In der Sitzung „aktuelle Themen“ der diesjährigen Unfallmedizinischen Tagung befasste sich Herr Dr. Zimmermann aus Ludwigshafen mit der Anwendung von Wachstumsfaktoren (BMP) in der Frakturheilung, Herr Dr. Schewe aus Tübingen berichtete über den aktuellen Stand der Behandlung von Gelenkknorpelschäden und Herr Dr. Simon aus Ludwigshafen zeichnete das Indikationsspektrum der Magnetresonaztomographie in der Unfallchirurgie auf. An dieser Stelle sei auch auf die entsprechenden Artikel in diesem Heft verwiesen.

FormalPara Wachstumsfaktoren in der Frakturheilung

Im ersten Referat wurde von Herrn Dr. Zimmermann die Wirkung von BMP auf die Frakturheilung systematisch dargestellt. In großen Studien konnte gezeigt werden, dass es bei der Behandlung von Unterschenkelfrakturen mit unaufgebohrter Marknagelung in etwa 16,7% zu einer verzögerten Frakturheilung oder gar Pseudarthrose kommt. In einer großen nordamerikanischen Multicenterstudie wurde nachgewiesen, dass die Krankenhauskosten bei einer verzögerten Frakturheilung bei etwa 11.000 US$, die volkswirtschaftlichen Kosten aber bei 81.000 US$ liegen. Die Behandlungskosten eines Patienten mit BMP betragen etwa 4200 EUR und werden derzeit von den Kostenträgern nur in Ausnahmefällen erstattet. In einer eigenen Studie mit 26 Patienten, von denen 24 definitiv ausgeheilt waren, kam es 2-mal trotz Einsatz von BMP zu keiner knöchernen Konsolidierung. Alle Patienten wiesen eine Pseudarthrose und mindestens eine vorausgegangene konventionelle Intervention z. B. mit Spongiosaplastik auf. Im Vergleich von BMP mit der konventionellen Spongiosaanlagerung lagen die Ausheilungsraten beim Einsatz von BMP bei knapp 90%, bei der konventionellen Spongiosaplastik zwischen 60 und 70%.

In der Diskussion tauchte die Frage auf, ob zur Förderung der Knochenheilung die Anwendung eines einzelnen dieser Faktoren ausreicht. Herr Dr. Zimmermann wies hier auf die umfangreichen Grundlagenarbeiten hin. Das Hormon BMP7 löst einen Prozess in der Kaskade des Knochenwachstums aus. Es führt zu einer Stimulation der Osteoblasten. Nach den Ausführungen von Herr Dr. Zimmermann wurde die Frage gestellt, ob BMP7 heute bei jeder verzögerten Frakturheilung eingesetzt werden sollte. Nach der Studienlage, so Herr Dr. Zimmermann, müsste man diese Vorgehensweise eigentlich befürworten. Demgegenüber stehen jedoch die hohen Kosten, die im fallpauschalenbasierten Entgeltsystem nicht abgebildet sind. Heute erfolgt die Indikation in der BG-Unfallklinik Ludwigshafen zur Anwendung von BMP nach mindestens einer durchgeführten konventionellen Maßnahme zur Knochenbruchheilung, in der Regel nach einer erfolglosen Spongiosaplastik. Herr Prof. Dr. Kinzl wies in der Diskussion noch einmal auf die große Bedeutung des Weichteilschadens und der Vaskularität für die Knochenbruchheilung hin und sah ein sinnvolles Anwendungsgebiet für den Einsatz von Wachstumsfaktoren in der Behandlung von Frakturen mit Weichteilschaden. Er ist der Überzeugung, dass in ausgewählten Fällen deren frühzeitiger Einsatz unter sozioökonomischen Gesichtspunkten wahrscheinlich sehr viel billiger ist. Die Entwicklung könnte sogar dahin gehen, Implantate primär mit Wachstumsfaktoren zu beschichten, um die Gesamtbehandlungsdauer zu verkürzen.

FormalPara Behandlung von Gelenkknorpelschäden

Herr Dr. Schewe aus Tübingen gab in seinem Referat eine umfassende Übersicht über biologische Knorpelrekonstruktionsverfahren. Er wies darauf hin, dass im Jahr 2000 die geschätzten Kosten im Gesundheitswesen zur Behandlung von Knorpelschäden bei etwa 130 Mio. EUR lagen und somit etwa 10% der Gesamtgesundheitskosten ausmachten. Im Vergleich der verschiedenen Verfahren, autologe Knorpelzelltransplantation, Mikrofrakturierung und Mosaikplastik, kam er zu dem Ergebnis, dass nach der Studienlage ACT und OCT ähnliche Langzeitergebnisse zeigen und die Mikrofrakturierung tendenziell schlechtere Ergebnisse aufweist. Er führte die neuen Techniken der autologen Knorpelzelltransplantation mit einer biphasischen 3D-Matrix als Träger der Zellen aus (s. Beitrag im gleichen Heft). Für die Zukunft sah er den zusätzlichen Einsatz von Wachstumshormonen oder auch Stammzellen als Erfolg versprechende Ansätze.

In der Diskussion wies Herr Prof. Dr. Kinzl auf das Problem der Wiederherstellung der physiologischen Textur der Knorpeloberfläche hin. Bei der matrixbasierten autologen Knorpelzelltansplantationen synthetisiert die Zelle vor Ort einen hyalinartigen Knorpel, eine 1:1-Neubildung der Knorpeltextur gelingt bisher nicht. In den bisherigen Untersuchungen konnte jedoch gezeigt werden, dass sich gerade durch die neueren Technologien der neu gebildete Knorpel den physiologischen Knorpelverhältnissen immer besser annähert. Entscheidend für den Erfolg einer autologen Knorpeltransplantation scheint auch die biologische Potenz im Transplantatlager zu sein. Hingewiesen wurde auf eine Altersgrenze für den sinnvollen Einsatz einer Knorpeltransplantation, die zwischen 50 und 60 Jahren liegt. Möglicherweise wird durch den Einsatz autologer Stammzellen eine weitere Verbesserung der Technologie möglich sein.

Ausführlich wurden die hohen Kosten des Verfahrens diskutiert. Es ist derzeit noch aufwändig und kann sicherlich nicht flächendeckend eingesetzt werden. Die generellen Gesundheitskosten für die Arthrosetherapie rechtfertigen jedoch intensive Forschungsaktivitäten. Letztendlich kann eine erfolgreiche ACT Folgebehandlungskosten in gewaltigem Umfang einsparen. Die Indikation zur ACT sollte heute immer noch streng gestellt werden, es ist mit jedem einzelnen Patienten ausführlich zu diskutierten. Umfangreiche Studien sind erforderlich. Demgegenüber steht der hohe kommerzielle Druck, denn verschiedene Firmen konkurrieren mit unterschiedlichen Trägersubstanzen, ohne dass bislang eindeutige Vorteile einzelner Verfahren zu sehen sind. Im Resümee handelt es sich bei den matrixbasierten ACT um ein sehr viel versprechendes, wenn auch heute noch teures Verfahren, dessen Entwicklung noch lange nicht beendet ist.

FormalPara Magnetresonaztomographie in der Unfallchirurgie

In seinem Referat zur MRT-Diagnostik arbeitete Herr Dr. Simon die Indikationen und Kontraindikationen zum Einsatz der Magnetresonanztomographie in der Unfallchirurgie heraus. Sie kann auf keinen Fall eine sorgfältige klinische Diagnostik ersetzen. Ihr Stellenwert ist jedoch für bestimmte Fragestellungen als äußerst hoch anzusehen. In der Diagnostik entzündlicher Veränderungen ist die MRT-Untersuchung herausragend und hat heute die konventionelle Szintigraphie weitgehend ersetzt.

In der Diskussion wurde auf die Bedeutung eines Knochenmarködems hingewiesen. Durch die MRT-Diagnostik werden heute Diagnosen gestellt, die der konventionellen Diagnostik entgangen wären. Dies hat auch erhebliche gutachterliche Relevanz. Wichtig ist auch hier der Kontext zum klinischen Befund. Letztendlich ist jedoch die MRT aus dem diagnostischen Repertoire nicht mehr weg zu denken. Die häufigste Indikation in der Unfallchirurgie ist die Beurteilung des Kniebinnenschadens. Gerade in der frischen Phase bei klinisch schwer beurteilbaren Fällen kann durch den rechtzeitigen Einsatz einer MRT die Diagnose frühzeitig erfolgen.

FormalPara Resümee

Den 3 vorgestellten, aktuellen Themen war die Kostendiskussion gemeinsam. Letztendlich sind diese Innovationen aus dem diagnostischen und therapeutischen Spektrum schon heute nicht mehr wegzudenken.