Zusammenfassung
Radiuskopffrakturen sind beim Erwachsenen häufige Verletzungen, deren Ausmaß von minimal dislozierten Brüchen bis zu Trümmerluxationsfrakturen reicht. Um die Funktion des Ellenbogengelenks möglichst gut wiederherzustellen, ist ein adäquates Management unerlässlich. Hierbei ist es wichtig, gezielt nach zusätzlichen knöchernen oder Weichteilverletzungen zu suchen, um diese ggf. in gleicher Sitzung zu versorgen. Seit Einführung von konfektionierten Low-Profil-Minifragmentimplantaten ist die Osteosynthese der Radiuskopffraktur eine sehr gute Option. Bei Frakturen, die aufgrund ihrer Trümmerzone eine sinnvolle Rekonstruktion des Radiuskopfes nicht erlauben, werden die primäre Endoprothese oder die Resektion des Kopfes empfohlen, wobei bislang keine guten klinischen Studien zu diesen Techniken vorliegen. Radiuskopffrakturen bei Kindern sind aufgrund der späten Verknöcherung eher selten. Bei Kindern kommt es eher zu Radiushalsfrakturen, was die Durchblutung des Radiuskopfes bedrohen kann. Die Therapie erfolgt abhängig vom Alter des Kindes und vom Grad der Dislokation und ist eher konservativ ausgerichtet.
Abstract
Radius head fractures are common injuries in adults ranging from minimally dislocated breaks to comminuted luxation fractures. In order to restore the function of the elbow joint in the best possible way a suitable management is indispensable. It is important to search for concomitant bony or soft tissue injuries in order to treat these simultaneously. Since the introduction of low profile tailored mini-fragment implants, osteosynthesis of radius head fractures is a very good option. For fractures which do not permit an expedient reconstruction of the radius head due to the fragmented area, a primary prosthesis or resection of the radius head is recommended but as yet no good clinical studies have been published for any techniques. Radius head fractures in children are rare due to late ossification of the radius head and are more likely to suffer from radius neck fractures which can then affect the blood flow in the head. Therapy is dependent on the age of the children and the degree of dislocation and is more conservative.
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Hintergrund
Inzidenz
Radiuskopffrakturen des Erwachsenen sind relativ häufige Verletzungen (zwischen 1,5 und 4% aller Frakturen) und betreffen 33% aller Ellenbogenfrakturen [3, 5, 11, 13].
Verletzungsursache und -mechanismus
Die Unfallursache ist in der Regel ein Sturz auf den leicht angewinkelten oder ausgestreckten Arm bei gleichzeitig gestrecktem Handgelenk (Abb. 1): Das Individuum stürzt und versucht, über unbewusste Stellreflexe getriggert, die kinetische Energie des Sturzes nicht auf den Kopf auftreffen zu lassen. Hierzu wird der Arm in mehr oder weniger ausgestreckter Haltung abgespreizt, um die Aufschlagsenergie abzufangen. Diese wird dann über das Handgelenk in den Unterarm eingeleitet (Pfeile in Abb. 1) und trifft auf das Ellenbogengelenk. Je nachdem, ob dieses gestreckt gehalten oder in leichter Beugestellung straff fixiert wird, kann die Energie nicht über die Muskeln des Oberarms gepuffert werden, sondern kumuliert sich im Radiuskopf, der dann bricht.
Neben dislozierten, isolierten Radiuskopffrakturen wird, gerade bei gleichzeitig vorliegender Ellenbogenluxation, häufig auch das Auftreten von Radiuskopffrakturen in Kombination mit weiteren knöchernen Verletzungen (Processus coronoideus, Ulna usw.) oder Weichteilverletzungen, wie des medialen („medial collateral ligament“, MCL) sowie des lateralen Kollateralbandes („lateral collateral ligament“, LCL), oder als Kombinationsverletzung beobachtet („unhappy triad „des Ellenbogens: Luxation, Radiuskopffraktur und Processus-coronoideus-Fraktur).
Versorgung
Während das Management von einfachen Frakturen in der internationalen Literatur relativ einheitlich beschrieben ist, liegen für komplexe Trümmerfrakturen des Radiuskopfes teilweise erheblich kontroverse Meinungen vor. Dabei favorisieren manche Autoren die offene Reposition und Osteosynthese („open reduction and internal fixation“, ORIF), während andere die primäre Radiuskopfprothese und wieder andere die primäre Resektion des Radiuskopfes (Resektionsarthroplastik) bevorzugen und ihre Argumente mit teilweise widersprüchlichen Daten stützen [17]. In früheren Arbeiten wurde der Radiuskopf auch als entbehrlich beschrieben, jedoch weisen jüngere Untersuchungen ganz klar auf seine wesentliche Bedeutung als Stabilisator des Ellenbogens und der Unterarmgelenke hin [9, 16]. In diesem Zusammenhang zeigte sich, dass die primäre Radiuskopfresektion mit Langzeitkomplikationen, wie beispielsweise Schmerzen, Gelenkinstabilität, proximale Translation des Radius, reduzierte Kraft im Unterarm, erhöhtes Osteoarthroserisiko und Valgusfehlstellungen im Ellenbogen, assoziiert sein kann [11, 16, 23].
Entscheidend für das Management instabiler Luxationsfrakturen des Ellenbogens sowie von Ellenbogenverletzungen, welche die Membrana interossea (Essex-Lopresti-Verletzung) betreffen, ist die sorgfältige Rekonstruktion des Radioulnargelenks entweder durch Rekonstruktion des Radiuskopfes oder durch primäre Radiuskopfprothese [6]. In diesem Zusammenhang wurde von einigen Autoren vorgeschlagen, dass beim gesunden aktiven jungen Patienten der primären Rekonstruktion gegenüber dem primären endoprothetischen Ersatz Vorzug gegeben werden sollte [7, 22]. Diese Diskussion erfuhr in der jüngeren Vergangenheit durch die Entwicklung von schlankeren, weniger auftragenden Implantaten und schonenderen Operationstechniken einen leichten Trend in Richtung ORIF [17, 22, 26]. Dieses Verfahren ist jedoch technisch anspruchsvoll und kann bei Komplikationen zu einem schlechten funktionellen Ergebnis führen. Kürzlich veröffentlichte Arbeiten versuchen zunehmend, sich mit Radiuskopfprothesen zu befassen, insbesondere nach Trümmerfrakturen des Radiuskopfes oder gleichzeitiger Instabilität des Ellenbogens bei MCL-Beteiligung [1, 2, 13, 20].
Biomechanik des Radiuskopfes
Der Radiuskopf stabilisiert den Ellenbogen und Unterarm im Wesentlichen in 2 Richtungen. Die radiohumerale Abstützung sorgt einerseits für eine Neutralisation von Valgusstresskräften, andererseits in longitudinaler Richtung dafür, dass der Unterarm, das distale Radioulnargelenk (DRUG) und das Handgelenk bei distaler Belastung abgestützt werden. Intraartikuläre Frakturen des Radiuskopfes reduzieren die Oberfläche, welche für die Krafteinleitung zur Verfügung steht, und damit die Ellenbogenstabilität [6, 25].
Valgusstabilität
Der Radiuskopf ist ein wesentlicher Stabilisator gegenüber Valgusstress des Ellenbogens, insbesondere wenn das MCL zerstört ist. Diese Situation tritt beispielsweise bei Luxationsfrakturen des Ellenbogens auf.
In einer Kadaverstudie zeigten Morrey et al. [23], dass der Radiuskopf als sekundärer Stabilisator gegenüber Valgusstress fungiert. Seine Retention führt zu einer Veränderung des Rotationszentrums der Varus-Valgus-Ebene, sodass der Hebelarm und damit die relative Belastung auf das MCL reduziert werden können. Laterale Ellenbogeninstabilitäten werden durch die Kombination einer Zerstörung des LCL („lateral collateral ligament“) und Druck auf das Radiohumeralgelenk begünstigt [15]. Bei Patienten mit akuter Instabilität ist die Rekonstruktion des LCL wichtiger als die des MCL. Dies geht aus Arbeiten hervor, die eine signifikante Abnahme der Ellenbogenstabilität bei Patienten nach primärer Radiuskopfexzision und gleichzeitig vorliegender LCL-Ruptur nachwiesen [3, 4]. Obwohl sich die Ellenbogenstabilität nach sekundärer Implantation einer Radiuskopfendoprothese steigern ließ, fanden sich diese Ellenbogen dennoch weiterhin relativ instabil im Vergleich zu Ellenbogen mit intakten ligamentären Strukturen. Diese Befunde legen nahe, dass die Rekonstruktion des LCL nach Radiuskopfprothese für die Ellenbogenstabilität essenziell ist [3, 4].
Longitudinale Stabilität
Das Ausmaß der Belastung zwischen Radius und Ulna hinsichtlich der Druck- und Zugbelastung ist nicht eindeutig definiert. In jüngsten Veröffentlichungen wurde berichtet, dass der Radius bis zu 80% der Belastung des Handgelenks aufnimmt, sich diese jedoch bis zum Ellenbogen gegenüber der Ulna auf die Hälfte ausgleicht [14, 27].
Morrey et al. [23] untersuchten Veränderungen der Kraftübertragung bei unterschiedlichen Unterarmrotationsstellungen und fanden, dass die größte Kraftübertragung vom Handgelenk in den Radiuskopf bei gestrecktem Ellenbogen und Unterarmpronation auftrat. Somit sind der intakte Radiuskopf und dessen intakte Artikulation mit dem distalen Capitulum humeri das primäre Gegenlager für die proximale Bewegung des Radius. Darüber hinaus wird dieser noch durch ligamentäre Strukturen stabilisiert, welche zusätzlich longitudinale Stabilität erbringen. Hierzu zählen die Membrana interossea des Unterarms sowie die Ligamente des DRUG (distales Radioulnargelenk). Nach Exzision des Radiuskopfes ist die physiologische Lastübertragung im Radiohumeralgelenk nicht länger gegeben, und die gesamten Druckkräfte von distal werden über die Ulna durch die Membrana interossea und die distalen Radioulnarbänder getragen [20]. Daher ist ein longitudinaler Vorschub des Radius gegenüber der Ulna nach proximal zu erwarten, wenn nach Radiuskopffraktur zusätzlich eine Zerstörung einer dieser Stabilisatoren, insbesondere der Membrana interossea (Essex-Lopresti-Verletzung), vorliegt [6, 25].
Erwachsene
Klinische und radiologische Untersuchung
Bei Patienten nach Ellenbogentrauma und Radiuskopffrakturen ist der Ellenbogen deutlich geschwollen und bewegungseingeschränkt. Umso bedeutender ist die Dokumentation des Bewegungsumfangs sowohl der Flexions-Extensions- als auch der Pronations- und Supinationsmöglichkeiten nach der Neutral-0-Methode. Darüber hinaus muss die Ellenbogenstabilität in Valgus- und Varusrichtung sowie hinsichtlich der a.-p. Luxationsneigung beurteilt und dokumentiert werden.
Radiologisch sollte der Ellenbogen mindestens in 2 Ebenen abgebildet werden, darüber hinaus kann bei Verdacht auf Radiuskopffrakturen eine Greenspan-Zielaufnahme des Radiuskopfes vorgenommen werden [8]. Die Computertomographie sollte bei unklaren Befunden oder indirekten radiographischen oder klinischen Frakturzeichen wie der intraartikulären Ergussbildung großzügig eingesetzt werden. Radiographisch äußert sich Letztere in der seitlichen Projektion durch die Verlagerung des ventralen „fat-pad“ sowie in der Erkennbarkeit des sonst nicht sichtbaren dorsalen „fat-pad“ (Abb. 2). Diese Silhouette kommt durch eine weite Abhebung der Kapsel vom Knochen, die durch den intraartikulären Erguss verursacht wird, zustande. Die Computertomographie kann damit auch wesentlicher Teil der therapeutischen Planung sein.
Für die Therapieplanung sollte die Verletzung zunächst klassifiziert werden. Bei Radiuskopffrakturen kommt die Einteilung nach Mason in Typ I–IV (Abb. 3, Tab. 1) in ihrer Modifikation nach Hotchkiss [14], zur Anwendung.
Therapie
Wahl des Verfahrens
Frakturen Typ Mason I werden frühfunktionell behandelt, d. h. ggf. Punktion (Abb. 4) eines bewegungseinschränkenden Hämarthros des Ellenbogengelenks (Entscheidungskriterium Streckhemmung bei 90°) und im Anschluss frühfunktionelle Physiotherapie sowie Kontrollröntgenuntersuchung nach 7 Tagen. Die anatomischen Landmarken zur Orientierung und Auffindung des Punktionsortes des Ellenbogengelenks sind in Abb. 4 dargestellt. Ausgehend vom Olekranon lassen sich der laterale Epikondylus und der Radiuskopf gut tasten und ggf. mittels Fettstift markieren. Zur Sicherheit sollten immer nach medial der Sulcus nervi ulnaris mit seinem Nerven palpiert und der mediale Epikondylus markiert werden. Der optimale und ungefährlichste Ort für eine Punktion ist der Soft Spot zwischen Olekranon und Radiuskopf.
Bleibt die Verletzung undisloziert (Mason I), kann konservativ verfahren werden, ansonsten muss die operative Therapie erwogen werden (s. Mason II).
Radiuskopffrakturen Typ Mason II mit Dislokation um mehr als 2 mm oder jeglicher Gelenkverschiebung sowie die Frakturtypen Mason III und IV sollten offen rekonstruiert und mittels Osteosynthese bzw. primärer Radiuskopfprothese versorgt werden [30]. Prinzipiell steht noch die primäre Resektionsarthroplastik zur Verfügung. Kritisch bei der Versorgung dieser Frakturen kann die Einschätzung des Ausmaßes der Ellenbogeninstabilität sein. Radiuskopftrümmerfrakturen bedingen häufig posttraumatische Ellenbogeninstabilitäten, somit sollte das Management dieser Verletzungen immer auch die Ellenbogenstabilität adressieren. Deshalb ist es sehr wichtig, dass der behandelnde Chirurg den Zusammenhang zwischen den bestehenden ossären und ligamentären Verletzungen versteht und die notwendigen Maßnahmen ergreift, diesen entgegenzuwirken. Dabei hat beispielsweise die Refixierung eines potenziell dislozierten Processus coronoideus deutliche Auswirkungen auf die Ellenbogeninstabilität. Kleine Typ-I- oder Typ-II-Koronoidfrakturen lassen sich ggf. mittels Naht rekonstruieren, während größere Typ-III-Frakturen mittels Schrauben oder Platten fixiert werden können. Hierbei sollte der Zugang über medial erfolgen.
Eventuell vorliegende ligamentäre Verletzungen sollten gleichzeitig mit der Radiuskopffraktur rekonstruiert werden, um die Stabilität wiederherzustellen. Dabei kann die Rekonstruktion des LCL über den gleichen Zugang, über den auch die Radiuskopffraktur versorgt wird, durch primäre Naht oder zusätzliche Bohrlöcher durch den lateralen Epikondylus bzw. Knochenanker erfolgen. Die Rekonstruktion des MCL ist normalerweise nicht notwendig, solange sich der Ellenbogen nach der Rekonstruktion des Processus coronoideus bzw. des LCL als stabil erweist. Für diejenigen Gelenke, die selbst nach Rekonstruktion der Knochen und Ligamente weiterhin instabil erscheinen, mag die Applikation eines Bewegungsfixateurs notwendig sein.
Chirurgischer Zugang
Der Zugang zum Radiuskopf nach Kocher beginnt am lateralen Epikondylus und zieht longitudinal nach distal. Nach Durchtrennung der Haut stellt sich ein Sehnenspiegel dar, der nach distal in 2 Muskelzüge ausläuft:
-
radialseitig in den M. anconaeus und
-
ulnaseitig in den M. extensor carpi ulnaris.
Zwischen diesen beiden Muskelzügen befindet sich eine Faszie, die scharf in longitudinaler Richtung durchtrennt wird. Nach unserer Erfahrung ist dieser Zugang bisweilen etwas zu „radial“, sodass wir etwa 0,5 cm weiter ulnawärts zwischen dem M. extensor carpi ulnaris und dem M. extensor digitorum eingehen (Abb. 5). Dabei kann die Orientierung aufgrund von Weichteilschwellungen deutlich eingeschränkt sein, daher empfiehlt es sich immer, die Landmarken möglichst optimal zu markieren. In jedem Fall ist auf den motorischen Ast des N. radialis zu achten, indem eine Präparation weiter distal als bis zur Tuberositas vermieden wird. Falls diese aus operationstechnischen Gründen doch notwendig sein sollte, muss ein weiter radial gelegener Zugang gewählt werden. Beiden Zugängen, dem Standard-Kocher-Zugang und unserer Modifikation, gemeinsam ist, dass ggf. darunter liegende Ausläufer des M. supinator longitudinal gespalten werden können. Dann sollte sich die Kapsel darstellen, die ebenfalls in Längsrichtung scharf eröffnet wird. Insgesamt sollte der Muskel-Kapsel-Komplex soweit mobilisiert werden, dass der LCL-Komplex eingesehen werden kann. Hierbei ist es wichtig, den motorischen Ast des N. radialis durch Pronation im Vorarm zu schützen. Durch diese Bewegung wird der Nerv vom Radiushals weg bewegt. Bei intakter Kapsel wird diese anteriorseitig des lateralen Kollateralligaments longitudinal inzidiert, und der anteriore Kapselanteil vom lateralen Epikondylus mobilisiert. Somit lässt sich der anterolaterale Anteil des Gelenks ohne Verletzung des lateralen Kollateralligaments darstellen. Dieser Zugang erlaubt eine gute Darstellung des Radiuskopfs, und die Rekonstruktion bzw. Osteosynthese können über ihn gut durchgeführt werden.
Sollte eine weiter distal gelegene Mobilisation notwendig sein, kann das Lig. anulare z-förmig inzidiert werden. Diese Technik wird in unserem Haus nicht durchgeführt, ist aber in den USA verbreitet. Hierdurch lässt sich ein stabiles Lig. anulare nach Rekonstruktion gewährleisten. Bei veralteten Verletzungen in fixierter Flexion kann versucht werden, durch ein anteriores Kapselrelease die Beweglichkeit des Ellenbogens zu verbessern.
Chirurgische Technik
ORIF
Bei 3 oder weniger Fragmenten ist die ORIF die bevorzugte Therapie. Hierfür sind folgende operative Instrumente notwendig:
-
Kleine Kirschner-Drähte,
-
Minifragmentfixierungsset (1,5- bzw. 2,0-mm-Schrauben) oder Herbert-Minischrauben und
-
Minifragmentradiusplättchen.
Die Gelenkfläche des Radiuskopfes ist dabei unter Sicht zu reponieren und passager mittels Kirschner-Draht zu fixieren.
Nachdem die korrekte Reposition im Bildwandler dokumentiert wurde, erfolgt die definitive Fixierung entweder mittels 1,5- oder 2,0-mm-Minifragmentschrauben. Wichtig ist dabei, den Schraubenkopf in jedem Fall unter das Knorpelniveau der Zirkumferenz versenken, um Störungen bei Pronation-Supinations-Bewegungen zu vermeiden.
Frakturen die über den Radiuskopf in den Radiushals hinausreichen, erfordern die Fixierung mittels Miniplattenosteosynthese. Dabei sollte die Platte in der so genannten „safe zone“ platziert werden (Abb. 6). Sie entspricht der Oberfläche des Radiuskopfes, welche nicht mit dem proximalen Radioulnargelenk artikuliert und diesen nicht bei Unterarm- und Drehbewegungen berührt. Hierfür steht ein etwa 45 Bogengrad messender Anteil des Radiuskopfes zur Verfügung, der einfach durch Unterarmdrehbewegung nach temporärer Fixierung mit Kirschner-Drähten fixiert werden kann. Dabei stellt die Tuberositas radii die distale Grenze der Plattenauflagefläche dar (Abb. 7). Eine Plattenlage distal davon gefährdet den tiefen Ast des N. radialis erheblich.
Die typische Fehlreposition führt zu einer Valgusfehlstellung und Verkürzung des Radius. Daher sollte die Operation nur begonnen werden, wenn auch eine Radiuskopfprothese zur Verfügung steht, um bei ausgedehnten Trümmerfrakturen den primären endoprothetischen Ersatz des Radiuskopfes vornehmen zu können.
Primäre Resektionsarthroplastik
Sollte der Radiuskopf derart zertrümmert oder disloziert sein, dass eine ORIF keine Aussicht auf Erfolg hat, kann die primäre Resektion des Radiuskopfes erwogen werden. Diese Operationsmethode wird kontrovers diskutiert, über die Langzeitergebnisse liegen widersprüchliche Studien vor [11, 16]. Herbertsson et al. [11] berichteten über sehr erfolgreiche Ergebnisse mit zufrieden stellenden Outcomes für 54 von 61 Patienten in einer Langzeituntersuchung nach Radiuskopfresektion.
Die Radiuskopfresektion ohne primäre Prothese ist bei begleitender Ruptur des medialen Kollateralligaments (MCL) oder der interossären Membran (Essex-Lopresti-Verletzung) kontraindiziert. Aber auch ohne zusätzliche Weichteilverletzungen (z. B. Ruptur des MCL) kann sie mit Spätkomplikationen vergesellschaftet sein, wie Schmerzen, Gelenkinstabilität, proximale Radiustranslation, abgeschwächte Kraft, Osteoarthrose und Valgusfehlstellungen im Ellenbogen [16, 23].
Primäre Radiuskopfprothese
Sie ist bei dislozierter Trümmerfraktur des Radiuskopfes indiziert, wenn eine stabile Osteosynthese nicht möglich ist und die Fraktur mehr als die Hälfte des Radiuskopfes einnimmt ([2, 19], Abb. 8). Insbesondere ist sie bei Frakturen mit zusätzlichen ligamentären Verletzungen (Ellenbogenluxationen oder distale Radioulnarverletzungen bei gleichzeitig bestehender Mason-III- und -IV-Fraktur) oder zusätzlichen Frakturen beispielsweise des Processus coronoideus oder einer Olekranonfraktur, welche disloziert oder instabil ist, indiziert. Die Kontroversen in der Literatur beziehen sich im Wesentlichen auf die Frage, welche Verletzungen exakt diese Kriterien erfüllen.
Technische Überlegungen
Die metallische Endoprothese soll den Radiuskopf so gut wie möglich ersetzen. Zahlreiche biomechanische Studien ergaben, dass hierbei die optimale Größe der Prothese wichtig ist [24, 25, 27, 28, 31]. Eine Prothese mit einem zu großen oder zu kleinen Durchmesser könnte zu einer unphysiologischen Belastung im Ellenbogengelenk führen. Darüber hinaus kann ein nicht optimaler Durchmesser des Radiuskopfes Druckeffekte auf das Capitulum des Humerus auslösen [32]. Der korrekte Durchmesser der Radiuskopfprothese ist durch einfaches Ausmessen des entfernten Radiuskopfes mit der Probierprothese relativ einfach zu ermitteln. Die Prothese sollte kongruent im Gelenk liegen und einen flüssigen Bewegungsablauf der Radiuskopfprothese mit dem Capitulum über den gesamten Bewegungsumfang erlauben [2, 21].
Darüber hinaus ist auch die Prothesenlänge von Bedeutung. Die meisten Frakturen des Radiuskopfes treten an dessen Übergang zum Radiushals auf, somit kann der korrekte Sitz der Prothese intraoperativ gut kontrolliert werden. Dabei ist darauf zu achten, dass der Radiushals in entsprechend korrekter Position abgesetzt werden kann, um eine stabile Verankerung der Prothese und einen sicheren Sitz zu gewährleisten. Hierbei ist darauf zu achten, dass der Radiuskopf gut mit dem Capitulum artikuliert, aber das Gelenk nicht in seinem Bewegungsumfang eingeschränkt ist.
Postoperative Nachbehandlung
Sie stellt einen wesentlichen Faktor im Management von Patienten nach Radiuskopffrakturen dar. Hierbei muss versucht werden, auf der einen Seite die Instabilität zu berücksichtigen und auf der anderen Seite durch frühe Mobilisation die Beweglichkeit des Gelenks so optimal wie möglich zu erhalten. Daher sollte eine frühe Bewegung innerhalb eines sicheren Radius unter physiotherapeutischer Anleitung geübt werden.
Zur Vermeidung von heterotopen Ossifikationen ist die Applikation von Indomethacin als positiv beschrieben [24]. Eine weitere Therapieoption wird der Strahlentherapie zugesprochen. Stein et al. [29] berichteten über gute Ergebnisse bei 10 von 11 Patienten nach Ellenbogentrauma, welche mittels 700 cGy Bestrahlung innerhalb von 72 h nach der Operation behandelt wurden.
Ergebnisse
Die aktuelle Literatur über die Versorgung komplexer Radiuskopf- und Halsfrakturen ist nicht einheitlich und erlaubt nur eine bestimmte Orientierung für die Auswahl des optimalen Managements, da die klinische Studienlage über die Behandlung von Radiuskopffrakturen mittels ORIF, Resektionen oder primärer Prothese zu heterogen ist, um daraus einen allgemeinen Behandlungsalgorithmus ableiten zu können [16, 17]. Die Bandbreite der zusätzlich assoziierten Weichteilverletzungen des Ellenbogens erschwert die Beurteilung einzelner Effekte bzw. therapeutischer Regimes von Radiuskopffrakturen zusätzlich.
Ikeda et al. [18] verglichen die Ergebnisse von Radiuskopfresektionen mit denen der Osteosynthese in einer Serie von 28 Patienten. Zum Zeitpunkt der endgültigen Nachuntersuchung hatten die Patienten nach Osteosynthese eine bessere Kraft, Funktion und Gelenkbeweglichkeit im Gegensatz zu den Patienten nach Resektion. Bei der Betrachtung dieser Ergebnisse muss berücksichtigt werden, dass das Nachuntersuchungsintervall der Osteosynthese bei 3 Jahren lag, verglichen mit einem 10 Jahres-Follow-up der Resektionsgruppe.
Herbertsson et al. [11, 12] berichteten über ein Langzeitnachuntersuchungsintervall von durchschnittlich 18 Jahren und fanden nach Radiuskopfresektion gute Ergebnisse bei Mason-II- und -III-Frakturen. Jedoch fanden sich im Vergleich zum nicht verletzten Ellenbogen eine deutlich erhöhte Häufung von posttraumatischer Arthrose (73% vs. 7%).
King et al. [22] veröffentlichten 100% sehr gute Ergebnisse nach Osteosynthese nach Mason-II-Frakturen im Gegensatz zu 33% sehr guten Ergebnisse nach Mason-III-Verletzungen und schlossen daraus, dass Trümmerfrakturen eher mittels primärer Prothese behandelt werden sollten.
Ikeda et al. [17] berichteten über sehr gute Ergebnisse von Mason-III- und -IV-Frakturen nach Osteosynthese mittels konfektionierten Low-Profil-Minifragmentimplantaten. In dieser Serie von 10 Patienten wiesen 90% gute bis sehr gute Ergebnisse auf.
In einer jüngsten Veröffentlichung beschrieben Ring et al. [26] die Versorgung von 56 Radiuskopffrakturen mittels Osteosynthese und kamen zu dem Schluss, dass diese nur für Frakturen mit 3 oder weniger artikulären Fragmenten geeignet sei. 13 von 14 Patienten nach Mason-III-Frakturen mit mehr als 3 artikulären Fragmenten hatten nicht zufrieden stellende Ergebnisse verglichen mit den zufrieden stellenden Ergebnissen bei 15 Patienten nach Mason-II-Fraktur. Bei den 12 Patienten mit einer Typ-III-Fraktur, bei denen der Radiuskopf in 1 oder 2 Fragmente gespalten war, trat kein frühes Implantatversagen auf, eine Patient wies eine „non-union“ auf und alle hatten eine Unterarmpronations-/-supinationsbewegung von mehr als 100°.
Bezüglich der primären Radiuskopfprothese wurde von Bain et al. [2] über 16 Patienten nach Mason-III-Verletzung und Versorgung mittels Monoblocktitanprothese berichtet. Die Autoren beschrieben 80% sehr gute Ergebnisse bei einem 2 1/2-jährigen Nachuntersuchungsintervall. Die wesentliche Schlussfolgerung dieser Arbeit war, dass die chirurgische Versorgung nicht verzögert werden soll und einer frühen Mobilisation wesentliche Bedeutung für ein zufrieden stellendes Ergebnis zukommt. Harrington et al. [10] berichteten über ähnliche Ergebnisse mit einem wesentlich längeren Nachuntersuchungsintervall von im Durchschnitt 12 Jahren nach primären Radiuskopfprothesen nach instabilen Ellenbogenluxationsfrakturen.
Hinsichtlich der Versorgung mit modularen Implantaten liegen zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine nennenswerten Arbeiten vor, die diese mit mono- oder bipolaren Radiuskopfprothesen verglichen. Die Problematik des Kopfdurchmessers der Radiuskopfprothese wurde in mehreren biomechanischen Studien gezeigt [32]. Allerdings liegen derzeit keine klinischen Berichte vor, dass diese Größenunterschiede tatsächlich auch klinisch relevante Differenzen in der Funktion bedingen. Darüber hinaus gibt es derzeit keine vergleichende prospektiv randomisierte klinische Studie zwischen ORIF, primärere Prothese oder Resektion.
Radiuskopf- und -halsfrakturen bei Kindern
Verletzungsmechanismus und -folgen
Der Unfallmechanismus ist wie beim Erwachsenen ein Sturz auf die ausgestreckte Hand. Frakturen des Radiuskopfes bzw. -halses sind aufgrund der vor der Verknöcherung praktisch ausschließlichen Knorpelstruktur des Radiuskopfes eine Seltenheit (etwa 1% aller Extremitätenfrakturen bei Kindern). Meißel- oder Trümmerfrakturen treten erst auf, wenn der Radiuskopf verknöchert ist. Somit sind Frakturen des proximalen Radius fast ausschließlich metaphysäre Brüche, wobei 2/3 der Fälle metaphysäre Stauchungsfrakturen und etwa 1/3 Epiphysenlösungen mit bzw. ohne metaphysären Keil darstellen.
Die Blutversorgung des Radiuskopfes erfolgt über periostale Blutgefäße, sodass nach einer Fraktur des proximalen Radiusendes im Wachstumsalter Störungen der Blutversorgung zu Teil- oder Vollnekrosen des Radiuskopfs führen können.
Klassifikation
Proximale Radiusfrakturen werden nach Maitezeau Grad I–IV klassifiziert (Abb. 9, Abb. 10). Dabei nimmt der Grad der Dislokation von Grad I bis Grad IV zu und ist somit Ausdruck einer wachsenden Gefährdung für die Blutversorgung, da diese im Wesentlichen über das Periost erfolgt, welches bei zunehmender Dislokation mit größerer Wahrscheinlichkeit rupturiert ist oder rupturgefährdet sein kann.
Therapie
Ziel
Das Therapieziel sind die Erhaltung bzw. Wiederherstellung der Funktion, sodass aufgrund der beschriebenen Durchblutungssituation die dislozierte Radiusköpfchenfraktur eine Notfallindikation in der Kindertraumatologie darstellt. Für die Therapieentscheidung wesentlich sind zum einen der Abkippungswinkel, der als Epiphysenachsenwinkel ermittelt wird, zum anderen die Seit-zu-Seit-Verschiebung. Als akzeptable Dislokation gelten ungefähr die in Tab. 2 aufgeführten Altersrichtwerte.
Techniken
Die geschlossene Reposition erfolgt im Wesentlichen durch Druck mit dem Daumen bei leicht gebeugtem Ellenbogen unter Pro- und Supinationsbewegungen auf den Radiuskopf. Ist sie nicht erfolgreich, kann die intramedulläre Markraumschienung durchgeführt werden. Hierbei wird am distalen Radius ein Titannagel (ESIN: elastische intramedulläre Stabilisierung) eingeführt, mit dessen gebogener Spitze der Radiuskopf aufgefädelt und in die korrekte Position geschoben wird (Abb. 11).
Prinzipiell gilt, bei Kindern „eher geschlossen als offen vorgehen“. Die anatomische Stellung muss nicht um jeden Preis erzwungen werden, Richtlinien für eine akzeptable Reposition sind die in Tab. 2 angegebenen Entscheidungshilfen für die Frage einer operativen vs. konservativen Therapie. Nach 3 Versuchen der geschlossenen Reposition sollten die offenen Reposition und Osteosynthese erfolgen.
Komplikation
In jeden Fall muss nach Begleitverletzungen gesucht werden, hier stehen Monteggia-Verletzungen (insbesondere Bado-Klasse-IV-Monteggia-Verletzung: komplette Unterarmfraktur mit Ulnafraktur und proximaler Radiusfraktur) im Vordergrund. Darüber hinaus muss auch eine Pronatio Dolorosa (traumatische Radiusköpfchensubluxation bei forciertem Zug am ausgestreckten Arm des Kindes) ausgeschlossen werden.
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Biberthaler, P., Bogner, V., Braunstein, V. et al. Radiuskopffrakturen bei Erwachsenen und Kindern. Trauma Berufskrankh 12 (Suppl 2), 104–112 (2010). https://doi.org/10.1007/s10039-010-1617-8
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