Hypoxie
Einführung
Kreislaufstillstand durch reine Hypoxämie ist ungewöhnlich. Häufiger sieht man ihn als Folge einer Erstickung, der häufigsten Ursache des nicht kardial bedingten Kreislaufstillstands. Es gibt viele Ursachen eines asphyxiebedingten Kreislaufstillstands (Tab. 1). Obwohl üblicherweise eine Kombination von Hypoxämie und Hyperkapnie vorliegt, ist es letztlich die Hypoxämie, die den Kreislaufstillstand verursacht [2].
Tab. 1 Gründe für den asphyktischen Kreislaufstillstand
Pathophysiologische Mechanismen
Wenn die Atmung durch Atemwegsobstruktion komplett behindert wird oder eine Apnoe vorliegt, schwindet das Bewusstsein, wenn die Sauerstoffsättigung im arteriellen Blut ca. 60 % erreicht. Wie lange dies dauert, ist schwierig vorauszusagen, aber es ist üblicherweise in 1–2 min der Fall [3]. In Tierexperimenten mit Kreislaufstillstand durch Ersticken kam es innerhalb von 3–11 min zur pulslosen elektrischen Aktivität (PEA). Asystolie folgt einige Minuten später [4]. Im Vergleich mit einer „einfachen“ Apnoe verursachen übermäßige Atembemühungen bei Atemwegsobstruktion einen gesteigerten Sauerstoffverbrauch, der seinerseits in einer rapiden Sauerstoffentsättigung des arteriellen Blutes und damit einer kürzeren Zeit bis zum Kreislaufstillstand resultiert.
Nach Safar u. Paradis [2] führt eine komplette Atemwegsverlegung nach vorausgehender Luftatmung innerhalb von 5–10 min zum Kreislaufstillstand durch pulslose elektrische Aktivität. Kammerflimmern ist nur selten der erste nachgewiesene Rhythmus auf dem Monitor beim Kreislaufstillstand durch Ersticken. In einer der größten Serien von außerklinischen Kreislaufstillständen durch Erhängen aus Melbourne, Australien, hatten nur 7 von 1321 Patienten ( 0,5 %) Kammerflimmern [5].
Behandlung
Erste Priorität hat die Behandlung der Ursache von Asphyxie oder Hypoxämie, denn dies sind potenziell reversible Ursachen des Kreislaufstillstands. Das bessere Outcome präklinischer Kreislaufstillstände durch „Compression-only-CPR“ trifft für Kreislaufstillstände durch Ersticken nicht zu [6]. Diese haben weit bessere Überlebensraten mit konventioneller Reanimation [7]. Folgen Sie bei der Reanimation dem Standard-ALS-Algorithmus.
Ergebnisse
Überleben nach Kreislaufstillstand durch Ersticken ist selten, und die meisten Überlebenden leiden unter schweren neurologischen Beeinträchtigungen. In fünf veröffentlichten Serien mit insgesamt 286 Patienten mit einem Kreislaufstillstand nach Erhängen wurde in nur 16 % der Fälle ein Reanimationsversuch unternommen. Von diesen überlebten 6 (2 %) mit voller Erholung, 11 andere Überlebende trugen bleibende schwere Hirnschäden davon [5, 8–11].
Bei einem Drittel (89; 31 %) dieser 286 Patienten konnten die Rettungskräfte einen Spontankreislauf erzielen. Somit ist ROSC bei versuchter Reanimation dieser Patienten nicht ungewöhnlich, aber neurologisch unbeeinträchtigtes Überleben ist selten. Patienten, die bewusstlos sind, aber noch keinen Kreislaufstillstand erlitten haben, erreichen wahrscheinlich eine gute neurologische Erholung [8, 9, 12].
Hypo-/Hyperkaliämie und andere Elektrolytstörungen
Einführung
Elektrolytstörungen können Arrythmien oder einen Kreislaufstillstand verursachen. Lebensbedrohliche Arrythmien sind am häufigsten durch Kaliumstörungen bedingt, insbesondere durch Hyperkaliämie, seltener durch Calcium- und Magnesiumabweichungen. Denken Sie an Elektrolytstörungen bei folgenden Risikogruppen: Nierenversagen, schwere Verbrennungen, Herzversagen und Diabetes mellitus.
Elektrolytwerte wurden definiert zur klinischen Entscheidungsfindung. Die exakten Werte, die bestimmte klinische Entscheidungen auslösen, hängen vom Zustand des Patienten und vom Verlauf der Laborwerte ab. Es gibt kaum Evidenz für die Behandlung von Elektrolytstörungen im Kreislaufstillstand. Man wendet hier die gleichen Strategien an wie bei Patienten ohne Kreislaufstillstand.
Elektrolytstörungen vermeiden
Identifizieren und behandeln Sie Elektrolytstörungen möglichst vor dem Auftreten eines Kreislaufstillstands. Überwachen Sie die Nierenfunktion bei Risikopatienten, und vermeiden Sie Medikamentenkombinationen, die eine Hyperkaliämie verschlimmern können. Verhindern Sie das Wiederauftreten von Elektrolytstörungen durch die Beseitigung der auslösenden Ursachen, wie Medikamente, Nahrungsmittel etc.
Kaliumstörungen
Kaliumhaushalt
Die extrazelluläre Kaliumkonzentration wird eng zwischen 3,5 und 5,0 mmol/l reguliert. Normalerweise besteht ein großer Konzentrationsgradient zwischen intrazellulären und extrazellulären Flüssigkeitskompartimenten. Dieser Kaliumgradient an Zellmembranen trägt zur Erregbarkeit von Nerven- und Muskelzellen bei, auch des Myokards. Die Untersuchung des Serumkaliums muss die Effekte von Verschiebungen des Serum-pH-Werts einbeziehen. Wenn der Serum-pH fällt (Azidämie), steigt das Serumkalium, weil sich Kalium aus den Zellen in den Gefäßraum verlagert. Dieser Prozess wird wieder umgekehrt, wenn der Serum-pH-Wert steigt (Alkaliämie.)
Hyperkaliämie
Hyperkaliämie ist die am häufigsten mit einem Kreislaufstillstand vergesellschaftete Elektrolytstörung. Sie wird üblicherweise durch eine beeinträchtigte Nierenfunktion, Medikamente oder eine gesteigerte Kaliumfreisetzung aus den Zellen und eine metabolische Azidose verursacht. Hyperkaliämie kommt bei etwa 10 % aller Krankenhauspatienten vor [10–12].
Chronische Niereninsuffizienz ist in der allgemeinen Bevölkerung häufig, und die Inzidenz der Hyperkaliämie steigt von 2 auf 42 %, wenn die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) von 60 auf 20 ml/min abnimmt [13].
Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz sind besonders gefährdet, insbesondere nach einem außerklinischen Kreislaufstillstands [14].
Langdauernde Hyperkaliämie ist ein unabhängiger Risikofaktor für die innerklinische Mortalität [15]. Akute Hyperkaliämie verursacht mit größerer Wahrscheinlichkeit Herzrhythmusstörungen oder Kreislaufstillstand als chronische Hyperkaliämie.
Definition
Es gibt keine allgemeingültige Definition für Hyperkaliämie. Die Autoren definieren den Begriff als eine Serumkaliumkonzentration > 5,5 mmol/l. In der Praxis ist Hyperkaliämie ein Continuum. Wenn die Kaliumkonzentration über diesen Wert ansteigt, nimmt das Risiko für unerwünschte Ereignisse zu, und die Notwendigkeit einer dringlichen Behandlung steigt an. Schwere Hyperkaliämie wurde als eine Serumkaliumkonzentration > 6,5 mmol/l definiert.
Ursachen
Die Hauptursachen der Hyperkaliämie sind:
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Nierenversagen (d. h. akutes Nierenversagen oder chronische Nierenkrankheit),
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Medikamente (z. B. ACE-Hemmer, ATII-Antagonisten, kaliumsparende Diuretika, nicht-steroidale Entzündungshemmer, Beta-Blocker, Trimetoprim),
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Gewebeuntergang (Rhabdomyolyse, Tumorauflösung, Hämolyse),
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metabolische Azidose (z. B. Nierenversagen, diabetische Ketoazidose),
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endokrine Störungen (z. B. Addison-Krise),
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Diät (kann die alleinige Ursache sein bei Patienten mit fortgeschrittener chronischer Nierenerkrankung),
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fälschliche Pseudohyperkaliämie (verdächtig in Fällen mit normaler Nierenfunktion, normalem EKG und/oder einer Vorgeschichte von hämatologischen Störungen). Pseudohyperkaliämie beschreibt den Befund eines erhöhten Serumkaliumwerts (geronnenes Blut) bei einem normalen Kaliumwert im Plasma (nicht geronnenes Blut). Der Gerinnungsprozess setzt Kalium aus den Zellen und Blutplättchen frei, was die Serumkaliumkonzentration um durchschnittlich 0,4 mmol/l ansteigen lässt. Die Hauptursache für Pseudohyperkaliämie sind lange Transportzeiten ins Labor oder schlechte Lagerungsbedingungen [16, 17].
Das Risiko für eine Hyperkaliämie steigt bei der Kombination von Faktoren, wie der gleichzeitigen Einnahme von ACE-Hemmern oder AT-II-Hemmern und kaliumsparenden Diuretika.
Erkennen der Hyperkaliämie
Schließen Sie eine Hyperkaliämie bei allen Patienten mit einer Arrhythmie oder einem Kreislaufstillstand aus. Patienten können eine Schwäche bis hin zu einer schlaffen Lähmung haben, ebenso Parästhesien oder abgeschwächte tiefe Muskelreflexe. Andererseits kann das klinische Bild auch durch die zugrunde liegende Krankheit, die die Hyperkaliämie verursacht hat, überlagert sein. Der erste Hinweis für eine Hyperkaliämie können auch EKG-Veränderungen, Arrythmien oder ein Kreislaufstillstand sein. Eine Blutgasanalyse kann Verzögerungen bei der Kaliummessung vermeiden helfen [18, 19].
Die Wirkung einer Hyperkaliämie auf das EKG hängt sowohl vom absoluten Serumkaliumwert ab als auch von der Geschwindigkeit des Anstiegs.
Die EKG-Veränderungen, die mit einer Hyperkaliämie in Verbindung zu bringen sind, sind üblicherweise fortschreitend und beinhalten:
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AV-Block ersten Grades (verlängertes PR-Intervall auf > 0,2 s),
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flache oder fehlende P-Wellen,
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hohe, steile T-Wellen („Zeltform“). Die T-Welle ist größer als die R-Welle in mehr als einer Ableitung,
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ST-Senkung,
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S- und T-Verschmelzungswelle (Sinuswelle),
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breiter QRS-Komplex (> 0,12 s),
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ventrikuläre Tachykardie,
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Bradykardie,
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Kreislaufstillstand (pulslose elektrische Aktivität, VF/pVT, Asystolie).
Behandlung der Hyperkaliämie
Die Behandlung der Hyperkaliämie beruht auf fünf Kernstrategien: [20]
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Schutz des Herzen,
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Kaliumverschiebung intrazellulär,
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Kaliumelimination aus dem Körper,
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Überwachung des Serumkaliums und des Blutzuckers,
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Verhinderung des Wiederauftretens.
Beginnen Sie die lebensrettende Behandlung, wenn ein starker Verdacht auf Hyperkaliämie besteht, z. B. wegen EKG-Veränderungen, auch vor dem Vorliegen der Laborwerte. Die Behandlungsstrategie der Hyperkaliämie ist vielfach untersucht worden [21–23].
Folgen Sie dem Algorithmus der Notfallbehandlung der Hyperkaliämie. Vermeiden Sie eine Salbutamol-Monotherapie, die ineffektiv sein kann. Es gibt auch nur eine ungenügende Evidenz für die Anwendung von Natriumbikarbonat zur Senkung des Serumkaliums. Denken Sie an die frühzeitige Verlegung auf die Intensivstation oder zu einem Spezialisten.
Die Hauptrisiken der Hyperkaliämiebehandlung sind:
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Hypoglykämie infolge Glukose-Insulin-Anwendung (üblicherweise 1–3 h nach Behandlungsbeginn, aber auch bis zu 6 h nach der Infusion [24]). Überwachen Sie den Blutzuckerspiegel, und behandeln Sie eine Hypoglykämie umgehend.
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Gewebenekrosen wegen paravenöser Calciumgabe. Vergewissern Sie sich deshalb, bevor sie Calcium geben, dass der i.v.-Zugang sicher ist.
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Intestinale Nekrosen oder Verlegungen infolge der Anwendung von kaliumaustauschenden Harzen. Vermeiden Sie daher deren längere Anwendung, und geben Sie Abführmittel.
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Wiederauftreten der Hyperkaliämie nach Abklingen der Wirkungen einer medikamentösen Therapie, d. h. innerhalb von 4–6 h. Überwachen Sie daher weiterhin das Serumkalium für mindestens 24 h nach einer Episode.
Patient ohne Kreislaufstillstand
Beurteilen Sie den Patienten:
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Verwenden Sie den systematischen ABCDE-Untersuchungsgang, und behandeln Sie jegliche Unregelmäßigkeiten.
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Legen Sie einen i.v.-Zugang.
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Überprüfen Sie das Serumkalium.
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Schreiben Sie ein EKG.
Überwachen Sie den Herzrhythmus bei Patienten mit schwerer Hyperkaliämie. Die Behandlung richtet sich nach der Schwere der Störung. Halten Sie sich dabei an den Notfallalgorithmus in Abb. 1.
Leichte Erhöhung (5,5–5,9 mmol/l):
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Befassen Sie sich mit der Ursache der Hyperkaliämie, um diese zu korrigieren und einen weiteren Anstieg zu vermeiden (z. B. Medikamente, Nahrung).
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Wenn eine Behandlung angezeigt ist, entfernen Sie das Kalium aus dem Körper: geben Sie 15–30 g eines Kationenaustauschers als Calciumsalz, z. B. Calcium-Resonium®-Pulver oder als Natriumsalz, z. B. Resonium®-A-Pulver, in 50–100 ml 20 %-Sorbitol [1] entweder oral oder als Retentionseinlauf (Wirkungseintritt nach > 4 h).
Mittelschwere Erhöhung (6,0–6,4 mmol/l) ohne EKG-Veränderungen:
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Verschieben Sie Kalium intrazellulär mit einer Glukose-Insulin-Infusion: 10 Einheiten kurzwirksames Insulin auf 25 g Glukose i.v. über 15–30 min (Wirkungseintritt in 15–30 min, maximaler Effekt in 30–60 min, Wirkungsdauer 4–6 h, Blutzuckerspiegel überwachen!).
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Entfernen Sie Kalium aus dem Körper (s.o.; überlegen Sie Dialyse nach klinischer Möglichkeit).
Schwere Erhöhung (> 6,5 mmol/l) ohne EKG-Veränderungen:
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Nehmen Sie Expertenhilfe in Anspruch.
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Geben Sie Glukose-Insulin, wie oben.
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Vernebeln Sie 10–20 mg Salbutamol (Wirkungsbeginn in 15–30 min, Dauer 4–6 h).
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Kalium aus dem Körper entfernen (s. oben). Erwägen Sie eine Dialyse.
Schwere Erhöhung (> 6,5 mmol/l) mit toxischen EKG-Veränderungen:
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Schützen Sie das Herz mit Calciumchlorid: 10 ml einer 10 %-Calciumchloridlösung i.v. über 2–5 min, um die toxischen Effekte der Hyperkaliämie an der myokardialen Zellmembran zu antagonisieren. Dadurch wird das Risiko von Kammerflimmern oder pulsloser ventrikulärer Tachykardie vermindert, nicht aber das Serumkalium gesenkt (Wirkungseintritt nach 1–3 min).
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Setzen Sie kaliumverschiebende Medikamente ein (Glukose-Insulin und Salbutamol).
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Entfernen Sie Kalium aus dem Körper (erwägen Sie eine Dialyse von Anfang an oder bei Versagen der medikamentösen Therapie).
Modifikationen der kardiopulmonalen Reanimation
Die folgenden Änderungen der Standard-ALS-Leitlinien werden bei Vorliegen einer schweren Hyperkaliämie empfohlen:
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Sichern Sie die Hyperkaliämie möglichst durch eine Blutgasanalyse, sofern verfügbar.
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Schützen Sie das Herz: Geben Sie schnell einen Bolus von 10 ml Calciumchlorid 10 % i.v..
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Verschieben Sie Kalium in die Zellen: Geben Sie schnell einen Bolus von Glukose-Insulin (10 Einheiten kurzwirksames Insulin auf 25 g Glukose i.v.. Überwachen Sie den Blutzuckerspiegel).
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Geben Sie Natriumbikarbonat: 50 mmol i.v. durch schnelle Bolusinjektion, wenn eine schwere Azidose oder ein Nierenversagen vorliegt.
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Entfernen Sie Kalium aus dem Körper: Fassen Sie eine Dialyse ins Auge für einen therapieresistenten hyperkaliämischen Kreislaufstillstand. Mehrere Dialyseverfahren wurden in spezialisierten Zentren sicher und effektiv im Kreislaufstillstand angewendet [25].
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Erwägen Sie den Einsatz eines mechanischen Thoraxkompressionsgeräts, wenn eine länger dauernde Reanimation erforderlich ist.
Indikationen für eine Dialyse
Die wesentlichen Indikationen für Patienten mit Hyperkaliämie sind:
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schwere, lebensbedrohliche Hyperkaliämie mit oder ohne EKG-Veränderungen oder Arrythmien,
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therapieresistente Hyperkaliämie,
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terminales Nierenversagen,
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oligurisches akutes Nierenversagen (Urinausscheidung < 400 ml pro Tag),
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deutlicher Gewebsuntergang, z. B. Rhabdomyolyse.
Spezielle Überlegungen zur Behandlung des Kreislaufstillstands in einer Dialyseeinheit finden sich im Abschnitt „Besondere Umstände“ unter Kreislaufstillstand bei Dialyse.
Hypokaliämie
Hypokaliämie ist die häufigste Elektrolytstörung in der klinischen Praxis [26]. Sie wird bei bis zu 20 % aller Krankenhauspatienten festgestellt [27]. Hypokaliämie steigert die Inzidenz von Arrhythmien und plötzlichem Herztod („sudden cardiac death“, SCD, [28]). Das Risiko steigt noch bei vorbestehender Herzkrankheit und bei Behandlung mit Digoxin.
Definition
Hypokaliämie ist definiert als Serumkaliumwert < 3,5 mmol/l. Die schwere Hypokaliämie als Serumkalium < 2,5 mmol/l; sie kann symptomatisch sein.
Ursachen
Die Hauptursachen der Hypokaliämie sind:
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gastrointestinaler Verlust, z. B. durch Durchfall,
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Medikamente, z. B. Diuretika, Abführmittel, Steroide,
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renale Verluste, z. B. tubuläre Störungen, Diabetes insipidus, Dialyse,
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endokrine Störungen, z. B. Cushing-Syndrom, Hyperaldosteronismus,
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metabolische Alkalose,
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Magnesiummangel,
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geringe Zufuhr mit der Nahrung.
Die Behandlungsstrategien der Hyperkaliämie können auch zu Hypokaliämie führen.
Erkennen der Hypokaliämie
Schließen Sie eine Hypokaliämie bei jedem Patienten mit einer Arrhythmie oder einem Kreislaufstillstand aus. Bei Dialysepatienten kann die Hypokaliämie am Ende einer Dialysesitzung auftreten oder während einer Peritonealdialyse.
Wenn der Kaliumspiegel fällt, sind vorwiegend Nerven und Muskeln betroffen, wodurch Ermüdung, Schwäche, Beinkrämpfe und Obstipation entstehen.
In schweren Fällen (Serumkalium < 2,5 mmol/l) können Rhabdomyolyse, aufsteigende Lähmung und Atemprobleme auftreten.
EKG-Zeichen der Hypokaliämie sind:
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U-Wellen,
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flache T-Wellen,
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ST-Streckenveränderungen,
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Rhythmusstörungen, insbesondere wenn der Patient Digoxin einnimmt,
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Kreislaufstillstand (PEA, Kammerflimmern, pVT, Asystolie).
Behandlung
Die Behandlung ist abhängig von der Schwere der Hypokaliämie und dem Auftreten von Symptomen und EKG-Veränderungen. Ein schrittweiser Kaliumersatz ist wünschenswert, aber im Notfall ist i.v.-Kalium erforderlich. Maximal werden i.v.-Dosen von 20 mmol/h empfohlen, aber eine schnellere Infusion (z. B. 2 mmol/min für 10 min, gefolgt von 10 mmol über 5–10 min) kann bei instabilen Arrhythmien und unmittelbar drohendem Kreislaufstillstand erforderlich sein. Kontinuierliches EKG-Monitoring ist während der Kaliuminfusion unverzichtbar, und die Dosis soll durch mehrfache Kaliummessungen titriert werden.
Viele Patienten, die einen Kaliummangel haben, leiden auch unter Magnesiummangel. Magnesium ist wichtig für die Kaliumaufnahme und für die Aufrechterhaltung des intrazellulären Kaliumspiegels, insbesondere im Myokard. Durch Auffüllen der Magnesiumspeicher kann eine Hypokaliämie leichter korrigiert werden, sodass diese Maßnahme bei schwerer Hypokaliämie empfohlen wird.
Störungen des Calcium- und Magnesiumhaushalts
Die Maßnahmen zur Erkennung und Behandlung von Störungen des Calcium- und Magnesiumhaushalts sind in Tab. 2 zusammengefasst.
Tab. 2 Störungen des Calcium- und Magnesiumhaushalts mit klinischer Symptomatik, EKG-Veränderungen, empfohlener Behandlung und assoziierter klinischer Präsentation
Hypo-/Hyperthermie
Akzidentelle Hypothermie
Definition
Jedes Jahr sterben in den USA ca. 1500 Menschen an primärer akzidenteller Hypothermie [33]. Akzidentelle Hypothermie ist definiert als unbeabsichtigter Abfall der Körperkerntemperatur < 35 ℃. Um die Schwere der Hypothermie an der Unfallstelle abzuschätzen, wird oft das Schweizer Klassifizierungssystem benützt. Es basiert auf klinischen Zeichen, welche grob mit der Kerntemperatur korrelieren:
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Stadium I (milde Hypothermie): Bewusstsein klar, Kältezittern, Kerntemperatur 35–32 ℃;
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Stadium II (mäßige Hypothermie): Bewusstsein eingetrübt, kein Kältezittern, Kerntemperatur 32–28 ℃;
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Stadium III (schwere Hypothermie): Bewusstlosigkeit, Lebenszeichen vorhanden, Kerntemperatur 28–24 ℃;
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Stadium IV: Kreislaufstillstand oder minimaler Kreislauf, keine oder nur minimale Lebenszeichen, Kerntemperatur < 24 ℃;
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Stadium V: Tod durch irreversible Hypothermie, Kerntemperatur < 13,7 ℃ [34].
Diagnose
Eine Hypothermie wird diagnostiziert, wenn die Kerntemperatur < 35 ℃ beträgt oder (falls eine Temperaturmessung nicht möglich ist) wenn der Patient anamnestisch der Kälte ausgesetzt war oder sich am Stamm kalt anfühlt [33]. In Ländern mit gemäßigtem Klima wird die akzidentelle Hypothermie gelegentlich übersehen. Wenn die Temperaturregulation beeinträchtigt ist, z. B. bei älteren oder sehr jungen Menschen, kann eine akzidentelle Hypothermie schon bei milder Kälteexposition auftreten. Das Risiko einer Hypothermie ist erhöht nach Alkohol- oder Drogenkonsum, bei Erschöpfung, Erkrankung, Verletzung oder Verwahrlosung, v. a. wenn zusätzlich eine Bewusstseinstrübung besteht.
Zur Bestätigung der klinischen Verdachtsdiagnose wird ein Thermometer, das auch niedrige Temperaturen misst, benötigt. Die im unteren Drittel des Oesophagus gemessene Temperatur korreliert gut mit der Temperatur des Herzmuskels. Die mithilfe der Thermistortechnik über dem Trommelfell gemessene (tympanische) Temperatur ist eine zuverlässige Alternative, kann jedoch bei sehr tiefer Umgebungstemperatur, schlechter Isolation der Sonde oder bei verlegtem äußerem Gehörgang (Schnee, Wasser) deutlich tiefer sein als die ösophageale Kerntemperatur [35, 36]. Die weit verbreiteten Ohrthermometer, welche auf Infrarottechnik basieren, dichten den Gehörgang nicht genügend ab und sind nicht für die Messung von tiefen Kerntemperaturen vorgesehen [37].
Während der Wiederbelebung und Aufwärmung im Krankenhaus soll immer die gleiche Messmethode verwendet werden [38, 39]. Deshalb hat die Messung der Blasen- und Rektaltemperatur bei Patienten mit schwerer Hypothermie an Bedeutung verloren.
Entscheidung zum Wiederbelebungsversuch
Die Abkühlung des menschlichen Körpers reduziert den Sauerstoffverbrauch der Zellen um ca. 6 % pro 1 ℃ Abnahme der Kerntemperatur [40]. Bei 28 ℃ ist der Sauerstoffverbrauch um 50 %, bei 22 ℃ sogar um 75 % reduziert. Bei 18 ℃ kann das Gehirn einen zehnmal längeren Kreislaufstillstand ertragen als bei 37 ℃. Deshalb kann die Hypothermie Herz und Gehirn im Falle eines Kreislaufstillstands schützen [41], sodass eine vollständige neurologische Erholung auch nach längerem Kreislaufstillstand möglich ist, sofern die schwere Hypothermie vor Auftreten der Asphyxie eingetreten ist.
Seien Sie zurückhaltend mit der Todesfeststellung bei einem hypothermen Patienten, da Kälte allein einen sehr langsamen, fadenförmigen, unregelmäßigen Puls und einen nicht messbaren Blutdruck zur Folge haben kann. Bei einem tief hypothermen Patienten (Stadium IV) können die Lebenszeichen so minimal sein, dass sie leicht übersehen werden. Deshalb sollen Lebenszeichen während mindestens einer Minute gesucht und die elektrische Aktivität des Herzmuskels mittels EKG-Monitor abgeleitet werden. Es wurde berichtet, dass Patienten einen hypothermiebedingten Kreislaufstillstand mit Kerntemperatur von 13,7 ℃ [42] und eine Wiederbelebung von 6,5 h [43] ohne neurologische Schäden überlebt haben.
Wenn die Umstände keine kontinuierliche CPR erlauben, kann auch eine intermittierende Herz-Lungen-Wiederbelebung nützlich sein [44]. Kann CPR nicht kontinuierlich durchgeführt werden, soll ein Patient mit Kreislaufstillstand und einer Kerntemperatur von < 28 ℃ (oder unbekannter Temperatur) 5 min CPR erhalten, im Wechsel mit ≤ 5 min Pause. Bei Patienten mit Kerntemperatur < 20 ℃ genügen 5 min CPR im Wechsel mit ≤ 10 min Pause [45].
Im präklinischen Umfeld soll auf eine Wiederbelebung hypothermer Patienten nur dann verzichtet werden, wenn der Kreislaufstillstand eindeutig auf eine tödliche Verletzung oder Erkrankung zurückgeführt werden kann, wenn ein prolongierter Atemstillstand vorliegt oder wenn sich der Brustkorb nicht komprimieren lässt [46]. In allen andern Fällen gilt der Grundsatz: „Niemand ist tot, ehe er nicht warm und tot ist.“ Allerdings muss berücksichtigt werden, dass in abgelegenen Gebieten eine Aufwärmung nicht durchführbar ist. Ziehen Sie im Krankenhaus erfahrene Ärzte hinzu, um aufgrund der klinischen Beurteilung zu entscheiden, wann ein Wiederbelebungsversuch bei einem hypothermen Patienten mit Kreislaufstillstand abgebrochen werden soll.
Modifikationen der Herz-Lungen-Wiederbelebung bei Hypothermie
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Verzögern Sie nicht die sorgfältige tracheale Intubation, wenn sie indiziert ist. Die Vorteile der Atemwegssicherung und der adäquaten Sauerstoffversorgung überwiegen gegenüber dem kleinen Risiko, durch die tracheale Intubation ein Kammerflimmern auszulösen [47].
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Suchen Sie bis zu einer Minute nach Lebenszeichen, bevor Sie die Diagnose Kreislaufstillstand stellen. Tasten Sie eine zentrale Arterie, und beurteilen Sie so den Herzrhythmus, falls ein EKG-Monitor nicht verfügbar ist. Die Echokardiographie, eine Dopplerultraschalluntersuchung der Gefäße oder die Nahinfrarotspektroskopie können herangezogen werden, um das Herzminutenvolumen oder den peripheren Blutfluss zu beurteilen [48, 49]. Im Zweifelsfall beginnen Sie sofort mit der Wiederbelebung.
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Die Hypothermie kann zu Steifigkeit des Thorax führen, wodurch die Beatmung und die Thoraxkompression erschwert werden. Erwägen Sie deshalb den Einsatz von mechanischen Thoraxkompressionsgeräten [50].
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Messen Sie die Kerntemperatur, sobald die Herz-Lungen-Wiederbelebung gestartet wurde, und verwenden Sie dazu ein Spezialthermometer das auch niedrige Temperaturen misst.
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Das hypotherme Herz spricht möglicherweise auf herzwirksame Medikamente, Schrittmacherstimulation oder Defibrillation nicht an. Der Medikamentenabbau ist verlangsamt, was zu potenziell toxischen Plasmakonzentrationen führen kann [51]. Die Datenlage zur Wirksamkeit der Medikamente bei schwerer Hypothermie ist beschränkt und basiert hauptsächlich auf Tierstudien. Beispielsweise ist die Wirksamkeit von Amiodaron bei schwerer Hypothermie reduziert [52]. Adrenalin kann den koronaren Blutfluss verbessern, nicht aber die Überlebenschancen [53, 54]. Vasopressoren erhöhen vielleicht die Chancen einer erfolgreichen Defibrillation, aber bei einer Kerntemperatur < 30 ℃ degeneriert der Sinusrhythmus oft wieder zu Kammerflimmern. Da die Defibrillation und Adrenalin das Myokard schädigen können, soll mit der Defibrillation und der Gabe von Adrenalin und andern Medikamenten gewartet werden, bis der Patient eine Kerntemperatur von ≥ 30 ℃ erreicht hat. Sobald 30º erreicht sind, können die Dosierungsintervalle für Pharmaka gegenüber denen bei Normothermie verdoppelt werden (z. B. Adrenalin alle 6–10 min). Erst ab Erreichen der Normothermie (≥ 35 ℃) sollen die Standardempfehlungen angewendet werden.
Behandlung von Rhythmusstörungen
Wenn die Kerntemperatur abfällt, geht der meist bradykarde Sinusrhythmus oft in ein Vorhofflimmern über, gefolgt von Kammerflimmern und schließlich Asystolie [55, 56]. Alle Rhythmusstörungen außer Kammerflimmern verschwinden normalerweise spontan, wenn die Kerntemperatur wieder ansteigt und müssen nicht unmittelbar behandelt werden. Im Rahmen einer schweren Hypothermie ist eine Bradykardie physiologisch. Eine Schrittmacherbehandlung ist nicht notwendig, außer die Bradykardie und Beeinträchtigung des Kreislaufs bleibt nach Wiedererwärmung bestehen. Bei welcher Temperatur der erste Defibrillationsversuch unternommen und wie oft ein schwer hypothermer Patient defibrilliert werden soll, ist unklar. Wenn Kammerflimmern festgestellt wird, soll deshalb gemäß Standardempfehlung defibrilliert werden. Wenn das Kammerflimmern nach drei Schocks persistiert, soll auf weitere Versuche verzichtet werden, bis die Kerntemperatur ≥ 30 ℃ erreicht hat [57]. Herz-Lungen-Wiederbelebung und Aufwärmung müssen u. U. mehrere Stunden lang durchgeführt werden, um eine erfolgreiche Defibrillation zu ermöglichen.
Verhindern des Wärmeverlusts
Zu den allgemeinen Maßnahmen gehören die Rettung aus der kalten Umgebung, die Verhinderung weiteren Wärmeverlusts und der rasche Transport ins Krankenhaus [58]. Präklinisch soll man einen Patienten mit mäßiger oder schwerer Hypothermie (Stadium ≥ II) immobilisieren, sorgfältig mit ihm umgehen, ihn adäquat oxigenieren und monitorisieren (EKG und Kerntemperatur). Der gesamte Körper soll abgetrocknet und isoliert werden [51].
Entfernen Sie nasse Kleider eher durch Aufschneiden als durch Ausziehen, um übermäßiges Bewegen des Körpers zu vermeiden. Die Entfernung von nasser Kleidung scheint für die Verhinderung von Wärmeverlust ähnlich wirksam zu sein wie der Einsatz einer Dampfbarriere [59]. Bewusstseinsklare Opfer einer milden Hypothermie (Stadium I) können sich bewegen, da Bewegung den Körper schneller erwärmt als Kältezittern [60]. Die Patienten kühlen nach der Rettung weiter ab („after drop“), was zu einem lebensbedrohlichen Abfall der Kerntemperatur und dadurch ausgelöstem Kreislaufstillstand auf dem Transport führen kann (Bergungstod). Präklinisch soll auf unnötige Untersuchungen und Behandlungen verzichtet werden, da der weitere Wärmeverlust nur ungenügend verhindert werden kann. Patienten, bei denen das Kältezittern verschwindet (Stadium II–IV), deren Bewusstsein getrübt ist oder die anästhesiert sind, kühlen schneller aus.
Aufwärmung in der Präklinik
Die Aufwärmung kann passiv, aktiv, extern oder intern erfolgen. Bei Hypothermie Stadium I ist die passive Aufwärmung angemessen, da die Patienten noch Kältezittern haben. Die passive Aufwärmung wird am besten erreicht durch Ganzkörperisolation mittels Wolldecken, Aluminiumfolie, Mütze und eine warme Umgebung (z. B. geheiztes Fahrzeug). Bei Hypothermie Stadium II–IV wird die Anwendung von chemischen Wärmeelementen am Stamm empfohlen. Bei bewusstseinsklaren Patienten, deren Kältezittern noch erhalten ist, verbessert dies den Komfort, beschleunigt die Aufwärmung aber nicht [61]. Bewusstlose Patienten, deren Atemweg nicht gesichert ist, sollen in Seitenlage gebracht und dann zugedeckt werden. Präklinisch ist die Aufwärmung mit gewärmten Infusionslösungen oder gewärmten und angefeuchteten Atemgasen nicht durchführbar [51]. Intensive Aufwärmung in der Präklinik soll den Transport ins Krankenhaus, wo aktive Aufwärmtechniken und kontinuierliche Überwachung vorhanden sind, nicht verzögern.
Transport
Patienten mit Hypothermie Stadium I sollen ins nächstgelegene Krankenhaus transportiert werden. Bei Patienten mit Hypothermie Stadium II–IV, Zeichen der kardialen Instabilität (systolischer Blutdruck < 90 mmHg, ventrikuläre Arrhythmie, Kerntemperatur < 28 ℃) soll der klinische Zustand die Wahl des Zielkrankenhauses bestimmen. Bei jeglichen Zeichen der kardialen Instabilität soll der Patient in ein ECLS-Zentrum („extracorporeal life support“) gebracht werden (ECLS umfasst Herz-Lungen-Maschine, extrakorporale Membranoxygenierung oder extrakorporale Lungenassistenz). Diese Klinik muss rechtzeitig kontaktiert werden, um sicherzustellen, dass der Patient dort aufgenommen und behandelt werden kann. Bei Hypothermie Stadium V sollen zunächst Gründe gesucht werden, auf die Wiederbelebung und Aufwärmung zu verzichten [z. B. sichere Todeszeichen, gültige Patientenverfügungen, z. B. DNAR („do not attempt resuscitation“), Gefahr für die Retter, Lawinenverschüttung während > 60 min, mit Schnee verlegtem Atemweg und Asystolie). Ist keines dieser Zeichen vorhanden, soll mit der Wiederbelebung begonnen, und der Patient muss in ein ECLS-Zentrum transportiert werden.
Aufwärmung im Krankenhaus
Solange ein Kreislauf vorhanden ist, kann der Patient minimal-invasiv mit Warmluftdecken (z. B. „bair-hugger“) und gewärmten Infusionslösungen aufgewärmt werden. Bei einer Kerntemperatur < 32 ℃ und einem Serumkalium < 8 mmol/l soll eine invasive Aufwärmung mittels ECLS erwogen werden [33]. Meist wurde bisher dazu die Herz-Lungen-Maschine verwendet. Seit einiger Zeit wird jedoch bevorzugt der venoarterielle extrakorporelle Membranoxigenator (VA-ECMO) eingesetzt, da diese Geräte rascher verfügbar sind, die Patienten weniger stark antikoaguliert werden müssen und man die Geräte nach erfolgter Aufwärmung auch zur weiteren Kreislaufunterstützung verwenden kann.
Wenn kein ECLS-Zentrum verfügbar ist, kann die Aufwärmung mittels Kombination von externer und interner Erwärmung versucht werden (Warmluftdecken, warme Infusionslösungen, warme Peritoneallavage). Dazu muss jedoch ein spezifisches Behandlungsteam gebildet werden [62].
Die kontinuierliche hämodynamische Überwachung und warme Infusionslösungen sind sehr wichtig. Die Patienten benötigen in der Aufwärmphase wegen der Vasodilatation und der damit verbundenen Erweiterung des intravasalen Raums große Mengen Flüssigkeit. Während und nach der Aufwärmung soll eine Hyperthermie vermieden werden. Sobald der Spontankreislauf wiederhergestellt ist, erfolgt die weitere Behandlung gemäß den Standards der Postreanimationsversorgung.
Hyperthermie
Einleitung
Zur Hyperthermie kommt es, wenn die Thermoregulation des Körpers versagt und die Kerntemperatur über den Bereich ansteigt, der normalerweise durch die Mechanismen der Homöostase gehalten wird. Die Hyperthermie kann exogen durch Umweltbedingungen oder endogen durch erhöhte Wärmeproduktion des Körpers verursacht werden.
Zur umweltbedingten Hyperthermie kommt es, wenn Wärmeenergie, meist in Form von Wärmestrahlung, durch den Körper rascher absorbiert wird, als sie durch die Thermoregulationsmechanismen abgegeben werden kann. Die Hyperthermie umfasst ein Kontinuum von hitzeinduzierten Zuständen, beginnend mit Hitzestress über Hitzeerschöpfung bis hin zum Hitzschlag und schließlich zum Multiorganversagen und Kreislaufstillstand [63].
Die maligne Hyperthermie ist demgegenüber eine seltene, genetisch bedingte Erkrankung der Calciumhomöostase in der Skelettmuskulatur, welche charakterisiert ist durch Muskelkontrakturen und eine lebensbedrohliche hypermetabole Krise, ausgelöst durch Exposition mit halogenierten Inhalationsanästhetika und depolarisierenden Muskelrelaxantien (Succinylcholin, [64, 65]).
Hitzeerschöpfung
Definition
Bei der Hitzeerschöpfung handelt es sich um ein nicht lebensbedrohliches Syndrom, bestehend aus Schwäche, Malaise, Übelkeit, Hypotonie und anderen unspezifischen Symptomen, das ausgelöst wird durch Hitzeexposition. Die Thermoregulation ist dabei nicht beeinträchtigt. Die Hitzeerschöpfung wird verursacht durch Wasser- und Elektrolytstörungen infolge Hitzeexposition mit oder ohne körperliche Anstrengung. Selten kann eine schwere Hitzeerschöpfung nach körperlicher Anstrengung zu Rhabdomyolyse, Myoglobinurie, akutem Nierenversagen und disseminierter intravasaler Gerinnung (DIC) führen.
Symptome
Die Symptome sind oft diskret, und die Patienten bemerken u. U. nicht, dass die Hitze die Ursache ist. Schwäche, Schwindel, Kopfschmerzen, Übelkeit und gelegentlich Erbrechen können die Symptome sein. Synkopen infolge lange Stehens in der Hitze sind häufig und können Herz-Kreislauf-Störungen vortäuschen. Bei der Untersuchung erscheinen die Patienten müde, schwitzen und sind tachykard. Anders als bei Hitzschlag ist das Bewusstsein typischerweise klar. Die Temperatur ist meist normal; falls sie doch erhöht ist, übersteigt sie nie 40 ℃.
Diagnose
Die Diagnose wird klinisch gestellt, wobei andere Ursachen wie z. B. Hypoglykämie, akutes Koronarsyndrom oder Infektionen durch entsprechende Laboruntersuchungen ausgeschlossen werden müssen.
Behandlung
Flüssigkeits- und Elektrolytersatz
Zur Behandlung gehört es, die Patienten in eine kühle Umgebung zu bringen, flach hinzulegen und intravenös kristalloide Flüssigkeit zu verabreichen. Die perorale Flüssigkeitsgabe ist u. U. nicht wirksam genug, um Elektrolyte rasch zu ersetzen, kann aber praktischer sein. Die Geschwindigkeit und die Menge der Zufuhr richtet sich nach dem Alter, den Grunderkrankungen und dem klinischen Effekt. Die Verabreichung von 1–2 l Kristalloide mit einer Geschwindigkeit von 500 ml/h ist oft adäquat. Eine äußere Kühlung ist meist nicht notwendig und soll nur erwogen werden bei Patienten mit einer Kerntemperatur ≥ 40 ℃.
Hitzschlag
Definition
Der Hitzschlag (HS) ist definiert als Hyperthermie mit einer Kerntemperatur > 40 ℃, welche begleitet wird durch eine systemische Entzündungsreaktion, Veränderungen des Bewusstseins und Organfunktionsstörungen verschiedener Ausprägung [63]. Es gibt zwei Formen von HS:
-
1.
Der klassische (nicht anstrengungsinduzierte) Hitzschlag (CHS) wird verursacht durch hohe Umgebungstemperaturen und betrifft oft ältere Menschen im Rahmen von Hitzeperioden [66].
-
2.
Der anstrengungsinduzierte Hitzschlag (EHS) wird verursacht durch starke körperliche Anstrengungen bei hohen Außentemperaturen und/oder hoher Luftfeuchtigkeit und betrifft meist junge, gesunde Menschen [67].
Die Mortalität bei Hitzschlag liegt zwischen 10 und 50 % [68].
Prädisponierende Faktoren
Wegen ihrer Grunderkrankungen, Medikamente, der verminderten Thermoregulation und der eingeschränkten sozialen Unterstützung haben ältere Menschen ein erhöhtes Risiko für hitzeinduzierte Erkrankungen. Daneben gibt es weitere Faktoren: ungenügende Akklimatisation an die Hitze, Dehydratation, Übergewicht, Alkohol, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Haut- und Systemerkrankungen (Psoriasis, Ekzeme, Sklerodermie, Verbrennungen, zystische Fibrose), Hyperthyreose, Phäochoromozytom, Medikamente und Drogen (Anticholinergika, Heroin, Kokain, Amphetamie, Phenothiazine, Sympathomimetika, Calciumkanal- und Beta-Blocker).
Symptome
Der HS kann sich präsentieren wie ein septischer Schock und durch ähnliche Mechanismen verursacht werden [69]. Eine Fallserie berichtet über 22 HS-Patienten, welche mit Multiorganversagen auf eine Intensivstation aufgenommen wurden; 14 davon starben dort [70]. Zu den klinischen Merkmalen gehörten:
-
Kerntemperatur ≥ 40 ℃,
-
heiße, trockene Haut (50 % der Patienten mit EHS zeigten Schwitzen),
-
frühe Zeichen und Symptome (z. B. extreme Müdigkeit, Kopfschmerzen, Ohnmachtsanfälle, Rötung des Gesichts, Erbrechen und Durchfälle),
-
kardiovaskuläre Störungen (z. B. Rhythmusstörungen und Hypotonie [71]),
-
respiratorische Störungen (z. B. „acute respiratory distress syndrome“, ARDS, [72]),
-
Störungen des Zentralnervensystems (z. B. Krämpfe und Koma [73]),
-
Leber- und Nierenversagen [74],
-
Gerinnungsstörungen,
-
Rhabdomyolyse [75].
Differenzialdiagnostisch muss der HS gegen andere Störungen, die mit einer erhöhten Temperatur einhergehen, abgegrenzt werden. Dazu gehören Medikamentenintoxikationen (Serotoninsyndrom, malignes neuroleptisches Syndrom), Entzugssyndrome, Sepsis, Infektionen des Zentralnervensystems und endokrine Störungen (z. B. thyreotoxische Krise, Phäochromozytom).
Behandlung
Im Vordergrund stehen unterstützende Maßnahmen und die rasche Kühlung des Patienten [76–78]. Wenn möglich, soll mit der Kühlung bereits präklinisch begonnen werden. Das Ziel ist, die Kerntemperatur so rasch wie möglich auf 39 ℃ zu senken. Patienten mit schwerem HS müssen auf einer Intensivstation behandelt werden. Große Mengen Flüssigkeit und die Korrektur von Elektrolytstörungen können notwendig sein (s. auch „Hypo-/Hyperkaliämie und andere Elektrolytstörungen“).
Kühltechniken
Verschiedene Techniken wurden beschrieben, aber nur wenige Studien haben untersucht, welches die optimale Methode ist. Einfache Maßnahmen umfassen das Zuführen von kühlen Getränken, das Befächern und das Besprühen des ausgezogenen Patienten mit lauwarmem Wasser. Das Auflegen von Eisbeuteln auf gut durchblutete Körperregionen (Axilla, Leiste, Nacken) kann ebenfalls nützlich sein. Die Kühlung der Oberfläche löst allerdings möglicherweise Kältezittern aus. Bewusstseinsklare, kooperative und stabile Patienten können zudem in ein kaltes Wasserbad gebracht werden, wobei dies eine periphere Vasokonstriktion und eine Umverteilung des Blutflusses weg von der Peripherie und damit eine verminderte Verteilung der Hitze verursachen kann [79]. Bei sehr kranken Patienten ist diese Methode nicht praktikabel.
Weiter können auch dieselben Techniken eingesetzt werden, die beim gezielten Temperaturmanagement nach Kreislaufstillstand benützt werden (s. auch „Nachsorge nach erfolgreicher Reanimation“, [80]). Die i.v.-Gabe von kalten Flüssigkeiten, Spülungen des Magens, der Bauchhöhle [81], der Pleurahöhle oder der Blase mit kaltem Wasser senkt die Kerntemperatur. Intravaskuläre Kühlungstechniken umfassen neben der i.v.-Gabe von kalten Flüssigkeiten [82] den Einsatz von intravasalen Kühlungskathetern [83, 84] und extrakorporalem Kreislauf [85], wie z. B. die kontinuierliche venovenöse Hämofiltration oder die Herz-Lungen-Maschine.
Medikamentöse Therapie
Es gibt keine spezifischen Medikamente zur Senkung der Kerntemperatur bei HS. Auch dass Antipyretika [z. B. nicht-steroidale Antiphlogistika (NSAID) oder Paracetamol] bei HS wirksam sind, ist nicht erwiesen. Diazepam kann zur Behandlung von Krämpfen eingesetzt werden und die Kühlung erleichtern [86]. Dantrolen hatte in mehreren Studien keinen Effekt [87–89].
Maligne Hyperthermie
Die maligne Hyperthermie ist eine lebensbedrohliche, genetisch bedingte Überempfindlichkeit der Skelettmuskulatur auf halogenierte Inhalationsanästhetika und depolarisierende Muskelrelaxantien (Succinylcholin), welche während oder nach Allgemeinanästhesie auftritt [90]. Stoppen Sie umgehend die Zufuhr der auslösenden Substanzen, geben Sie Sauerstoff, und korrigieren Sie Azidose und Elektrolytstörungen. Beginnen Sie mit der aktiven Kühlung, und verabreichen Sie Dantrolen (s. „Hypo-/Hyperthermie“, [91]).
Drogen [z. B. 3,4-Methylenedioxymethamphetamine (MDMA, „Ecstasy“) und Amphetamine] können der Hyperthermie ähnliche Zustände verursachen, und der Einsatz von Dantrolen kann hier ebenfalls nützlich sein [92].
Modifikationen der Herz-Lungen-Wiederbelebung bei Hyperthermie
Es gibt keine spezifischen Studien zum Kreislaufstillstand bei Hyperthermie. Folgen Sie deshalb den Standardleitlinien und kühlen Sie den Patienten weiter, wenn ein Kreislaufstillstand eintritt. Benützen Sie die gleichen Kühltechniken wie beim gezielten Temperaturmanagement in der Nachsorge nach erfolgreicher Reanimation (s. dort, [80]). Defibrillationsversuche werden mit den Standardenergien durchgeführt. Tierexperimente deuten darauf hin, dass die Prognose bei hyperthermem verglichen mit normothermem Kreislaufstillstand sehr schlecht ist [93, 94]. Pro Grad Körpertemperatur > 37 ℃ erhöht sich das Risiko eines ungünstigen neurologischen Behandlungsresultats um den Faktor 2,26 („Odds Ratio“, [95]).
Hypovolämie
Einleitung
Die Hypovolämie gehört zu den potenziell behandelbaren Ursachen des Kreislaufstillstands und beruht meist auf einem reduzieren intravasalen Volumen (z. B. infolge Blutung). Eine relative Hypovolämie kann aber auch bei massiver Vasodilatation im Rahmen einer anaphylaktischen Reaktion oder einer Sepsis auftreten.
Die Hypovolämie infolge mediatorinduzierter Vasodilatation und erhöhter Gefäßpermeabilität gehört zu den wichtigsten Ursachen des Kreislaufstillstands bei Anaphylaxie [96]. Die Hypovolämie infolge Blutverlusts gehört zu den wichtigsten Todesursachen beim traumabedingten Kreislaufstillstand [97]. Ein äußerer Blutverlust ist meist offensichtlich (äußere Blutung bei Trauma, Hämatemesis, Hämoptyse), während ein innerer Blutverlust (z. B. gastrointestinale Blutung ohne Hämatemesis, rupturiertes Aortenaneurysma) schwieriger zu diagnostizieren ist. Patienten nach größeren Operationen haben ein erhöhtes Risiko der Hypovolämie infolge Nachblutung und müssen entsprechend überwacht werden (s. „Perioperativer Kreislaufstillstand“).
Beginnen Sie, abhängig von der vermuteten Ursache, die Volumentherapie so rasch wie möglich mit gewärmten Kristalloiden oder Blutprodukten, um das intravasale Volumen wiederherzustellen. Leiten Sie gleichzeitig Maßnahmen zur Kontrolle der Blutung ein, z. B. chirurgische Blutstillung, Endoskopie oder endovaskuläre Techniken [98] oder behandeln Sie die Ursache (z. B. anaphylaktischer Schock). In der Anfangsphase können Sie jegliches Kristalloid benützen, welches gerade verfügbar ist. Die Ultraschalluntersuchung ist ein hilfreiches diagnostisches Instrument beim hypovolämen Kreislaufstillstand, welches auch während der Herz-Lungen-Wiederbelebung (z. B. während der Rhythmuskontrolle oder der Beatmung, aber ohne die Herzdruckmassage zu unterbrechen) eingesetzt werden kann (und soll), sofern eine in Ultraschall ausgebildete Person zur Verfügung steht.
Die Behandlung des Kreislaufstillstands und der Peri-arrest-Situationen bei Hypovolämie und Anaphylaxie unterscheiden sich und werden deshalb in separaten Abschnitten behandelt.
Anaphylaxie
Definition
Für die Notfallbehandlung ist eine präzise Definition der Anaphylaxie nicht wichtig [99]. Der Nomenklaturausschuss der Europäischen Akademie für Allergologie und klinische Immunologie (EACCI) hat folgende Definition vorgeschlagen [100]: Die Anaphylaxie ist eine schwere, lebensbedrohliche, generalisierte oder systemische Reaktion. Diese ist charakterisiert durch rasch auftretende Störungen von Luftweg und/oder Atmung und/oder Kreislauf, welche meist begleitet werden durch Veränderungen an Haut und Schleimhäuten [1, 96, 101, 102].
Epidemiologie
Die Anaphylaxie ist häufig, sie betrifft im Laufe des Lebens ca. eine von 300 Personen der europäischen Bevölkerung. Die Inzidenz beträgt zwischen 1,5 und 7,9 pro 100.000 Einwohner und Jahr. Eine Anaphylaxie kann durch eine Vielzahl von Substanzen ausgelöst werden, am häufigsten durch Nahrungsmittel, Medikamente, Insektenstiche und Latex [103]. Nahrungsmittel sind die häufigsten Ursachen bei Kindern, Medikamente die häufigsten bei Erwachsenen [104]. Nahezu alle Nahrungsmittel oder Medikamente können Reaktionen auslösen, wobei die meisten auf spezielle Lebensmittel (z. B. Nüsse) oder Medikamente (Muskelrelaxantien, Antibiotika, nicht-steroidale Entzündungshemmer und Aspirin) zurückzuführen sind [105].
Eine beträchtliche Zahl von anaphylaktischen Reaktionen sind idiopathisch. In Großbritannien wurden zwischen 1992 und 2012 die meisten anaphylaxiebedingten Klinikeinweisungen und Todesfälle im Zusammenhang mit Medikamenten oder Insektenstichen in der Altersgruppe der über 60-Jährigen beobachtet. Demgegenüber waren nahrungsmittelinduzierte Anaphylaxien am häufigsten bei jungen Menschen mit einem Häufigkeitsgipfel der tödlichen Nahrungsmittelreaktionen in der Altersgruppe zwischen 10 und 30 Jahren [106].
Die Prognose der Anaphylaxie ist mit einer Letalität von < 1 % in den meisten populationsbasierten Studien gut. Die Daten der Europäischen Anaphylaxie-Datenbank zeigen, dass in nur 2 % von 3333 Fällen ein Kreislaufstillstand auftrat [107]. Bei Patienten, welche auf eine Intensivstation eingewiesen werden mussten, betrug die Überlebensrate bei Krankenhausentlassung > 90 %. In den Jahren 2005 bis 2009 kamen in Großbritannien 81 Kinder und 1269 Erwachsene wegen Anaphylaxie auf Intensivstationen. Die Überlebensrate bei Klinikaustritt betrug bei Kindern 95 % und bei Erwachsenen 92 % [108].
Eine erhöhte Letalität besteht hingegen bei Patienten mit vorbestehendem Asthma, besonders wenn dieses schwer oder schlecht kontrolliert und die Behandlung verzögert ist [109, 110]. Bei einer fatalen Anaphylaxie tritt der Tod häufig sehr rasch nach Kontakt mit dem Auslöser ein. Fallserien zeigten, dass bei fatalen Nahrungsmittelreaktionen der Atemstillstand typischerweise nach 30–35 min eintrat, der Kollaps nach Insektenstich bereits nach 10–15 min und Todesfälle nach i.v.-Medikamentengabe meist innerhalb von 5 min. Sechs Stunden nach Kontakt mit dem Auslöser wurden hingegen nie Todesfälle beobachtet [101, 111].
Diagnose der Anaphylaxie
Die Anaphylaxie ist die wahrscheinlichste Diagnose, wenn ein Patient nach Exposition mit einem Trigger (Allergen) plötzlich (meist innerhalb von Minuten) erkrankt mit rasch sich entwickelnden, lebensbedrohlichen Störungen der Luftwege, der Atmung und des Kreislaufs, meist verbunden mit Veränderungen der Haut und der Schleimhäute. Die Reaktion ist häufig unerwartet.
Die Task-Force Anaphylaxie der EACCI stellt fest, dass eine Anaphylaxie mit hoher Wahrscheinlichkeit vorliegt, wenn eines der folgenden drei Kriterien erfüllt ist [96, 112]:
-
1.
Akuter Beginn der Erkrankung (innerhalb von Minuten bis Stunden) mit Beteiligung der Haut, Schleimhäute oder beidem (generalisierte Urticaria, Pruritus, Rötung, Schwellung der Lippen, Zunge und Uvula), kombiniert mit mindestens einem der folgenden Merkmale:
-
a.
Atemprobleme, z. B. Dyspnoe, Giemen, spastisches Atemgeräusch, Stridor, reduzierter „peak expiratory flow“ (PEF), Hypoxämie,
-
b.
Blutdruckabfall oder Symptome infolge verminderter Organperfusion, z. B. Synkope, Kollaps, Urinabgang.
-
2.
Zwei oder mehrere der folgenden Zeichen, welche kurz (innerhalb von Minuten bis Stunden) nach Exposition mit einer Substanz auftreten, auf die der vorliegende Patient wahrscheinlich allergisch ist:
-
a.
Veränderungen von Haut und Schleimhäuten, z. B. generalisierte Urticaria, Pruritus, Rötung, Schwellung von Lippen, Zunge und Uvula,
-
b.
Atemprobleme, z. B. Dyspnoe, Giemen, spastisches Atemgeräusch, Stridor, reduzierter PEF, Hypoxämie,
-
c.
Blutdruckabfall oder assoziierte Symptome, z. B. Kollaps (Hypotonie), Synkope, Urinabgang,
-
d.
persistierende gastrointestinale Symptome, z. B. krampfartige Bauchschmerzen, Erbrechen.
-
3.
Blutdruckabfall kurz (innerhalb von Minuten bis Stunden), der mit einer Substanz auftritt, auf die der vorliegende Patient bekannterweise allergisch ist:
-
a.
Säuglinge und Kinder: systolischer Blutdruck (< 70 mmHg von 1 Monat bis 1 Jahr; < 70 mmHg + (2×Alter) zwischen 1 und 10 Jahren; < 90 mmHg zwischen 11 und 17 Jahren) oder Abfall des systolischen Blutdruckes > 30 % vom Ausgangswert dieser Person,
-
b.
Erwachsene: systolischer Blutdruck < 90 mmHg oder Abfall des systolischen Blutdruckes > 30 % vom Ausgangswert dieser Person.
Behandlung
Es gibt nur wenige Daten zur spezifischen Behandlung von Anaphylaxie [113] Allgemein wird das systematische Vorgehen nach dem ABCDE-Schema empfohlen, um sie zu erkennen und zu behandeln, wobei die sofortige intramuskuläre (i.m.) Verabreichung von Adrenalin betont wird (Abb. 2). Lebensbedrohliche Probleme sollen sofort nach ihrer Diagnose behandelt werden. Die grundlegenden Behandlungsprinzipien sind für alle Altersgruppen gleich. Alle Patienten, bei denen eine Anaphylaxie vermutet wird, müssen sofort am Monitor überwacht werden (z. B. im Rettungswagen oder auf der Notfallstation). Dazu gehören auf jeden Fall Pulsoximetrie, nicht-invasive Blutdruckmessung und ein 3-Kanal-EKG.
Lagerung des Patienten
Patienten mit Anaphylaxie können sich rasch verschlechtern, bis hin zum Kreislaufstillstand, wenn man sie aufsetzt oder stehen lässt [114]. Alle Patienten sollen deshalb in eine bequeme Position gebracht werden. Patienten mit einem Problem der Luftwege oder der Atmung werden es bevorzugen zu sitzen, da dies die Atmung erleichtert. Flachlagerung mit oder ohne Anheben der Beine ist hingegen hilfreich bei Patienten mit niedrigem Blutdruck.
Entfernen des Triggers (wenn möglich)
Jegliches Medikament, welches als Ursache infrage kommt, muss umgehend gestoppt werden. Nach einem Wespen- oder Bienenstich soll der Stachel sofort entfernt werden. Die Methode der Entfernung ist dabei weniger wichtig, als dass es rasch geschieht [115]. Allerdings soll die Behandlung nicht verzögert werden, wenn der Auslöser nicht entfernt werden kann.
Kreislaufstillstand infolge Anaphylaxie
Starten Sie sofort die Herz-Lungen-Wiederbelebung gemäß gültigen Richtlinien. Die Reanimation kann längere Zeit in Anspruch nehmen. Die Ersthelfer sollen sicherstellen, dass rechtzeitig professionelle Hilfe (ALS) angefordert wird, da diese von großer Bedeutung ist.
Atemwegsobstruktion
Die Anaphylaxie kann Schwellungen und Behinderungen der Luftwege verursachen, dies erschwert Maßnahmen zur Atemwegssicherung und Beatmung (z. B. die Beutel-Masken-Beatmung, tracheale Intubation oder Koniotomie). Die tracheale Intubation soll deshalb frühzeitig erwogen werden, bevor sie durch die Schwellung der Luftwege erschwert wird. Expertenrat soll frühzeitig angefordert werden.
Adrenalin (Behandlung der ersten Wahl)
Adrenalin ist das wichtigste Medikament zur Behandlung der Anaphylaxie [116, 117]. Obwohl es keine randomisierten kontrollierten Studien gibt, ist Adrenalin eine logische und erprobte Behandlungsmethode von Bronchospasmus und Kreislaufkollaps [118]. Als Alpha-Rezeptoragonist wirkt es der Vasodilatation entgegen und reduziert das Ödem. Seine Beta-Rezeptoraktivität erweitert die Bronchien, wirkt positiv inotrop und hemmt die Freisetzung von Histamin und Leukotrienen. Die Aktivierung von β2-adrenergen Rezeptoren auf der Mastzelloberfläche hemmt deren Aktivierung, und die frühe Gabe von Adrenalin vermindert die Schwere einer IgE-vermittelten allergischen Reaktion. Adrenalin ist am wirksamsten, wenn es früh nach Beginn der Reaktion gegeben wird, und Nebenwirkungen sind extrem selten bei korrekter i.m.-Dosierung [119].
Geben Sie allen Patienten mit lebensbedrohlichen Symptomen und Zeichen Adrenalin. Liegen keine lebensbedrohlichen Symptome vor, sondern andere Zeichen einer systemischen allergischen Reaktion, muss der Patient sorgfältig überwacht und symptomatisch nach dem ABCDE-Schema behandelt werden.
I.m.-Gabe von Adrenalin
Die intramuskuläre (i.m.) Gabe von Adrenalin ist für die meisten Anwender der sicherste und schnellste Applikationsweg zur Behandlung der Anaphylaxie. Der Patient soll so rasch wie möglich am Monitor überwacht werden (Blutdruck, EKG, Pulsoximetrie), damit die Wirkung der Adrenalingabe festgestellt werden kann. Der i.m.-Applikationsweg hat mehrere Vorteile:
-
größere therapeutische Sicherheit,
-
Anwendung auch ohne i.v.-Zugang möglich,
-
einfachere Erlernbarkeit der Methode,
-
Patienten mit bekannten Allergien können sich Adrenalin selber i.m. verabreichen.
Der beste Applikationsort ist die anterolaterale Seite des mittleren Drittels des Oberschenkels. Die Injektionsnadel soll lang genug gewählt werden, sodass das Adrenalin in den Muskel injiziert werden kann [120]. Wegen der schlechteren Wirksamkeit der subkutanen oder inhalativen Anwendung ist der i.m.-Applikationsweg zu bevorzugen [121–123].
Dosis für die i.m.-Adrenalingabe
Es gibt nur wenig Evidenz zur richtigen Dosierung. Die EAACI empfiehlt Adrenalin (1 mg/ml) i.m. in einer Dosis von 0,01 ml/kg Körpergewicht (KG), bis zu einer maximalen Dosis von 0,5 mg [96].
Die folgenden Dosierungen orientieren sich an der Sicherheit und Praktikabilität in Notfallsituationen (die äquivalenten Volumina einer Adrenalinlösung 1:1000 oder 1 mg/ml sind in Klammern angegeben):
-
> 12 Jahre und Erwachsene 500 mcg i.m. (0,5 ml),
-
> 6 bis 12 Jahre 300 mcg i.m. (0,3 ml),
-
> 6 Monate bis 6 Jahre 150 mcg i.m. (0,15 ml),
-
< 6 Monate 150 mcg i.m. (0,15 ml).
Adrenalin ist am wirksamsten, wenn es frühzeitig nach Beginn der Reaktion gegeben wird, und Nebenwirkungen sind bei korrekter i.m.-Dosierung extrem selten [119].
I.v.-Adrenalingabe (nur für erfahrene Anwender)
Das Risiko von gefährlichen Nebenwirkungen durch unsachgemäße Dosierung oder Fehldiagnose einer Anaphylaxie ist bei der intravenösen (i.v.) Adrenalingabe viel größer [124]. I.v.-Adrenalin soll deshalb nur durch Erfahrene und im Umgang mit Vasopressoren Geübte eingesetzt werden (z. B. Anästhesisten, Notfall- und Intensivmediziner). Bei Patienten mit Spontankreislauf kann i.v.-Adrenalin lebensbedrohliche Hypertensionen, Tachykardien, Rhythmusstörungen und Myokardischämien verursachen. Wenn kein i.v.-Zugang vorhanden ist oder nicht rasch genug gelegt werden kann, soll der i.m.-Applikationsweg gewählt werden. Patienten, welche i.v.-Adrenalin erhalten, müssen am Monitor überwacht werden (mindestens kontinuierlich EKG, Pulsoximetrie und häufige nicht-invasive Blutdruckmessung). Patienten, die wiederholte i.m.-Dosen benötigen (d. h. nicht rasch genug ansprechen), profitieren von i.v.-Adrenalingabe. Bei diesen Patienten ist aber frühzeitige professionelle Betreuung entscheidend.
Dosis für die i.v.-Adrenalingabe (nur für erfahrene Anwender)
-
Erwachsene: Titrieren Sie i.v.-Adrenalin in 50-mcg-Boli nach Wirkung. Sind wiederholte Dosen nötig, empfiehlt sich die kontinuierliche Gabe mit Perfusor oder als Infusion [125, 126].
-
Kinder: I.m.-Adrenalin ist bei Kindern mit Anaphylaxie der bevorzugte Applikationsweg. Die i.v.-Gabe soll nur bei entsprechendem Monitoring und durch erfahrene Anwender durchgeführt werden (z. B. Kinderanästhesisten, Kindernotfallmediziner oder Kinderintensivmediziner) und sofern ein i.v.-Zugang rasch genug verfügbar ist. Es gibt keine Daten, auf denen eine Dosisempfehlung basieren könnte. Die Dosierung erfolgt deshalb nach klinischer Wirkung. Ein Kind kann bereits auf eine Dosis von 1 mcg/kg reagieren. Diese bedarf einer sorgfältigen Verdünnung und Überprüfung, damit Dosierungsfehler vermieden werden.
Dosis für die i.v./i.o.-Adrenalingabe (nur bei Kreislaufstillstand)
Bei Kreislaufstillstand und vermuteter Anaphylaxie soll mit üblichen Dosen von i.v. oder intraossärem (i.o.) Adrenalin behandelt werden. Falls dies nicht gelingt, kann bei drohendem oder soeben eingetretenem Kreislaufstillstand i.m.-Adrenalin in Betracht gezogen werden.
Sauerstoff (sobald verfügbar)
Zu Beginn bieten Sie dem Patienten die höchst mögliche Sauerstoffkonzentration mittels Maske mit Reservoir und hohem Fluss (> 10 l/min) an [127]. Wenn der Patient intubiert ist, beatmen Sie ihn mit hohen Sauerstoffkonzentrationen mit dem Beutel.
Flüssigkeit (sobald verfügbar)
Neben der Vasodilatation kommt es bei der Anaphylaxie wegen der erhöhten Durchlässigkeit der Kapillaren zu großen Volumenverlusten. Beginnen Sie mit der Gabe von i.v.-Flüssigkeit, sobald ein i.v.-Zugang gelegt ist. Bei Kindern sollen 20 ml/kg, bei Erwachsenen ein Bolus von 500–1000 ml rasch infundiert werden, wobei die Wirkung überwacht werden muss. Bei Bedarf können weitere Boli gegeben werden. Unter Umständen werden große Mengen Flüssigkeit benötigt. Es gibt keine Evidenz, wonach Kolloide besser wirken als Kristalloide. Kolloide müssen jedoch als Ursache in Betracht gezogen werden, wenn bei einem Patienten mit laufender Kolloidinfusion eine Anaphylaxie auftritt. Die Kolloidinfusion muss in diesem Fall sofort gestoppt werden.
Sollte der i.v.-Zugang nicht rasch genug gelingen oder unmöglich sein, kann der i.o.-Applikationsweg sowohl für Flüssigkeiten als auch für Medikamente eingesetzt werden. Allerdings soll die i.m.-Gabe von Adrenalin nicht verzögert werden, weil ein i.o.-Zugang gelegt wird.
Antihistaminika (nach der Erstversorgung)
Antihistaminika gehören zu den Medikamenten der zweiten Reihe bei Anaphylaxie. Es gibt nur wenig Evidenz, die deren Anwendung stützt, aber es bestehen logische Gründe dafür [128]. H1-Antihistaminika helfen, der histamininduzierten Vasodilatation, der Bronchokonstriktion und besonders den Hautsymptomen entgegenzuwirken. Es gibt wenig Evidenz für den routinemäßigen Einsatz von H2-Antihistamika (z. B. Ranitidine, Cimetidine) in der Initialbehandlung der Anaphylaxie.
Kortikosteroide (nach der Erstversorgung)
Kortikosteroide können langwierige Reaktionen verkürzen oder verhindern, wobei die Evidenz dafür begrenzt ist [129]. Besonders Asthmatiker profitieren von der frühzeitigen Behandlung mit Kortikosteroiden. Dies gilt sowohl für Erwachsene als auch für Kinder, wobei es kaum Daten zur optimalen Dosierung gibt.
Andere Medikamente
Bronchodilatatoren
Die Symptome und Zeichen der schweren Anaphylaxie und des lebensbedrohlichen Asthmaanfalls können die gleichen sein. Erwägen Sie deshalb auch eine zusätzliche bronchospasmolytische Behandlung mittels Salbutamol (inhalativ oder i.v.), Ipratropium (inhalativ), Aminophyllin (i.v.) oder Magnesium (i.v.; s. „Asthma“). I.v.-Magnesium wirkt allerdings auch als Vasodilatator und kann deshalb eine Hypotension verschlimmern.
Medikamente mit kardiovaskulärer Wirkung
Adrenalin bleibt der Vasopressor erster Wahl zur Behandlung der Anaphylaxie. Tierexperimentelle Arbeiten und Fallberichte beschreiben die Wirksamkeit anderer Vasopressoren und Inotropika (Noradrenalin, Vasopressin, Terlipressin, Metaraminol, Methocamine und Glucagon) für den Fall, dass Adrenalin und i.v.-Volumengabe nicht den gewünschten Effekt haben sollten [130–142]. Diese Medikamente dürfen allerdings nur unter spezieller Überwachung (z. B. auf der Intensivstation) und durch entsprechend erfahrenes Personal eingesetzt werden. Glucagon kann nützlich sein zur Behandlung einer Anaphylaxie bei Patienten, welche unter Beta-Rezeptorenblockertherapie stehen [143]. In gewissen Fallberichten wird der Einsatz einer Herz-Lungen-Maschine [144, 145] oder von mechanischen Thoraxkompressionsgeräten vorgeschlagen [146].
Abklärung
Grundsätzlich sollen die bei medizinischen Notfallsituationen üblichen Untersuchungen durchgeführt werden: z. B. 12-Ableitungs-EKG, Röntgenthorax, Bestimmung von Harnstoff und Elektrolyten und arterielle Blutgasanalyse etc.
Mastzelltryptase
Der spezifische Test, um die Diagnose der Anaphylaxie zu bestätigen, ist die Bestimmung der Mastzelltryptase. Die Tryptase ist das wichtigste Protein, welches bei der Mastzelldegranulation freigesetzt wird. Deshalb führt die Anaphylaxie zu stark erhöhten Tryptasekonzentrationen im Blut, meist beginnend 30 min nach Auftreten der Symptome. Das Maximum wird typischerweise 1–2 h nach Symptombeginn erreicht [147]. Die Halbwertzeit der Tryptase ist kurz (ca. 2 h), sodass sich die Konzentrationen innerhalb von 6–8 h wieder normalisieren. Der Zeitpunkt der Blutentnahmen ist deshalb entscheidend. Der Beginn der Anaphylaxie ist gleichbedeutend mit dem Zeitpunkt, zu dem die ersten Symptome festgestellt wurden.
-
a.
Mindestens eine Blutentnahme soll 1–2 h nach Symptombeginn erfolgen.
-
b.
Besser sind jedoch drei Blutproben zu definierten Zeiten
:
-
die erste so früh wie möglich nach Beginn der Reanimation (ohne diese zu verzögern),
-
die zweite 1–2 h nach Beginn der Symptome,
-
die dritte entweder 24 h danach oder in der Nachbehandlung (z. B. anlässlich einer Nachkontrolle in einer Allergieklinik) zur Bestimmung der individuellen Basiskonzentration.
Die Entnahme von mehreren Proben bedeutet bessere Sensitivität und Spezifität als eine einzelne Bestimmung im Hinblick auf die Diagnose einer Anaphylaxie [148].
Entlassung und Nachbehandlung
Patienten, bei denen eine Anaphylaxie vermutet wird (d. h. mit Atemwegs-, Atmungs- oder Kreislaufproblemen; „airway-breathing-circulation“, ABC) sollen in einer Klinik behandelt und überwacht werden, die die Möglichkeiten zur Behandlung von lebensbedrohlichen ABC-Problemen hat. Wegen des Risikos biphasischer Reaktionen sollen Patienten, welche gut auf die initiale Behandlung ansprechen, über die Möglichkeit eines Rückfalls aufgeklärt oder u. U. zur Überwachung stationär aufgenommen werden. Die exakte Inzidenz biphasischer Reaktionen ist nicht bekannt. Obwohl einzelne Studien von einer Inzidenz von 1–20 % ausgehen, ist nicht klar, ob all diese Patienten wirklich eine Anaphylaxie hatten oder ob die initiale Behandlung angemessen war [149]. Es gibt keine zuverlässige Methode zur Vorhersage, wer eine biphasische Reaktion erleiden wird. Deshalb soll der Entscheid über Entlassung oder stationäre Aufnahme durch einen erfahrenen Kliniker getroffen werden.
Vor Entlassung aus dem Krankenhaus müssen alle Patienten
-
von einem Allergologen gesehen werden und einen individuellen Behandlungsplan bekommen,
-
klare Anweisungen erhalten, ins Krankenhaus zurückzukehren, sollten die Symptome wieder auftreten,
-
bezüglich der Notwendigkeit der Abgabe einer Adrenalinfertigspritze evaluiert werden oder – falls diese verbraucht wurde – einen Ersatz bekommen [150–152], und es muss sichergestellt werden, dass die nötige Anleitung zu deren Anwendung gegeben wurde,
-
über die Notwendigkeit und den Ablauf der Weiterbetreuung informiert werden. Der behandelnde Hausarzt soll benachrichtigt werden.
Die Patienten müssen Informationen über das auslösende Allergen erhalten (sofern es identifiziert werden konnte), und sie müssen erfahren, wie sie es vermeiden können. Die Patienten sollen wissen, wie sie die frühen Symptome der Anaphylaxie erkennen, sodass sie rasch Hilfe anfordern und ihre Notfallmedikamente vorbereiten können. Obwohl keine randomisierten Studien vorliegen, gibt es Hinweise, dass ein individueller Aktionsplan für das Selbstmanagement die Gefahr eines Rückfalls verringert [153].
Traumatisch bedingter Kreislaufstillstand
Allgemeines
Ein Kreislaufstillstand infolge Trauma (TCA) hat eine sehr hohe Mortalität. Interessanterweise ist bei den überlebenden das neurologische Outcome viel besser als bei anderen Ursachen für einen Kreislaufstillstand [154, 155]. Die Reaktionszeit ist bei einem TCA entscheidend, und der Erfolg hängt von einer eingespielten überlebenskette ab, die sich von einer erweiterten präklinischen Betreuung bis hin zur Behandlung in einem spezialisierten Traumazentrum spannt.
Diagnose
Die Diagnose eines TCA erfolgt klinisch: Der Traumapatient atmet nicht oder agonal, der Puls ist zentral nicht tastbar.
Ein Beinahekreislaufstillstand äußert sich durch eine instabile Kreislaufsituation, Hypotonie, Verlust der peripheren Pulse in den betroffenen Körperregionen und durch Verwirrung ohne offensichtliche Zentralnervensystemschädigung. Unbehandelt führt dieser Zustand wahrscheinlich zum Kreislaufstillstand. Eine standardisierte sonographische Sofortbeurteilung kann bei der initialen Diagnose und Therapie hilfreich sein, soll aber nicht die Durchführung der Wiederbelebungsmaßnahmen verzögern [156]. Kreislaufstillstände und Bewusstseinsverluste infolge internistischer oder neurologischer Erkrankungen (z. B. Hypoglykämie, Schlaganfall oder epileptische Anfälle) können sekundär zu einem Trauma führen. So ereignen sich beispielsweise gemäß verschiedenen Beobachtungsstudien ca. 2,5 % der außerklinischen Kreislaufstillstände in Fahrzeugen [157–159]. In diesen Fällen liegt häufig ein defibrillierbarer Rhythmus (VF/VT) vor [97]. Da diese medizinischen Kreislaufstillstände nach dem ALS-Universalalgorithmus behandelt werden müssen, ist es lebenswichtig, dass sie nicht fälschlicherweise als TCA interpretiert werden. Die medizinische Vorgeschichte, Hinweise auf Ereignisse unmittelbar vor dem Unfall und eine systematische Untersuchung (inklusive 12-Kanal-EKG) nach erfolgreicher Reanimation (ROSC) können helfen, die Ursache für den Kreislaufstillstand herauszufinden.
Prognostische Faktoren und Verzicht auf Wiederbelebung
Es gibt keine zuverlässigen Prädiktoren für die überlebenswahrscheinlichkeit nach TCA. Reagierende Pupillen, geordnete Rhythmen im EKG, respiratorische Aktivität, kurze CPR-Dauer und Prähospitalzeit werden mit einem positiven Outcome in Verbindung gebracht [159–161]. Ein großer systematischer Review berichtete von einer überlebensrate von 3,3 % nach stumpfem und 3,7 % nach penetrierendem Trauma, mit einem guten neurologischen Outcome in 1,6 % aller Fälle [154]. Bei Kindern ist die Prognose altersabhängig und günstiger als bei Erwachsenen [97, 154]. Die beträchtlichen Schwankungen der dokumentierten Mortalitätsraten (0–27 %) ergeben sich aus der Heterogenität der Fälle und der beteiligten Rettungseinrichtungen. PEA, primär als Ausdruck eines Low-output-Zustands und Asystolie, sind die vorherrschenden Herzrhythmen bei TCA. Ein Kammerflimmern (VT) ist selten zu beobachten, weist aber die bessere Prognose auf [97, 155]. Eine Studie zeigte gutes neurologisches Outcome in 36,4 % der TCA mit VF als initialem Rhythmus, bei Vorliegen einer PEA hingegen nur in 7 %, bei einer Asystolie nur in 2,7 % der TCA [155]. Andere Untersuchungen fanden keine Überlebenden bei nicht defibrillierbaren Rhythmen [159, 162, 163].
Das „American College of Surgeons“ und die „National Association of EMS Physicians“ empfehlen den Verzicht auf Reanimationsmaßnahmen in Situationen mit feststellbarem oder unabwendbarem Todeseintritt und bei Traumapatienten, die apnoisch und pulslos ohne geordneten Herzrhythmus sind [164]. Und das, obwohl in solchen Fällen von Überlebenden mit gutem neurologischen Outcome berichtet wurde [155].
Wir empfehlen folgendes Vorgehen:
Ziehen Sie einen Verzicht auf eine Reanimation unter folgenden Bedingungen in Erwägung:
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keine Lebenszeichen in den vorangegangenen 15 min,
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massives, mit dem Leben nicht vereinbares Trauma (z. B. Dekapitation, penetrierende Herzverletzung, sichtbarer Verlust von Hirngewebe).
Ziehen Sie eine Beendigung der Reanimationsmaßnahmen in Betracht, wenn:
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nach Behandlung der reversiblen Ursachen kein ROSC erreicht werden kann,
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sonographisch keine Herztätigkeit nachweisbar ist.
Da in Europa unterschiedliche Traumaversorgungssysteme existieren, empfehlen wir die Umsetzung von regionalen TCA-Richtlinien und die Anpassung der Behandlungspfade an die lokalen Infrastrukturen und Ressourcen.
Behandlung
Die Betonung der prompten Behandlung der potenziell reversiblen Pathologien bildet die Grundlage der Therapieleitlinien. Etliche Therapiealgorithmen berücksichtigen dieses Prinzip [97, 165–167]. Alle Algorithmen sind darauf ausgerichtet, die reversiblen Gründe des TCA sowohl in der Präklinik wie auch in der Klinik früh zu erkennen und zu beheben. Abb. 3 zeigt einen auf dem ALS-Universalalgorithmus basierenden Algorithmus zur Behandlung des traumatisch bedingten (Beinahe-)Herz-Kreislauf-Stillstands [168].
Effektivität der Thoraxkompression
Thoraxkompressionen sind noch immer die Standardmaßnahme bei Kreislaufstillständen sämtlicher Ätiologien. Ist dieser durch eine Hypovolämie, eine Perikardtamponade oder einen Spannungspneumothorax verursacht, so ist die Herzdruckmassage wahrscheinlich nicht so effektiv wie bei einem Kreislaufstillstand unter normovolämischen Verhältnissen [169–172]). Aufgrund dieser Tatsache hat die Thoraxkompression eine geringere Priorität als die sofortige Behandlung der reversiblen Ursachen (z. B. Thorakotomie, Blutungskontrolle). In der Präklinik sollen vor Ort nur die erforderlichen lebensrettenden Interventionen durchgeführt und dann der Patient möglichst schnell in das nächste geeignete Krankenhaus transportiert werden.
Hypovolämie
In 48 % aller TCA ist ein unkontrollierter Blutverlust Ursache für den Herz-Kreislauf-Stillstand [97]. Die Behandlung des schweren hypovolämischen Schocks weist verschiedene Elemente auf. Wichtigstes Prinzip dabei ist das verzögerungsfreie Erreichen einer Blutstillung, üblicherweise durch chirurgische oder radiologische Interventionen.
Eine vorübergehende Blutungskontrolle kann lebensrettend sein.
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Behandeln Sie komprimierbare Blutungen mit direktem Druck (mit oder ohne Verband), verwenden Sie Tourniquets, und/oder applizieren Sie hämostatische Substanzen topisch [173].
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Verwenden Sie bei schwieriger zu behandelnden, nicht komprimierbaren Blutungen Schienungen (z. B. Beckenschlinge), Blutprodukte, i.v.-Volumengabe und Tranexamsäure (TXA), während Sie gleichzeitig eine chirurgische Blutstillung in die Wege leiten.
Im Verlauf der letzten 10 Jahre wurde das Konzept der „damage control resuscitation“ (DCR) Bestandteil der Behandlung der unkontrollierten, massiven Blutung. DCR kombiniert eine permissive Hypotonie und eine aggressive Gerinnungstherapie mit der „damage control surgery“, einer chirurgischen Schadenskontrolle, die darauf abzielt, die Verletzungen eines Patienten ohne zusätzliches Operationstrauma provisorisch zu stabilisieren. Bei begrenzter Evidenz besteht ein allgemeiner Konsens zu einer restriktiven i.v.-Flüssigkeitszufuhr, bis die Blutung chirurgisch gestillt ist [174]. Die permissive Hypotonie erlaubt es, nur gerade so viel Volumen zuzuführen, dass der Radialispuls erhalten bleibt [175, 176].
Unter aggressiver Gerinnungsstherapie versteht man den sehr frühen Einsatz von Blutprodukten, um das Verbluten durch eine traumatisch bedingte Gerinnungsstörung zu verhindern [177]. Das empfohlene Verhältnis von Erythrozytenkonzentraten, FFP („fresh frozen plasma“) und Thrombozytenkonzentraten beträgt 1:1:1 [178]. Einige Rettungsdienste beginnen mit der Gabe von Blutprodukten bereits präklinisch [179, 180].
Gleichzeitige Anwendung einer „damage control surgery“ und einer aggressiven Gerinnungstherapie mit Verwendung von Massivtransfusionsprotokollen [173] sind Eckpfeiler der DCR bei Patienten mit lebensbedrohlich blutenden Verletzungen (Abb. 4; [177]).
Obwohl die Evidenz bezüglich der permissiven Hypotonie (v. a. beim stumpfen Trauma) beschränkt ist, wird sie sowohl von militärischen wie zivilen Rettungsdiensten angewandt und ein systolischer Blutdruck von 80–90 mmHg angestrebt [181]. Vorsicht ist angebracht bei Patienten mit einem Schädel-Hirn-Trauma, da diese aufgrund des erhöhten Hirndruckes einen höheren zerebralen Perfusionsdruck benötigen. Wegen der Gefahr von irreversiblen Organschädigungen soll die Dauer der permissiven Hypotonie 60 min nicht überschreiten [176].
TXA (1 g i.v. über 10 min als Loading Dose, gefolgt von einer Infusion von 1 g über 8 h) steigert die Überlebensrate bei traumatischen Blutungen [182]. Die Wirksamkeit ist in der ersten Stunde am größten, sicher aber innerhalb von 3 h nach dem Trauma. Verabreichen Sie TXA wenn möglich schon präklinisch.
Hypoxie
Hypoxämien durch Atemwegsverlegungen und stumpfe Thoraxkompressionstraumata sind offensichtlich für 13 % aller TCA verantwortlich [97]. Ein effektives Atemwegsmanagement mit einer suffizienten Beatmung kann einen hypoxischen Kreislaufstillstand beheben. Die Gewährleistung und Aufrechterhaltung der Sauerstoffversorgung ist gerade bei Patienten mit schwer beeinträchtigten Atemwegen zwingend notwendig. Für Ungeübte weist die bei Verletzten oft schwierige Intubation eine hohe Misserfolgsquote auf [183, 184]. Gelingt die tracheale Intubation nicht auf Anhieb, verwenden Sie die grundlegenden Techniken des Atemwegsmanagements und supraglottische Atemwegshilfen der zweiten Generation, um die Oxygenation sicherzustellen.
Vor allem bei hypotonen Patienten kann eine Überdruckbeatmung durch Verminderung des venösen Rückstroms zum Herzen die Hypotonie verstärken [185]. Niedrige Atemhubvolumina und langsame Beatmungsfrequenzen helfen, den kardialen Preload zu optimieren. Überwachen Sie die Beatmung mittels Kapnographie, und streben Sie dabei eine Normokapnie an [173].
Spannungspneumothorax
Durch einen Spannungspneumothorax werden 13 % aller TCA verursacht [97]. Führen Sie im Kreislaufstillstand zur Entlastung eine bilaterale Thorakostomie durch, die im Bedarfsfall zu einer bilateralen, queren Thorakotomie („Clamshell-Zugang“) erweitert werden kann. Bei überdruckbeatmeten Patienten sind einfache Thorakostomien wirksamer als Nadeldekompressionen und schneller durchgeführt als die Einlage einer Thoraxdrainage (vgl. Spannungspneumothorax, [186, 187]).
Perikardtamponade und Notfallthorakotomie
Eine Perikardtamponade ist in ca. 10 % der Fälle Ursache für einen TCA [97]. Liegt im Kreislaufstillstand ein penetrierendes Thorax- oder Oberbauchtrauma vor, kann eine Notfallthorakotomie („Clamshell-Zugang“, [188]) das Leben des Patienten retten [189]. Kardiale Stichwunden weisen gegenüber Schussverletzungen eine 4fach erhöhte Überlebenswahrscheinlichkeit auf [190]. Eine Notfallthorakotomie („resuscitative thoracotomy“, RT) kann auch bei anderen lebensbedrohlichen Verletzungen indiziert sein. Die diesbezügliche Evidenz wurde 2012 untersucht [191]. In den daraus resultierenden Leitlinien wird empfohlen, dass nach Krankenhauseinlieferung folgende Kriterien in die Entscheidung zur Notfallthorakotomie mit einbezogen werden sollen:
In den Leitlinien wird die Überlebensrate nach Notfallthorakotomie für alle Patienten mit ca. 15 %, für Patienten mit einer penetrierenden Herzverletzung mit ca. 35 % beziffert. Demgegenüber wird bei Notfallthorakotomien nach stumpfem Trauma von miserablen überlebensquoten von 0–2 % berichtet [191, 192].
Der Erfolg der RT ist abhängig von ihrer zeitlichen Verzögerung. Eine englische Rettungseinrichtung empfiehlt die Durchführung einer RT vor Ort, falls bei Patienten mit penetrierenden Thoraxverletzungen nicht innerhalb von 10 min nach Eintreten der Pulslosigkeit eine chirurgische Intervention möglich ist [10]. Basierend auf diesem Ansatz überlebten von 71 vor Ort thorakotomierten Patienten 13, davon 11 mit gutem neurologischem Outcome.
Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche RT können mit der 4E-Regel zusammengefasst werden:
Teams, die eine RT durchführen, müssen von einer sehr gut ausgebildeten und kompetenten medizinischen Fachperson geführt werden und unter strukturierten Rahmenbedingungen arbeiten.
Eine adäquate Ausrüstung zur Durchführung der RT und Behandlung der intraoperativ erhobenen Befunde muss zwingend vorhanden sein.
Idealerweise soll die RT in einem Operationssaal durchgeführt werden. Sie soll nicht stattfinden, wenn der Zugang zum Patienten erschwert oder das Zielkrankenhaus nicht leicht zu erreichen ist.
Die Verzögerung vom Eintreten des Kreislaufstillstands bis zum Beginn der RT soll nicht mehr als 10 min betragen.
Ist eines dieser 4 Kriterien nicht erfüllt, so ist eine RT aussichtslos und gefährdet nur das Team [193].
Eine Perikardpunktion mit einer Nadel ist, egal ob mit oder ohne Ultraschallsteuerung, bei einer Perikardtamponade nicht Erfolg versprechend, weil das Blut im Perikardraum üblicherweise schon geronnen ist [194, 195]. Ist eine Thorakotomie aus irgendwelchen Gründen nicht möglich, so erwäge man eine ultraschallgesteuerte Perikardiozentese, um eine TCA mit vermuteter Perikardtamponade zu behandeln. Eine nicht durch bildgebende Verfahren gesteuerte Perikardiozentese ist nur dann eine Alternative, wenn kein Ultraschallgerät zur Verfügung steht. Einige Patienten können von der Platzierung einer Perikarddrainage profitieren.
Untersuchung(en)
Kann die Ursache für einen Schock bei gefährdeten Traumapatienten nicht klinisch gefunden werden, soll eine Sonographie zur Steuerung der lebensrettenden Interventionen verwendet werden [173, 196]. Hämoperitoneum, Hämato- oder Pneumothorax und die Perikardtamponade kann man so auch präklinisch innerhalb von wenigen Minuten diagnostizieren [197]. Eine frühe Ganzkörper-CT ist Teil der Erstbeurteilung („primary survey“) und verbessert das Outcome beim schweren Trauma [198]. Die Ganzkörper-CT wird vermehrt zur Erkennung der Schockursache und zur Steuerung der anschließenden Blutungskontrolle eingesetzt.
Präklinische Versorgung
Eine kurze Prähospitalisierungsphase führt zu einer höheren überlebensrate bei schwerem Trauma und TCA. Die Zeitverzögerung zwischen Verletzung und chirurgischer Blutungskontrolle soll auf ein Minimum reduziert und der Patient zur weiteren DCR möglichst sofort in ein Traumazentrum transferiert werden [173]. Für diese Patienten kann das Rettungskonzept „scoop and run“ lebensrettend sein.
Spannungspneumothorax
Allgemeines/Einführung
Ein Spannungspneumothorax, definiert als hämodynamische Beeinträchtigung/Gefährdung durch eine sich ausdehnende intrapleurale Luftansammlung, ist eine der behandelbaren Ursachen eines Kreislaufstillstands und soll während der CPR ausgeschlossen werden [199]. Neben einem Trauma können Asthma und andere respiratorische Erkrankungen, aber auch medizinische Interventionen (z. B. Einlage eines zentralvenösen Katheters) zu einem Spannungspneumothorax führen. Er ist häufiger und dann oft schwerwiegender bei Patienten, die mit Überdruck beatmet werden [200]. Schwerverletzte Patienten, die im präklinischen Bereich behandelt werden, weisen eine Spannungspneumothoraxhäufigkeit von ca. 5 % auf (in 13 % dieser Fälle kommt es zu einem TCA). Bei erwachsenen Patienten, die auf einer Intensivstation betreut werden, beträgt diese Inzidenz < 1 % [97, 201, 202].
Diagnose
Die Diagnose Spannungspneumothorax bei hämodynamisch instabilen Patienten oder im Kreislaufstillstand basiert auf der klinischen Untersuchung. Die Befunde umfassen Symptome der hämodynamischen Instabilität (Hypotonie, Kreislaufstillstand) und Hinweise auf einen Pneumothorax (vorausgegangene Atemnot, Hypoxie, einseitiges Fehlen von Atemgeräuschen bei der Auskultation, subkutanes Emphysem) oder eine Mediastinalverlagerung (Tracheadeviation und Stauung der Jugularvenen, [200]). Während der CPR sind diese Zeichen nicht immer klassisch. Beim Vorliegen einer schwerwiegenden Hypotonie oder eines Kreislaufstillstands führen Sie im Verdachtsfall noch vor einer radiologischen Bestätigung eine Entlastung durch [201].
Behandlung
Nadeldekompression
Die Nadeldekompression, die von beinahe allen Rettungsdienstmitarbeitern beherrscht wird, ist schnell durchführbar, aber von begrenztem Nutzen [203, 204].
Ein signifikanter Anteil der Patienten weist eine Brustwanddicke auf, die eine Nadeldekompression unter Verwendung einer 14-g-Kanüle mit Standardlänge ineffizient macht [205]. Die Kanülen neigen zum Knicken oder Verstopfen [206]. Auf jeden Versuch einer Nadeldekompression soll die Einlage einer Thoraxdrainage folgen (vgl. Asthma).
Thorakostomie
Eine effektive Behandlung des TCA bei Spannungspneumothorax umfasst tracheale Intubation, Überdruckbeatmung und Thoraxdruckentlastung. Die einfache Thorakostomie ist leicht durchzuführen und wird von verschiedenen Arzt besetzten Rettungsmitteln präklinisch routinemäßig angewandt [187, 207]. Die Inzision und das rasche Eröffnen des Pleuraraums bei überdruckbeatmeten Patienten entsprechen den ersten Schritten des Vorgehens bei Einlage der Standardthoraxdrainage, die dann erst nach der primären Wiederbelebung platziert werden soll (vgl. TCA). Bei der Thoraxdrainage wird mehr Material und Zeit benötigt, und das Anlegen eines geschlossenen Systems birgt die Gefahr einer erneuten Luftretention. Thoraxdrainagen können verstopfen (Blutgerinnsel, Lungengewebe) oder abknicken.
Perikardtamponade
Allgemeines
Eine Perikardtamponade entsteht durch den Druck des flüssigkeitsgefüllten Herzbeutels, der die Herzfunktion einschränkt und schlussendlich zum Kreislaufstillstand führt. Am häufigsten geschieht dies nach penetrierenden Traumen oder herzchirurgischen Eingriffen. Die Mortalität ist hoch, und um eine Überlebenschance zu haben, ist eine sofortige Entlastung des Perikards notwendig.
Behandlung
Thorakotomie
Die Kriterien und Voraussetzung für eine Notfallthorakotomie bei Patienten mit einem penetrierenden Thorax- oder Oberbauchtrauma wurden im Kapitel über den traumatischen Kreislaufstillstand beschrieben.
Perikardiozentese
Ist die Durchführung einer Thorakotomie nicht möglich, erwägen Sie eine ultraschallgesteuerte Perikardiozentese, um eine TCA mit vermuteter traumatischer oder nicht traumatischer Perikardtamponade zu behandeln. Eine Perikardiozentese ohne Steuerung durch ein bildgebendes Verfahren ist nur dann eine Alternative, wenn kein Ultraschallgerät zur Verfügung steht.
Thrombose
Lungenembolie
Allgemeines
Ein durch eine Lungenembolie verursachter Kreislaufstillstand ist die schwerste Form der klinischen Manifestation einer venösen Thromboembolie, die ihren Ursprung in den meisten Fällen in einer tiefen Venenthrombose (TVT) hat [208]. Der Anteil der Kreislaufstillstände, die durch Lungenembolie bedingt sind, wird präklinisch mit 2–9 % [209–212] und innerklinisch mit 5–6 % [213, 214] angegeben, wird aber wahrscheinlich unterschätzt. Die Überlebensquote ist allgemein niedrig [211, 215]. Spezifische Therapiemaßnahmen in diesen Situationen sind die Gabe von Fibrinolytika, die chirurgische Embolektomie und die perkutane mechanische Thrombektomie.
Diagnose
Während eines Kreislaufstillstands ist eine Lungenembolie schwierig zu diagnostizieren. Eine Studie berichtet über ein korrektes Erkennen der Ursachen in bis zu 85 % der innerklinischen Wiederbelebungsversuche [214]. In der Präklinik stellt die Diagnose einer akuten Lungenembolie aber eine echte Herausforderung dar [212, 216].
Die Europäische Gesellschaft für Kardiologie hat 2014 in ihren Leitlinien zur Diagnose und zum Management der Lungenembolie eine „bestätigte Lungenembolie“ als „Diagnose-Wahrscheinlichkeit, die groß genug ist, die Notwendigkeit einer spezifischen Behandlung zu erkennen“ definiert [208].
Anamnese, klinische Beurteilung, Kapnographie und Echokardiographie (falls verfügbar) können während der CPR alle mit unterschiedlicher Spezifität und Sensibilität zur Diagnose einer akuten Lungenembolie beitragen:
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Plötzliches Auftreten von Atemnot, pleuritische oder substernale Brustschmerzen, Husten, Hämoptyse, Synkope oder v. a. Zeichen einer TVT (einseitige Schwellung der unteren Extremitäten) sind häufige Symptome, die einem Kreislaufstillstand vorangehen [208]. Es kann aber auch sein, dass der Kreislaufstillstand als erstes Symptom der Lungenembolie auftritt [217].
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Holen Sie Auskünfte über die medizinische Vorgeschichte, prädisponierende Faktoren und Medikamente ein, obwohl es sich bei allen folgenden Hinweisen um unspezifische Zeichen für eine Lungenembolie handelt [208]:
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Lungenembolien oder TVT in der Anamnese,
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chirurgische Eingriffe oder Immobilisation in den letzten 4 Wochen,
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aktive Krebserkrankung,
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klinische Zeichen einer TVT,
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orale Antikonzeption oder Hormonsubstitution,
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Fernflüge.
Bei 30 % der Patienten mit Lungenembolie gibt es keine offensichtlichen Risikofaktoren [218].
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Ist ein 12-Ableitungs-EKG vor Eintritt des Kreislaufstillstands vorhanden, können Zeichen der Rechtsherzbelastung gefunden werden:
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T-Negativierung in den Ableitungen V1–V4,
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QR-Muster in V1,
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S1Q3T3-Typ (markante S-Zacke in Ableitung I, Q-Zacke und negative T-Welle in Ableitung III),
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inkompletter oder kompletter Rechtsschenkelblock [208, 219].
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Der Kreislaufstillstand präsentiert sich üblicherweise als PEA [211].
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Niedrige ETO2-Werte (ca. 1,7 kPa/13 mmHg) unter laufender, qualitativ hochwertiger Thoraxkompression unterstützen die Diagnose Lungenembolie, sind aber kein spezifisches Zeichen [209].
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Ziehen Sie eine notfallmäßige Echokardiographie durch einen kompetenten Sonographeur als zusätzliches Diagnostik-Tool zur Erkennung einer Lungenembolie in Erwägung, falls diese ohne Unterbrechung der Thoraxkompression (z. B. während der Rhythmusanalyse) durchgeführt werden kann. Die echokardiographischen Befunde werden bei einem akuten Verschluss von > 30 % des pulmonal arteriellen Gefäßbaums offensichtlich [220]. Häufiger echokardiographischer Befund ist ein vergrößerter rechter Ventrikel mit abgeflachtem interventrikulärem Septum [221, 222]. Ein Fehlen dieser Merkmale schließt aber die Diagnose einer Lungenembolie nicht aus [223]. Zeichen einer rechtsventrikulären Überlastung oder Dysfunktion können auch bei anderen kardialen oder pulmonalen Erkrankungen auftreten [224].
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Weitere, spezifischere Diagnostikmethoden, wie beispielsweise die D-Dimer-Bestimmung, die (computertomographische) pulmonale Angiographie, die Lungenszintigraphie oder die MRT, werden bei Vorliegen eines Kreislaufstillstands nicht empfohlen.
Modifikationen der kardiopulmonalen Wiederbelebung
Eine Metaanalyse, die Patienten mit einer Lungenembolie als Ursache für den Kreislaufstillstand einschloss, folgerte, dass Fibrinolytika die ROSC-Rate, das Überleben bis zur Krankenhausentlassung und das neurologische Langzeitergebnis steigern [225]. Eine Subgruppenanalyse, die in einer randomisierten kontrollierten Studie mit Thrombolytika oder Placebo behandelte Patienten verglich, konnte bezüglich Überleben keinen Unterschied nachweisen [215]. Allerdings war diese Studie nicht für die Behandlung der Lungenembolie konzipiert und so angelegt, dass in dieser kleinen Subgruppe keine Signifikanz erreicht werden konnte.
Auch einige andere nicht randomisierte Studien haben sich mit der Verwendung von Thrombolytika bei der Behandlung des durch eine Lungenembolie verursachten Kreislaufstillstands befasst. Es konnte jedoch nur eine beschränkte Evidenz für eine verbesserte neurologische Erholung der Überlebenden gefunden werden [211, 226].
Halten Sie sich bei einem Kreislaufstillstand, der vermutlich durch eine Lungenembolie verursacht wurde, an die Standard-ALS-Leitlinien (vgl. „Erweiterte lebensrettende Maßnahmen für Erwachsene“, [168]).
Die Entscheidung zur Behandlung einer Lungenembolie muss früh, nämlich zu einem Zeitpunkt, wo ein gutes Outcome noch möglich ist, gefällt werden. Die folgenden Behandlungsmodifikationen werden empfohlen:
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Erwägen Sie die Verabreichung von Fibrinolytika, falls eine Lungenembolie die bekannte oder vermutete Ursache für den Kreislaufstillstand ist. Eine fortdauernde CPR ist keine Kontraindikation zur Durchführung einer Fibrinolyse. Trotz erhöhtem Blutungsrisiko kann die Fibrinolyse eine effektive Behandlung sein, die ohne Zeitverzögerung sogar außerhalb der spezialisierten Gesundheitseinrichtungen gestartet werden kann. An Orten (z. B. in der Präklinik) ohne alternative Möglichkeiten überwiegt der potenzielle Nutzen der Fibrinolyse die möglichen Risiken im Hinblick auf eine verbesserte Überlebensrate [211, 227–231].
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Ist das fibrinolytische Medikament einmal verabreicht, soll die CPR für mindestens 60–90 min fortgeführt werden, bevor Sie die Wiederbelebungsversuche abbrechen [227, 232]. Es gibt Berichte von Überleben mit gutem neurologischem Outcome in Fällen, in denen die CPR > 100 min dauerte [233].
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Erwägen Sie die Verwendung von mechanischen Reanimationshilfen, wenn die Aufrechterhaltung einer qualitativ hochstehenden Thoraxkompression über einen längeren Zeitraum benötigt wird.
Extrakorporale Reanimation
Einige Beobachtungsstudien kommen zu dem Schluss, dass der Einsatz von extrakorporalen Kreislaufunterstützungssystemen (ECLS) angebracht ist, wenn der Kreislaufstillstand mit einer Lungenembolie einhergeht [234, 235]. Die Anwendung eines ECLS erfordert beträchtliche Ressourcen und Übung. Ziehen Sie den Einsatz in Erwägung, wenn die initialen erweiterten lebensrettenden Maßnahmen (ALS) keinen Erfolg gebracht haben und/oder um eine pulmonale Thrombektomie überhaupt zu ermöglichen.
Chirurgische Embolektomie und mechanische Thrombektomie
Das Überleben von Lungenemboliepatienten, bei denen während der Reanimation eine chirurgische Embolektomie durchgeführt wurde, wird in 2 Fallserien mit 13 und 71 % angegeben. Diese Resultate wurden aber nicht mit der Standardtherapie verglichen [229, 236].
Im Kreislaufstillstand bei vermuteter Lungenembolie wird die Durchführung einer chirurgischen Embolektomie oder einer mechanischen Thrombektomie nicht empfohlen. Ist hingegen eine Lungenembolie nachweislich die Ursache des Kreislaufstillstands, soll die Anwendung dieser Methoden in Betracht gezogen werden.
Perkutane pulmonale Thrombektomie
In einer Fallserie war die perkutane pulmonale Thrombektomie während der Reanimation bei 6 von 7 Patienten erfolgreich [237, 238]. Es sind aber größere Studien notwendig, um diese Methode zu validieren.
Versorgung nach der Wiederbelebung
Schließen Sie beim Patienten mit anhaltendem ROSC eine intraabdominale und intrathorakale reanimationsbedingte Verletzung aus, v. a. wenn mechanische Reanimationshilfen und gleichzeitig Fibrinolytika eingesetzt wurden [239–241]. Versuchen Sie die Ursache für die Lungenembolie zu finden und zu behandeln. Evaluieren Sie die Risiken für das erneute Auftreten einer Lungenembolie, und leiten Sie die adäquaten Maßnahmen zur Verhinderung ein.
Koronare Thrombose
Die koronare Herzkrankheit ist die häufigste Ursache für eine Reanimation außerhalb des Krankenhauses. Das Management des ACS rund um die Wiederbelebung wird in einem separaten Kapitel abgehandelt (vgl. „Initiales Management des ACS“, [242]). In Kompetenzzentren für Herz-Kreislauf-Stillstand können Verschlüsse und hochgradige Stenosen der Koronararterien identifiziert und behandelt werden. Von allen Patienten mit außerklinischem Kreislaufstillstand werden allerdings mindestens die Hälfte nicht ins Krankenhaus transportiert, wenn kein ROSC erreicht werden konnte (vgl. Kap. 11, „Ethik der Wiederbelebung und Entscheidungen am Lebensende“, [243]). Obwohl beim bereits eingetretenen Kreislaufstillstand eine korrekte Diagnose der Ursache schwierig ist, liegt bei primärem Kammerflimmern wahrscheinlich eine koronare Herzkrankheit mit Verschluss eines großen Koronargefäßes vor.
Ziehen Sie den Transport unter laufender Reanimation in Erwägung, falls im Zielkrankenhaus Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, die präklinisch nicht durchgeführt werden können. Diese Therapieoptionen umfassen die sofortige Koronarangiographie, die primäre perkutane koronare Intervention („primary percutaneous coronary intervention“, PPCI) oder eher seltenere Eingriffe wie die pulmonale Embolektomie (vgl. „Lungenembolie“). Die Entscheidung für oder gegen einen solchen Transport ist komplex und abhängig von den lokalen Gegebenheiten. Der präklinische Einsatz von extrakorporalen Kreislaufunterstützungssystemen (ECLS) erfordert Spezialkompetenzen und konnte bisher nicht verbreitet eingeführt werden [244–246].
Mechanische Reanimationshilfen gewährleisten eine qualitativ hochwertige CPR während des Transports und der perkutanen koronaren Intervention (vgl. „Kreislaufstillstand in HEMS und Ambulanzflugzeug“, [247, 248]).
Es gibt nur eine begrenzte Evidenz, den Transport ins Krankenhaus unter Reanimation routinemäßig zu empfehlen. Die Entscheidung ist abhängig von der Patientenauswahl, der Verfügbarkeit von optimalen Methoden zur mechanischen und hämodynamischen Unterstützung während des Transports in die Klinik und dort vom Management der zugrunde liegenden Pathologie, der Behandlung nach ROSC, der Komplikationsrate und dem Outcome. Es gibt keine großen Outcome Studien, allerdings deuten kleine Fallserien auf einen Nutzen in ausgewählten Fällen hin [249]. Bevor definitive Empfehlungen ausgesprochen werden können, müssen kontrollierte Studien durchgeführt werden [250].
Ein Transport unter CPR direkt ins Herzkatheterlabor kann infrage kommen, wenn die präklinische und klinische Infrastruktur verfügbar ist und die Teams Erfahrung mit den mechanischen und hämodynamischen Unterstützungssystemen und der notfallmäßigen PPCI unter Reanimation haben. Eine exzellente Kooperation zwischen den prä- und innerklinischen Teams ist erforderlich. Bei der Entscheidung zum Transport unter laufender Reanimation soll die realistische Überlebenschance [z. B. beobachteter Kreislaufstillstand mit initial defibrillierbarem Rhythmus (VF, pVT) und Ersthelfer-CPR] miteinbezogen werden. Ein intermittierender ROSC erleichtert die Entscheidung zum Transport sehr [251].
Intoxikation
Allgemeine Überlegungen
Einleitung
Insgesamt wird Kreislaufstillstand oder Tod nur selten durch Vergiftungen verursacht [252]. Dennoch ist eine Krankenhausaufnahme aufgrund von Vergiftung häufig, so gab es z. B. in Großbritannien 140.000 Aufnahmen in einem Jahr [252]. Vergiftungen durch therapeutische Substanzen, Genussdrogen oder Haushaltsmittel sind der häufigste Grund für eine Krankenhauseinlieferung oder eine Kontaktaufnahme zu einer Giftinformationszentrale. Unsachgemäße Medikamentendosierungen, Medikamentenwechselwirkungen oder Medikationsfehler können ebenso Schäden verursachen. Versehentliche Vergiftungen sind bei Kindern am häufigsten. Tötungsdelikte mit Medikamenten sind unüblich. Auch Industrieunfälle, Kriege oder Terrorismus können zu einer Exposition mit Giftstoffen führen. Die Evidenz für die Behandlungen beruht auf Tierversuchsstudien, Fallberichten und kleinen Fallserien [253–255].
Verhinderung eines Kreislaufstillstands
Untersuchen Sie den Patienten systematisch nach dem ABCDE-Schema. Atemwegsverlegungen und nachfolgender Atemstillstand aufgrund einer Bewusstseinseintrübung sind häufige Todesursachen nach Eigenvergiftung (Benzodiazepine, Alkohol, Opioide, trizyklische Antidepressiva, Barbiturate, [256, 257]). Eine frühzeitige endotracheale Intubation durch entsprechend geschulte Helfer kann das Risiko einer Aspiration vermindern. Intoxikationsbedingte Hypotension reagiert in der Regel auf i.v.-Flüssigkeitsgabe, gelegentlich sind Vasopressoren notwendig (z. B. Noradrenalin). Bestimmen Sie die Elektrolyte (v. a. Kalium), Blutzucker und Blutgase. Stellen Sie Blut- und Urinproben zur Analyse sicher. Patienten mit schweren Vergiftungen sollen auf einer Intensivstation versorgt werden [257].
Modifikationen der kardiopulmonalen Wiederbelebung
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Legen Sie eine niedrige Schwelle für ihre persönliche Sicherheit an, wenn es sich um einen suspekten oder unerwarteten Kreislaufstillstand handelt, vor allem, wenn es sich um mehr als einen Betroffenen handelt.
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Vermeiden Sie Mund-zu-Mund-Beatmung bei Vergiftungen mit Chemikalien wie Cyaniden, Schwefelwasserstoffen, ätzenden Substanzen oder Organophosphaten.
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Behandeln Sie lebensbedrohliche Tachyarrhythmien mittels Kardioversion unter Beachtung der Peri-arrest-Algorithmen (s. Kap. 3 „ALS“). Die Therapie enthält die Korrektur von Elektrolyten und die Behandlung von Säure-Basen-Störungen (s. „Hypo-/Hyperkaliämie oder andere Elektrolytstörungen“).
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Versuchen Sie, den Giftstoff zu identifizieren. Angehörige, Freunde und die Rettungsdienstbesatzung können hilfreiche Informationen liefern. Die Untersuchung der Patienten ergibt möglicherweise diagnostische Hinweise wie Gerüche, Nadeleinstichstellen, eine abnorme Pupillenreaktion oder Zeichen von Verletzungen oder Verätzungen im Mundraum.
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Messen Sie die Temperatur des Patienten, da Hypo- oder Hyperthermie nach einer Drogenüberdosierung auftreten kann (s. auch: „Hypo-/Hyperthermie“).
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Stellen Sie sich auf eine verlängerte Zeit für die Reanimationsmaßnahmen ein, insbesondere bei jungen Patienten, da der Giftstoff während der fortgesetzten Reanimation metabolisiert oder ausgeschieden werden könnte.
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Alternativ kann bei schweren Intoxikationen nützen: eine höhere Dosis von Medikamenten als üblich (z. B. hochdosierte Insulingabe), unübliche Therapien (z. B. i.v.-Lipidinfusion, [259–262]), eine verlängerte Reanimationsdauer, extrakorporale Kreislaufunterstützung (ECLS, [263, 264]) und Hämodialyse.
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Kontaktieren Sie regionale oder nationale Giftinformationszentralen für weitere Therapieempfehlungen. Eine internationale Übersicht findet sich im Internet unter: http://www.who.int/ipcs/poisons/centre/en/ [2].
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Folgende Onlinedatenbank mit Informationen über Gift- und Gefahrenstoffe kann hilfreich sein: http://toxnet.nlm.nih.gov/.
Spezifische therapeutische Maßnahmen
Es gibt einige spezifische therapeutische Methoden für Vergiftete, die direkt hilfreich sind und das Outcome verbessern. Dies sind: Dekontamination, gesteigerte Ausscheidung/Elimination und der Einsatz spezieller Antidote [265–267]. Viele dieser Interventionen sollen nur nach Rücksprache mit Experten erfolgen. Für aktuelle und direkte Empfehlungen bei schweren oder unbekannten Vergiftungen sind die Vergiftungszentralen zu kontaktieren.
Dekontamination
Dekontamination ist der Prozess, bei dem der Giftstoff vom oder aus dem Körper des Betroffenen, abhängig vom Aufnahmeweg, entfernt wird:
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Bei Aufnahme des Giftstoffs über die Haut besteht das initiale Management im Enfernen der Kleidung und dem ausgiebigen Spülen mit Wasser. Dies gilt nicht, wenn es sich bei dem Giftstoff um reaktive Alkalimetalle handelt.
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Die routinemäßige Magenspülung zur gastralen Dekontamination wird nicht länger empfohlen. In seltenen Fällen (z. B. tödliche Vergiftung mit kurz zurückliegender Aufnahme) soll die Anwendung nur durch ausgebildete und erfahrene Personen durchgeführt werden. Eine Magenspülung kann mit lebensbedrohlichen Komplikationen verbunden sein. Dies sind Lungenentzündung, Ösophagus- oder Magenperforation, Flüssigkeits- und Elektrolytverschiebungen und Rhythmusstörungen. Die Magenspülung ist kontraindiziert, wenn keine Sicherung des Atemwegs erfolgt ist oder wenn ein Kohlenwasserstoff mit hoher Aspirationsgefahr oder eine ätzende Substanz eingenommen wurde [267, 268].
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Die bevorzugte Methode zur gastralen Dekontamination bei sicherem oder gesichertem Atemweg ist die Aktivkohlegabe. Diese ist am effektivsten, wenn die Gabe innerhalb von 1 h nach Ingestition erfolgt [269]. Aktivkohle bindet kein Lithium, Schwermetalle oder toxischen Alkohol. Die üblichen Nebenwirkungen sind Erbrechen und Obstipation. Es liegen nur eingeschränkte Informationen über eine Verbesserung des Outcomes durch Aktivkohle vor [257].
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Untersuchungen an Freiwilligen haben ergeben, dass bei Vergiftungen mit Medikamenten mit verzögerter Freisetzung, oder bei magensaftresistent beschichteten Medikamenten eine Magen-Darm-Spülung in Betracht gezogen werden kann, speziell bei einem Therapiebeginn später als 2 h nach Einnahme, wenn Aktivkohle nur noch bedingt effektiv ist,. Diese kann auch sinnvoll sein zur Entfernung größerer Mengen von Eisen, Lithium, Kalium oder Drogenpaketen („bodypacking“). Die Magen-Darm-Spülung ist kontraindiziert bei Patienten mit Magen-Darm-Obstruktionen, Perforationen, Darmverschluss oder hämodynamischer Instabilität [270].
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Vermeiden Sie den routinemäßigen Einsatz von Laxantien oder Emetika (z. B. nie Ipecac-Sirup, [271–273]).
Gesteigerte Elimination
Die Methoden, mit denen ein Giftstoff aus dem Körper entfernt werden kann, nachdem er absorbiert wurde, sind die mehrfache Gabe von Aktivkohle („multiple-dose activated charcoal“, MDAC), die Alkalisierung des Urins und extrakorporale Elimination.
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Mehrfache Gabe von Aktivkohle (MDAC) über mehrere Stunden kann die Drogenelimination steigern [274, 275]. Es existiert keine Standarddosierungsempfehlung für MDAC (50–100 g für den Erwachsenen, 10–25 g für Kinder < 5 Jahre).
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Eine Urinalkalisierung (Urin-pH > 7,5) erfolgt über eine i.v.-Natriumbicarbonat-Infusion. Diese wird üblicherweise bei Patienten mit Salicylat-Intoxikationen eingesetzt, bei denen keine Indikation für eine Dialyse besteht. Denken Sie an Urinalkalisierung mit hoher Urinausscheidung (um die 600 ml/h) bei schweren Vergiftungen mit Phenobarbital oder Insektenschutzmitteln (2,4-Dichlorphenoxyessigsäure oder Methylchlorphenoxypropionsäure, MCPP). Eine Hypokaliämie ist eine häufige Komplikation [265].
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Die Hämodialyse entfernt Giftstoffe oder Metaboliten mit niedrigem Molekulargewicht, niedriger Proteinbindung, niedrigem Verteilungsvolumen und hoher Wasserlöslichkeit. Bei Hypotension kommen kontinuierliche venovenöse Hämofiltration (CVVH) oder kontinuierliche venovenöse Dialyse (CVVHD) als Alternative zur Anwendung [257].
Spezielle Giftstoffe
Diese Guidelines betrachten nur die üblichen Giftstoffe, die einen Kreislaufstillstand auslösen können.
Benzodiazepine
Eine Überdosierung mit Benzodiazepinen kann zu Bewusstlosigkeit, Atemdepression und Hypotension führen. Flumazenil, ein kompetitiver Antagonist am Benzodiazepin-Rezeptor, kann zur Aufhebung der Sedatierung durch Benzodiazepine eingesetzt werden, solange kein Risiko für Krampfanfälle besteht. Die Antagonisierung einer Benzodiazepin-Vergiftung mit Flumazenil kann bei Patienten mit Benzodiazepin-Abhängigkeit oder der gleichzeitigen Einnahme von prokonvulsiven Medikamenten wie z. B. trizyklische Antidepressiva zu signifikanten Nebenwirkungen führen (Krampfanfälle, Arrhythmien, Hypotension und Entzugssymptomatik [276–278]). Der routinemäßige Einsatz von Flumazenil bei komatösen Patienten mit einer Überdosierung wird nicht empfohlen.
Es sind keine spezifischen Modifikationen des ALS-Algorithmus bei durch Benzodiazepin verursachten Kreislaufstillständen nötig [278–282].
Opioide
Eine Opiatvergiftung verursacht eine Atemdepression, gefolgt von einer Ateminsuffizienz oder einem Atemstillstand. Die Wirkung von Opiaten auf die Atmung ist schnell durch Naloxon antagonisierbar.
Bei schwerwiegenden Atemdepressionen durch Opioide, kommt es zu weniger unerwünschten Ereignissen wenn, bevor Naloxon gegeben wird, die Atemwege freigemacht werden, Sauerstoff gegeben und beatmet wird [283–289]. Die Naloxon-Anwendung kann die Notwendigkeit einer Intubation vermeiden. Die bevorzugte Applikation von Naloxon richtet sich nach den Erfahrungen und Qualifikationen des Rettungsdienstpersonals: Es sind sowohl i.v. als auch i.m., subkutane (s.c.), i.o. und nasale/bukale Applikationen möglich [290, 291]. Die Applikationswege, die keinen i.v.-Zugang nutzen, können schneller sein, da keine Zeit für einen solchen Zugang, der bei Drogenabhängigen schwierig sein kann, benötigt wird. Die initiale Dosis von Naloxon beträgt 0,4–2 mg bei i.v.-, i.o.-, i.m.- oder s.c.-Anwendung und kann alle 2–3 min wiederholt werden. Zusätzliche Dosen könnten alle 20–60 min notwendig sein. Die intranasale Dosis beträgt 2 mg (jeweils 1 mg pro Nasenloch) und kann alle 5 min wiederholt werden. Titrieren Sie die Dosis, bis der Patient adäquat atmet und sichere Atemwegsreflexe zeigt. Hohe Opioidüberdosierungen benötigen bis zu einer Gesamtdosis von 10 mg Naloxon [283–285, 290–300]. Alle Patienten, die Naloxon erhalten haben, müssen weiter überwacht werden.
Ein akuter Opioidentzug führt zu einem Zustand mit sympatomimetischer Überreaktion und kann Komplikationen wie Lungenödem, ventrikuläre Arrhythmien und schwere Agitation hervorrufen. Die Anwendung von Naloxon zur Aufhebung einer Opioidintoxikation soll bei Patienten mit Verdacht auf Opioidabhängigkeit vorsichtig erfolgen.
Es existieren keine Daten für zusätzlich zur ALS-Versorgung notwendige Therapien bei opioidbedingtem Kreislaufstillstand. Bei Atemstillstand existiert eine gute Evidenz für die Anwendung von Naloxon, aber nicht für irgendeine andere Ergänzung oder Änderung bei weiteren Interventionen [284].
Trizyklische Antidepressiva
In diesem Abschnitt werden sowohl trizyklische als auch andere zyklische Drogen (Amitriptyline, Desipramine, Imipramine, Nortriptyline, Doxepin und Clomipramine) betrachtet. Die Selbstvergiftung durch trizyklische Antidepressiva ist häufig und kann zu Hypotension, Krämpfen, Koma und lebensbedrohlichen Rhythmusstörungen führen. Kardiotoxische Wirkung, bedingt durch anticholinerge und Na-Kanal blockierende Effekte kann eine Breitkomplextachykardie (VT) verursachen. Eine Hypotension wird verstärkt durch eine α1-Rezeptorblockade. Anticholinerge Effekte sind Mydriasis, Fieber, trockene Haut, Delir, Tachykardie, Darmverschluss (Ileus) und verminderte Urinausscheidung. Die meisten lebensbedrohlichen Situationen treten in den ersten 6 h nach Giftaufnahme auf [301–303].
Eine QRS-Komplexverbreiterung (> 100 ms) und eine Lageveränderung im Sinne eines Rechtslagetyps weisen auf ein höheres Risiko für Arrhythmien hin [304–306]. Bei durch trizyklische Substanzen verursachte ventrikuläre Arrhythmien kommt Natriumbicarbonat (1–2 mmol/kgKG) zur Anwendung [307–312]. Obwohl keine Studien einen optimalen arteriellen Ziel-pH untersucht haben, wird ein pH-Wert zwischen 7,45 und 7,55 als Zielwert empfohlen [255, 257]. Die Gabe von Natriumbicarbonat kann Arrhythmien und eine Hypotension verursachen, die möglicherweise unabhängig von einer Azidose auftreten [312].
I.v.-Lipidinfusionen haben im Rahmen von experimentellen Versuchen bei Trizyklikaintoxikationen geholfen, aber es liegen nur wenige Daten für Menschen vor [313, 314]. Antitrizyklische Antikörper waren in experimentellen Modellen zur Kardiotoxizität von trizyklischen Substanzen ebenfalls vorteilhaft [315–320]. Eine kleine Studie am Menschen beschrieb die Sicherheit der Anwendung, konnte jedoch keinen klinischen Vorteil zeigen [321].
Es liegen keine randomisierten kontrollierten Studien zur Behandlung eines Kreislaufstillstands durch trizyklische Giftstoffe vor. Eine kleine Fallserie zeigte einen Vorteil bei der Anwendung von Natriumbicarbonat, aber der Begleitumstand, dass Physiostigmin ebenfalls gegeben wurde, verhindert die Generalisierung der Ergebnisse [322].
Kokain
Eine sympathomimetische Überstimulation im Zusammenhang mit einer Kokainvergiftung kann zu Agitation, Tachykardie, hypertensiven Krisen, Hyperthermie und koronarer Vasokonstriktion mit nachfolgender myokaridaler Ischämie und Angina pectoris führen.
Bei Patienten mit schwerer kardiovaskulär wirkender Vergiftung können Alpha-Blocker (Phenotalamin, [323]), Benzodiazepine (Lorazepam, Diazepam, [324, 325]), Calcium-Kanal-Blocker (Verapamil, [326]), Morphin [327] und sublinguales Nitroglyzerin [328, 329] notwendig sein, um Hypertension, Tachykardie, myokardiale Ischämie und Agitation unter Kontrolle zu bringen. Die Evidenz für oder gegen den Einsatz von Beta-Blockern [330–333] inklusive solcher mit alpha-blockierender Potenz (Carvedilol und Labetolol, [334–336]) ist begrenzt. Die optimale Auswahl eines Antiarrhythmikums für die Behandlung einer kokaininduzierten Tachyarrhythmie ist nicht bekannt. Bei Kreislaufstillstand wird nach den Standardwiederbelebungsleitlinien vorgegangen [337].
Lokalanästhetika
Die systemische toxische Wirkung von Lokalanästhetika bezieht sich auf das kardiovaskuläre und das zentrale Nervensystem. Schwere Agitation, Bewusstlosigkeit, Krämpfe, Bradykardie, Asystolie oder ventrikuläre Tachykardien können auftreten. Die Vergiftung zeigt sich typischerweise im Zusammenhang mit einer Regionalanästhesie, wenn ein Bolus des Lokalanästhetikums versehentlich i.v. oder i.a. verabreicht wird (s. auch „perioperativer Kreislaufstillstand“).
Obwohl es mehrere Fallberichte und Fallserien von Patienten über die erfolgreiche Reanimation nach einer intravenösen Gabe von Lipidlösungen gibt, bleibt die Evidenz für einen Vorteil der Behandlung von lokalanästhetikainduzierten Kreislaufstillständen limitiert. Auch wenn keine Daten vorliegen, können Patienten mit einem Kreislaufkollaps oder -stillstand von einer i.v. 20 %-Lipidlösung als Ergänzung zur Standardreanimation profitieren [338–352]. Geben Sie einen initialen Bolus von 20 % Lipidlösung in der Dosierung von 1,5 ml/kgKG über eine Minute und nachfolgend 15 ml/kgKG/h. Geben Sie maximal zwei weitere Boluswiederholungen in 5-min-Intervallen und fahren Sie fort, bis der Patient sich entweder stabilisiert oder eine maximale kumulative Dosis von 12 ml/kgKG erreicht wurde [259–262, 353].
Die Standardmedikation bei Kreislaufstillstand (z. B. Adrenalin) soll entsprechen der ALS-Leitlinien verabreicht werden, obwohl Tierversuche inkonsistente Evidenz für deren Wirkung bei Lokalanästhetikaintoxikationen ergeben haben [349, 352, 354–356].
Beta-Blocker
Die Beta-Blockertoxizität-bedingten Bradyarrhythmien und negativen inotropen Effekte sind schwierig zu behandeln und können zu einem Kreislaufstillstand führen.
Die Evidenz für die Behandlung basiert auf Fallberichten und Tierversuchen. Therapieerfolge sind beim Einsatz von Glucagon (50–150 μg/kgKG, [357–370]), hochdosierter Insulin- und Glukosegabe [371–373], Lipidemulsionen [374–377], Phosphodiesterasehemmern [378, 379], extrakorporaler Unterstützung und IAPB-Einsatz (intraaortale Ballonpumpe, [380–382]) sowie Calciumsalzen [258, 383] beschrieben worden.
Calciumkanalblocker
Überdosierungen von Calciumkanalblockern nehmen als Ursache für einen Tod durch verschreibungspflichtige Medikamente zu [384, 385]. Eine Überdosierung von kurz wirksamen Medikamenten kann zügig in einen Kreislaufstillstand übergehen. Die mit Retardpräparaten führt möglicherweise zu einem verzögerten Auftreten von Arrhythmien, Schock und plötzlichem Kreislaufzusammenbruch. Die Behandlung von Calciumkanalblockerintoxikationen wird nur unzureichend durch eine niedrige Evidenzqualität untermauert [386].
Geben Sie Calciumchlorid 10 % als 20-ml-Bolus (oder eine äquivalente Dosis von Calciumgluconat) alle 2–5 min bei schwerwiegender Bradykardie oder Hypotension und schließen Sie, soweit notwendig, eine Infusionstherapie an [255, 257, 258, 386, 387]. Während hohe Dosierungen von Calcium einige Nebenwirkungen beseitigen können, stellen sie einen normalen Kreislaufs selten wieder her. Eine hämodynamische Instabilität kann auf eine Hochdosistherapie mit Insulin (1 IE/kgKG und nachfolgend 0,5–2 IE/kgKG/h) in Kombination mit Glukosesubstitution, Elektrolytmonitoring und dem Standardvorgehen mittels Flüssigkeit und Vasopressoren (z. B. Dopamin, Noradrenalin, Vasopressin) ansprechen [386–398].
Der Einsatz eines extrakorporalen Unterstützungssystems (ECLS) war verbunden mit einer gesteigerten Überlebensquote bei Patienten im schweren Schock oder mit Kreislaufstillstand, wobei Extremitätenischämien, Thrombosen und Blutungen in Kauf genommen wurden [264]. Studien zur Dekontamination, 4-Aminopyridinen, Atropin, Glucagon, Schrittmachertherapie, Levosimendan oder Plasmaaustausch zeigten unterschiedliche Ergebnisse [386].
Digoxin
Obwohl Intoxikationen mit Digoxin seltener vorkommen als eine Überdosierung von Calciumkanal- oder Beta-Blockern, ist die Mortalität bei Digoxin-Überdosierung deutlich höher. Andere Medikamente wie beispielsweise Calciumkanalblocker und Amiodaron haben auch häufig einen Anstieg der Plasmakonzentration von Digoxin zur Folge. Atrioventrikuläre Überleitungsstörungen und ventrikuläre Übererregbarkeit, basierend auf Digoxin-Vergiftungen, können zu schwerwiegenden Rhythmusstörungen und Kreislaufstillstand führen.
Eine spezifische Antidottherapie mittels Digoxin-spezifischen Antikörperfragmenten (Digoxin-Fab) soll bei Arrhythmien mit hämodynamischer Instabilität eingesetzt werden [257, 399–401]. Die Therapie mit Digoxin-Fab kann ebenso bei Vergiftungen durch Pflanzen (z. B. Oleander) oder chinesische Heilkräuter, die Herzglykoside enthalten, effektiv sein [399, 402, 403]. Digoxin-Fab interferiert mit der Digoxin-Spiegelbestimmung durch Immunoassay und kann zur Überschätzung des Plasma-Digoxin-Spiegels führen. Bei akuter Vergiftung geben Sie einen initialen Bolus von 2–10 (unbekannte Digoxin-Dosis) Durchstichfläschchen Digoxin-Fab (38 mg pro Durchstechflasche) und wiederholen dies je nach Notwendigkeit [401]. Bei Kreislaufstillstand kann eine Gabe von 2–10 Durchstichfläschchen innerhalb von 30 min erwogen werden.
Zyanide
Zyanide sind im Allgemeinen ein seltener Grund für eine akute Vergiftung. Nichtsdestotrotz kommt eine Zyanidexposition relativ häufig bei Patienten mit Rauchgasinhalation im Zusammenhang mit Wohnungs- oder Industriebränden vor. Zyanide werden ebenso für einige chemische oder industrielle Prozesse angewendet. Die eigentliche Toxizität resultiert aus einer Inaktivierung der Zytochromoxidase (am Zytochrom A3). Hierdurch entkoppelt es die mitochondriale oxidative Phosphorylierung und behindert die Zellatmung auch bei ausreichendem Sauerstoffangebot. Gewebe mit dem höchsten Sauerstoffbedarf (Herz und Gehirn) sind durch eine akute Zyanidintoxikation am schwersten betroffen.
Patienten mit schwerer kardiovaskulärer Vergiftung (Kreislaufstillstand, Kreislaufinstabilität, metabolische Azidose oder eingeschränkter Bewusstseinsstatus) und gesicherter oder vermuteter Zyanidvergiftung sollen eine Zyanid-Antidottherapie zusätzlich zur Standardreanimation mit Sauerstoff erhalten. Die initiale Therapie soll einen Zyanidradikalenfänger enthalten (z. B. Hydroxocobalamin 100 mg/kgKG i.v. oder Nitrit (Natriumnitrit i.v. oder inhalatives Amylnitrit), und nachfolgend muss so schnell wie möglich Natriumthiosulfat i.v. verabreicht werden [404–410]. Hydroxocobalamin und Nitrite sind gleich effektiv, Hydroxocobalamin scheintsicherer zu sein, da keine Methämoglobinbildung und hypotensive Nebenwirkungen beschrieben sind [411–413].
Beim Kreislaufstillstand durch Zyanid wird das Standardvorgehen keine Spontanzirkulation wiederherstellen, solange die Zellatmung blockiert ist. Zur Reaktivierung der Zytochromoxidase ist eine Antidotgabe notwendig.
Kohlenmonoxid
Kohlenmonoxidvergiftungen sind häufig. In den USA sind über 25.000 Krankenhausaufnahmen, bedingt durch Kohlenmonoxidvergiftung, pro Jahr beschrieben worden [414]. Die Kohlenmonoxidspiegel korrelieren nicht mit dem Auftreten initialer Symptome oder dem späteren Outcome. Patienten mit kohlenmonoxidbedingtem Kreislaufstillstand überleben selten, auch wenn vorher ein ROSC erreicht werden konnte [413, 416].
Die hyperbare Oxygenierung ist zur Behandlung von Kohlenmonoxidexposition und zur Reduktion von negativem neurologischem Outcome eingesetzt worden [417]. Dennoch versagten zwei Cochrane-Analysen beim Versuch, einen positiven Effekt der hyperbaren Oxygenierung bei Kohlenmonoxidvergiftung zu bestätigen [416, 418]. Die Rolle von Kohlenmonoxid in der Stickoxidfreisetzung, in der reaktiven Sauerstoffformation und der direkten Wirkung auf die Ionenkanäle scheint signifikanter zu sein als die höhere Affinität zu Hämoglobin, das mit Sauerstoff therapiert wird [419]. Da der Vorteil des Transports eines kritisch kranken Patienten nach erfolgreicher Reanimation zu einem Hyperbaren Therapiezentrum nicht erwiesen ist, muss hier jeweils von Fall zu Fall entschieden werden [413, 416, 418, 419] in jedem Fall muss der Patient aber frühzeitig hohe Sauerstoffkonzentrationen erhalten. Schwangerschaft und kardiale Ischämie bleiben strenge Indikationen für die hyperbare Therapie. Patienten mit myokardialer Schädigung durch Kohlenmonoxid haben ein erhöhtes Risiko für kardiale und Gesamtmortalität, und zwar bis zu 7 Jahre nach der Vergiftung, weshalb eine kardiologische Folgeuntersuchung für diese Patienten sinnvoll ist [413, 420, 421].