Unsere UMED-Tagung neigt sich ihrem Ende zu. An den beiden Veranstaltungstagen haben wir zu 8 Schwerpunktthemen jeweils einen oder mehrere Übersichtsbeiträge gehört. Im Folgenden sollen deren Kernaussagen noch einmal zusammengefasst werden.

FormalPara Schultergelenkverletzungen

Ihnen war unser erstes Hauptthema gewidmet. In Würdigung der zahlreichen konkurrierenden Klassifikationen wird der sauberen Trennung der Begrifflichkeiten bei der Instabilität des Glenohumeralgelenks heute am besten die Klassifikation nach Chr. Gerber (1997) gerecht.

Entgegen mancher aktueller Gepflogenheiten stellt das MRT nicht das primär indizierte bildgebende Verfahren nach einer Schulterluxation dar, sondern nach wie vor die Röntgenaufnahme der Schulter in 2 Ebenen. Knöcherne Bankart-Läsionen sind im anschließenden Diagnoseverfahren besser mit der CT als der MRT darstellbar. Ein MRT kann jedoch in weiterer Folge hilfreich sein. Allerdings werden nur dann die Optionen der heute möglichen Untersuchungstechniken einschließlich der direkten und indirekten MR-Arthrographie ausgeschöpft, wenn eine konkrete Fragestellung an die Anforderung an den Radiologen geknüpft ist. Bedeutsam wird dies v. a. nach einer Schulterluxation des über 40-jährigen Patienten, bei welchem mit einer Inzidenz einer Rotatorenmanschettenläsion von 50–60% zu rechnen ist. In jedem Fall verfügen wir heute über ausreichend klinische und bildgebende Untersuchungstechniken, sodass für eine rein diagnostische Arthroskopie des Glenohumeralgelenks kein Raum mehr verbleibt.

Die arthroskopische Rekonstruktionstechnik einer Rotatorenmanschettenläsion hat mittlerweile Ergebnisse vorzuweisen, die durchaus mit den Resultaten nach offener Rekonstruktion vergleichbar sind. Verbleiben intraoperativ Zweifel an der Qualität der arthroskopischen Rotatorenmanschettennaht, ist ein Umstieg, z. B. auf einen Mini-open-Zugang, möglich. Auch bei Verletzungen des Kapsel-Labrum-Komplexes beim jungen Patienten ist heutzutage eher das arthroskopische Vorgehen indiziert. Ausnahmen bilden größere knöcherne Bankart-Läsionen.

Probleme bereiten in der Begutachtung nach wie vor die Läsionen der Rotatorenmanschette, bei welchen in 55–100% ein Trauma in der Anamnese angeschuldigt wird. Hier hat es sich bewährt, zunächst den Geschehensablauf vor einer weiteren Detailprüfung zu analysieren; ein für eine Ruptur der Rotatorenmanschette ungeeigneter Geschehensablauf ist ein Ausschlusskriterium für eine traumatische Genese.

FormalPara Außenseitermethoden

Bei der Diskussion ließ insbesondere die Osteopathie, die im deutschen Gesundheitswesen nicht definiert ist und sich gleichermaßen als Kombination aus Kunst, Philosophie und Wissenschaft präsentiert, deutliche Anklänge an eingeführte Methoden der unfallchirurgischen Rehabilitation erkennen, sodass es durchaus denkbar erscheint, weitere Verfahren der Osteopathie in die „Schulmedizin“ zu integrieren.

Dies gilt nicht für das 2. sehr kontrovers diskutierte Verfahren der pulsierenden Signaltherapie (PST). Hier fehlt bislang die Evidenz des tatsächlichen Nutzens, und es bedarf aufwändiger valider Studien, bevor ein endgültiges Urteil über einen potenziellen Vorteil dieser Methode für den Unfallverletzten ableitbar wird.

FormalPara Rolle des beratenden Arztes

Sowohl der nebenamtlich als auch der hauptamtlich tätige beratende Arzt moderiert und moduliert das berufsgenossenschaftliche Heilverfahren. Ein wesentlicher Fokus liegt auf der Prüfung der Effizienz der jeweils eingeschlagenen Therapie, auch unter dem Aspekt der Kostenersparnis. Auch der MDK anerkennt die Rolle des beratenden Arztes, insbesondere bei der korrekten Zuordnung der jeweiligen Behandlung zum Kostenträger.

FormalPara Traumaversorgung der Zukunft

Unter dem Motto „Trauma 2010“ erfuhren wir, dass seitens der Senatsverwaltung bei der Krankenhausplanung in Berlin eine schrittweise und behutsame Zentrumsbildung unter maximaler Transparenz und Einbeziehung der öffentlichen Diskussion erfolgen soll; Ziel ist u. a. auch eine adäquate Zertifizierung. Vivantes plant eine traumatologische Maximalversorgung an 2 Standorten im Sinne der Bildung von Kompetenzzentren. Weitere Aspekte bilden die Vernetzung der Kliniken mit den Rettungsstellen der Feuerwehr sowie der Ausbau der geriatrischen Traumatologie. Auch seitens der BG-Kliniken sind die Vernetzung mit geeigneten Leistungserbringern, die Ausweitung des ambulanten Behandlungsangebots, die Bildung von Einkaufskooperationen und unter dem Stichwort BG-Netzwerk die integrierte Versorgung wichtige Eckpunkte der zukünftigen Entwicklung.

FormalPara ATLS und Laienreanimation

Unter diesem Themenblock erfuhren wir, dass das ATLS-Kurssystem keinen bloßen Algorithmus für das Schockraummanagement darstellt, sondern unter dem Aspekt einer Minimierung des Sekundärschadens des Verletzten die Instrumente für das schnelle Erkennen bedrohlicher Verletzungen und das Setzen der erforderlichen Prioritäten ohne zusätzlichen Schaden und Zeitverlust liefert. Vermittelt werden Wissen, Fertigkeiten, Methoden des Managements und der Evaluation. Unter dem Einfluss von ATLS kann die Mortalität des Schwerverletzten nachweislich gesenkt werden.

Laut einer Umfrage des ADAC fühlen sich nur 21% der Laien fit in der Ersten Hilfe. Wenngleich sich 70% der Herzstillstände im häuslichen Umfeld ereignen und somit die Laienreanimation im „öffentlichen Raum“ kein Allheilmittel darstellen kann, bietet das Thema die Möglichkeit der allgemeinen Bewusstwerdung über die entscheidende Bedeutung von Basiswiederbelebungsmaßnahmen für den Betroffenen im therapiearmen Intervall.

FormalPara Posttraumatische Deformitäten

Bei deren Analyse, insbesondere an den unteren Extremitäten, ist eine akribische klinische Untersuchung des Patienten sowohl im Liegen als auch im Stehen und in Funktion unverzichtbar. Deformitäten finden sich selten als eindimensionale Veränderung.

Die Technik einer korrekten Röntgenganzbeinanalyse sollte hinsichtlich der Aufnahmetechnik am besten durch den Operateur selbst verifiziert und optimiert werden. Neben den weiteren bildgebenden Verfahren steht uns heute als schonende und präzise Technik die 2,5D-Sonographie zur Verfügung, die auch intraoperativ angewandt werden kann. Die Themen der Zukunft sind die 3D-Simulation operativer Korrekturmaßnahmen und die direkte Anbindung der intraoperativen Navigation.

Die Korrekturziele liegen bei korrekten Extremitätenachsen, -längen und Gelenkwinkeln, einer harmonischen Knorpelbelastung, einer guten Funktion und adäquaten Kosmetik. Insbesondere bei Korrekturen am wachsenden Skelett bedarf es zusätzlicher Kenntnisse. Dies ist umso mehr von Bedeutung, als an den oberen Extremitäten 90% der Wachstumsstörungen iatrogene Komponenten beinhalten, während an den unteren Extremitäten 70% als schicksalhaft zu charakterisieren sind. Das jeweilige Alter des verletzten Kindes bestimmt die Dynamik der spezifischen Deformität, wobei stimulierende und hemmende Wachstumsstörungen nicht sicher vorhersagbar sind.

Im Zweifelsfall sind regelmäßige Kontrollen für die Evaluation wertvoll.

FormalPara Aktuelles

Die Reduzierung der Zahl der Unfallversicherungsträger ist ebenso wie der Erhalt des bisherigen Aufgabenfelds eine Tatsache.

(Politische) Forderungen nach Leistungsbeschränkungen wie Einschränkungen der Selbstverwaltung, Herausnahme der Wegeunfälle aus dem Leistungskatalog, Beschränkung der Rehabilitationsleistungen sowie Art und Höhe der Entschädigung und die Beschränkung der Prävention greifen zu kurz oder sind im Licht der aktuellen Leistungsfähigkeit der BG fragwürdig bzw. Stoff der (gesellschafts-)politischen Diskussion.

FormalPara Brennpunkte der Hand- und Mikrochirurgie

Im letzten großen Themenblock am Samstagvormittag hörten wir zunächst, dass in Kenntnis des Komplikationspotenzials eine endoskopische Operation beim Karpaltunnelsyndrom nach wie vor „erlaubt“ ist, das endoskopische Vorgehen aber teurer und komplikationsbehafteter ist als das offene. Entscheidend ist auch hierbei die Beachtung der zahlreichen Kontraindikationen der endoskopischen Technik.

Bei der Behandlung des „Morbus Sudeck“ [heute besser, da international verbindlich definiert, „c(hronic) r(egional) p(ain) s(yndrome) I“] sind frühzeitige Schmerzausschaltung und aktive Bewegungstherapie/physikalische Medizin, Ergotherapie (Wertigkeit der BGSW) nach wie vor entscheidend. Operative Maßnahmen sind nicht grundlegend kontraindiziert, sondern spielen eine Rolle bei der Therapie einer konservativ nicht beherrschbaren Nervenkompression und Maßnahmen der Arthro- und Tenolyse nach Ausheilung des Akutstadiums.

Fingerkuppendefekte sind nicht Bagatellverletzungen. Ihre Klassifikation erfolgt nach Rosenthal I–III. Die stadiengerechte Therapie umfasst einfache klassische Standardtechniken bis hin zum freien mikrochirurgischen Gewebetransfer.

Die Handrekonstruktion beim Tetraplegiker ist ein komplexes Thema, das aufgrund der geringen Inzidenz auf wenige Zentren beschränkt bleiben sollte. Es bedarf eines individualisierten Vorgehens seitens Operationsplanung, Rekonstruktion und Nachbehandlung in der postoperativen Umgewöhnungsphase.

Abschließend wurde uns ein sehr elegantes Verfahren der endoskopischen Therapie des Sulcus-ulnaris-Syndroms präsentiert. Entsprechend der Besonderheit der Endoskopie nicht präformierter Räume beschränken sich die Erfahrungen auf wenige Anwender, die mittels kleiner Inzisionen langstreckige vollständige Dekompressionen demonstrieren können.

FormalPara Abschluss

Mein besonderer Dank gilt zum Schluss allen Mitarbeitern, die zum Gelingen dieser Tagung in der Vorbereitung und vor Ort beigetragen haben. Eine unfallfreie Heimkehr, ein schönes Wochenende und ein gemeinsames Wiedersehen auf unserer nächsten unfallmedizinischen Tagung in Berlin 2007 wünschen Ihnen Axel Ekkernkamp und ich als die wissenschaftlichen Leiter dieser Veranstaltung sowie das gesamte Team des Landesverbands Nordostdeutschland der gewerblichen Berufsgenossenschaften.