Treibende Prozesse der letzten 5 Jahre für die Veränderungen in den Heilverfahren der Gesetzlichen Unfallversicherung (GUV) waren:

  • die Regelungen für die ambulante Versorgung (Vertragsarztrechtveränderungsgesetz 2007),

  • das Zusammengehen des Fachgebietes Orthopädie mit dem chirurgischen Schwerpunkt Unfallchirurgie in 2008 und

  • die Neuordnung der gesetzlichen Unfallversicherung (Unfallversicherungsmodernisierungsgesetz 2008).

Durch die Vereinigung der gewerblichen Berufsgenossenschaften und der Unfallkassen entstand ein starker zentral ausgerichteter Verband, der unter der Bezeichnung Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) firmiert. Durch die vorstehend genannten Veränderungen in der Versorgungslandschaft in Ambulanz und Klinik getriggert wird derzeit eine Diskussion geführt, wie die Steuerung des Heilverfahrens und die Zulassung von Ärzten und Krankenhäusern zukunftsweisend gestaltet werden können. Neben der DGUV sind die Fachgesellschaften der Orthopäden und Unfallchirurgen und die entsprechenden Berufs- und Interessenverbände in die Diskussion einbezogen.

Zulassung zum Durchgangsarzt

Klassischerweise ist die Facharztqualifikation Chirurgie mit einer aufbauenden Spezialisierung in der Unfallchirurgie die Voraussetzung für die Zulassung an den Heilverfahren. Mit der Weiterbildungsordnung 1993 wurde die vorherige 6-jährige chirurgische Weiterbildungszeit auf 5 Jahre verkürzt, im Gegenzug wurde die Weiterbildungszeit im Schwerpunkt Unfallchirurgie von 2 auf 3 Jahre erweitert, was jeweils einen Gesamtzeitbedarf von 8 Jahren bedeutete. Eine wesentliche Änderung ergab sich mit der Neuordnung der chirurgischen Fächer. Das Fachgebiet Orthopädie wurde mit dem chirurgischen Schwerpunkt Unfallchirurgie vereinigt. Mit der Weiterbildungsordnung 2004 wurde der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie eingeführt, der eine Weiterbildungszeit von 6 Jahren vorsieht. Gleichzeitig wurde eine spezielle Weiterbildung „Spezielle Unfallchirurgie“ eingeführt, die aufbauend eine 3-jährige Weiterbildungszeit umfasste.

Im Vergleich zur Weiterbildungsordnung 1993 verlängerte sich somit die Regelweiterbildungszeit von 8 auf 9 Jahre. Gleichzeitig wurden die unfallchirurgischen Weiterbildungsinhalte deutlich erhöht. Mit der Weiterbildungsordnung 2004 werden 2 Jahre Basischirurgie und daran im Anschluss 4 Jahre Orthopädie und Unfallchirurgie je hälftig gefordert. Nach Absolvierung der speziellen unfallchirurgischen Weiterbildung sind somit 5 Jahre Weiterbildung in der Unfallchirurgie ergänzt um 2 Jahre in der Orthopädie absolviert. Diese Schwerpunktsetzung im unfallchirurgischen Bereich hat naturgemäß im Gegenzug eine entsprechende Verkürzung allgemeinchirurgischer Inhalte zur Folge.

Aufgrund dieser deutlichen Ausdehnung der unfallchirurgischen Weiterbildung entstand eine Diskussion, ob tatsächlich jeder Durchgangsarzt in der Niederlassung die nunmehr verlängerte Weiterbildungszeit von mindestens 9 Jahren durchlaufen muss. Insbesondere auch der ausgiebige Operationskatalog der Speziellen Weiterbildung kann hinterfragt werden, inwieweit er für eine Tätigkeit im ambulanten Bereich nutzbringend ist. Aus dieser Überlegung entstand das Modell einer modularen Zulassung zu den Heilverfahren, die allerdings in jedem Fall die Facharztanerkennung Orthopädie und Unfallchirurgie zwingend vorschreibt. Dies bedeutet auch, dass das H-Arzt-Verfahren (H-Arzt: Heilverfahrensarzt) auf der Grundlage anderslautender Facharztbezeichnungen entfällt.

Modularisiertes D-Arzt-Verfahren

Die Idee eines solchen beruht auf einem Basismodul mit Grundanforderungen an jeden zugelassenen Durchgangsarzt, auf dem sich weitere Module für die operative Tätigkeit, das Verletzungsartenverfahren und individuelle Zulassungen aufsetzen. Als Basisqualifikation gilt die Weiterbildung zum Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie sowie zusätzlich nach der Facharztanerkennung 1 Jahr ärztliche Tätigkeit in einer Abteilung zur Behandlung Schwerunfallverletzter eines am Verletzungsartenverfahren (VAV) zugelassenen Krankenhauses, die mit einem qualifizierten Zeugnis des dort tätigen Durchgangsarztes bescheinigt werden muss.

Für eine operative Tätigkeit typischerweise als D-Arzt am Krankenhaus, gleichermaßen aber auch für niedergelassene Ärzte, die ambulante stationsersetzende operative Eingriffe umfassend durchführen wollen, gilt die Anforderung einer 3-jährigen operativ ausgerichteten Zusatzweiterbildung „Spezielle Unfallchirurgie“. Dies entspricht im Übrigen der derzeit gültigen Regelung.

Für den verantwortlichen Durchgangsarzt am VAV-Krankenhaus wird nach der Zusatzweiterbildung zusätzlich und wie bisher eine 3-jährige Tätigkeit an einer zum VAV zugelassenen Abteilung im Anschluss an die Weiterbildung verlangt. Noch in der Diskussion steht die Definition eines künftigen SGB-VII-Traumazentrums (SGB: Sozialgesetzbuch), das in Anlehnung an die regionalen und überregionalen Traumazentren des TraumanetzwerkD der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie ausgerichtet werden soll. Diese Definition kann bisherige Detailregelungen, wie die 2-jährige Weiterbildungsbefugnis für die Spezielle Unfallchirurgie, überflüssig machen.

In einem dritten Modul soll die individuelle Einbeziehung spezialisierter Leistungserbringer geregelt werden. Auch für diesen Kreis wird die Erfüllung des Basismoduls Voraussetzung sein. Alternativ bleibt die Möglichkeit einer Hinzuziehung spezialisierter Ärzte durch am Verfahren beteiligte Ärzte weiterhin bestehen.

Berufsbegleitende durchgangsärztliche Fortbildung

Das Basismodul soll in Zukunft auf einem kontinuierlichen Qualitätssicherungssystem beruhen, das auch die Pflicht zu einer durchgangsärztlich spezifischen Fortbildung umfasst. Die Schwerpunkte der Fortbildung werden in den Bereichen Gutachtenwesen, Heilverfahren, Rehabilitationsmanagement und Rehabilitationsmedizin bestehen. Eingebettet werden diese Fortbildungsmaßnahmen in die schon jetzt von den Landesärztekammern geforderten Nachweise über 250 Fortbildungspunkte. Ebenfalls entsprechend besteht eine Nachweispflicht im 5-jährigen Turnus, in dem im Übrigen auch eine Teilnahme an mindestens 2 unfallmedizinischen Tagungen der Landesverbände nachzuweisen ist.

Die Prozessqualität soll u. a. über die Durchgangsarztberichte im Hinblick auf Laufzeiten, Diagnostik und Diagnosestellung und die Einhaltung von Vorstellungspflichten überprüft werden. Darüber hinaus wird zu Stärkung der fachärztlichen Routine und zur Orientierung am tatsächlichen Bedarf eine Erhöhung der heute geltenden Mindestfallzahl von 150 Fällen diskutiert.

Eckpunkte eines künftigen Verletzungsartenverfahrens

In Analogie zum Traumanetzwerk der DGU sind synergistisch SGB-VII-Traumanetzwerke angedacht, in die komplizierte und folgenträchtige Verletzungsfälle gesteuert werden sollen. Ziele sind eine Kooperation der beteiligten Leistungsbereiche und insbesondere eine strukturierte Zusammenarbeit im Sinne der Frührehabilitation schwerer und schwerster Verletzungen. Auch für diesen Bereich sind eine Qualitäts- und Bedarfssteuerung, z. B. über Mindestfallzahlen, angedacht, die in der Größenordnung von 100 VAV-Fällen pro Jahr liegen könnten.

Fazit

Unter dem Druck sozialpolitischer Entwicklungen und den Veränderungen in der medizinischen Fachgebiets- und Versorgungslandschaft ist eine Diskussion zur Ausgestaltung zukünftiger D-Arzt- und VAV-Verfahren entstanden. Im ambulanten Bereich zeichnet sich die Einführung eines modularen D-Arzt-Verfahrens ab, das das bisherige H-Arzt-Verfahren überflüssig machen wird. Bedarfsgesichtspunkte und Qualitätssicherungen werden in die Prozedur integriert. Die Diskussionen für die Ausprägung der stationären Verfahren und insbesondere des VAV laufen derzeit noch in enger Abstimmung mit den Fachgesellschaften. Auch hier sind eine stärkere Bedarfs- und Qualitätsorientierung absehbar.