Neues Modellverfahren

Als das Thema Trauma und Psyche in das Programm der unfallmedizinischen Tagung aufgenommen wurde, ging die Projektgruppe Trauma und Psyche der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) davon aus, dass zu diesem Zeitpunkt das neue Modellverfahren, wie es ab 01.07.2011 umgesetzt wird, vorgestellt werden könne. In einigen Punkten erwies sich die Abstimmung jedoch als schwieriger und zeitaufwendiger als zunächst angenommen, sodass im vorliegenden Beitrag nur der aktuelle Stand der Diskussion dargestellt werden kann.

Das zurzeit gültige Modellverfahren stammt aus dem Jahr 2004 und zeigt inzwischen einigen Überarbeitungsbedarf. Bei der äußeren Form ist das recht einfach. Hier soll, soweit möglich, eine Angleichung an die aktuellen D-Arzt-Anforderungen (D-Arzt: Durchgangsarzt) erfolgen. Beim Verfahrensablauf ist aufgrund der Veränderungen in der Arbeitsweise der Unfallversicherungsträger und insbesondere der Einführung des Rehabilitationsmanagements eine Aktualisierung notwendig. Im vorliegenden Beitrag wird insbesondere auf die Vorstellungen zur Qualifikation der Behandler eingegangen.

Qualifikation der Behandler

In der Vergangenheit zeigte sich, dass nicht alle am Modellverfahren beteiligten Psychotherapeuten zur Behandlung von psychischen Gesundheitsschäden, wie sie im Zusammenhang mit Arbeitsunfällen auftreten, optimal geeignet sind. Somit ist zunächst zu klären, über welche Qualifikation ein Psychotherapeut verfügen muss, der für die Behandlung akut traumatisierter Patienten prädestiniert ist. Hierzu wurde die beratende Psychotherapeutin des Landesverbands Nordost der DGUV befragt, wobei sich schnell herausstellte, dass diese Frage, da sie sich auf die Beteiligung von ärztlichen und psychologischen Psychotherapeuten bezieht, auch politisch relevant ist. Um zu einem ausgewogenen Bild zu kommen, wurden entsprechende Fragen an die Bundesärztekammer und die Bundespsychotherapeutenkammer gesandt. Die Antworten zeigten, dass ein Konsens nicht einfach sein wird, und so wurde, um ein breites und ausgewogenes Bild zu erreichen, eine Expertenrunde eingeladen. Teilnehmer waren Vertreter der Bundesärztekammer, der Bundespsychotherapeutenkammer, im Modellverfahren beteiligte ärztliche und psychologische Psychotherapeuten, Vertreter der Fachgesellschaften Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) und Deutschsprachige Gesellschaft für Psychotraumatologie (DeGPT) sowie der Sprecher der psychologischen Abteilungen der BG-Kliniken (BG: Berufsgenossenschaften). Entscheidende Fragen waren:

  • Sind alle Richtlinienverfahren gleich gut geeignet?

  • Ist Traumatherapie als Zusatzqualifikation zu fordern?

  • Sollte eine spezielle Erfahrung nachgewiesen werden?

Eignung der Richtlinienverfahren

Viele Unfallversicherungsträger favorisieren die Verhaltenstherapie. Eine in Auftrag gegebene Literaturrecherche ergab, dass bislang nur für diese eine Wirksamkeit nachgewiesen ist, somit wurde die Haltung der Unfallversicherungsträger bestätigt.

Die Diskussion in der Expertenrunde ergab dagegen zu unserer Überraschung, dass die überwiegende Zahl der Teilnehmer der Ansicht ist, dass alle Richtlinienverfahren, nämlich analytische Psychotherapie, tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie und Verhaltenstherapie, als gleichwertig angesehen werden.

Zusatzqualifikation Traumatherapie

Festgehalten wurde, dass Traumatherapie sowohl für ärztliche als auch für psychologische Psychotherapeuten bereits Ausbildungsinhalt sei. Eine darüber hinausgehende Zusatzqualifikation Traumatherapie kenne das Berufsrecht nicht.

Die Expertenrunde war sich einig, dass besondere Kenntnisse und Erfahrungen mit Akuttraumen bei den Fallkonstellationen der gesetzlichen Unfallversicherung unerlässlich sind. Schwierig war die Frage zu beantworten, wie diese spezielle Qualifikation charakterisiert werden könnte:

  • Sollen die Anforderungen das Zertifikat Spezielle Psychotraumatherapie (DeGPT), eine EMDR-Ausbildung (EMDR: „eye movement desensitization and reprocessing“) oder eine Weiterbildung in kognitiver Verhaltenstherapie fordern?

  • Oder gibt es sonstige vergleichbare Qualifikationen?

Diesbezüglich zeigte die Expertenrunde Möglichkeiten auf, diejenigen, die das neue Modellverfahren erarbeiten, kamen jedoch bisher noch zu keinem Ergebnis.

Nachweis spezieller Erfahrung

Bisher wurde gefordert, dass nach der Approbation mindestens 3 Jahre Erfahrungen in einer entsprechenden Klinik zur Versorgung psychotherapeutischer Patienten notwendig sind. In der Vergangenheit konnten jedoch sehr viele an und für sich geeignete Psychotherapeuten nicht beteiligt werden, weil ihnen diese Erfahrungszeit fehlte. Es stellt sich daneben die Frage, ob dieses Auswahlkriterium überhaupt sinnvoll ist.

Die Expertenrunde beantwortete diese Frage recht eindeutig mit nein, da nach ihrer Einschätzung die Mindesttätigkeitsdauer in einer Klinik kein Indikator für die Qualität der Behandlung darstellt.

Kompetenz für Akuttraumen

Abschließend stellte sich die Frage, wie eine Kompetenz für Akuttraumen definiert werden kann:

  • Durch den Nachweis eigenverantwortlich durchgeführter Behandlungsstunden? Wenn ja, wie viele? 50 oder gar mehr?

  • Durch den Nachweis supervidierter Fälle? Wenn ja, wie viele? 5, 7 oder mehr?

Wichtig ist auch die Aktualität der Kompetenz. Sollte hier festgeschrieben werden, dass zumindest ein Teil der durchgeführten Behandlungsstunden oder der supervidierten Fälle in den letzten 2 Jahren erfolgte?

Fazit für die Praxis

Aus obigen Ausführungen wird ersichtlich, dass es mehr Fragen als Antworten gibt. In der Expertenrunde wurde immer wieder betont, dass die individuelle Ausrichtung, Erfahrung und Umsetzung durch den Psychotherapeuten entscheidende Kriterien sind. Die DGUV muss hier jedoch, um die Strukturqualität bei der Beteiligung von Psychotherapeuten am Heilverfahren der gesetzlichen Unfallversicherung zu sichern, eindeutige Qualifikationsanforderungen formulieren.