoden und bei der Ätiologie des Kreislaufstillstands zurückzuführen ist [393, 396]. In einem Arm der TTM-Studie wurde das Ödem im CCT ohne formale GWR-Messung visuell beurteilt [397]. In dieser Studie betrug die Spezifität für ein schlechtes neurologisches Ergebnis 98,4–99,6 % [4, 97] bei einer Sensitivität von 33,6–39,5 % [1, 31]. Die meisten Studien zum Hirn-CT waren retrospektive Einzel-Center-Studien.

Magnetresonanztomographie (MRT) des Gehirns.

Neben der CT ist die Magnetresonanztomographie (MRT) des Gehirns der am meisten untersuchte bildgebende prädikative Index bei komatösen Patienten nach Kreislaufstillstand [16]. Die zerebrale MRT ist bei beatmeten Intensivpatienten aufwendiger durchzuführen, und die MRT wurde im Allgemeinen später als die CCT durchgeführt, normalerweise 48 h nach ROSC oder später. Bei der zerebralen MRT tritt ein zytotoxisches Ödem aufgrund einer hypoxisch-ischämischen Hirnschädigung als Hyperintensität bei diffusionsgewichteten MR-Bildgebungssequenzen (DWI-Sequenz) in Erscheinung. Bei der DWI macht man sich zunutze, dass pathologisch veränderte Gewebe (z. B. nach Ischämie) gegenüber dem Normalzustand eine veränderte Wasserdiffusion aufweisen [398]. In mehreren Studien war das Vorhandensein von DWI-Läsionen mit einem schlechten neurologischen Ergebnis nach Kreislaufstillstand verbunden [392, 399,400,401,402]. Die Bewertung wurde jedoch qualitativ durchgeführt und die Spezifität war inkonsistent (Bereich 55,7–100 %). Der erkennbare Diffusionskoeffizient („apparent diffusion coefficient“, ADC) ermöglicht eine semiquantitative Bewertung von DWI-Änderungen, wodurch die Subjektivität etwas gemindert wird. Allerdings wurden in den Prognosestudien unterschiedliche Berechnungsformen des ADC angewendet [16]. Dies umfasste den niedrigsten minimalen oder den Durchschnitts-ADC [403], den Durchschnitts-ADC [404], den Anteil des Gehirnvolumens unter einem bestimmten ADC-Schwellenwert [404, 405] und die maximale Größe der MRT-Cluster mit minimalem ADC [403]. Die meisten dieser Studien bewerteten den globalen ADC, während eine von ihnen den regionalen ADC bewertete [403]. In all diesen Studien wurde ein ADC-Grenzwert für 100 % Spezifität identifiziert, häufig mit einer Sensitivität über 50 %. Alle Studien zur ADC-MRT untersuchten nur kleine Stichproben, was ihre Aussagekraft einschränkt. In vielen Studien wurde die Bildgebung nach Ermessen des behandelnden Arztes durchgeführt, was möglicherweise zu einer Stichprobenverzerrung geführt hat.

Im Gegensatz zur klinischen Untersuchung und zum EEG sind bildgebende Verfahren nicht anfällig für Störeinflüsse durch Sedativa. Darüber hinaus können sie verblindet beurteilt werden. Die Haupteinschränkung besteht in der fehlenden Standardisierung der Messtechniken. Zwar besitzen die verfügbaren Studien für die zerebrale CT und MRT eine hohe Genauigkeit, aber die geringe Anzahl der Studien und die Limitation aufgrund der Variabilität der angewandten Messtechniken schränkt die Reproduzierbarkeit und Aussagekraft stark ein. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, prognostische Bildgebungsstudien nur in Zentren durchzuführen, in denen spezifische Erfahrungen vorhanden sind. Da es derzeit keinen Standard für CT-GWR- oder MR-ADC-Messungen gibt, können diese Techniken empfohlen werden, um eine generalisierte und ausgedehnte ischämische Hirnschädigung zu bestätigen. Ein erfahrener Neuroradiologe kann diesen Befund durch einfache visuelle Analyse erheben. Die Anwendbarkeit von bildgebenden Verfahren ist insbesondere in der frühen Phase nach der Reanimation eingeschränkt, da diese nicht am Krankenbett durchgeführt werden können und bei sehr instabilen Patienten eine MRT möglicherweise nicht durchführbar ist.

Multimodale Prognosestrategie

Die ERC-ESICM-Leitlinien zur Postreanimationsbehandlung aus dem Jahr 2015 enthielten einen Algorithmus zur Vorhersage eines schlechten neurologischen Ergebnisses bei komatösen Patienten nach Kreislaufstillstand [1]. Dieser Algorithmus wurde in jüngsten retrospektiven Studien validiert. Eine Studie an 226 Patienten zeigte, dass die ERC-ESICM-Leitlinien von 2015 eine FPR von 0 % für die Vorhersage eines schlechten Ergebnisses (CPC 3 bis 5) sowohl bei Entlassung aus dem Krankenhaus als auch nach 6 Monaten aufwiesen [305]. In ähnlicher Weise prognostizierte der ERC-ESICM-Algorithmus in einer größeren Single-Center-Kohorte mit 485 komatösen reanimierten Patienten eine CPC 3–5 mit 0 % FPR bei 155 Patienten [406]. Unter den verbleibenden 330 Patienten, die keinen relevanten Prädiktor (oder eine Kombination von Prädiktoren) für ein schlechtes Outcome auswiesen, erreichten zwei Drittel nach 3 Monaten ein gutes neurologisches Ergebnis. In einer retrospektiven multizentrischen Studie, die 585 Patienten aus der TTM-Studie umfasste, hatte der ERC-ESICM-Algorithmus eine FPR von 0 % (95 % CI 0–1,2 %) für die Vorhersage eines schlechten neurologischen Ergebnisses nach 6 Monaten [316].

Der ERC-ESICM-Prognosealgorithmus von 2015 basierte auf einer Kombination von Prädiktoren, einschließlich Ergebnissen der klinischen Untersuchung (fehlende motorische Reaktion oder Vorhandensein von Strecksynergismen, fehlende Pupillen- und Hornhautreflexe, Status myoklonus), Biomarkern (hohe NSE-Serumwerte), fehlender EEG-Reaktivität, Burst-Suppression oder Status epilepticus im EEG, beidseits fehlendem N20-SSEP-Potenzial und Bildgebung (Anzeichen einer diffusen anoxischen Hirnschädigung in der CT oder MRT). Die Evidenz für diese Prädiktoren wurden in 2 im Jahr 2013 veröffentlichten Reviews bewertet [301, 302]. Um eine Aktualisierung der vorliegenden Leitlinien zu ermöglichen, wurde ein neuer Review durchgeführt, dessen Ergebnisse in den vorherigen Absätzen dieses Dokuments mit Schwerpunkt auf einzelne Prognosemodalitäten aufgeführt sind [16]. Das Review 2020 bestätigte weitgehend die Ergebnisse des Reviews 2013 und die Zuverlässigkeit der im Algorithmus 2015 vorgeschlagenen Prädiktoren. Es wurden allerdings einige wichtige Unterschiede festgestellt:

  • Eine anhaltende 0%ige FPR wurde für fehlende Pupillen- und Hornhautreflexe erst nach dem 4. Tag und nicht nach dem 3. Tag, wie im vorherigen Review, erreicht.

  • Die automatisierte Messung des fehlenden Pupillenreflexes mittels Pupillometrie kann eine genauere Vorhersage als die standardmäßige Beurteilung des Pupillenreflexes durch einen Anwender ermöglichen und ist reproduzierbarer.

  • Nach ROSC war die Aussagekraft der NSE-Messung im Zeitraum 48–72 h größer als nach 24 h.

  • Die niedrige FPR eines EEG mit fehlender Reaktivität bzw. einer diskontinuierlichen EEG-Grundaktivität, die in einigen Studien zu TTM-behandelten Patienten im Review von 2013 dokumentiert wurde, konnte im Review von 2020 nicht bestätigt werden.

  • Für den Status epilepticus, einen in den Leitlinien von 2015 vorgeschlagenen Prädiktor, wurde keine einheitliche Definition gefunden.

  • Das Vorhandensein einer supprimierten EEG-Grundaktivität oder eines Burst-Suppression-Musters sagte ein schlechtes Ergebnis mit sehr niedriger FPR voraus, insbesondere wenn es 24–72 h nach ROSC aufgezeichnet wurde. In den früheren Reviews war die Evidenz für supprimierte EEG-Muster vernachlässigbar und die Definitionen der Burst-Suppression uneinheitlich.

  • In mehreren Prognosestudien wurde das EEG gemäß der Standardized-Critical-Care-EEG-Terminologie (Version 2012) der American Clinical Neurophysiology Society (ACNS) klassifiziert [407].

Das Potenzial für eine mögliche Verzerrung von Studienergebnissen war für die meisten verfügbaren Studien hoch. Wie in früheren Übersichten war eine wesentliche Einschränkung in den meisten Studien das Fehlen einer Verblindung. Darüber hinaus wurden mehrere Prädiktoren für ein schlechtes neurologisches Ergebnis als Kriterien für einen Entzug lebenserhaltender Maßnahmen (WLST) verwendet. In beiden Fällen könnte dies zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung geführt haben. Der Review 2020 umfasste hingegen Studien, in denen kein WLST durchgeführt wurde, wodurch das Risiko einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung begrenzt wurde [303, 361, 390, 396, 401]. In diesen Studien bewertete Prädiktoren umfassen das EEG, SSEP (somatosensorisch evozierte Potenziale) und die CCT. Basierend auf den Ergebnissen des Reviews aus 2020 bleiben die meisten Empfehlungen des Prognosealgorithmus 2015 gültig.

Vorgeschlagene Prognosestrategie

Die prognostische Beurteilung soll mit einer genauen klinischen Untersuchung beginnen [408]. Der Schwerpunkt besteht in der Bestätigung, dass der Patient aufgrund einer hypoxisch-ischämischen Hirnschädigung komatös ist. Die klinische Untersuchung soll täglich durchgeführt werden, um Anzeichen einer neurologischen Erholung wie gezielte Bewegungen festzustellen oder um ein klinisches Bild zu identifizieren, das auf einen bevorstehenden Hirntod hindeutet. Letzteres kann weite, lichtstarre Pupillen, einen Diabetes insipidus und kardiovaskuläre Veränderungen umfassen, die auf eine Hirnstamm-Einklemmung (Herniation) hinweisen, wie Bradykardie im Zusammenhang mit Hypertension oder eine anderweitig nicht erklärbare hämodynamische Instabilität. An Hirntod versterben 5–10 % der Patienten, die konventionell reanimiert wurden, und etwa 25 % der Patienten, die eine extrakorporale CPR (eCPR) erhielten [289]. In den meisten Fällen tritt der Hirntod in den ersten 3–4 Tagen nach ROSC auf. Einen Vorschlag für das Hirntod-Screening nach Kreislaufstillstand enthält der Algorithmus in Abb. 7. Die Konsensgruppe des World Brain Death Project (WBDP) hat detaillierte Leitlinien zur Bestimmung des Hirntods nach Behandlung mit zielgerichtetem Temperaturmanagement (TTM) veröffentlicht [19].

Die meisten Patienten erwachen nach einem Kreislaufstillstand innerhalb von 3 bis 4 Tagen nach ROSC aus dem Koma [205, 308]. Patienten, die nach einem Kreislaufstillstand zunächst bewusstlos sind, werden jedoch normalerweise mit Analgetika, Sedativa und Muskelrelaxanzien behandelt, um ein zielgerichtetes TTM zu ermöglichen und die kontrollierte Beatmung und andere lebenserhaltende Maßnahmen zu erleichtern. Um eine zuverlässige klinische Untersuchung zu ermöglichen, sollen diese Arzneimittel daher ausreichend lange abgesetzt werden, um eine Überlagerung durch ihre Wirkung auszuschließen. Die WBDP-Konsensgruppe empfiehlt, die klinische Untersuchung erst nach mindestens 5 Eliminationshalbwertszeiten des Arzneimittels mit der längsten Halbwertszeit durchzuführen [19]. Obwohl diese Empfehlung im Zusammenhang mit der Diagnose des Hirntods ausgesprochen wurde, ist sie für die prognostische Beurteilung gleichermaßen relevant, wenn dies zur Entscheidungsfindung hinsichtlich des Entzugs lebenserhaltender Maßnahmen (WLST) verwendet wird. Kurzwirksame Medikamente sollen möglichst bevorzugt werden, aber selbst ein kurzwirkendes Medikament wie Propofol hat eine Halbwertszeit von 2,3 bis 4,7 h, was bedeutet, dass Sedativa in den meisten Fällen für mindestens 24 h abgesetzt werden müssen. Die Halbwertszeit ist deutlich länger, wenn eine Nieren- und/oder Leberfunktionsstörung vorliegt oder wenn länger wirkende Medikamente verabreicht wurden. Wenn der Verdacht auf einen Überhang der Analgetika, Sedativa oder Muskelrelaxanzien besteht, sollen Antidota eingesetzt werden, um die Wirkung dieser Medikamente aufzuheben. Flumazenil zur Antagonisierung von Benzodizepinen sollte zurückhaltend eingesetzt werden, um die Provokation von epileptischen Anfällen zu vermeiden. Neben einer (Analgo‑)Sedierung und neuromuskulärer Blockade stellen Hypothermie, schwere Hypotonie, Sepsis sowie Stoffwechsel- oder Atemstörungen andere wesentliche Probleme dar.

Eine schlechte motorische Reaktion hat eine relativ geringe Spezifität, aber eine hohe Sensitivität für die Vorhersage eines schlechten neurologischen Ergebnisses nach Kreislaufstillstand. Daher kann die motorische Reaktion verwendet werden, um Patienten zu identifizieren, die eine Prognoseabschätzung benötigen. Eine fehlende motorische Reaktion oder Strecksynergismen (M ≤ 2) gemäß Glasgow Coma Scale (GCS) war das Einstiegskriterium des Prognosealgorithmus von 2015. Jüngste Erkenntnisse zeigten jedoch, dass die Verwendung von M ≤ 3 als Einstiegskriterium die Sensitivität für die Vorhersage eines schlechten Ergebnisses erhöht, ohne die Spezifität zu verringern [316, 409]. Die unten beschriebene Prognosestrategie gilt für Patienten, die ≥96 h nach ROSC komatös sind und eine motorische Reaktion (M) von 3 oder weniger (abnormale Beugung, Streckung oder keine Reaktion) aufweisen. Zu diesem Zeitpunkt werden auch Ergebnisse früherer Prognosetests berücksichtigt.

Es soll aktiv nach Anzeichen gesucht werden, die auf ein Potenzial für eine Erholung hinweisen. Diese werden häufig früh im klinischen Verlauf nach Reanimation identifiziert. In einer Studie an 357 komatösen Überlebenden eines Kreislaufstillstands sagte ein unauffälliges EEG (normale Grundrhythmen und -muster, keine niedrigamplitudigen Muster, keine epileptiformen Entladungen), das innerhalb von 24 h nach ROSC aufgezeichnet wurde, ein gutes neurologisches Ergebnis mit 76 % [69–82] Sensitivität und 88 % [82–92] Spezifität voraus [341]. Bei 250 Patienten mit unbestimmtem Reanimationserfolg am Tag 3 gemäß dem ERC-ESICM-Prognosealgorithmus von 2015 war das Vorhandensein eines benignen EEG in 184 Fällen mit einem guten neurologischen Ergebnis verbunden (positiver Vorhersagewert 74 %; [406]). Unter 14 Patienten, die sich erholten, nachdem ihr Outcome in einer anderen Validierungsstudie als unbestimmt definiert wurde, hatte die Mehrheit niedrige und abnehmende NSE-Werte und alle bis auf einen hatten Kammerflimmern im anfänglichen EKG [316]. Andere potenziell nützliche Indizes für ein gutes neurologisches Ergebnis sind das Fehlen von Diffusionsänderungen bei der MRT des Gehirns und niedrige Plasmawerte des Proteins Neurofilament-light-chain (NFL, Biomarker für Neurodegeneration) innerhalb von 72 h nach ROSC [234, 392, 400, 401]. Jüngste Erkenntnisse zeigen, dass ein benignes EEG nicht mit dem Vorhandensein anderer Prädiktoren für ein schlechtes neurologisches Ergebnis assoziiert ist, insbesondere beidseits fehlendes N20-SSEP-Potenzial (somatosensorisch evozierte Potenziale, SSEP; [410,411,412]). Wenn Prädiktoren für eine mögliche neurologische Erholung mit anderen Prädiktoren zusammentreffen, welche auf ein schlechtes Ergebnis hinweisen, besteht die Möglichkeit, dass letztere Anzeichen falsch-positiv sind. Wir empfehlen, in diesem Fall die Ergebnisse der Prognoseindizes neu zu bewerten und die Tests zu wiederholen.

Bei einem komatösen Patienten mit M ≤ 3 bei ≥72 h seit ROSC ist ohne Störfaktoren ein schlechtes Ergebnis wahrscheinlich, wenn 2 oder mehr der folgenden Prädiktoren vorliegen: keine Pupillen- und Hornhautreflexe bei ≥72 h, beidseits fehlendes N20-SSEP-Potenzial bei ≥24 h, hochmalignes EEG bei >24 h, NSE >60 µg/l bei 48 h und/oder 72 h, Status myoklonus ≤72 h oder eine diffuse und ausgedehnte anoxische Hirnschädigung in der CT/MRT. Die meisten dieser Zeichen können weniger als 72 h nach ROSC beobachtet werden, ihre Ergebnisse werden jedoch nur zum Zeitpunkt der klinischen Prognoseerstellung gewertet. Eine kürzlich durchgeführte Studie hat gezeigt, dass eine Strategie mit Verwendung von ≥2 Prädiktoren eine 0 % [0–8] FPR aufwies, verglichen mit 7 % [1–18] der schrittweisen ERC-ESICM-Strategie von 2015 (aufgrund falsch-positiver Ergebnisse für die Lichtreaktion der Pupillen; [413]).

Aus den beiden Reviews von 2013 und 2020 geht hervor, dass eine bilateral fehlende N20-SSEP-Welle der am häufigsten dokumentierte Prädiktor für ein schlechtes Ergebnis ist und am häufigsten mit einer 100%igen Spezifität in Verbindung gebracht wird. Gelegentlich wurde jedoch von falsch-positiven Vorhersagen berichtet. In einigen dieser Fälle war die Ursache für ein falsch-positives Ergebnis eine inkorrekte Interpretation des SSEP-Datensatzes aufgrund von Artefakten [414]. Eine neuromuskuläre Blockade verbessert die Interpretierbarkeit von SSEP und soll nach Möglichkeit erfolgen [415].

Die Lichtreaktion der Pupillen und der Hornhautreflex sind ebenfalls sehr spezifisch für ein schlechtes Ergebnis, wenn sie 72 h oder länger nach ROSC bilateral fehlen. Basierend auf Expertenmeinungen schlagen wir vor, dass beide Reflexe zum Zeitpunkt der prognostischen Beurteilung fehlen sollen, damit sie ein schlechtes Ergebnis zuverlässig vorhersagen können. Anders als bei SSEP kommt es durch eine Sedierung zu Störungen der Augenreflexe. Außerdem können Hornhautreflexe durch Muskelrelaxanzien beeinflusst werden. Diese Störfaktoren sollen ausgeschlossen werden, bevor Augenreflexe bewertet werden. Die visuelle Beurteilung der Pupillenreaktion auf Licht kann beeinträchtigt sein, wenn die Pupillengröße weniger als 6 mm beträgt [311]. Begrenzte Daten zeigen, dass bei reanimierten komatösen Patienten die automatisierte Pupillometrie zur Beurteilung der Lichtreaktion empfindlicher als die visuelle Beurteilung ist, wenn die Pupillengröße klein ist. Die Pupillometrie verringert daher das Risiko falsch-positiver Ergebnisse [313]. Im Gegensatz zur visuellen Pupillenbeurteilung durch einen Anwender arbeitet die automatisierte Pupillometrie mit eine Lichtquelle mit standardisierten Eigenschaften (Intensität, Dauer und Abstand zum Auge) und misst die Pupillenreaktion quantitativ, wodurch die Reproduzierbarkeit sichergestellt wird. Aus diesem Grund empfehlen wir, eine fehlende Pupillenreaktion auf Lichteinfall mit einem Pupillometer festzustellen, falls verfügbar.

Ein Status myoklonus ist eine längere Zeitspanne von myoklonischen Muskelzuckungen. Obwohl es keine universelle Definition für den Status myoklonus gibt, schlagen wir auf der Grundlage unserer vorherigen Definition [1] vor, dass bei komatösen Überlebenden eines Kreislaufstillstands der Status myoklonus als kontinuierlicher und generalisierter Myoklonus von 30 min Dauer oder länger definiert werden soll. Im Review 2020 wurde der Status myoklonus in zwei Studien dokumentiert. Eine der Studien verwendete eine Definition, die mit der oben verwendeten vergleichbar ist. Insgesamt gab es unter 113 Patienten, die diesen Befund zeigten, nur ein falsch-positives Ergebnis. Neben der Dauer und Kontinuität deuten weitere Merkmale des Myoklonus auf ein schlechtes Ergebnis hin. Dazu gehören eine generalisierte (vs. fokale), eine axiale (vs. distaler) oder eine stereotypische (vs. variabler) Verteilung. Umgekehrt weisen einige EEG-Merkmale auf ein potenziell günstiges Ergebnis hin, wie z. B. eine kontinuierliche oder eine reaktive Hintergrund-Aktivität im EEG oder das Vorhandensein von Spike-Wave-Entladungen, welche mit den myoklonischen Muskelzuckungen synchronisiert sind [184]. Wir empfehlen, bei Patienten mit Postarrestmyoklonien ein EEG aufzuzeichnen, um sowohl eine epileptiforme Aktivität als auch Anzeichen für eine mögliche Genesung zu erkennen.

Zu den ungünstigen EEG-Mustern, die wahrscheinlicher mit einem schlechten Ergebnis assoziiert sind, zählen ,Supression‘ und ,Burst-Suppression‘-Muster. Gemäß ACNS-Definition liegt eine Suppression (niedrigamplitudige bis isoelektrische EEG-Muster) im Hintergrund-EEG vor, wenn >99 % der EEG-Perioden eine Spannung von weniger als 10 μV aufweisen. Burst-Suppression ist hingegen definiert als Vorliegen von Suppressionsphasen <10 μV im Bereich von 50 bis 99 % der Ableitung, wobei sich Suppressionen mit Bursts abwechseln. In den Reviews 2013 waren die Definitionen dieser Muster inkonsistent. Wir empfehlen, bei der Bewertung dieser Prognosemuster die ACNS-Terminologie zu verwenden, um eine eindeutige Identifizierung sicherzustellen [190]. Während der ersten 12–24 h nach ROSC haben beide Muster eine höhere Prävalenz, aber auch ein höheres Risiko für falsch-positive Vorhersagen. Sedativa, die zur Durchführung eines TTM verwendet werden, können zu Fehlinterpretationen beitragen. Wir empfehlen, diese EEG-Muster erst 24 h nach ROSC für die Prognose zu verwenden. Das Fehlen einer Aktivität im Hintergrund-EEG weist eine inkonsistente Spezifität für ein schlechtes neurologisches Ergebnis auf, und wir empfehlen, es nicht mehr für diesen Zweck zu verwenden.

Hohe NSE-Serumwerte sind ein Zeichen für eine Schädigung neuronaler Zellen und werden seit Langem als Prädiktor für ein schlechtes neurologisches Ergebnis nach Kreislaufstillstand empfohlen [416]. Es besteht jedoch immer noch Unsicherheit darüber, welche Zeitpunkte und Grenzwerte optimal sind. Evidenz aus unserem Review zeigte, dass die Vorhersage mit 0 % FPR zwar jederzeit von 24 h bis 7 Tage nach ROSC erreicht werden kann, die Sensitivität einer einzelnen NSE-Messung für die Vorhersage eines schlechten neurologischen Ergebnisses mit 0 % FPR jedoch nach 48–72 h nach ROSC am höchsten ist [16]. Unser Review bestätigte jedoch, dass der NSE-Schwellenwert für 0 % FPR aufgrund einiger weniger Patienten mit gutem neurologischem Ergebnis trotz sehr hoher NSE-Werte inkonsistent ist. Das Vorhandensein dieser Ausreißer kann teilweise durch die Freisetzung von NSE aus extrazerebralen Quellen wie Erythrozyten oder neuroendokrinen Tumoren erklärt werden. Bei Verwendung von NSE zur Neuroprognostikation werden eine wiederholte Blutentnahme und ein sorgfältiger Ausschluss extrazerebraler Quellen empfohlen. Eine weitere Ursache für die Variabilität der NSE-Schwellenwerte sind die verschiedenen verwendeten Messtechniken [384]. In unserem Review im Jahr 2020 betrugen die höchsten aufgezeichneten NSE-Schwellenwerte für 0 % FPR nach 48 und 72 h nach ROSC 120 µg L−1 und 79 µg L−1. Diese Daten beziehen sich jedoch auf Ausreißer, und in den meisten Studien betrug der FPR-Schwellenwert von 0 % 60 µg L−1 bzw. 50 µg L−1. Basierend auf diesen Daten nehmen wir an, dass das Risiko einer falsch-positiven Vorhersage in Verbindung mit einem NSE-Wert von 60 µg L−1 minimal ist, insbesondere weil das NSE-Signal von mindestens einem anderen Prädiktor bestätigt werden soll. Wir empfehlen jedoch, dass Krankenhauslabors, die NSE verwenden, ihre eigenen Normalwerte und Grenzwerte basierend auf dem verwendeten Testkit erstellen. Ein Anstieg der NSE-Werte zwischen 24 h und 48 h oder zwischen 24/48 h und 72 h deutet ebenfalls auf ein schlechtes Ergebnis hin, selbst wenn der zunehmende prognostische Wert des Hinzufügens von NSE-Trends zu einem einzelnen NSE-Wert ungewiss ist [16, 378, 382]. Wir empfehlen, 24, 48 und 72 h nach ROSC serielle NSE-Bestimmungen durchzuführen, damit NSE-Trends erkannt und Störungen durch gelegentliche Hämolyse minimiert werden können.

Anzeichen einer diffusen und ausgedehnten hypoxisch-ischämischen Hirnverletzung bei der Hirn-CT sind eine Auslöschung der kortikalen Sulci und eine verringerte Ventrikelgröße (hauptsächlich aufgrund eines vasogenen Ödems) sowie eine verringerte Dichte der grauen Substanz mit Verringerung oder Verlust der Abrenzung von grauer zu weißer Substanz (GM/WM) aufgrund eines zytotoxischen Ödems. In einem Review wurde in einer Studie der erste Befund qualitativ ermittelt [397], basierend auf der visuellen Bewertung durch einen Neuroradiologen, während die meisten Studien die reduzierte bzw. fehlende Weiß-grau-Differenzierung (GWR), gemessen in Hounsfield-Einheiten verwendeten. Dies wurde im Allgemeinen innerhalb von 2 h nach ROSC durchgeführt, aber einige Studien bewerteten die GWR innerhalb von 24 h [304, 389] und eine innerhalb von 72 h. [391] Wie bei anderen Prädiktoren, die auf kontinuierlichen Variablen basieren, variierten die GWR-Grenzwerte für 0 % FPR zwischen den Studien, vermutlich aufgrund von Variationen in den Methoden zur GWR-Berechnung, der Software oder der Scannereigenschaften [16].

Eine hypoxisch-ischämische Hirnverletzung verringert die Wasserdiffusionsfähigkeit, die bei der Magnetresonanztomographie (MRT) als Hyperintensität bei diffusionsgewichteten Bildgebungssequenzen mit entsprechend niedrigen Werten für den erkennbaren Diffusionskoeffizienten (ADC) auftritt. Bei schweren hypoxisch-ischämischen Hirnschädigungen betrifft die Hyperintensität des DWI in ausgedehnter Form die Großhirnrinde sowie die Basalganglien. Die Messung des ADC ermöglicht eine quantitative Beurteilung des Schweregrads von Diffusionsänderungen. In Studien zur Prognose nach Kreislaufstillstand wurden 3 Methoden zur ADC-Messung beschrieben: der mittlere globale oder regionale ADC-Wert des Gehirns, [404] der Anteil von Voxeln mit niedrigem ADC, ADC, [405] und die maximale Größe der MRI-Cluster mit minimalem ADC [403]. Alle diese Studien identifizierten ADC-Schwellenwerte für 0 % FPR, häufig mit einer entsprechend hohen Empfindlichkeit. Diese Schwellenwerte waren jedoch innerhalb derselben Studie und derselben Technik in verschiedenen Bereichen des Gehirns uneinheitlich.

Aufgrund der fehlenden Standardisierung der Messmethoden und des Fehlens multizentrischer Validierungsstudien mit vergleichbaren Messtechniken empfehlen wir, auf Neurobildgebung basierende Vorhersageindizes nur in Einrichtungen zu verwenden, in denen spezifische Erfahrungen verfügbar sind. Wir schlagen außerdem vor, dass Zentren, die Neurobildgebung zur Prognose nach Kreislaufstillstand verwenden, ihre eigenen Normwerte und Grenzwerte, basierend auf der verwendeten Technik, erstellen.

Wenn keines der oben beschriebenen Kriterien für ein schlechtes Ergebnis vorliegt, bleibt der neurologische Ausgang unbestimmt (Abb. 5). Wir empfehlen daher die Beobachtung und wiederholte Neubewertung von Patienten mit unklarem Ergebnis, um Anzeichen eines Erwachens festzustellen. In 3 Studien an reanimierten komatösen Patienten, die 24 h lang mit TTM behandelt wurden, betrug die Prävalenz des späten Erwachens, definiert als Wiederherstellung des Bewusstseins nach ≥48 h nach Beenden der Sedierung, 20/89 (22 %; [417]), 56/194 (29 %; [308]) und 78/228 (34 %; [207]). Die letzten Patienten erwachten am 11. und 12. Tag, bzw. am 23. Tag nach Absetzen der Sedierung. In 2 weiteren Studien erwachte der letzte Patient am 22. bzw. am 29. Tag [406, 418]. Organfunktionsstörungen, wie z. B. ein Postreanimationsschock- oder Nierenversagen [207, 308], und die Verwendung von Midazolam anstelle von Propofol zur Sedierung [207, 268] waren mit einer höheren Wahrscheinlichkeit eines späten Erwachens verbunden, was darauf hindeutet, dass zumindest einige Fälle davon auf eine verringerte Clearance der Sedierung zurückzuführen sein könnten. In einer Vorher-Nachher-Studie wurde bei 460 Patienten, die nach Reanimation komatös blieben und mit TTM behandelt wurden, 2 Sedierungsschemata (Propofol-Remifentanil vs. Midazolam-Fentanyl) verglichen. Die Verwendung von Propofol-Remifentanil war mit einer signifikant geringeren Wahrscheinlichkeit eines verzögerten Erwachens verbunden (OR 0,08 [0,03–0,2]; [308]), was indirekte Evidenz aus einer früheren kleineren Studie bestätigt [267].

Ein verzögertes Erwachen schließt eine vollständige neurologische Erholung nicht aus. Bei reanimierten Patienten, die komatös bleiben, nimmt die Wahrscheinlichkeit des Erwachens mit der Zeit allerdings progressiv ab. Vergleicht man die Zeiträume des Wachwerdens, sind die Raten für ein gutes neurologisches Ergebnis im Allgemeinen umso niedriger, je später die Patienten wach werden [207, 308, 418].

Die vorliegenden Leitlinien gelten nur für die neurologische Prognose. Neben der hypoxisch-ischämischen Hirnschädigung gehören zu den anderen, wenn auch weniger häufigen Todesursachen bei reanimierten komatösen Patienten kardiovaskuläre Instabilität [26] und Multiorganversagen [306, 307]. Diese Faktoren können, unabhängig vom neurologischen Status des Patienten, zu Behandlungslimitationen führen oder auch nach einer neurologischen Erholung zum Tod infolge einer nichtneurologischen Ursache führen [298, 310, 419]. In der klinischen Praxis soll ein umfassender prognostischer Ansatz bei reanimierten komatösen Patienten in jedem Fall den Einfluss extrazerebraler Faktoren sowie von Patientencharakteristika wie Alter, Komorbiditäten und den Patientenzustand berücksichtigen.

Abbruch der lebenserhaltenden Therapie oder Therapiezieländerung

Nur ein kleiner Teil der reanimierten Patienten, die auf einer Intensivstation behandelt werden, stirbt in den ersten Tagen aufgrund einer Herz-Kreislauf-Dysfunktion oder eines massiven Hirnödems, welches zum Hirntod führt. Die meisten Todesfälle hingegen basieren auf der Entscheidung, die lebenserhaltende Therapie (WLST) abzubrechen [25, 26, 29, 306]. Im Allgemeinen ist die Annahme, dass das endgültige neurologische Ergebnis des Patienten schlecht sein wird, von zentraler Bedeutung für diese Entscheidung [29]. Bereits bestehende Komorbiditäten können ebenfalls zu einer WLST-Entscheidung beitragen [25]. Das klinische Team, das die Prognose eines einzelnen Patienten diskutiert, muss zwei Aspekte berücksichtigen: Einerseits kann eine unangemessen pessimistische Prognose bei Patienten, die ansonsten möglicherweise ein gutes funktionelles Ergebnis erzielt hätten, zum Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen führen. Andererseits kann eine starke Zurückhaltung bei der Entscheidungsfindung dazu führen, dass der Patient schwerbehindert überlebt, was weder durch ihn selbst noch durch die Angehörigen erwünscht sein dürfte [420]. Patienten erhalten entweder keine spezifische Therapie, weil sie nicht verfügbar ist oder weil aktiv entschieden wird, diese zurückzuhalten. Die Hauptgründe für einen Therapieverzicht liegen darin, dass die Therapie dem Patienten nicht zugute kommt oder, falls bekannt, der Wunsch des Patienten besteht, keine spezifische Therapie zu erhalten [420, 421]. Es gibt nur wenige spezifische Daten zum Verzicht auf lebenserhaltende Therapien bei Patienten nach Kreislaufstillstand.

Die Praxis des Abbruchs lebenserhaltender Maßnahmen wird europaweit sehr unterschiedlich gehandhabt und hat Einfluss auf den Anteil der Kreislaufstillstandpatienten, die mit schwerer Hirnschädigung (CPC 3–4) überleben. Da keine qualitativ hochwertigen Daten vorliegen, scheint dieser Anteil stark zu variieren, nämlich etwa zwischen 10 und 50 % [246, 303, 419]. Die offensichtlichsten Auswirkungen treten bei Patienten auf, die im Wachkoma (CPC 4) bleiben. Zum Beispiel waren in einer nordeuropäischen Studie [246] 1/243 (0,4 %) Überlebende nach 6 Monaten in der CPC 4, im Vergleich zu 61/195 (31 %) in einer italienischen multizentrischen Studie [303]. Hinweise auf Unterschiede in der WLST-Praxis in ganz Europa wurden auch in der Ethicus-Studie gefunden: Ärzte aus Südeuropa neigten seltener dazu, die Behandlung abzubrechen als Ärzte aus Nordeuropa. Religiöse Aspekte hatten ebenfalls Einfluss [422]. Die Ethicus-2-Studie hat gezeigt, dass der Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen und eine Zurückhaltung bei der Therapie von allgemeinen Intensivpatienten in den letzten 15–20 Jahren zugenommen hat [423].

Aktuelle Studien, die auf dem Propensity-Score-Matching basieren, zeigen, dass ein vorzeitiger (<72 h) Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen aus neurologischen Gründen häufig vorkommt und die Todesursache für einen erheblichen Teil der Patienten sein könnte, die sich nach einer länger dauernden Intensivbehandlung möglicherweise neurologisch erholt hätten [424, 425]. Der Hirnstamm ist, verglichen mit dem Großhirn, unempfindlicher gegen hypoxisch-ischämische Schädigungen und die Wiederherstellung von Funktionen wie Spontanatmung und Schlaf-Wach-Zyklus ist Teil des Wegs zu einem Wachkoma. Der Zeitraum, in dem der Patient noch auf der Intensivstation ist, wird manchmal als „Zeitfenster, welches dem Tod Gelegenheit bietet“ bezeichnet [426]. Diese Wahrnehmung kann ein Gefühl der Dringlichkeit bei den Angehörigen und dem Behandlungsteam hervorrufen, das sich indirekt auf Entscheidungen über vorzeitige WLST auswirkt [427, 428]. In einer qualitativen Studie wurden Probleme in der Kommunikation zwischen Familie und Team als wichtiger Faktor für einen vorzeitigen Entzug lebenserhaltender Maßnahmen nach Kreislaufstillstand identifiziert [428]. Die Vermeidung von Unsicherheit durch die betreuenden Teams kann ebenfalls eine Rolle spielen und zu übermäßig pessimistischen Wahrnehmungen der Prognose führen [429].

Obwohl einige Tests eine hohe Spezifität für die Vorhersage eines schlechten Ergebnisses vor 72 h zeigen, empfehlen wir, Schlussfolgerungen über die neurologische Prognose im Allgemeinen auf mindestens 72 h nach dem Kreislaufstillstand zu verschieben und den Einfluss von Sedativa und Stoffwechselfaktoren auszuschließen. Dies ermöglicht es den meisten Patienten mit gutem Outcome, vor der Prognoseeinschätzung aufzuwachen, wodurch das Risiko falscher Vorhersagen verringert wird [268]. Wir empfehlen lokale Protokolle, wie Informationen über das Ausmaß von Hirnschädigungen in den ersten Tagen gesammelt werden können. Verwenden Sie alle verfügbaren Ressourcen, um eine multimodale Bewertung vorzunehmen [10, 16]. Verwandte benötigen regelmäßig klare und strukturierte Informationen und ein Verständnis ihrer Rolle bei der Entscheidungsfindung. Frühindikatoren für eine schlechte Prognose können in ausgewogener Weise übermittelt werden, um die Angehörigen über die ernste Situation zu informieren und Zeit für Anpassungen zu schaffen, bevor kritische Entscheidungen getroffen werden. Die Pflegekräfte am Krankenbett sind mit trauernden Angehörigen konfrontiert, was sehr stressig sein kann [428]. Planen Sie ausreichend Zeit für die Kommunikation über die Prognose innerhalb des Teams und mit den Verwandten ein [430].

Obwohl die Beurteilung der neurologischen Prognose nach Kreislaufstillstand und Diskussionen über den Entzug lebenserhaltender Maßnahmen sehr häufig miteinander verknüpft sind, sollen Sie versuchen, diese Prozesse in Diskussionen und Dokumentationen zu trennen. Entscheidungen über den Entzug lebenserhaltender Maßnahmen müssen auch andere Aspekte als die wahrgenommene Hirnschädigung berücksichtigen, z. B. Alter, Komorbiditäten und die Prognose für die allgemeinen Organfunktionen [25]. Aus ethischen Gründen kann ein Entzug lebenserhaltender Maßnahmen daher für Patienten in Betracht gezogen werden, bei denen die neurologische Prognose ungewiss oder sogar günstig ist. Umgekehrt kann die Intensivtherapie trotz schlechter neurologischer Prognose verlängert werden, da für einen einzelnen Patienten keine absolute Sicherheit erreicht werden kann [431]. Die Präferenzen des Patienten sind von zentraler Bedeutung. Da der Patient nicht gefragt werden kann und Patientenverfügungen bei Patienten mit Kreislaufstillstand selten sind, sind die Angehörigen normalerweise die Hauptinformationsquelle über die wahrscheinlichen Wünsche des Patienten.

Langzeitergebnisse nach Kreislaufstillstand

Langfristiger Reanimationserfolg

In Ländern, in denen WLST nicht weit verbreitet ist, ist ein schlechtes Ergebnis aufgrund einer hypoxisch-ischämischen Hirnschädigung häufig [390, 432]. Die Prognose von Patienten, die einen Monat nach dem Kreislaufstillstand noch im Koma liegen oder nicht mehr wach sind, ist schlecht und sie erholen sich selten [432, 433]. Im Gegensatz dazu wird in Ländern, in denen ein Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen (WLST) praktiziert wird, bei der Mehrheit der Überlebenden ein gutes neurologisches Ergebnis definiert, basierend auf Ergebnisparametern, wie z. B. der Cerebral Performance Categories (CPC), der modifizierten Rankin Scale (mRS) oder der Glasgow Outcome Scale/Extended (GOS/E; [293, 414, 434,435,436]). Diese Skalen sind jedoch nicht sensitiv genug, um die Probleme zu erfassen, mit denen viele Überlebende konfrontiert sind, einschließlich kognitiver, emotionaler und physischer Probleme und Müdigkeit [437,438,439]. Tatsächlich haben ungefähr 40–50 % der Überlebenden langfristige kognitive Beeinträchtigungen [232, 440, 441]. Beeinträchtigungen sind meist leicht bis mittelschwer, und obwohl alle kognitiven Bereiche betroffen sein können, treten die meisten Probleme im Gedächtnis, in der Aufmerksamkeit, in der Verarbeitungsgeschwindigkeit und bei sog. exekutiven Funktionen auf (z. B. Planung, Organisation, Initiierung, Flexibilität; [232, 437, 440,441,442]). Im Allgemeinen erfolgt der Großteil der kognitiven Erholung in den ersten 3 Monaten nach dem Kreislaufstillstand [443,444,445].

Emotionale Probleme treten ebenfalls häufig auf. Drei bis sechs Monate nach dem Kreislaufstillstand berichten 15–30 % der Überlebenden von Angst; diese besteht nach 12 Monaten noch bei 15–23 % [446,447,448]. Depressive Symptome reichen von 13 bis 32 % nach 3–6 Monaten und nehmen nach 12 Monaten auf 5–15 % ab [446,447,448,449]. Die Symptome von posttraumatischem Stress bleiben bei etwa einem Viertel der Überlebenden bestehen [438, 446, 449, 450]. Darüber hinaus zeigen einige Überlebende Verhaltensprobleme wie aggressives/ungehemmtes Verhalten oder emotionale Labilität [441].

Von Müdigkeit wird ebenfalls häufig berichtet, diese tritt nach 6 Monaten bei etwa 70 % der Überlebenden auf und besteht ein Jahr nach dem Ereignis bei der Hälfte der Überlebenden [446, 451, 452]. Über körperliche Probleme, einschließlich Rippenfrakturen, Muskelschwäche und Gehschwierigkeiten, wurde ebenfalls berichtet [439, 446, 453, 454]. Der Einfluss des Überlebens auf die körperliche Funktion hat jedoch bisher wenig Beachtung gefunden. Im Vergleich zu alters- und geschlechtsentsprechenden Bevölkerungsgruppen wurde bei Überlebenden nach 3 Monaten [455], nach 6 Monaten [454], nach 12 Monaten [436] und 3 Jahren von einer verminderten körperlichen Funktionsfähigkeit berichtet [453]. Fast die Hälfte der Überlebenden gibt Einschränkungen aufgrund körperlicher Schwierigkeiten nach 6 Monaten an [454], wobei bis zu 40 % Mobilitätsprobleme beschreiben und Einschränkungen bei üblichen Aktivitäten nach 12 Monaten [436, 446, 456].

Nach der Entlassung können die meisten Überlebenden nach Hause zurückkehren und nur ein kleiner Prozentsatz (1–10 %) muss in eine Langzeitpflegeeinrichtung verlegt werden [446, 456, 457]. Die große Mehrheit (82–91 %) ist in ihren grundlegenden Aktivitäten des täglichen Lebens (ATL) unabhängig [231, 440, 453, 456]. Obwohl die meisten Überlebenden in der Lage sind, ihre Aktivitäten von vor dem Kreislaufstillstand wieder aufzunehmen, erleben sie mehr Einschränkungen der sozialen Kontakte im Vergleich zu Patienten mit Myokardinfarkt [446, 452]. Kognitive Beeinträchtigungen, Depressionen, Müdigkeit und eingeschränkte Mobilität sind negative Prädiktoren für die zukünftige Teilnahme am gesellschaftlichen Leben [452].

Von denjenigen, die zuvor gearbeitet haben, können 63–85 % zur Arbeit zurückkehren, obwohl einige ihre Arbeitszeiten oder die Art der Tätigkeit anpassen müssen [436, 446, 452, 453, 456, 458,459,460]. Eine verringerte Wahrscheinlichkeit einer Rückkehr zur Arbeit ist mit kognitiven Problemen und Müdigkeit, nicht beobachtetem prähospitalen Kreislaufstillstand, fehlender CPR durch Anwesende, weiblichem Geschlecht, höherem Alter und niedrigerem sozioökonomischen Status verbunden [452, 455, 458,459,460].

Kognitive Beeinträchtigungen, emotionale Probleme und weibliches Geschlecht sind mit einer geringeren Lebensqualität verbunden [436, 444, 454, 455, 461,462,463,464,465,466]. Die allgemeine gesundheitsbezogene Lebensqualität wird jedoch im Durchschnitt als gut angegeben, wobei sich die Gesamtwerte den normalen Bevölkerungswerten annähern, wie in zwei systematischen Übersichten gezeigt und in mehreren aktuellen Studien bestätigt wurde [231, 436, 456, 467, 468]. Solche allgemeinen Bewertungen sind nicht ausreichend detailliert, um die Bandbreite der Probleme der Überlebenden umfassend zu erfassen, sodass die Auswirkungen des Überlebens des Kreislaufstillstands möglicherweise unvollständig erfasst werden [293]. Es wird empfohlen, eine solche allgemeine Bewertung durch eine zustands- oder problemspezifische Bewertung zu ergänzen [293].

Ausführlichere Informationen zur Genesung und zum Langzeitergebnis nach Kreislaufstillstand sowie eine Beschreibung der aktuellen Rehabilitationspraktiken in Europa finden Sie im Abschnitt Epidemiologie der Leitlinien 2021 des European Resuscitation Council [469].

Beurteilung und Nachsorge im Krankenhaus und nach Entlassung

Frühzeitige Rehabilitation und Beurteilung während der Krankenhausphase.

Es gibt keine Studien zu Frührehabilitationsmaßnahmen für Überlebende nach Kreislaufstillstand, aber es gibt erhebliche Überschneidungen mit dem Postintensivbehandlungssyndrom („post-intensive care syndrome“, PICS). Für andere Intensivpatienten werden Interventionen zur Frühmobilisierung und Delirprävention beschrieben und ähnliche Interventionen werden auch für Patienten nach Kreislaufstillstand als hilfreich angesehen [439, 470,471,472]. Empfehlungen in den Leitlinien des britischen National Institute for Health and Care Excellence (NICE) für die Rehabilitation nach kritischer Erkrankung legen nahe, dass individuelle Rehabilitationspläne und Informationen vor der Entlassung von der Intensivstation und aus dem Krankenhaus bereitgestellt werden sollen, basierend auf funktionellen Beurteilungen von physischen und nichtphysischen (z. B. kognitiven und emotionalen) Beeinträchtigungen [473]. Eine kürzlich veröffentlichte wissenschaftliche Stellungnahme der AHA zum Thema Überleben nach Kreislaufstillstand zeigt jedoch, dass es an der Entlassungsplanung und der Organisation der anschließenden Rehabilitation häufig mangelt [439].

Wir empfehlen daher, vor der Entlassung aus dem Krankenhaus Informationen bereitzustellen und funktionelle Beurteilungen von körperlichen und nichtkörperlichen Beeinträchtigungen durchzuführen, um den potenziellen Rehabilitationsbedarf zu ermitteln und gegebenenfalls eine Überweisung zur Rehabilitation zu veranlassen (Abb. 6).

Nachsorge und Screening nach Entlassung aus dem Krankenhaus.

Obwohl kognitive Beeinträchtigungen, emotionale Probleme und Müdigkeit nach einem Kreislaufstillstand häufig sind, werden diese „unsichtbaren Probleme“ von Angehörigen der Gesundheitsberufe nicht immer erkannt [444, 452, 455, 459, 466]. Da diese Probleme einen erheblichen Einfluss auf das Langzeitergebnis und die Lebensqualität haben, soll die Nachsorge so organisiert werden, dass diese Probleme frühzeitig erkannt werden und entweder eine angemessene Pflege ermöglicht oder Rehabilitation arrangiert wird [474,475,476].

Zwar gibt es zu dieser Thematik kaum Evidenz, allerdings konnte eine randomisierte kontrollierte Studie zeigten, dass für Überlebende nach Kreislaufstillstand und ihre Betreuungspersonen ein Frühinterventionsdienst das emotionale Wohlbefinden und die Lebensqualität verbesserte, eine schnelleren Rückkehr zur Arbeit ermöglichte und kostengünstig war [477, 478]. Dieses individualisierte Programm wird von einer spezialisierten Pflegeperson angeboten, beginnt kurz nach der Entlassung aus dem Krankenhaus und umfasst 1–6 Konsultationen in den ersten 3 Monaten. Die Intervention besteht aus einem Screening auf kognitive und emotionale Probleme, der Bereitstellung von Informationen und Unterstützung sowie der Überweisung an eine weitere spezialisierte Pflegepersonen, falls angezeigt [479, 480]. Es gibt mehrere andere Beispiele dafür, wie die Nachsorge nach einem Kreislaufstillstand organisiert werden kann [476, 481, 482]. Die UK NICE-Leitlinien für die Rehabilitation nach kritischer Erkrankung empfehlen ebenfalls eine Nachsorge und Neubewertung für physische und nichtphysische Probleme 2–3 Monate nach der Entlassung, um verbleibende Probleme und den Bedarf nach weiterer Unterstützung identifizieren zu können [473]. Für Überlebende nach Kreislaufstillstand wurden ebenfalls Neubewertungen nach 3, 6 und 12 Monaten vorgeschlagen [439].

Wir empfehlen daher die systematische Nachsorge aller Überlebenden eines Kreislaufstillstands innerhalb von 3 Monaten nach der Entlassung aus dem Krankenhaus, die zumindest ein kognitives Screening, ein Screening auf emotionale Probleme und Müdigkeit sowie die Bereitstellung von Informationen und Unterstützung für Patienten und ihre Familie umfassen soll (Abb. 6).

Screening auf kognitive Probleme.

Um die kognitiven Fähigkeiten zu beurteilen, kann der Patient nach häufigen Beschwerden wie Gedächtnisproblemen, Aufmerksamkeitsschwierigkeiten, Ablenkbarkeit, Langsamkeit im Denken, Reizbarkeit und Problemen bei Initiierung, Planung, Multitasking oder Flexibilität gefragt werden. Familienmitglieder können ebenfalls nützliche Einblicke in Veränderungen in der Wahrnehmung und im Verhalten geben. Ein strukturierter Fragebogen wie der Fragebogen zum kognitiven Rückgang bei älteren Menschen – Version Kreislaufstillstand (Informant Questionnaire of Cognitive decline in the Elderly – Cardiac Arrest version, IQCODE-CA) oder die Checkliste Kognition und Emotion (Checklist Cognition and Emotion, CLCE-24) können verwendet werden [483, 484]. Ein formelles kognitives Screening wird empfohlen, da sich die Patienten ihrer kognitiven Beeinträchtigungen nicht immer bewusst sind [445, 474, 485]. Wir empfehlen die Verwendung des Montreal-Cognitive-Assessment(MoCA)-Tools, welches etwa 10 min beansprucht. Es ist einfach zu verwenden und in vielen Sprachen verfügbar (siehe www. mocatest.org; [482, 485,486,487]). Wenn Anzeichen einer kognitiven Beeinträchtigung vorliegen, sollen Sie eine Überweisung zu einem Neuropsychologen in Betracht ziehen, um eine umfassendere neuropsychologische Beurteilung vorzunehmen, oder zu einem anderen Spezialisten für kognitive Rehabilitation, z. B. einen Ergotherapeuten [488].

Screening auf emotionale Probleme und Müdigkeit.

Um nach emotionalen Problemen zu suchen, kann das Vorhandensein emotionaler Symptome, einschließlich Symptomen von Angstzuständen, Depressionen und posttraumatischem Stress, untersucht werden. Fragebögen wie die Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS) können hilfreich sein [439, 475, 482, 489]. Wenn schwerwiegende emotionale Probleme festgestellt werden, empfehlen wir die Überweisung an einen Psychologen oder Psychiater zur weiteren Einschätzung und Behandlung. Wir empfehlen zudem festzustellen, ob Müdigkeit vorhanden ist. Derzeit fehlen jedoch Bewertungsleitlinien für diese Population. Bei schwerer Müdigkeit sollen Sie sich an einen Spezialisten für Rehabilitationsmedizin wenden, um Ratschläge zur angemessenen Versorgung zu erhalten.

Bereitstellung von Informationen und Unterstützung für Überlebende und Familienmitglieder.

Es wird empfohlen, festzustellen, ob Patienten und ihre Familienangehörigen Informationen benötigen, und diese bei Bedarf anzubieten, vorzugsweise sowohl in mündlicher als auch in schriftlicher Form [490]. Im Rahmen dieses Prozesses wird empfohlen, dass Überlebende und ihre Familienmitglieder sich aktiv dafür einsetzen, ihre Bedürfnisse besser zu verstehen und zu kommunizieren, wie sie diese Informationen erhalten möchten [439]. Die angebotenen Informationen sollen nicht nur medizinische Themen wie Herzerkrankungen, Risikofaktoren, Medikamente und ICD abdecken, sondern auch andere Themen wie potenzielle körperliche, kognitive und emotionale Veränderungen und Müdigkeit behandeln. Dazu gehört die Wiederaufnahme der täglichen Aktivitäten, das Führen eines Fahrzeugs, die Arbeit, Beziehung und Sexualität [479, 490,491,492,493].

Es ist auch wichtig, das Wohlergehen von Familienmitgliedern im Auge zu behalten, da die Auswirkungen und die Belastungen erheblich sein können [492, 494]. Partner haben häufig emotionale Probleme, einschließlich Angstsymptomen und posttraumatischem Stress, insbesondere bei Frauen und solchen, die Zeuge der Reanimation waren [495, 496]. Wenn indiziert, sollen Sie eine Überweisung an einen Sozialarbeiter, Psychologen oder Psychiater in Betracht ziehen.

Rehabilitation nach Kreislaufstillstand

Stationäre neurologische Rehabilitation

Bei Vorliegen einer signifikanten hypoxisch-ischämischen Hirnschädigung können Patienten eine stationäre neurologische Rehabilitation benötigen. Obwohl die Evidenz begrenzt ist, haben mehrere kleine retrospektive Studien gezeigt, dass funktionelle Verbesserungen erzielt werden können, wodurch die Belastung der Familie und der Gesellschaft durch die Versorgung verringert wird [497,498,499].

Obwohl spezifische Leitlinien und Evidenz für die neurologische Rehabilitation nach Kreislaufstillstand fehlen, gibt es mehr Evidenz und mehrere klinische Praxisleitlinien für andere Arten erworbener Hirnschädigungen wie traumatische Hirnverletzungen und Schlaganfälle. Diese Praxisleitlinien können Hilfestellung für eine Behandlung von Patienten mit hypoxisch-ischämischen Hirnschäden aufgrund eines Kreislaufstillstands bieten [500,501,502]. Diese Leitlinien enthalten praktische Empfehlungen zu Themen wie Motorik, körperliche Rehabilitation, Kognition, Kommunikation, Aktivitäten des täglichen Lebens und psychosoziale Probleme. Leitlinien zur Rehabilitation nach kritischer Erkrankung/Postintensivbehandlungssyndrom (PICS) können ebenfalls nützlich sein [473, 503,504,505].

Kardiale Rehabilitation

Viele Überlebende eines Kreislaufstillstands können sich für ein Herzrehabilitationsprogramm anmelden [506]. Es gibt Hinweise darauf, dass die kardiale Rehabilitation die kardiovaskuläre Mortalität und die Krankenhauseinweisungen senkt, die Lebensqualität verbessert und kosteneffektiv ist [506,507,508,509]. Herzrehabilitationsprogramme sind meist allgemeine Programme, bei denen Patienten mit verschiedenen Herzerkrankungen, z. B. mit Z. n. akutem Koronarsyndrom, Herzinsuffizienz, oder nach herzchirurgischen Operationen teilnehmen können. Es beinhaltet Bewegungstraining, Risikofaktormanagement, Lebensstilberatung, Anleitung und psychologische Unterstützung [507]. Die kardiale Rehabilitation wird häufig als ambulanter Service in einem Zentrum angeboten, kann jedoch in Kombination mit Telemonitoring auch in einer häuslichen Umgebung organisiert werden [510]. In bestimmten Fällen kann es als stationäres Programm erfolgen [507]. Nicht alle Überlebenden eines Kreislaufstillstands haben Anspruch oder Zugang zur Herzrehabilitation, entweder aufgrund der Ursache des Kreislaufstillstands oder aufgrund unterschiedlicher nationaler Bedingungen [511].

In Herzrehabilitationsprogrammen wird möglichen kognitiven Problemen wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Generell sind bei Herzpatienten in kardialen Rehabiltiationsprogrammen kognitive und emotionale Probleme nicht ausreichend angesprochen worden [512,513,514]. Für Überlebende nach Kreislaufstillstand gibt es allerdings einige Beispiele, bei denen kardiale und kognitive Rehabilitation miteinander integriert wurden, auch wenn bisher keine Evidenz für Effekte vorliegt [476, 482].

Kognitive Rehabilitation, Management von ,Fatigue‘ und psychosoziale Interventionen

Ziel der kognitiven Rehabilitation ist es, die Auswirkungen kognitiver Beeinträchtigungen zu verringern und das allgemeine Wohlbefinden und das tägliche Zurechtkommen zu verbessern [515]. Dies kann eine zusätzliche neuropsychologische Beurteilung umfassen, um besseren Einblick in die Art und Schwere der kognitiven Beeinträchtigungen sowie weiterer Einflussfaktoren zu erhalten. Eine umfassende Aufklärung der Patienten ist unerlässlich, um dem Patienten und seiner Familie einen besseren Einblick in die Veränderungen seiner Wahrnehmung und seines Verhaltens zu geben. Kompensationsstrategien wie Gedächtnistraining und metakognitives Strategietraining (z. B. Selbstmonitoring, Selbstregulation und Vorausplanung) und die Verwendung externer (Gedächtnis‑)Hilfsmittel können hilfreich sein [488]. Obwohl es keine spezifischen Studien zu den Auswirkungen der kognitiven Rehabilitation bei Patienten mit Hirnschäden nach Kreislaufstillstand gibt, kann ein aktuelles, evidenzbasiertes Review zur kognitiven Rehabilitation nach Schlaganfall und Schädel-Hirn-Trauma als Leitlinie dienen [488].

Eine Unterstützung beim Umgang mit chronischer Müdigkeit (,Fatigue‘) kann in die kognitive Rehabilitation einbezogen oder allein angeboten werden [516, 517]. Es gibt schwache Hinweise darauf, dass eine 4‑wöchige telefonische Intervention, die auf einem Energiemanagementprogramm und einer Problemlösungstherapie basiert, für Überlebende eines Kreislaufstillstands mit mäßiger bis schwerer „Fatigue“ von Vorteil sein kann [518, 519].

Es gibt auch Hinweise auf den Wert von psychosozialen Interventionen, die speziell für Überlebende eines Kreislaufstillstands entwickelt wurden. Zwei randomisierte kontrollierte Studien zeigten den Nutzen von psychosozialen Interventionen, die von Pflegepersonen durchgeführt wurden, entweder telefonisch oder persönlich [520, 521]. Diese Interventionen betrafen Selbstmanagement, Bewältigungsstrategien, Entspannung, Information und Gesundheitserziehung [521, 522].

Derzeit gibt es keine Studien zur Wirksamkeit von sozialen Unterstützungsnetzwerken oder virtuellen bzw. Online-Foren, aber diese können als neue und leicht zugängliche Form der psychosozialen Unterstützung und Informationsbereitstellung im Anschluss an einen Kreislaufstillstand einen zusätzlichen Wert haben [439].

Organspende

Patienten nach Kreislaufstillstand, die komatös bleiben und nicht überleben werden, können Organspender werden. Dies ist ein wichtiger Aspekt, da der Bedarf an Organen das Angebot übersteigt [523]. Patienten nach Kreislaufstillstand sind in zunehmendem Maß Organspender [524]. Diese Leitlinie unterstützt die Organspende, und die Familie soll daher auf die Möglichkeit einer Organspende hingewiesen werden, wenn der Hirntod eintritt oder die Entscheidung getroffen wird, eine lebenserhaltende Therapie abzubrechen.

Diese Leitlinie befasst sich speziell mit den Abläufen einer Organspende nach neurologischem (Hirn‑)Tod oder Spende nach Herztod (Spender der Kategorie III nach dem Maastrichter Protokoll – sog. kontrollierter Kreislaufstillstand) bei Patienten, die ROSC erreichen oder mit eCPR behandelt werden (Abb. 7; [525]). Die ungeplante Spende nach Herztod (Spender der Kategorie I/II nach dem Maastrichter Protokoll – Kreislaufstillstand bei Ankunft in der Klinik/Kreislaufstillstand nach erfolgloser Reanimation) wird im Abschnitt Advanced Life Support der Leitlinien behandelt [525].

Eine frühere ILCOR-CoSTR von 2015 und eine wissenschaftliche Stellungnahme von ILCOR zur Organspende nach CPR untermauern diese Leitlinie [125]. Eine kürzlich stattgefundene CPR soll eine Organspende nicht verhindern. Beobachtungsstudien zeigen, dass Organe (Herz, Lunge, Niere, Leber, Bauchspeicheldrüse, Darm) von Spendern, die reanimiert wurden, ähnliche Transplantatüberlebensraten aufweisen wie Spender, die keine CPR erhalten haben [526, 527].

Eine systematische Übersichtsarbeit identifizierte 26 Studien, die zeigten, dass die Prävalenz des Hirntods bei komatösen, beatmeten Patienten mit hypoxisch-ischämischer Hirnschädigung, die nach CPR starben, 12,6 % (95 % CI 10,2–15,2 %) betrug, wobei eine höhere Prävalenz nach eCPR (27,9–36,6 %; [8, 22] vs. 8,3–10,4 %; [6, 7]) auftrat und dass ungefähr 40 % davon Organspender waren [289]. Die mittlere Zeit für die Diagnose des Hirntods betrug 3,2 Tage. Dieser systematische Review kam zu dem Schluss, dass Patienten, die nach einer Reanimation bewusstlos bleiben, insbesondere bei e‑CPR, auf Anzeichen eines Hirntods untersucht werden sollen.

Bei denjenigen, welche die Kriterien für einen neurologischen Tod nicht erfüllen, ist darüber hinaus der Entzug lebenserhaltender Maßnahmen (WLST) aufgrund einer schlechten neurologischen Prognose eine häufige Todesursache. Nach prähospitalem Kreislaufstillstand entfallen ungefähr zwei Drittel der Todesfälle auf einen Entzug lebenserhaltender Maßnahmen aufgrund einer schlechten neurologischen Prognose [25, 26]. Diese Patientengruppe beinhaltet in zunehmendem Maß potenzielle Organspender [528].

In Bezug auf Organspendepraktiken gibt es zwischen den Ländern Unterschiede und Ärzte müssen die jeweiligen gesetzlichen und ethischen Anforderungen befolgen.

Untersuchung eines plötzlichen Kreislaufstillstands unklarer Ursache

Viele Opfer eines plötzlichen Herztodes leiden an einer asymptomatischen strukturellen Herzerkrankung, meistens an einer KHK, aber auch an angeborenen rhythmogenen Erkrankungen (z. B. Brugada- und WPW-Syndrom), Kardiomyopathien, familiärer Hypercholesterinämie und vorzeitiger ischämischer Herzerkrankung. Bei Betroffenen eines plötzlichen unerklärlichen Tods sollen im Rahmen einer Autopsie Blut- oder Gewebeproben entnommen und für zukünftige genetische Analysen aufbewahrt werden [529]. Das Screening auf genetische Herzerkrankungen ist für die Primärprävention bei Verwandten von entscheidender Bedeutung, da es eine präventive antiarrhythmische Therapie und medizinische Nachsorge ermöglichen kann [530,531,532]. Ein multidisziplinäres kardiogenetisches Team soll die Familienuntersuchung durchführen. Die anfängliche Einschätzung kann klinische Untersuchungen, die Elektrophysiologie und kardiale Bildgebung umfassen. Die Notwendigkeit eines Gentests soll auf der Gesamtschau der Ergebnisse des Herzfamilien-Screenings und etwaiger pathologischer Befunde basieren. Ein Gentest soll zunächst mit der DNA des Verstorbenen durchgeführt werden. Wird hierbei eine pathogene oder wahrscheinlich pathogene Variante identifiziert, sollen Gentests auch für die Verwandten angeboten werden [529, 533]. Angesichts der Auswirkungen auf Verwandte kann es lokale ethische Leitlinien für die Durchführung von Gentests geben.

Cardiac-Arrest-Zentren

Hinsichtlich der Verfügbarkeit und Art der Postreanimationsbehandlung und der Behandlungserfolge gibt es große Unterschiede zwischen Krankenhäusern [534,535,536]. Cardiac Arrest Center (CAC, Reanimationszentren) sind spezialisierte Krankenhäuser, die evidenzbasierte Therapien anbieten, wozu u. a. die permanente Verfügbarkeit eines Platzes auf der Intensivstation, ein zielgerichtetes Temperaturmanagement (TTM) sowie eine adäquate Prozessqualität (Nachweis von SOP) und eine Qualitätssicherung mit Nachweis einer standardisierten Erfassung des Behandlungsverlaufs und des Outcomes bis zur Entlassung gehören [125, 210]. In einem von der Association of Acute Cardiovascular Care (ACVA) und vielen anderen europäischen Organisationen, einschließlich ERC und ESICM, veröffentlichten Expertenkonsenspapier werden die Mindestanforderungen für ein Cardiac Arrest Center festgelegt. Dazu gehören ein rund um die Uhr verfügbares Herzkatheterlabor mit der Möglichkeit der unmittelbaren Primär-PCI, eine Notaufnahme, eine Intensivstation (ICU) und bildgebende Verfahren wie Echokardiographie, Computertomographie und Magnetresonanztomographie [17].

ILCOR empfiehlt, erwachsene Patienten mit nichttraumatischem prähospitalem Kreislaufstillstand nach Möglichkeit in einem Cardiac-Arrest-Center zu behandeln [18]. Diese schwache Empfehlung basiert auf einem systematischen Review mit sehr geringer Evidenz, welches 21 Beobachtungsstudien [537,538,539,540,541,542,543,544,545,546,547,548,549,550,551,552,553,554,555,556,557] und eine randomisierte Pilotstudie umfasste [558]. Siebzehn dieser Studien wurden in eine Metaanalyse eingeschlossen. Sie ergab, dass im Cardiac-Arrest-Center behandelte Patienten ein verbessertes Überleben bis zur Entlassung aus dem Krankenhaus mit einem guten neurologischen Ergebnis hatten. Allerdings war das Ergebnis am Tag 30 nicht signifikant [537,538,539,540,541,542,543, 547,548,549,550,551,552,553,554, 556, 557].

Eine Beobachtungsstudie zeigte eine höhere (statistisch adjustierte) Überlebenrate bei Patienten, die primär in ein Cardiac-Arrest-Center transportiert wurden, verglichen mit Patienten, die erst sekundär dorthin verlegt wurden [554]. Zwei andere Studien, welche die selbe Fragestellung untersuchten, berichteten hingegen über keinen Unterschied im Überleben [538, 543]. Eine Beobachtungsstudie verglich Patienten, die per Sekundärtransport in ein Cardiac-Arrest-Center transportiert wurden mit denen, die in einem nichtspezialisierten Krankenhaus verblieben. Die Studie berichtete über mehr Überlebende in der im Cardiac-Arrest-Center behandelten Gruppe [552].