Liebe Leser,

Notfallmedizin gehört primär nicht zu den „High-Tech“-Gebieten der Medizin, wie wir sie z. B. in der Intensivmedizin, der Anästhesie oder der Kardiochirurgie kennen. Notfallmedizin, insbesondere außerhalb der Klinik, hat immer noch in wesentlichen Teilen den Charakter der technikarmen „Barefoot“-Medizin. Beispielhaft seien die Basismaßnahmen der Reanimation genannt, die, wenn vom Einsatz des halbautomatischen Defibrillators abgesehen wird, sogar als ansonsten technikfreie Maßnahme definiert sind. Dennoch ist die rechtzeitige Durchführung der Basisreanimation von optimaler Qualität die entscheidende Hürde für ein weitgehend schadloses Überleben eines plötzlichen Kreislaufstillstands.

Keine Technik kann die Zeitverluste oder Mängel bei der Durchführung der Basisreanimation kompensieren

Keine noch so aufwendige Technik ist bis heute in der Lage, die Zeitverluste oder Mängel bei der Durchführung der Basisreanimation zu kompensieren. Die Zuordnung des Benutzung des AED in die Regeln der Basiswiederbelebung ist aber auch Hinweis dafür, dass die „technikfreien Zonen“ auch in der Notfallmedizin zunehmend der Vergangenheit angehören. Zweifellos spielt die Technik in der Notfallmedizin seit jeher eine wesentliche Rolle. Denken wir nur an die Möglichkeiten der technischen Rettung aus den unterschiedlichsten Gefahrenlagen in Extremsituationen, z. B. auf hoher See oder im Gebirge. Ohne aufwendige Technik wären die Erfolge, wie sie heute möglich sind, sicher nicht erreichbar. Der Transport ist eine weitere technikorientierte Seite der Notfallmedizin. Wir fordern heute mit Recht, dass der Transport von Patienten mit einer zunehmenden Zahl von unterschiedlichen Diagnosen zur optimalen Behandlung in eine besonders qualifizierte Klinik erfolgt. Ohne RTH und fortschrittliche bodengebundene Transportmöglichkeiten wäre die Forderung nicht umsetzbar. Die Kommunikation als Vorraussetzung für die Aktivierung des Rettungsdienstes wird ebenfalls zunehmend komplexer. Beispielhaft reichen die Optionen heute von GPS-gestützten Anfahrtshinweisen zur Einsatzstelle über telemetrische EKG-Übertragung bis zur videogestützen interaktiven Beratung für die Einsatzkräfte vor Ort. Die Nutzung von zunehmend leistungsfähigeren Monitorsystemen oder neueren Beatmungsgeräten für den Notfall, mit denen inzwischen auch differenziertere Beatmungsprotokolle außerhalb des Krankenhauses in der Routinetätigkeit möglich sind, sind ein weiteres „technologisches“ Beispiel. Diese Technik erlaubt den Transport auch schwer- bzw. kritisch kranker Patienten, unabhängig davon, dass vielerorts zusätzlich zum primären Rettungsdienst speziell sowohl luftgestüzte als auch bodengebundene Intensivtransportmöglichkeiten vorgehalten werden. Diese Einrichtungen dienen allerdings primär dem mehr oder weniger gut planbaren Interhospitaltransfer und werden in der Regel von sowohl auf ärztlicher als auch rettungsdienstlicher Seite für den Intensivtransport fortgebildeten Einsatzkräften durchgeführt, zumindest solange diese Einsatzmittel und entsprechendes Personal zur Verfügung stehen. Bei wachsendem Umfang des Interhospitaltransfers ist dies aber häufig nicht der Fall, sodass der nicht speziell hierfür vorbereitete Rettungsdienst einspringen muss. Darüber sehen sich Rettungskräfte auf dem Hintergrund des dynamisch wachsenden Einsatzes von High-Tech-Medizin einer zunehmenden Anzahl ungewöhnlicher Situationen ausgesetzt, für die Problemlösungen nicht zur täglichen Routine gehören.

Diese Überlegungen haben uns dazu geführt, im vorliegende Heft das Leitthema „Advanced Technology in der Notfallmedizin“ zu wählen, bei dem es um Kreislaufunterstützungssysteme geht, mit denen der Rettungsdienst in wachsendem Maße konfrontiert ist. Vier Themen geben einen Überblick über das aktuelle breite Spektrum des Einsatzes mechanischer Kreislaufunterstützungstechniken. Die breiteste Verwendung in der Notfallrettung finden sicher zurzeit Systeme, die der Unterstützung (und Verbesserung?) der Kardiokompression bei der Herz-Lungen-Wiederbelebung dienen – einer Maßnahme, von der wir wissen, dass sie entscheidend für Wohl und Wehe des Patienten ist. Ferrari et al. haben sich dieses Themas angenommen. Bisher ist die Frage des generellen Nutzens des Einsatzes dieser Geräte nicht endgütig geklärt. Wir warten mit Spannung auf die Resultate der 4500 Patienten umfassenden „CIRC“-Studie, die beim diesjährigen ReSS-Symposium Anfang November in Orlando von Lars Wik vorgestellt werden wird.

Zeymer et al. beschäftigen sich mit der intraaortalen Ballonpumpe, einem System, das fast schon routinemäßig bei Patienten im kardiogenen Schock eingesetzt wird und zunehmend häufig bei Notfallverlegungen eine Rolle spielt. Auch hinsichtlich dieser Möglichkeit sind viele Fragen offen. Unsere Autoren sind Initiatoren einer großen Studie, die sich diesen offenen Fragen zurzeit widmet.

Fürnau et al. aus Leipzig beschreiben die Möglichkeiten und Erfahrungen mit neueren invasiven Pumpensytemen zur Kreislaufunterstützung, deren Einsatz heute nur begrenzt erfolgt, aber möglicherweise in der Zukunft ein häufigeres Problem auch im Rettungsdienst sein wird. Das Herzzentrum Leipzig verfügt über große Erfahrung im Einsatz dieser Pumpen.

Krabatsch et al. aus dem Deutschen Herzzentrum Berlin (DHZB) widmen sich einem „Horrorthema“ für die Rettungsdienstmannschaft, der Störung der Funktion eines Kunstherzens. Das DHZB verfügt über die größte Erfahrung in Deutschland beim Einsatz des „Artificial Heart“ und sicher damit auch über die größte Erfahrung im Handling von problematischen Situationen mit diesen Systemen.

Ich bin sicher, dass wir für die gewählten Themen hervorragende Autoren gewonnen haben, die uns einen guten Einblick in die Möglichkeiten, Grenzen, Komplikationen und offene Fragen bei der Bewertung invasiver Kreislaufunterstützungssysteme und deren Einsatz in der Notfallmedizin geben. Ich hoffe, dass Sie Interesse an diesem Thema haben und diese Lektüre anregend für Sie ist.

Ihr

H.-R. Arntz