Herr Schaller zeigte die Standards für die Versorgung von Nervenverletzungen auf. Schwerpunkt wurde hierbei auf die Versorgung unter mikrochirurgischen Bedingungen mit adäquatem Nahtmaterial, in der Regel 9/0- oder 10/0-Fäden, gelegt. Besonders hervorgehoben wurde die Notwendigkeit einer spannungsfreien Naht, da Versorgungen, die unter Spannung erfolgen, d. h. Nähte, die nur beispielsweise unter maximaler Flexion des Handgelenks möglich sind, von vorneherein zu schlechten Resultaten führen. Hier sollte im Zweifelsfall immer ein Nerveninterponat gewählt werden, da durch die Forschungsarbeiten von Millesi eindeutig belegt ist, dass durch die Verwendung von Nerventransplantaten eine regelhafte Regeneration möglich ist.

Bei verzögerter Versorgung ist die Rekonstruktion bei motorischen Anteilen bis zum Ablauf von 6 Monaten und bei sensiblen Anteilen bis zum Ablauf von 12 Monaten sinnvoll, danach ist mit keiner relevanten Nervenregeneration mehr zu rechnen. Besonders hervorgehoben wurde die Rekonstruktion nach Verletzungen des Plexus brachialis, hier wurden beeindruckende Resultate durch Suralisinterponate und Neurotisation mit dem N. accessorius und mit den Interkostalnerven präsentiert.

Herr Germann berichtete über die sensiblen und motorischen Ersatzoperationen. Besonders bei der wichtigen sensiblen Funktion des Daumens kann durch den neurovaskulären Lappen nach Foucher von der dorsolateralen Zeigefingerstreckseite sowohl eine sehr gute Defektdeckung als auch eine Wiederherstellung der Sensibilität erzielt werden. Dieses Verfahren ist hinsichtlich Aufwand und Effektivität den bisherigen Verfahren, wie Transposition eines neurovaskulären Insellappens vom Mittel- oder Ringfinger oder dem Pulpalappen von der großen Zehe, überlegen.

Bei den motorischen Ersatzplastiken wurde die Bedeutung der Opponens-Plastik nach Medianusverletzungen und der frühzeitigen Durchführung der motorischen Ersatzplastik nach Verletzungen des N. radialis hervorgehoben. Es wurde betont, dass gerade nach Letzteren die Wahrscheinlichkeit der Regeneration mit zunehmendem Lebensalter absinkt und dass durch eine frühzeitige motorische Ersatzplastik der Patient rasch wieder reintegriert werden kann.

Diskussion

Nach Plexusausrissen ist die Frage der Beantwortung eines Wurzelausrisses oder einer weiter peripher gelegenen Unterbrechung für die Therapieplanung entscheidend. Trotz Verbesserung der bildgebenden Verfahren mit Myelo-CT und MRT bieten diese noch keine letzte Sicherheit. Letztendlich muss nach dem intraoperativen Befund entschieden werden, wobei möglicherweise noch weitere Fortschritte zu erwarten sind, wenn in Zusammenarbeit mit dem Neurochirurgen und unter Durchführung einer Laminektomie bis zum direkten Abgang aus dem Halsmark präpariert werden kann. Eine frühzeitige Therapieplanung ist anzustreben.

Bezüglich der Verwendung kontralateraler Nervenwurzeln, wie beispielsweise der C7-Wurzel, begründete Herr Schaller seine Zurückhaltung mit der bisweilen nicht zu unterschätzenden Spendermorbidität.

Eine kontroverse Diskussion entzündete sich hinsichtlich des therapeutischen Vorgehens nach Radialisparese. Vom Auditorium wurde mehrfach die Frage gestellt, ob es bei verzögerter Versorgung Sinn macht, eine Rekonstruktion des N. radialis durch Suralisinterponat zu versuchen oder ob frühzeitig an eine motorische Ersatzplastik gedacht werden sollte. Herr Schaller setzte sich für eine Rekonstruktion ein, da nach seinen Aussagen eine doch erhebliche Wahrscheinlichkeit einer Nervenregeneration besteht.

Herr Germann argumentierte mit der langen Behandlungsdauer und der mit zunehmendem Alter geringen Wahrscheinlichkeit einer Regeneration nach Rekonstruktion des N. radialis. Er führte an, dass ein Verletzter nach frühzeitiger Durchführung einer Radialisersatzplastik innerhalb kurzer Zeit in den Arbeitsprozess reintegriert werden kann.

Fazit

Die möglichst frühzeitige Versorgung von Nervenverletzungen unter mikrochirurgischen Bedingungen mit adäquatem Nahtmaterial ist anzustreben. Sollte keine spannungsfreie Naht möglich sein, sollte die Naht nicht erzwungen werden, sondern ein Nerventransplantat eingesetzt werden.

Verletzungen des Plexus brachialis erfordern in der Rekonstruktion ein breites Spektrum. Neben der Verwendung von Nerventransplantaten bei peripherer Schädigung kommen unterschiedliche Spendernerven, wie Anteile des N. accessorius, Plexus cervicalis und Interkostalnerven bei Wurzelausrissen in Betracht. Frühzeitige Therapieplanung ist entscheidend.

Nach Verletzungen des N. radialis sollte das Therapieregime individuell festgelegt werden. Im jungen Lebensalter macht eine Rekonstruktion durch Nerventransplantation Sinn. Allerdings sollte in gleicher Sitzung die Rekonstruktion der Handgelenkstreckung durch Transposition des Pronator teres auf dem Extensor carpi radialis brevis durchgeführt werden, da hierdurch dem Verletzten die Radialisschiene erspart und durch vermehrten Einsatz der Hand die Nervenregeneration beschleunigt werden kann. Auch nach erfolgreicher Nervenregeneration entstehen bei dieser agonistischen Ersatzoperation keinerlei Probleme.

Im höheren Lebensalter sollte vorzugsweise eine motorische Ersatzplastik durchgeführt werden, um dem Verletzten eine lange Morbidität zu ersparen und eine frühzeitige Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess zu gewährleisten. Zur Festlegung des therapeutischen Vorgehens sollte daher nicht zugewartet, sondern der Verletzte rasch dem Spezialisten vorgestellt werden.