Im Januar 2015 ist die Berufskrankheiten-Liste um vier neue Ziffern ergänzt worden.

  • Larynxkarzinom durch intensive und mehrjährige Exposition gegenüber schwefelsäurehaltigen Aerosolen (BK-Nr. 1319)

  • Druckschädigung des Nervus medianus im Carpaltunnel (Carpaltunnelsyndrom durch repetitive manuelle Tätigkeiten mit Beugung und Streckung der Handgelenke, durch erhöhten Kraftaufwand der Hände oder durch Hand-Arm-Schwingungen (BK-Nr. 2113)

  • Die Gefäßschädigung der Hand durch stoßartige Krafteinwirkung (Hypothenar-Hammer-Syndrom und Tenar-Hammer-Syndrom) (BK-Nr. 2114)

  • Plattenepithelkarzinome oder multiple aktinische Keratosen der Haut durch natürliche UV-Strahlung (BK-Nr. 5103)

Der Umgang bzw. die gutachtliche Handhabung der zweifellos bedeutendsten dieser neuen Berufskrankheiten, der BK 5103 wird anhand einer Kasuistik aufgezeigt. Insbesondere werden Fragen der Verursachungs-Wahrscheinlichkeit, der MdE-Findung sowie präventive Möglichkeiten erörtert.

Im März 2015 wurde eine S2K-Leitlinie zur Spirometrie publiziert, so dass die Anwendung neuer Lungenfunktions-Sollwerte, entsprechend der Global Lung Initiative (GLI) verpflichtend gefordert war. Diese neuen spirometrischen Referenzwerte basierten auf qualitätskontrollierten Messungen von über 74.000 gesunden Probanden im Alter zwischen 3 und 95 Jahren. Die Auswirkungen auf die gutachterliche MdE-Beurteilung bei Versicherten mit anerkannten Berufskrankheiten der Lunge und der Atemwege, insbesondere bei Versicherten mit Asbestose (BK 4103), Silikose (BK 4101) und obstruktiven Atemwegserkrankungen (BK 4301, 4302 und 1315) wird erörtert. Eine planmäßige Überprüfung der MdE-Festsetzungen der letzten Jahre aufgrund der „neuen Lungenfunktions-Sollwerte“ wird als nicht sinnvoll beschrieben.

In der Juni-Ausgabe Trauma und Berufskrankheit wurde die berufsgenossenschaftliche Rehabilitation bezüglich Unfallverletzter eingehend dargestellt und auf die besondere Bedeutung hingewiesen („mit allen geeigneten Mitteln“). Ein Überblick über die zahlreichen berufsgenossenschaftlichen Heilverfahren für Unfallverletzte wurde gegeben.

Die ambulante und vor allem stationäre Rehabilitation von Versicherten mit Berufskrankheiten ist in Deutschland seit Jahrzehnten etabliert. Die Effizienz stationärer Rehabilitation wurde bei Berufskrankheiten der Atemwege und der Haut in den letzten Jahren nachgewiesen. Die Ergebnisse einer Längsschnittstudie an den beiden deutschen Berufsgenossenschaftlichen Kliniken für Berufskrankheiten hatten eine Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit im Anschluss sowie 12 Monate nach Beendigung der Rehabilitation nachgewiesen. Die Anzahl der Exacerbtionen, der antibiotischen Therapie bei akuten Atemwegsinfekten sowie die Arztbesuche waren signifikant rückläufig.

Seit Jahren weisen Untersuchungen bezüglich Patienten mit einer COPD (Behandlung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung bzw. der Rentenversicherung) auf eine erhöhte Prävalenz von Depression und Angst hin.

Auch bei Versicherten mit berufsbedingten Atemwegs- und Lungenerkrankungen (Asbestose, Silikose, obstruktive Atemwegserkrankung) lagen Hinweise auf depressive und ängstliche Symptome vor. Zahlreiche (internationale) Studien belegen nun das Auftreten psychischer Symptome bei Patienten mit pneumologischen Berufskrankheiten. Neben den krankheitsbedingten körperlichen Einschränkungen sollten demnach auch die psychischen und sozialen Folgen im Krankheitsmanagement bei Versicherten mit pneumologischen Berufskrankheiten durch geeignete Therapien und Interventionen entsprechend der International Classification for Functioning, Disability and Health (ICF) zukünftig Beachtung finden.

Unabhängig von der besonderen Bedeutung des berufsgenossenschaftlichen Heilverfahrens „mit allen geeigneten Mitteln“ sowie dem Anspruch der gesetzlichen Unfallversicherung als Qualitäts- und Innovationsführer auch in der Rehabilitation ist die Qualitätssicherung bei stationären Rehabilitationsmaßnahmen seit 2012 auch gesetzlich verpflichtend geregelt. In § 20 SGB IX wird gefordert, dass „die Erbringer von Leistungen ein Qualitätsmanagement sicherstellen, das durch zielgerichtete und systematische Verfahren und Maßnahmen die Qualität der Versorgung gewährleistet und kontinuierlich verbessert. Stationäre Rehabilitationseinrichtungen haben sich an dem Zertifizierungsverfahren zu beteiligen…“. Am Beispiel der BG Klinik für Berufskrankheiten Bad Reichenhall wird gezeigt, dass durch die Implementierung eines (ohnehin erforderlichen) Qualitätssicherungs-Systems eine kontinuierliche Verbesserung der Qualität möglich ist. Qualitätsmanagement ist jedoch kein singulärer Prozess, sondern eine ständige Herausforderung für alle Berufsgruppen in einer Klinik.

Berufsbedingte Hauterkrankungen stehen seit Jahren an der Spitze der Berufskrankheiten-Verdachtsanzeigen. Die BK 5101 BKV definiert „…Hauterkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.“ Dieser „Unterlassungszwang“ wird in den letzten Jahren zunehmend kontrovers diskutiert. Nichtsdestotrotz können viele Versicherte aufgrund der berufsbedingten Hauterkrankung die gefährdende Tätigkeit nicht mehr fortsetzen. Neben der bedeutenden gesellschaftlichen Bedeutung hat also eine BK nach Nr. 5101 BKV für den jeweils Betroffenen enorme Konsequenzen. Umso mehr sind präventive und rehabilitative Maßnahmen erforderlich. In dieser Ausgabe werden die etablierten berufsgenossenschaftlichen Verfahren zur Prävention und Rehabilitation von berufsbedingten Hauterkrankungen beschrieben, welche unbestritten effizient sind, was auch daraus hervorgeht, dass trotz zunehmender Berufskrankheits-Verdachtsmeldung die anerkannten BK-Fälle (mit erzwungener Tätigkeitsaufgabe) rückläufig sind. Auch stationäre Heilverfahren als tertiäre Individualpräventionsmaßnahme (TIP), die in den letzten Jahren vermehrt bei schweren Fällen beruflicher Hauterkrankungen, die unter ambulanter Behandlung einschließlich der spezifischen berufsgenossenschaftlichen Maßnahmen nicht abheilten, zum Einsatz kommen, zeigen in der Evaluation, dass über 80 % der Versicherten im Beruf verbleiben konnten. Neben den zweifellos bedeutenden präventiven und rehabilitativen Maßnahmen wird auch auf vereinzelte Missverständnisse zwischen der Verwaltung und der berufsdermatologischen Praxis hingewiesen, insbesondere wann eine BK-Anzeige oder das Hautarztverfahren („Verfahren Haut“) angezeigt ist.

Vervollständigt wird diese Ausgabe von einer umfangreichen Darstellung der Standards in der Versorgung von Pseudarthrosen der langen Röhrenknochen. Bei der zentralen Rolle der Frakturen im berufsgenossenschaftlichen Heilverfahren, also eine herausragende Thematik.

Die Darstellungen bezüglich des aktuellen Berufskrankheiten-Geschehens können keinesfalls als umfassende Darstellung der komplexen Materie gesehen werden, sondern sie stellen eine Anregung dar und wollen nochmals darauf hinweisen, dass alle Ärzte gesetzlich verpflichtet sind, den begründeten Verdacht auf eine Berufskrankheit anzuzeigen.

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Dr. W. Raab