Das leichte Schädel-Hirn-Trauma (SHT) liegt vor bei einer Glasgow-Coma-Scale (GCS) von 13 bis 15 Punkten. Damit ist der Patient in der Regel bei Bewusstsein. Die Gehirnerschütterung (GE) stellt den überwiegenden Anteil des leichten SHT dar (Abb. 1). Sie ist definiert als neurologische Funktionsstörung des Gehirns infolge einer direkten oder indirekten Gewalteinwirkung gegen den Kopf mit oder ohne Verletzung des Gehirns [32]. Per definitionem liegt die GCS bei 15 Punkten, und der Patient ist somit wach, mit offenen Augen, reagiert adäquat auf Ansprache und führt zielgerichtete Bewegungen auf Aufforderung durch.

Abb. 1
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Darstellung der Gehirnerschütterung als wesentlicher Teil des leichten Schädel-Hirn-Traumas (SHT) und im Kontext zur einfachen Schädelprellung

In den Übersichtsarbeiten der letzten Jahre in Deutschland zum SHT ist die GE in keiner Weise definiert und in ihrer Bedeutung analysiert [4446], während in der angloamerikanischen Literatur in den letzten 2 bis 3 Jahrzehnten intensive Diskussionen und Veröffentlichungen zu verschiedensten Aspekten der Gehirnerschütterung, v. a. im Sport, erfolgten. Daraus resultierten mehrere, immer wieder aktualisierte Konsensusempfehlungen zum Vorgehen bei GE im Sport der letzten 10 Jahre [32].

Die aus diesen Untersuchungen abgeleitete Problematik der GE gewinnt in Deutschland auch in den Alltagsnachrichten zunehmend an Bedeutung [18, 24, 25]. Aktuell ist das Hollywood-Filmdrama „Erschütternde Wahrheit“ (Originaltitel „Concussion“) von Peter Landesman in den deutschen Kinos angelaufen, in dem über 2 Sportler berichtet wird, die mehrere GE im Laufe ihrer Footballkarriere erlitten hatten und später Selbstmord begingen. Es wird postuliert, dass durch wiederholte traumatische Schädigungen des Gehirns Persönlichkeitsänderungen auftreten können [21].

Im Folgenden werden die heute bekannten Problemaspekte der GE als Übersicht dargestellt.

Unkomplizierte Gehirnerschütterung

Eine GE heilt in der Regel folgenlos aus!

So ist, basierend auf verschiedenen Analysen, bekannt, dass es regelhaft innerhalb kurzer Zeit zur vollständigen Symptomerholung kommt. Eine klinische Symptomatik liegt meist nur für wenige Minuten, Stunden, seltener für einige Tage vor. In der Regel dauern in 85 % der Fälle die subjektive Symptomatik sowie Einschränkungen der Gedächtnis- und Gleichgewichtsfunktion maximal 1 Woche, und in 97 % besteht vollständige Erholung innerhalb eines Monats. Eine komplette Symptomerholung erfolgt typischerweise spätestens innerhalb von 3 bis 12 Monaten [28, 31].

Es ist bekannt, dass eine detaillierte Information der Patienten über die Bedeutung und Prognose der Gehirnerschütterung den Heilungsverlauf zusätzlich beschleunigen kann. Patienten, die vor Entlassung eine Informationsbroschüre und eine Vorstellung beim Psychologen hatten, wiesen nach 6 Monaten eine kürzere mittlere Symptomdauer, weniger Symptome und weniger schwere Symptome auf [35].

Problem-Gehirnerschütterung

Einige Patienten weisen aber nach Gehirnerschütterung kurzfristige und mittelfristige Beschwerden auf, bei einigen wenigen Patienten können sogar nicht unerhebliche Langzeitfolgen resultieren.

Kurzfristige Probleme

Untersuchungen, die auch neurokognitive Folgen einer Gehirnerschütterung analysieren, konnten zeigen, dass es häufiger zu einer schnelleren Erholung der subjektiv klinischen Symptome kommt, während die neurokognitiven Störungen länger persistieren [10, 28]. Letztere müssen dabei nicht unbedingt für den Patienten erkennbar sein.

Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass gerade bei Kindern und Jugendlichen längerfristige Symptome nachweisbar sind. Es wurden mittlere Symptomdauern von 4 bis 6 Wochen angegeben [4, 17, 43]. Insbesondere primär bestehende Einschränkungen der Blickstabilität mit gleichzeitigem eingeschränktem Tandemgang oder das Vorliegen einer vestibulookularen Dysfunktion führten zu einer Verzögerung des Return-to-School auf durchschnittlich 59 Tage mit vollständiger Erholung erst nach 106 Tagen [11] bzw. verdoppelten die Heilungsdauer [14]. Symptomatische Schüler berichteten auch über stärkere Auswirkungen der GE auf die schulischen Leistungen und schulbezogene Probleme unabhängig von der Zeit seit der Verletzung [43]. Dies erschient v. a. relevant vor dem Hintergrund, dass ca. 44 % der Sportler ihren Sport zu früh wieder aufnahmen oder zu früh in die Schule geschickt wurden [6]. Drei Monate nach GE besteht auch noch eine 1,7-fach erhöhte Rate an Kopfschmerzen [3].

Zusätzlich fällt in die Erholungsphase das Risiko der Entwicklung eines Second-impact-Syndroms (SIS) [30, 53]. Dabei handelt es sich um eine seltene, aber gefürchtete Komplikation nach GE im Sport, wenn nach einer erlittenen GE ein Zweittrauma zu einer malignen Hirnschwellung führen kann [5]. Diese seltenen Fälle können mit einer Letalität von bis zu 50 % und einer Morbidität bis zu 100 % assoziiert sein. Die einzige Übersichtsuntersuchung analysierte 18 junge Sportler, bei denen zum Zeitpunkt des Zweittraumas noch Symptome eines Ersttraumas vorlagen. Zehn der 15 Sportler waren nicht bewusstlos, und 8 Sportler wiesen neben der Hirnschwellung schmale subdurale Hämatome auf. Zwei dieser 8 Sportler verstarben [38]. Nach erlittener GE besteht ein 3‑fach erhöhtes Risiko für eine weitere GE in der gleichen Saison, bei initial vorliegender Bewusstlosigkeit erhöht sich diese Wahrscheinlichkeit auf das 6‑Fache [31].

Risikofaktoren für eine prolongierte Erholung sind primär vorhandene erhebliche Kopfschmerzen, Schwäche/Müdigkeit und das Vorliegen einer Amnesie sowie eine pathologische neurologische Untersuchung. Diese können die Erholungsphase deutlich verlängern. Weitere Faktoren sind das weibliche Geschlecht, das initiale Vorliegen einer retrograden bzw. antegraden Amnesie, vorbestehende hirnfunktionelle Störungen, Angstzustände, Depressionen, Lernstörungen und/oder Migräne. Daneben kann eine zu frühe postkontusionelle Belastung die Rekonvaleszenz und die neurokognitive Erholung verzögern. Kinder und Jugendliche weisen statistisch gegenüber Adoleszenten und Erwachsenen eine verlängerte Rehabilitationsphase auf [31, 37]. Diffusion-Tensor-Imaging-Untersuchungen (DTI) zeigten, dass nach Gehirnerschütterung im Jugendalter sich nach 3 bis 6 Monaten noch diffuse Veränderungen der weißen Hirnsubstanz nachweisen ließen [49].

Auch sind für Wochen bis Monate nach Gehirnerschütterung unter körperlicher Belastung noch Einschränkungen der Herzfrequenzvariabilität nachweisbar [1], und in bestimmten Hirnarealen besteht ein verminderter zerebraler Blutfluss, v. a. bei Sportlern mit verzögerter Erholungsphase [34].

Möglicherweise ist dies ein Grund, dass in 50 % ein erhöhtes Risiko für andere Verletzungen im ersten Jahr nach GE bei Profifußballern (UEFA) nachgewiesen wurde [40].

Mittelfristige Probleme

Obwohl die meisten Patienten innerhalb von 4 Wochen nach erlittenem Trauma vollständig subjektiv beschwerdefrei sind, legen größere Analysen nahe, dass nach 1 Jahr noch in > 15 % relevante Symptome, überwiegend Kopfschmerzen und Bewegungsstörungen, bestehen können [47]. Bei einigen Patienten verbleiben über längere Zeit Symptome (Post-concussion-Syndrom, PCS). Diese Symptomatik wird als unspezifisch angesehen, da viele dieser Symptome bei anderen Verletzungen oder Erkrankungen auch bestehen können (Tab. 1). Entsprechend zeigt sich eine hohe Prävalenz von PCS-Symptomen in der normalen Bevölkerung [16].

Tab. 1 Klinische und neurokognitive Symptome bei jungen Sportlern, nach Gehirnerschütterung und bestimmten Erkrankungen [13, 22, 42, 51, 54]

Gerade kognitive Einschränkungen können längerfristig nachgewiesen werden. So wiesen Patienten 7 Jahre nach erlittener GE im Jugendalter kognitive Einschränkungen auf [36]. Bei Profifußballern lagen in 10,87 % leichte kognitive Beeinträchtigungen oder eine demenzielle Symptomatik vor, die sich aber nach Beendigung der aktiven Karriere normalisierten [57]. Beim Vergleich mit Sportlern aus Nicht-Kontakt-Sportarten zeigten sich Einschränkungen der Erinnerungsfähigkeit, der Planung und der visuellen Wahrnehmungsverarbeitung. Für diese Parameter bestand eine inverse Beziehung zur Anzahl bereits erlittener GE und der Kopfballhäufigkeit [29]. Ehemalige Fußballer zeigten auch leichte bis schwere Defizite bei Aufmerksamkeit, Konzentration, Gedächtnis und Urteilsvermögen als möglichen Hinweis auf eine dauerhafte Hirnschädigung [56].

Kontaktsportarten bzw. Sportarten mit zu erwartenden Kopftraumata scheinen somit ein gewisses Risiko für mittelfristige neurokognitive Einschränkungen darzustellen. Gerade ältere/ehemalige Sportler, die Kontaktsportarten betrieben hatten, wiesen Einschränkungen des konzeptionellen Denkens zusammen mit Einschränkungen der Reaktionszeit und der Konzentration auf [12]. In einer aktuellen DTI-Untersuchung konnte gezeigt werden, dass bei mehr als 1800 Kopfbällen/Jahr mikrostrukturelle Veränderungen der weißen Hirnsubstanz temporookzipital nachweisbar waren [27]. Auch fanden sich im Alter nach GE im Jugend-/Erwachsenensport diffuse Veränderungen der weißen Hirnsubstanz [55].

Langfristige Probleme

Chronisch traumatische Enzephalopathie

Erste klinische Hinweise ergaben sich bei ehemaligen Footballspielern, die bei mehr als 3 erlittenen (selbst berichteten) Gehirnerschütterungen 5‑mal häufiger eine milde kognitive Einschränkung (MCI) aufwiesen und eine 3‑fach erhöhte Rate von relevanten Erinnerungsstörungen im Vergleich zu Sportlern ohne ehemalig vorliegende Gehirnerschütterung [19]. Auch zeigte sich ein Trend für ein früheres Auftreten eines Morbus Alzheimer gegenüber der amerikanischen Normalbevölkerung. Zusätzlich bestand eine Assoziation zwischen Lebenszeitprävalenz einer Depression und mehrfach erlittener Gehirnerschütterung. Sportler mit > 3 Gehirnerschütterungen wiesen ein 3‑fach höheres Depressionsrisiko auf und Sportler mit 1 bis 2 Gehirnerschütterungen ein 1,5-fach höheres Risiko [20].

Im Gegensatz dazu zeigte eine Auswertung von männlichen High-School-Footballern, die zwischen 1946 und 1956 spielten, kein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Morbus Parkinson, Demenz oder amyotropher Lateralsklerose (ALS) [50].

In einer Kohortenmortalitätsstudie ehemaliger NFL-Footballer war der Anteil von Todesfällen durch neurodegenerative Erkrankungen (ALS, Morbus Alzheimer) – bei allerdings sehr geringen Fallzahlen – erhöht [26].

Vor diesem Hintergrund besteht zumindest der Verdacht, dass repetitive Gehirnverletzungen neurodegenerative Folgen nach sich ziehen könnten.

Morbus Alzheimer

Für den Morbus Alzheimer wird das Trauma des Gehirns als Risikofaktor akzeptiert [48]. In einer frühen Literaturanalyse aus den USA wurde ein Zusammenhang zwischen einem erlittenen SHT und dem Risiko der Alzheimer-Entwicklung nicht sicher identifiziert [39]. Allerdings scheinen Hinweise vorzuliegen, dass das Zeitfenster zur Entwicklung von Morbus Alzheimer durch ein erlittenes SHT verkürzt sein könnte. Die Analyse dieser Daten zeigte, dass von 1283 Patienten mit erlittenem SHT 31 an Alzheimer erkrankten (2,4 %), entsprechend einer vergleichbaren erwarteten Häufigkeit (Odds Ratio 1,2). Allerdings war die Zeit bis zum Auftreten der Alzheimer-Erkrankung bei den SHT-Patienten mit 10 vs. 18 Jahren deutlich verkürzt.

Eine weitere Untersuchung an ehemaligen Kriegsveteranen zeigte einen möglichen Zusammenhang zwischen dem Auftreten eines Morbus Alzheimer und einem ehemals erlittenen mittelgradigen (Hazard Ratio 2,32) bis schweren SHT (Hazard Ratio 4,51), wobei kein sicherer Zusammenhang zum leichten SHT bestand. Vergleichbare Zusammenhänge bestanden zum Auftreten einer Demenz [41].

Amyotrophe Lateralsklerose

Es existieren Hinweise, dass sich gerade im Fußball nach repetitiven Kopftraumata eine ALS entwickeln kann. Die Häufigkeit einer ALS war bei Fußballprofis in Italien ungewöhnlich hoch [8, 9]. Bei 7325 männlichen, italienischen Profifußballspielern der ersten und zweiten Liga aus den Jahren 1970 bis 2001 lag eine 6,5-fach höhere Rate dieser Erkrankung im Vergleich zur Normalbevölkerung vor. Gerade die unter 49-Jährigen wiesen ein höheres Erkrankungsrisiko auf, während ältere Sportler kein erhöhtes Risiko zeigten. Zusätzlich fand sich ein dosisartiges Risiko hinsichtlich der Dauer der professionellen Fußballaktivität (> 5 Jahre als Risikofaktor) [8].

In einer Fortsetzung der vorbestehenden Analyse wurden die Daten bis zur Saison 2006 vervollständigt. Die erwartete ALS-Rate lag bei 1,24, die beobachtete Rate bei 6,45. Das Risiko war besonders hoch für Mittelfeldspieler. Im Gegensatz zu den Daten bei Fußballern wurden keine ALS-Fälle bei Basketballern und Radfahrern beobachtet, sodass geschlussfolgert wurde, dass Fußball allein ein Risikofaktor für die Entwicklung einer ALS darstellt und nicht auf die sportliche Aktivität an sich zurückzuführen ist [9].

Diese Daten konnten in einer amerikanischen Untersuchung zu Kopfverletzungen bestätigt werden [7]. In einer Vergleichsanalyse von 109 Patienten mit ALS und 255 Kontrollpersonen zeigte sich, dass Personen mit mehr als einem SHT ein 3,1-fach höheres Risiko für die Entwicklung einer ALS hatten, Menschen mit einem SHT innerhalb der letzten 10 Jahre ein 3,2-fach höheres Risiko aufwiesen, während das alleinige anamnestische Vorliegen eines SHT keinen Einfluss auf die ALS-Häufigkeit hatte. Die Kombination aus mehrfachem SHT innerhalb der letzten 10 Jahre führte jedoch zu einem 11-fach höheren Risiko einer ALS. Auch eine Literaturmetaanalyse zeigte ein 1,7-fach höheres Risiko für eine ALS bei positiver Anamnese eines SHT [7].

Suizidalität

Frühe Untersuchungen legten einen Zusammenhang zwischen Suizidalität und der Schwere eines SHT nahe. Hier wurden Suizidalitätsraten von 0,59 %, entsprechend einem 3‑fach erhöhten Risiko gegenüber der Allgemeinbevölkerung, berichtet [52]. Bei Frauen lagen die Raten höher als bei Männern. Im Alter zwischen 21 und 60 Jahren war das Risiko erhöht. Auch waren Begleitprobleme wie Tablettenmissbrauch mit höheren Suizidalitätsraten assoziiert.

Aktuellere Literaturanalysen konnten im Verlauf keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen neuropathologischen Zeichen einer chronisch traumatischen Enzephalopathie (CTE) und einer erhöhten Suizidalität nachweisen [23, 33]. Die Subanalyse einer Untersuchung, die sich primär mit Todesraten und kardiovaskulären Erkrankungen bei ehemaligen Footballern der NFL auseinandersetzte, zeigte sogar ein geringeres Risiko dieser Sportler hinsichtlich einer Suizidalität [2].

In einer ganz aktuellen Analyse an 235.110 Patienten nach Gehirnerschütterung mit einem Durchschnittsalter von 41 Jahren wurden 667 nachfolgende Suizide nach 9,3 Jahren beobachtet (= 31 Todesfälle/100.000 Patienten/Jahr). Dies entspricht einem 3‑fach erhöhten Risiko im Vergleich zur Normalbevölkerung. Als Risikofaktor wurde eine aufgetretene Gehirnerschütterung am Wochenende angegeben (relatives Risiko 1,36) [15].

Fazit für die Praxis

  • Die Mehrzahl aller Gehirnerschütterungen weist nur für kurze Zeitintervalle klinische und kognitive Symptome auf und heilt in der Regel folgenlos aus.

  • Einige Patienten haben nach Gehirnerschütterung kurzfristige und mittelfristige Beschwerden, wobei neurokognitive Störungen im Vordergrund stehen.

  • In wenigen Fällen kann es bei Vorliegen bestimmter Risikofaktoren und bei repetitiven Gehirnerschütterungen zu längerfristigen Störungen mit teilweise nicht unerheblichen Langzeitfolgen kommen.