Zusammenfassung
Hintergrund.
Bisherige Untersuchungen zur Arbeit im Rettungsdienst konzentrierten sich v. a. auf extreme Einsatzsituationen und psychische Folgen mit Krankheitswert (Posttraumatische Belastungsstörung). Der arbeitspsychologische Blick wurde selten eingenommen. Nach neueren Daten kann aber angenommen werden, dass auch Alltagsbelastungen die Vulnerabilität von Einsatzkräften für psychische Störungen erhöhen.
Methoden.
Bei 98 meist hauptamtlich tätigen Einsatzkräften im Rettungsdienst aus Berlin und Sachsen-Anhalt wurden im Rahmen einer fragebogengestützten Querschnittstudie Zusammenhänge zwischen alltäglichen, tätigkeitsspezifischen Anforderungen, arbeitsorganisatorischen Rahmenbedingungen und Beeinträchtigungen wie Burnout und eingeschränktes Wohlbefinden untersucht.
Ergebnisse.
Zwischen 13% und 47% der Befragten zeigten hohe Ausprägungen einzelner Burnout-Dimensionen. Häufiges Erleben eigener und fremder Gefährdung und ungünstige arbeitsorganisatorische Rahmenbedingungen traten gemeinsam mit hohen Burnout-Levels auf. Hohe Burnout-Ausprägungen variierten signifikant mit Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit, der Vitalität und des Wohlbefindens.
Schlussfolgerungen.
Burnout kann als Mediator und Maß der Vulnerabilität von Einsatzkräften im Extremereignis angesehen werden. Neben Angeboten zur Einsatznachsorge sind auch primärpräventive Veränderungen auf der Ebene der Arbeitsorganisation notwendig, um die Vulnerabilität von Einsatzkräften zu senken und ihre Einsatzfähigkeit zu erhalten.
Abstract
Background.
Previous research on the consequences of work in emergency services was mostly concentrated on extreme situations and their psychic costs (posttraumatic stress disorder). The perspective of organizational psychology was rarely taken. According to new data one can assume that daily stress increases vulnerability for psychic disorders.
Methods.
In the case of 98, mostly full time staff in emergency services we investigated in a cross section analysis correlations between everyday work related demands, organizational working conditions and impairments like burnout and constricted well being.
Results.
Between 13% and 47% of the participants showed high characteristics of specific burnout dimensions. The experience of endangerment combined with adverse working conditions correlates with high burnout levels. High burnout levels vary significantly with impairments of physical resistance, vitality and well being.
Conclusion.
The consequences of stress on burnout and of burnout on well-being covers the assumption that burnout can be seen as a mediator and measure for the vulnerability in extreme situations. As a consequence there is a need to offer psychosocial support after stressful missions and for primary preventive changes in organizational working conditions, to decrease the vulnerability of staff and to maintain their working-capability.
Notes
Im Auftrag des Bundesverwaltungsamtes, Zentralstelle für Zivilschutz, Zentrum Forschung (Projektnummer B1.11 1011/02/BVA). Leitung: Prof. Dr. Irmtraud Beerlage, s. auch http://www.psychosoziale-notfallversorgung.de
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Hering, T., Beerlage, I. Arbeitsbedingungen, Belastungen und Burnout im Rettungsdienst. Notfall & Rettungsmedizin 7, 415–424 (2004). https://doi.org/10.1007/s10049-004-0681-7
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