Erlinghagen V, Höpfner L, Maihöfner C, Dormann H (2015) Protrahierte Diagnostik bei unklaren Nackenschmerzen. Notfall Rettungsmed 18:142–145
Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Frau Erlinghagen,
vielen Dank für Ihren interessanten Artikel in der
Notfall+Rettungsmedizin.
Ich möchte jedoch einige Anmerkungen geben, da mir der Artikel in mancher Hinsicht zu kurz greift.
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1.
Die erfolgte transthorakale Echokardiographie ist nicht als ausreichend anzusehen, da die transösophageale Echokardiographie eine höhere Sensitivität und Spezifität für den Nachweis von Klappenvegetationen besitzt. (Goldstandard; Zeitschrift für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie, Band 16, Heft 5, 2002)
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2.
Die Durchführung eines MRT allein der
Halswirbelsäule (HWS) ist ebenfalls nicht ausreichend. Die Spondylodiszitis oder auch Spondylitis kann durchaus multilokulär auftreten und dabei ist vor allem auch die LWS betroffen („skipping lesions“). Da hier im epiduralen Raum im Vergleich zur HWS genügend Platz ist, werden Infektionen dort oft nicht diagnostiziert. Die MRT der gesamten Wirbelsäule (holospinal) ist daher bei einem wie von den Autoren gezeigten Fall zwingend notwendig und sollte bei V. a. auf eine Spondylodiszitis/Spondylitis bei fehlenden Kontraindikationen immer durchgeführt werden.
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3.
Aufgrund der hohen Versorgungsrate der Bevölkerung mit Endoprothesen, vor allem im Knie und Hüftbereich, sollte auch diesen Regionen eine besondere Aufmerksamkeit zukommen. Eitrige Infektionen an der Wirbelsäule sind, wie von den Autoren dargestellt, häufig übersehene Erkrankungen und werden oft erst in einem Spätstadium klinisch und radiologisch diagnostiziert. Zu diesem Zeitpunkt sind oft auch schon Gelenkersatz oder auch andere ossäre Implantate infiziert. Dies ist jedoch nicht regelhaft der Fall. Eine hohe Bedeutung kommt hier der 3-Phasen-Knochenszintigraphie zu, um auch implantatassoziierte Foci zu lokalisieren. Eine Punktion in Gelenke verbietet sich von selbst, besteht nicht der dringende klinische Verdacht einer Infektion in Verbindung mit einem bildmorphologischen Nachweis (Röntgen, Szintigraphie).
Das Fazit in Bezug auf die Praxis ist m. E. nicht ausreichend konsequent und aggressiv genug. Vielmehr sollte ein entsprechend qualifizierter Wirbelsäulenchirurg nicht erst bei Diagnosebestätigung, sondern bereits beim Verdacht hinzugezogen werden.
Schließlich bleibt anzumerken, dass nicht nur neurochirurgische Kollegen oder Fachabteilung zu einem solchen Fall hinzugezogen werden sollten. In Zeiten der interdisziplinären Entwicklungen im Bereich der Fachgesellschaften, in denen sich die Deutsche Wirbelsäulengesellschaft als Zusammenschluss von Neurochirurgen, Orthopäden und Unfallchirurgen mit Bezug zur operativen und aber natürlich auch konservativen Wirbelsäulenbehandlung versteht, kann der Hinweis zur Verlegung in eine Neurochirurgie nicht zwingend als Fazit Ihrer Arbeit stehenbleiben.
Die Unterscheidung ist überholt.
Vielmehr sollte der Patient in eine Abteilung mit geeigneter operativer und auch konservativer Kompetenz im Bereich der Wirbelsäulenerkrankungen verlegt werden. Ob dies nun eine NCH (Neurochirurgie), Orthopädie oder Unfallchirurgie ist, sollte den lokalen Gegebenheiten überlassen werden. Hier gilt es, SOP zu entwickeln und konsequent umzusetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Jacques D. Müller-Broich