Die Rahmenbedingungen für das Durchgangsarztverfahren haben sich in den letzten Jahren erheblich gewandelt. Im Folgenden sollen die Probleme, aber auch die Lösungsmöglichkeiten aus Sicht eines ambulant tätigen Durchgangsarztes (D-Arzt) aufgezeigt werden.

Versorgungsrealität im Wandel der Zeit

Anforderungen

In den letzten Jahren haben sich die Fachgebietsbezeichnung und die Ausbildung der Durchgangsärzte geändert. War noch vor 20 Jahren im Krankenhaus eine große ungeteilte Abteilung für Chirurgie für die operative Versorgung der Bevölkerung verantwortlich, sind heute überwiegend Fachabteilungen, z. B. für Viszeralchirurgie, Unfallchirurgie/Orthopädie, Handchirurgie, Gefäßchirurgie usw. unter separater Leitung vorhanden. Waren früher Ärzte mit der Gebietsbezeichnung Chirurgie Durchgangsärzte, ist heute der neu geschaffene Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie mit der Schwerpunktbezeichnung spezielle Unfallchirurgie Voraussetzung für die Zulassung zum D-Arzt. Im Zuge der immer aufwändigeren Ausstattung der Praxen und des neuen Vertragsarztrechtes wurde die vorher vorherrschende Einzelpraxis zugunsten der Berufsausübungsgemeinschaften verlassen.

Weiterbildungsproblematik

Durch die Reformierung der Weiterbildung ergeben sich in der Versorgung der Unfallverletzten neue Probleme. Der neue Facharzt für Allgemeinmedizin wird in Zukunft ohne praktische Tätigkeit in der Chirurgie erworben und für die Erst- oder Weiterbehandlung von Unfallverletzten keine medizinische Kompetenz mehr besitzen. Auch der künftige Facharzt für Allgemein und Viszeralchirurgie wird in Zukunft keine traumatologischen Kenntnisse mehr besitzen. Beide derzeit noch sehr intensiv in die Behandlung dieser Klientel eingebundenen Facharztsparten scheiden somit zukünftig für die Versorgung der Unfallverletzten im berufsgenossenschaftlichen Bereich aus.

Durch einen zunehmenden Nachwuchsmangel im Bereich der operativen Fächer wird sich die Versorgungslage noch zunehmend verschärfen.

Im Zuge der Spezialisierung der Abteilungen im Krankenhaussektor wird es zu einer abnehmenden Erfahrung der zukünftigen Durchgangsärzte im Bereich der ambulanten Erst- und Weiterbehandlung kommen. Durch die Beschränkung der Tätigkeit im Spezialgebiet können auch keine Erfahrungen mehr in den angrenzenden Fachgebieten wie Gefäßchirurgie, Viszeralchirurgie, Handchirurgie oder Anästhesie gesammelt werden.

Derzeitige Schwachstellen des D-Arzt-Verfahrens

Aktuelle Probleme, die in Klinik und Praxis bei der Erstbehandlung Unfallverletzter auftreten, sollten bei der Weiterentwicklung des D-Arzt-Verfahrens berücksichtigt werden. Im Bereich der selbstständig ambulant tätigen Durchgangsärzte sind diesbezüglich v. a. folgende Probleme von Bedeutung:

  • Die Integration der Versorgung von Verletzten in einen geregelten Ablauf einer Bestellpraxis mit entsprechenden Terminverschiebungen gelingt nur schwer.

  • Die Verfügbarkeit von Ressourcen wie Anästhesie, bildgebende Diagnostik oder Laboruntersuchungen ist oft eingeschränkt.

  • Die Unfallbereitschaft des Durchgangsarztes kann zu den geforderten Zeiten, z. B. am Samstag, nicht adäquat aufrechterhalten werden.

Im stationären Sektor stehen andere Problematiken im Vordergrund:

  • Aufgrund der Dienstverteilung gelingt es kaum einer Klinik, jeden Verletzten durch einen Facharzt für Unfallchirurgie behandeln zu lassen.

  • Durch die von einigen Kliniken propagierte „Hausarztpflege“ erfolgt die weiterführende Behandlung oft durch einen möglicherweise nicht ausreichend qualifizierten Arzt.

  • Häufig ist auch die Befundweitergabe problematisch: D-Arzt-Berichte und Röntgenbilder werden nicht oder nur verzögert weitergegeben. Die CD mit den Röntgenbildern enthält oft überflüssige „Werbesoftware“ des Herstellers, was den Zugriff auf wichtige Daten erheblich verzögert. Hier sind in Zukunft detaillierte Anforderungen auch von berufsgenossenschaftlicher Seite zur reibungslosen Befundweitergabe erforderlich.

Weiterentwicklung des D-Arzt-Verfahrens im ambulanten Bereich

Problematiken

Bei der diesbezüglichen Diskussion haben die niedergelassenen Ärzte nach Meinung des Autors ein zu geringes Mitsprachrecht. Die Vertretung durch die kassenärztliche Bundesvereinigung ist ungenügend, da ein direkter Bezug des verhandelnden Gremiums zur Basis der Durchgangsärzte fehlt.

Bei den örtlichen kassenärztlichen Vereinigungen sind bei der Umsetzung der D-Arzt-Nachfolge große Unsicherheiten vorhanden; so ist in Bayern die Nachfolge für einen D-ärztlichen Chirurgen ohne Schwerpunktbezeichnung „Unfallchirurgie“ durch einen „Facharzt für Unfallchirurgie und Orthopädie“ nicht möglich (Aussage Zulassungsausschuss April2009). Ebenso ungeklärt ist die veränderte Bedarfsplanung durch den Zusammenschluss der Fächer Unfallchirurgie und Orthopädie.

Durch die starke Abhängigkeit des ambulanten Sektors vom Gesetzgeber wurde in den letzten Jahren eine massive Unsicherheit erzeugt. Während durch teilweise unsinnige Gesetzesvorgaben die Praxiskosten und der Verwaltungsaufwand massiv erhöht wurden, ist die Honorierung durch die Gesetzliche Krankenversicherung unsicherer den je. So muss nach Vorgaben des SGB (Sozialgesetzbuch) V die Behandlung „wirtschaftlich und ausreichend“ sein, weswegen ein hoher Behandlungsaufwand nicht mehr in der Gebührenordnung abgebildet wird. Demgegenüber steht das berufsgenossenschaftliche Verfahren, bei dem die rasche Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Unfallverletzten möglichst ohne Einschränkungen im Vordergrund steht.

Ziele

Aus der Sicht der niedergelassenen D-Ärzte sind mehrere Faktoren wichtig:

  • Die Qualifikation des D-Arztes ist mit der Anerkennung „Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie“ sowie einer 2 jährigen Tätigkeit als Facharzt an einem Haus mit Anerkennung zum Verletztenartenverfahren (VAV) ausreichend. Die Zulassung muss aber auch für Eingriffe des stationsersetzenden ambulanten Operierens geltend.

  • Die Zulassung zum D-Arzt muss dessen Kollegen in Berufsausübungsgemeinschaften in die Lage versetzen, im Rahmen deren Fachgebietes bei der Behandlung von Unfallverletzten tätig zu werden.

  • Die Unfallbereitschaft der ambulanten D-Ärzte muss an die Präsenzpflicht im kassenärztlichen Bereich angepasst werden, diese kann z. B. an Samstagen im Niedergelassenenbereich nicht mehr erbracht werden.

  • Die Lotsenfunktion des niedergelassenen D-Arztes muss ausgebaut werden, insbesondere sollte die derzeitige Behandlung der allgemeinen Heilbehandlung durch nicht ausreichend in der Unfallbehandlung ausgebildete Ärzte unterbleiben. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dürfte dann nur noch vom D- oder H-Arzt (Heilbehandlungsarzt) ausgestellt werden.

  • Bei der Weiterentwicklung der BG GOÄ (Gebührenordnung für Ärzte für die Leistungs- und Kostenabrechnung mit den Berufsgenossenschaften) sind betriebswirtschaftliche Erfordernisse ausgeprägter als bisher zu berücksichtigen, hier sollten in Zukunft die entsprechenden Berufsverbände eingebunden werden. Insbesondere im Bereich des ambulanten Operierens sind derzeit teilweise groteske Missverhältnisse vorhanden. Auch bei der Weiterentwicklung der „Arbeitshinweise zur Prüfung von Arztrechnungen“ ist die Beratung durch die Fachgesellschaften erforderlich, da medizinische und juristische Erfordernisse teilweise nur unzureichend berücksichtigt werden.