Das 6. Hauptthema „Reha-Management“ wurde eingeleitet von den Vorsitzenden Herrn Leuftink aus Heidelberg und Herrn PD Dr. Winkler aus Kaiserlautern. Sie wiesen darauf hin, dass die Rehabilitationsbehandlung eine gemeinsame Aufgabe der Verwaltung und der behandelnden Ärzten sei und dass ein intensiver Informationsaustausch gewünscht ist. Die Berufsgenossenschaften haben einen hohen gesetzlichen Auftrag, die Wiederherstellung des Unfallverletzten mit allen geeigneten Mitteln zu erreichen. Dieser Auftrag steht entgegen der fallbezogenen Bezahlung nach dem DRG-System. Da die Mittel für die stationäre und ambulante Behandlung weiter steigen, die Bezahlung dieser Maßnahmen jedoch limitiert ist, sollen in der heutigen Sitzung Lösungsansätze gefunden werden, um dem Rehabilitationsauftrag weiterhin gerecht zu werden.

FormalPara Physiotherapie nach Verletzung – Kostennutzenabwägung – wie lange soll Physiotherapie verordnet werden?

Von Herrn Belzl wurden die Unterschiede zwischen der gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Unfallversicherung herausgearbeitet. Während bei Ersterer die Maßgabe besteht, wirksam und wirtschaftlich zu handeln, und die Physiotherapie insbesondere zweckmäßig und für das Notwendige ausreichend sein soll, ist die Zielsetzung in der gesetzlichen Unfallversicherung vollkommen anders. Hier arbeitet die Physiotherapie mit der Vorgabe, dass der Verletzte rasch wieder arbeitsfähig wird und nicht berentet werden muss. Als Hilfsmittel stehen die bekannten Maßnahmen Physiotherapie, EAP und BGSW zur Verfügung. Wie lange Physiotherapie verordnet werden soll, steht in sehr engem Zusammenhang mit einer Kosten-Nutzen-Abwägung. Wichtig ist, laut Herrn Belzl, die Kommunikation zwischen Arzt und Physiotherapeut, da nur gemeinsam entschieden werden kann, was durch physiotherapeutische Behandlungsmaßnahmen erreicht werden kann. Diese ist so lange sinnvoll, so lange erkennbare und messbare Veränderungen nachzuweisen sind.

Herr Dr. Haack nahm zum gleichen Thema von ärztlicher Seite aus Stellung. Er stimmte Herrn Belzl insoweit zu, dass die Kommunikation zwischen Arzt und Physiotherapeut sehr wichtig ist, um messen zu können, wie lange Physiotherapie sinnvoll ist. Er zeigte die Unterschiede der Verordnungsmöglichkeiten der gesetzlichen Unfallversicherung im Vergleich zur gesetzlichen Krankenversicherung auf und beschrieb die sehr engen Verordnungsrichtlinien im Bereich Letzterer. Durch die sehr strikte Fallzahlbegrenzung wird die ärztliche Entscheidung maßgeblich eingeschränkt. Bei der gesetzlichen Krankenversicherung stehen Verwaltungsrichtlinien im Vordergrund, sodass die Physiotherapie nicht optimal angewendet werden kann.

FormalPara Steuerung des berufsgenossenschaftlichen Heilverfahrens

Über diesen 2. Themenkomplex berichteten Herr Ritter als Vertreter einer berufsgenossenschaftlichen Verwaltung und Herr Dr. Schmickal als Vertreter einer BG-Unfallklinik. Die Referenten nahmen zu der Frage Stellung, wie sich Qualität und Ökonomie zum Nutzen aller Beteiligten auswirken können. Sowohl von Verwaltungsseite als auch von ärztlicher Seite wurde ein neues Projekt vorgestellt, welches das Ziel hat, das Rehabilitationsmanagement der berufsgenossenschaftlichen Verwaltung effektiv zu gestalten und trotzdem die Heilverläufe zu verbessern und die Kosten zu reduzieren.

Für Herrn Ritter ist die Qualität des Rehabilitationsmanagements bei gleichzeitiger Berücksichtigung der Ökonomie kein Gegensatz. Ausgangslage für das neue Rehabilitationskonzept war die Kenntnis, dass der Sachbearbeiter und Verwalter kein medizinisches Fachwissen hat, aber dennoch einen medizinischen Befund und die vorliegende Situation beurteilen muss. Die bisherige Funktion des beratenden Arztes der Berufsgenossenschaft beinhaltete die Unterstützung des Mitarbeiters der Verwaltung und die Bewertung des Rehabilitationsmanagements nach Aktenlage. In dem neuen Konzept erfolgt eine intensive Beratung der Sachbearbeiter durch einen beratenden Arzt, der klinisch als D-Arzt tätig ist und zusätzlich Zugriff auf den medizinischen Bereich einer Unfallchirurgischen Klinik hat.

Diese enge Verzahnung zwischen Arzt und Sachbearbeiter sollte eine deutlich bessere problemorientierte und kostenbewusste Behandlung ermöglichen. Eine entsprechende Analyse von etwa 900 Fällen einer Bezirksverwaltung zeigte erfreulicherweise, dass auch vor Einführung des neuen Rehabilitationskonzepts die Diagnosesicherheit bei 90% und die durchgeführte Therapieform bei 90% aller Behandlungen regelrecht waren, dass aber bei 5% zu wenig therapeutische Maßnahmen angewandt wurden. Herr Dr. Schmickal konnte aufzeigen, dass durch das Herausfiltern der betreffenden Patienten sowie die Änderung und Intensivierung des Heilverfahrens die Behandlungsdauer und damit auch die Kosten gesenkt werden konnten. Insbesondere bei Problemdiagnosen oder bei schwierigen Fällen hat sich das vorliegende Konzept zur Steuerung des Heilverfahrens bewährt.

Nach den Vorträgen entwickelt sich eine lebhafte Diskussion zwischen dem Auditorium, den Vortragenden und den Vorsitzenden. Insbesondere von den niedergelassen D-Ärzten wurden Einschränkungen und Regulationen befürchtet. Von Herrn Leuftink wurde klargestellt, dass sich die Kommunikation zwischen D-Ärzten und Sachbearbeitern verbessern muss und dass keine vermehrten Reglementierungen geplant sind.

FormalPara Kompetenzzentrum Rehabilitationsabklärung

Im nächsten Themenkomplex berichteten Herr Dr. Kaiser, Holz-BG, und Herr Dr. Vogt, BG-Unfallklinik Tübingen, über ein weiteres Konzept zur Rehabilitationsabklärung, welches derzeit an der BG-Unfallklinik in Tübingen angewandt wird.

Auch Herr Dr. Kaiser zeigte, ähnlich wie Herr Ritter, die jetzige Situation der Grundstrukturen der Rehabilitationsabklärung auf, insbesondere an Beispielen und Fragen, die hinsichtlich der Verwaltungsseite immer wieder bestehen. Diese betreffen insbesondere bei Problemfällen die Wiederaufnahmefähigkeit der Arbeit bzw. Fragen nach der beruflichen Neuorientierung und über den zeitlichen Krankheitsverlauf.

Herr Dr. Vogt stellte von ärztlicher Seite das neue Kompetenzzentrum Rehabilitationsabklärung vor. Die Indikation für eine solche spezielle Abklärung bestehe z. B. beim Überschreiten der normalen Arbeitsunfähigkeitszeiten oder wenn ein organisches Korrelat für die geklagte Beschwerdesymptomatik fehlt. Die Rehabilitationsabklärung in solch speziellen Fällen wird stationär über einen Zeitraum von 3 Tagen in der BG-Unfallklinik durchgeführt. Dabei erfolgen umfassende Untersuchungen auf unfallchirurgischem Fachgebiet, auf psychologischem Fachgebiet sowie durch einen Physiotherapeuten und bei Bedarf durch einen Neurologen oder Sportlehrer. Die verschiedenen Fachrichtungen führen eine umfassende Bedarfsanamnese hinsichtlich der klinischen Verletzungsfolgen, der klinischen Prognose, der Motivation des Patienten sowie des physiotherapeutischen Ausgangszustands durch. Auch evtl. ausstehende Untersuchungen können in der BG-Unfallklinik noch durchgeführt werden. In einer gemeinsamen Besprechung der Beteiligten werden ein umfassender Bericht hinsichtlich der benötigten weiteren medizinischen und Rehabilitationsmaßnahmen sowie eine Einschätzung der weiteren Prognose als Grundlage für den Sachbearbeiter erstellt. Herr Dr. Vogt berichtete, dass die Akzeptanz der BG-lichen Heilbehandlung insgesamt sehr hoch sei, dass auch die Versicherten diese kompetente Abklärung schätzen und akzeptieren und dass in einer Großzahl der Fälle ein rascher Abschluss des Heilverfahrens und die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit erreicht werden konnten.

FormalPara Elektronische Dokumentation

Im letzten Beitrag berichtete Herr Dr. Czermak von der BG-Unfallklinik Ludwigshafen über ein neues elektronisches Dokumentationsmodul am Beispiel für Handverletzungen. Er zeigte die jetzt bestehenden Schwierigkeiten mit Computermodulen auf. Die Akzeptanz derselben hängt von der Bedienerfreundlichkeit ab, die bisweilen nicht besteht. Herr Dr. Czermak führte ein neues grafisches Dokumentationssystem vor, welches hierarchisch aufgebaut ist und über 160.000 Segmente aus der medizinischen Behandlung und der Anatomie enthält. Der Bediener kann einfache anatomische Regionen mit der Maus anklicken und Verletzungen von anatomischen Strukturen bezeichnen und abspeichern. Herr Dr. Czermak führte aus, dass die Vorteile eines solchen Systems in der Transparenz von Behandlungsmaßnahmen und in der sehr guten Leistungserfassung zu sehen sind. Auch sei es ein sehr gutes Instrument für die Qualitätskontrolle.

Herr Dr. Czermak hat für die Ausarbeitung dieses Moduls Trauma II den HVBG-Forschungspreis erhalten.

FormalPara Resümee

In einer abschließenden Diskussion wurde insbesondere das Thema 6.3, „Kompetenzzentrum Rehabilitationsabklärung“ kurz diskutiert. Allgemein wurde vom Auditorium die Einführung einer solchen Abklärung begrüßt. Die Referenten riefen zur Inanspruchnahme derselben auf.

Als Berichterstatter lässt sich zusammenfassend feststellen, dass die Wichtigkeit von physiotherapeutischen Maßnahmen sowohl von den Vortragenden als auch vom Auditorium in einem hohen Maß richtig eingeschätzt wird. Das unendliche Verordnen von physiotherapeutischen Maßnahmen ist jedoch nicht sinnvoll. Hier sind wir Ärzte gefragt, Instrumente zu entwickeln, um die Effizienz von physiotherapeutischen Maßnahmen messen und deren Verordnung evtl. auch begrenzen zu können.

Sehr erfreulich sind die neuen Rehabilitationskonzepte aus den BG-Unfallkliniken Ludwigshafen und Tübingen in Zusammenarbeit und Abstimmung mit den berufsgenossenschaftlichen Verwaltungen. Beide Projekte zielen darauf ab, die Rehabilitationsbehandlung straffer und damit sehr viel effizienter durchführen zu können. Nicht zuletzt hat natürlich auch der zunehmende Kostendruck zu solchen Reformen geführt.

Sowohl für die betroffenen Unfallverletzten als auch für die tätigen D-Ärzte ist zu hoffen, dass durch diese Projekte nicht nur die Rehabilitationsbehandlung effizienter, sondern auch die Abklärung von schwierigeren Problemsituationen für den niedergelassenen D-Arzt einfacher werden („second opinion“).

Erfreulich waren die vielen Diskussionsbeiträge des Auditoriums, hierdurch wird auch belegt, wie wichtig das Management und die Effizienz der Rehabilitationsbehandlung insbesondere für die niedergelassenen D-Ärzte sind.