Die Behandlung von Wirbelsäulenverletzungen mit Querschnittlähmung findet in Deutschland hauptsächlich an den Berufsgenossenschaftlichen Kliniken (BG-Kliniken) statt. Jedes dieser Häuser verfügt über eine dementsprechende Einrichtung und, je nach Größe, über 40–120 Betten zur Versorgung von Rollstuhlfahrern. Die derzeitig vorhandenen Betten reichen knapp aus, um einerseits die etwa 1500–1800 neuen Fälle pro Jahr, andererseits die weitaus zahlreicheren Fälle mit lähmungsbedingten Komplikationen zu betreuen. In der vorliegenden Ausgabe der Zeitschrift Trauma und Berufskrankheit wird eine Auswahl der in den Zentren vorgehaltenen Betreuungsoptionen vorgestellt. Nicht außer Acht gelassen werden darf die erforderliche Unterstützung durch andere, jetzt nicht explizit erwähnte Fachdisziplinen, wie die Radiologie mit Spiral-CT (CT: Computertomographie) und einer MRT (Magnetresonanztomographie) mit einer Bereitschaft von 24 h/Tag, einer interdisziplinären Intensivstation und der Option der Neurophysiologie. Hier kommt die in den Zentren erfolgreiche, aber nur im Behandlungsteam mögliche effiziente Verschmelzung von Akuttherapie, Nachbehandlung und Rehabilitation zur Geltung.

Die beruflichen Integration und Rehabilitation mit dem Ziel der Teilhabe am Arbeitsmarkt der Verletzten setzen die Überwindung zahlreicher Schnittstellen und die klare Ausrichtung der Rehabilitationsprozesse voraus. Die Integration der Kostenträger wird bei den Berufsgenossenschaften und Unfallkassen verbindlich praktiziert. Basis sind die klinische Versorgung, die Erkennung und nach Möglichkeit Vermeidung schwerer, den Grad der Selbstständigkeit mindernder Komplikationen. Diese umfassen das insgesamt vorstellbare Spektrum und reichen von heterotopen Ossifikationen der großen Gelenke, thrombembolischen Gefäßverschlüssen, gastrointestinalen, pulmonalen, kardialen oder vegetativen Kreislaufstörungen bis zu Temperaturdysregulationen oder Bradykardie bis hin zur Asystolie in der Akutphase.

Selbst nach abgeschlossener Frührehabilitation treten als Beispiel immer wieder urologische Probleme oder Haut- und Weichteilschäden auf. Teilweise lassen sich Komplikationen nach der stationären Entlassung präventiv vermeiden. Dies setzt aber in der Regel eine gute Organisation der so genannten ambulant vorgenommenen lebenslangen Nachsorge voraus.

Die Hilfsmittelindustrie hat sich in den letzten 2 Jahrzehnten positiv entwickelt. Die Rollstühle werden leichter, stabiler und ebenso wie die Sitzkissen zunehmend individueller, wovon die Patienten profitieren.

Auffallend ist eine der Bevölkerungsstruktur folgende Zunahme altersbedingter Erkrankungsfälle mit polymorbiden Patienten. Dies belastet die Personalstrukturen der Kliniken zunehmend. Neben dem in den Zentren derzeit vorgehaltenen fachübergreifenden Wissen in Unfallchirurgie, Orthopädie, Neurochirurgie, Neurologie, Chirurgie, Urologie, Innerer Medizin, HNO, Anästhesie, Hand- und Plastischer Chirurgie, Dermatologie, Labormedizin, diagnostischer Radiologie, Psychologie, Rehabilitationswesen und Notfallmedizin wird jetzt auch eine Ausweitung in den Bereich der Geriatrie erforderlich werden.

Nach wie vor ist eine traumatische Durchtrennung des Rückenmarks nicht heilbar. Möglich ist aber die Vermeidung sekundärer Schädigungen auf Rückenmarkebene durch die frühe operative Dekompression und die effiziente kurzstreckige Stabilisation einer Wirbelsäulenverletzung mit einem winkelstabilen Implantat. Aufgrund der Schwere der Wirbelsäulenverletzung, die bereits zu einer Schädigung des Rückenmarks geführt hat, bleibt eine derartige Maßnahme dem erfahrenen Wirbelsäulenchirurgen vorbehalten. Der Eingriff muss sicherstellen, dass der Patient durch die Operation einen Vorteil gegenüber einer konservativen Behandlung bzw. einer sofortigen Verlegung ins nächstgelegene Querschnittzentrum hat.

Die derzeitige Grundlagenforschung zeigt bei Verabreichung so genannter Nogo-Antikörper oder von Stamm- oder Siebbeinzellen intrathekal oder systemisch im Tiermodell einige positive Aspekte. Gegen die zunehmend auch im Internet angebotene Verabreichung von Stammzellen intrathekal oder systemisch gegen Bezahlung im In- und Ausland bei Betroffenen bestehen aber erhebliche Bedenken. Völlig inakzeptabel ist dabei, dass mit der Suggestion von Hoffnung auf Heilung in erster Linie die wirtschaftlichen Interessen der Hersteller dieser Präparate verfolgt werden

Klaus Röhl

Gunther Hofmann