Zusammenfassung
Etwa 2 % der Geburten finden geplant oder ungeplant außerklinisch statt. Notärzte sollten die Grundlagen der Begleitung einer physiologischen Geburt und die Behandlung eventueller Komplikationen beherrschen. Dafür wird Basiswissen über den natürlichen Geburtsverlauf, über Handgriffe, den Einsatz von Uterotonika und Tokolytika sowie über Maßnahmen zur postpartalen Blutstillung benötigt. Die hypertensive Krise, die Eklampsie, aber auch seltenere lebensbedrohliche Notfälle wie eine Lungen- oder Fruchtwasserembolie müssen von Notfallmedizinern unmittelbar erkannt und mit ersten Maßnahmen behandelt werden. Der Beitrag soll neben der (un-)geplanten außerklinischen physiologischen Geburt die wichtigsten schwangerschaftsbedingten und -assoziierten Notfälle darstellen und notfallmedizinische Handlungsempfehlungen vermitteln.
Abstract
Approximately 2% of all deliveries in Germany take place either planned or unplanned outside of hospitals. Emergency physicians should master the fundamentals of accompanying a physiological birth and the treatment of possible complications. This necessitates basic knowledge on the course of natural births, manual maneuvers, the use of uterotonic agents and tocolytic drugs as well as measures for postpartum hemostasis. A hypertensive crisis, eclampsia and also rare life-threatening emergencies, such as lung and amniotic fluid embolism must be immediately recognized by the emergency physician and treated with initial measures. This article presents the most important pregnancy-related and associated emergencies in addition to planned and unplanned out of hospital physiological deliveries and gives clear advice about the treatment.
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Interessenkonflikt
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Autoren
Lisa Antonia Dröge: A. Finanzielle Interessen: Vortragstätigkeit, Roche Diagnostics | Vortragstätigkeit, WfM, Weiterbildungsinstitut für Medizin – B. Nichtfinanzielle Interessen: Angestellte Fachärztin in der Klinik für Gynäkologie der Charité | keine weiteren regelmäßigen Einkünfte.
Wolfgang Henrich: A. Finanzielle Interessen: W. Henrich gibt an, dass kein finanzieller Interessenkonflikt besteht. – B. Nichtfinanzielle Interessen: Direktor der Klinik für Geburtsmedizin der Charité | Vorsitzender der Gesellschaft für Geburtshilfe und Gynäkologie in Berlin | Mitglied der einschlägigen Fachgesellschaften für Gynäkologie und Geburtshilfe.
Wissenschaftliche Leitung
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Wissenschaftliche Leitung
J. Breckwoldt, Zürich
M. Christ, Luzern
G. Matthes, Berlin
G. Rücker, Rostock
R. Somasundaram, Berlin
U. Zeymer, Ludwigshafen
Beide Autoren haben gleichberechtigt zur Arbeit beigetragen
CME-Fragebogen
CME-Fragebogen
Welcher Befund ist bei einer Geburt physiologisch?
Die Fruchtblase springt in 34 + 0 Schwangerschaftswochen ohne Wehen.
Die Plazenta löst sich 45 min nach der Geburt des Kindes.
In der Plazentaschüssel messen Sie nach einer vaginalen Geburt einen Blutverlust von 1000 ml.
Eine Hochschwangere meldet sich mit Kontraktionen und einer schleimigen Schmierblutung.
Die hintere Schulter des Kindes (Richtung mütterliches Rektum) wird nach dem Kopf zuerst geboren.
Welche Basismaßnahmen ergreifen Sie, wenn Sie zu einer gesunden Hochschwangeren in der 40. Schwangerschaftswoche mit regelmäßigen Kontraktionen gerufen werden?
Mindestens einen periphervenösen Zugang legen
Lagerung in Rechtsseitenlage, wenn Liegen erwünscht
Zunächst Fenoterol oral verabreichen, dann weitere Gabe intravenös bis zum Eintreffen in der Klinik
Bei Pressdrang und sichtbarem Köpfchen im Intoitus Schwangere zum wehensynchronen Pressen anregen
Elektrokardiogramm ableiten bis zum Transport in die Klinik
Das Köpfchen des Kindes ist bereits im Rettungswagen geboren, aber der Körper folgt nicht. Was machen Sie?
Wehentropf mit Oxytocin steigern, damit eine ausreichende Kontraktion für die Geburt des kindlichen Körpers gewährleistet wird
Sanft und mit beiden Händen das kindliche Köpfchen nach vorn ziehen, während ein Kollege vorsichtig den Fundus uteri in Richtung mütterliches Schambein drückt
Lagewechsel der Schwangeren von Rechts- in Linksseitenlage
Patientin zum aktiven Mitpressen animieren
Überstrecken beider Beine der Gebärenden in der Längsachse und rasche Beugung in der Hüfte (Mc. Roberts Manöver)
Eine Schwangere in der 32. Schwangerschaftswoche hat Sie gerufen: Aus der Scheide schaut die Nabelschnur heraus, es geht Fruchtwasser ab und sie gibt regelmäßige Wehen an. Was sollten Sie tun?
Hand in die Scheide einführen und vorangehenden Kindsteil hochhalten
Notfallgabe von Oxytocin
Patientin auffordern, sich hinzulegen und mit sterilen Handschuhen Nabelschnur in den Uterus zurückschieben
Schwangere zum Pressen anregen, damit das Kind der Nabelschnur möglichst schnell folgt
pH-Wert aus der Nabelschnurarterie nehmen, um den kindlichen Zustand einzuschätzen
Eine Schwangere ruft Sie wegen eines brettharten, schmerzhaften Bauchs. Sie denken an eine vorzeitige Plazentalösung. Was tun Sie?
Nach Überprüfen der Kreislaufparameter Tokolyse beginnen
Bei Hypertonie Blutdruck auf 120/80 mm Hg senken
Vaginale Tastuntersuchung, um die Plazentalösung zu verifizieren
i.v.-Zugang, möglichst schneller Kliniktransport mit Voralarm
An Heroinabusus denken, dies führt zur vorzeitigen Plazentalösung
Sie werden zu einer Patientin gerufen, die gerade die komplikationslose Hausgeburt ihres vierten Kindes erlebt hat. Nun ist ihr schwindelig und sie blutet. Was ist zu tun?
Sofern Plazenta vollständig, Patientin zu ausreichender Trinkmenge und Eisentabletten für 6 Wochen raten
Harnblase der Patientin durch Einmalkathetersierung leeren und Credé-Handgriff anwenden
Eisbeutel auf das Abdomen legen
Forciert an der Nabelschnur ziehen, um die in utero verbliebene Plazenta zu lösen
Fenoterol per Inhalation 2–4 Hub verabreichen
Sie werden zu einer Schwangeren im dritten Trimester mit schmerzloser Blutung gerufen. Welche Aussage ist zutreffend?
Es könnte sich um eine Placenta- oder Vasa-praevia-Blutung handeln.
Eine vorzeitige Plazentalösung ist ausgeschlossen, da keine Schmerzen vorliegen.
Ein vaginaler Tumor ist im 3. Trimenon kaum Ursache für eine Blutung.
Als Erstes sollte eine vaginale Tastuntersuchung erfolgen, damit die Öffnung des Muttermunds und der Geburtsfortschritt erhoben werden können.
Blutungen ex utero sind ein typisches Zeichen für eine Thrombopenie.
Sie werden von einem Mann gerufen, weil seine schwangere Freundin plötzlich blau angelaufen und dann zusammengebrochen ist. Was tun Sie?
Bei Kreislaufstillstand sofortiger Beginn mit kardiopulmonaler Reanimation und Transport unter Reanimation in die Klinik
Sofortige Volumentherapie mit mindestens 2000 ml Elektrolytlösung zur Behandlung eines Volumenmangels
Sofortige Gabe von Diazepam 10 mg i.v. zur Unterbrechung eines möglichen Krampfanfalls
Sofortige Gabe von Fenoterol 4 Hub zur Notfalltokolyse
Sofortige Gabe von Oxytocin 40 IE zur Uteruskontraktion
Als Ersthelfer beobachten Sie, wie eine Hochschwangere auf einem Stadtfest plötzlich umfällt und einen tonisch-klonischen Krampfanfall erleidet. An welche therapeutischen Maßnahmen denken Sie?
Der Blutdruck soll schnellstens auf 120/80 mm Hg gesenkt werden.
Medikation der ersten Wahl ist Magnesiumsulfat, aber Diazepam kann auch gegeben werden.
Die Patientin soll sich erst einmal im Notfallzelt ausruhen, vielleicht war der Stress der Auslöser für den Krampfanfall.
Eine Überdosierung von Magnesium führt zu einer massiven Tachypnoe.
Die Patientin sollte umgehend in einer neurologischen Klinik vorgestellt werden.
Sie werden von einem besorgten Ehemann angerufen, weil seine Frau seit der Geburt des Kindes so müde und abgeschlagen sei. Sie hat 38,5 °C Fieber. Was tun Sie?
Den Ehemann darüber aufklären, dass eine Geburt anstrengend ist und eine vorübergehende Müdigkeit ganz normal sei
Puls, Blutdruck und Sättigung messen, Patientin zum Ausschluss einer Endomyometritis mit in die Klinik nehmen
Fragen, ob die Patientin stillt, die Milchbildung erklärt das Fieber
Die Patientin in 2–3 Tagen zum Frauenarzt schicken. Bei Mastitis kann auch ein Behandlungsversuch zu Hause unternommen werden
Mit Paracetamol das Fieber senken, wenn die Kontrolltemperatur unter 38 °C liegt, kann die Patientin sich auch ambulant vorstellen
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Dröge, L.A., Henrich, W. Geburtshilfliche Notfälle – was Notfallmediziner wissen müssen. Notfall Rettungsmed 22, 347–362 (2019). https://doi.org/10.1007/s10049-019-0602-4
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DOI: https://doi.org/10.1007/s10049-019-0602-4