Die Fusion der gewerblichen Berufsgenossenschaften mit den Unfallkassen der Länder zur Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) hat nicht erst seit dem so genannten Eckpunktepapier mit der Unterrichtung durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales [1] zu einer Überprüfung und Neuausrichtung der Heilverfahren der gesetzlichen Unfallversicherung geführt. Über die Analyse der Ausgangssituation und unter Berücksichtigung von aktuellen Entwicklungen durch gesetzgeberische Veränderungen wie dem Vertragsarztrechtsänderungsgesetz und dem epidemiologischen und medizinischen Wandel durch zunehmende Spezialisierung wurde die Notwendigkeit zur Berücksichtigung von Bedarfsanalysen und Qualitätsgesichtspunkten in den Heilverfahren entwickelt.

Anlässlich der Jahrestagung des Landesverbandes Südost der DGUV in Bamberg im Mai 2009 arbeiteten wir die Eckpunkte der neuen Heilverfahren mit den Vertretern der DGUV ab und formulierten unsere Forderungen.

Eckpunkte

Vorstellungspflicht beim D-Arzt

Sie soll unangetastet bleiben. Diese Festlegung wird natürlich von unserem Verband uneingeschränkt unterstützt. Sie wird in Zukunft umso wichtiger werden als die neuen Allgemeinärzte, die über den „common trunc“ weitergebildet werden, im Fach Chirurgie nicht unbedingt Erfahrungen sammeln müssen. Demzufolge wird diesbezüglich in Zukunft ein qualitativer Einbruch in der Erstversorgung durch die Hausärzte zu erwarten sein.

Wir wiesen die Vertreter der DGUV auf dieses Problem hin, der Hinweis wurde sehr ernst genommen.

D-Arzt-Qualifikation

Die Neuausrichtung der Heilverfahren sieht eine Abstufung der D-Arzt-Qualifikation vor. Wie diese im Einzelnen aussehen soll, ist noch nicht definitiv festgelegt. Vermutlich wird eine Unterscheidung zwischen dem operativ tätigen und dem nicht operativ tätigen D-Arzt vorgenommen werden.

Es scheint jetzt Konsens darüber zu herrschen, dass die Basisanforderung für die D-Arzt-Zulassung den Facharzt Orthopädie/Unfallchirurgie und 1 zusätzliches Jahr in einer für das Verletzungsartenverfahren (VAV) zugelassenen Klinik sein wird. Darauf basierend sollen modular aufbauend höhere Anforderungen an die operative Tätigkeit und die Zulassung zum VAV gestellt werden. Vorgesehen sind Prüfungen der Zulassungen im 5-Jahres-Rhythmus, Mindestzahlen werden diskutiert.

Der Verband betonte die hohe Qualifikationsnotwendigkeit für den D-Arzt und steht diesbezüglich mit der DGUV in Übereinstimmung.

Spezialisierung

In der Diskussion ist auch der Einschluss von spezialisierten Leistungserbringern in die Heilverfahren von gesetzlich Unfallverletzten der DGUV. Von Seiten der DGUV wird begrüßt, dass im Einzelfall ausgewiesene Spezialisten in einer Körperregion die operative Behandlung übernehmen können. Aus unserer Sicht muss es sich hierbei um Einzelfälle handeln, die einer qualitativen Überprüfung der Kompetenz und kollegialer Zusammenarbeit standhalten. Die spezialisierten Einheiten in den BG-Kliniken (BG: Berufsgenossenschaft), Universitäten und Schwerpunktkliniken können in der Regel eine qualitativ hochwertige Versorgung garantieren, stehen aber auch für die integrative Behandlung des Unfallverletzten im Sinne der DGUV.

Unser Vorschlag geht dahin, dass auf Überweisung durch einen D-Arzt in Fällen, in welchen die Notwendigkeit aus welchen Gründen auch immer gesehen wird, eine operative Behandlung bei spezialisierten Leistungserbringern erfolgen kann (wie bisher auch möglich) und die Nachbehandlung in der Hand des D-Arztes bleibt.

Bedarfsgesichtspunkte

Sie spielen in der Planung der DUGV eine zunehmend größere Rolle. Für diese Notwendigkeit hat der Verband großes Verständnis, da die Effektivität der Behandlung der Gesetzlichen Unfallversicherung auch politisch überprüft wird. Andererseits muss der Versicherungsträger auch Verständnis für die Lebensplanung der D-Ärzte aufbringen, die für personelle und finanzielle Investitionen auch Sicherheiten benötigen und ein normales bürgerliches Leben führen wollen – ohne unerfüllbare Präsenzpflichten. Für die Vereinbarung dieser Positionen müssen von der DGUV Vertretungsregelungen angeboten werden und Kooperationen sektorübergreifend möglich werden.

Vertragsarztänderungsgesetz

Das neue Vertragsarztänderungsgesetz ermöglicht viele Arten der Zusammenarbeit in unterschiedlichen Organisationsformen. Letztendlich muss die Qualität der Behandlung bei allen Modellen oberste Priorität haben. Ein D-Arzt kann sicher verschiedene Kooperationen eingehen, muss aber die Patienten persönlich sehen und das Heilverfahren persönlich überwachen können.

Es ist Aufgabe der DGUV, hierfür Verträge und individuelle Lösungsmöglichkeiten zu erarbeiten.

Ambulantes Operieren

Es ist erwünscht, in einigen Punkten müssen die Erlöse jedoch deutlich angehoben werden, um wirtschaftlich arbeiten zu können.

Die Arbeitsgruppe BG-BDC (Berufsgenossenschaften Berufsverband Deutscher Chirurgen) wurde zusammen mit Mitarbeitern der DGUV beauftragt, die kritischen Positionen zu einer angemessenen Vergütung zu bringen.

Wer viel ambulant operiert, braucht eine kompetente Vertretung für die Operationszeit. Gegenseitige Vertretungen oder Absprachen mit kooperierenden Kliniken könnten dieses Problem lösen.

Qualitätssicherung in den Heilverfahren

Die Forderung nach einer solchen ist unstrittig. Es müssen aber transparente Kriterienkataloge erarbeitet werden, damit faire Ergebnisse zu erwarten sind. Dies wurde von den Vertretern der DGUV zugesagt (Herr Dr. Kranich). Eine Ausweitung der Dokumentation muss verhindert oder finanziert werden.

Stationäre Behandlung

Im stationären Sektor will die DGUV eine Angleichung der Kliniken nach deren Einstufung im Traumaregister anstreben. Es wird über unterschiedliche finanzielle Bewertungen der Leistungen je nach Einstufung nachgedacht. Der Anteil der an den VAV beteiligten Kliniken soll auf Dauer abnehmen. Mindestmengen sind in der Diskussion. Ein Netzwerk soll Verlegungen von Patienten erleichtern und fördern. Es ist vorgesehen, bei „Fehlbelegung“ Sanktionen an die behandelnde Klinik zu erlassen, z. B. Wegfall des Vergütungsanspruches.

Eine engere Verzahnung der Versorgungssektoren wird gewünscht. Insbesondere sollen eine verbesserte Fallsteuerung und die Verzahnung von Akutklinik – BGSW (Berufsgenossenschaftlich Stationäre Weiterbehandlung) – ambulanter Behandlung zur Effizienzsteigerung beitragen. Es sollen verstärkt Rehabilitationssprechstunden und Fallkonferenzen auch unter verschiedenen Kliniken stattfinden.

Insgesamt wirken diese Neuerungen durchdacht und angemessen, sodass es hier keine wesentlich kontroversen Positionen geben wird. Es müssen aber kurzfristige Entscheidungen verhindert werden, auch hier muss die Forderung nach der Transparenz der Entscheidungen gestellt werden, und gerade die Sanktionsfälle müssen durch eine Überarbeitung des Katalogs der Verletzungsarten scharf definiert werden. Diese Forderungen wurden von den Vertretern der DVGU aufgenommen und sollen in Diskussionen mit Arbeitsgemeinschaften (AG) unseres Verbandes umgesetzt werden.

Problemfälle – Anpassung der Bedarfsrichtlinien

In Bamberg wurde von einem Kollegen die Situation angesprochen, dass er als Facharzt für Orthopädie/Unfallchirurgie nicht auf einem chirurgischen Praxissitz als D-Arzt tätig sein darf. Dies sei nicht durch die Bayerische Ärztekammer genehmigt worden mit dem Hinweis, dass eine dem chirurgischen Sektor zugeordnete Praxis nicht als orthopädisch-unfallchirurgische Praxis in den bisher orthopädischen Sektor übergehen könnte. Ein von ihm angestrebter Prozess gegen die ÄK (Ärztekammer) Bayerns war noch offen. Ein weiterer Fall wurde uns aus Baden-Württemberg bekannt.

Dieses Vorgehen der Ärztekammern ist nicht korrekt: Bereits im Jahr 2007 änderte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) auf unsere Einwände hin die Bedarfsrichtlinien, was auch im Bundesanzeiger bekannt gemacht wurde. Danach kann die zu übernehmende Praxis für diejenige Arztgruppe ausgeschrieben werden, in deren Versorgungsauftrag die Praxis überwiegend ärztliche Leistungen erbringt. Diese Regelung sichert die Verkaufsmöglichkeiten der Praxis ebenso wie die Weiterführung eines zuvor bestehenden Versorgungsauftrages.

Die genauen Hintergründe und Wortlaute der Richtlinie sind auf unserer Homepage www.derdurchgangsarzt.de unter Mitteilungen nachzulesen.