Patientinnen und Patienten mit Migräne sind häufig unterversorgt, sowohl mit akut als auch mit prophylaktisch wirkenden Medikamenten. Schon bei der Diagnosestellung gebe es große Defizite, erläuterte Prof. Dr. Dagny Holle-Lee, Oberärztin am Kopfschmerzzentrum der Universitätsklinik Essen. Bei einer Untersuchung in Kopfschmerzzentren wussten 72 % der Betroffenen nicht, dass sie unter einer Migräne leiden. Die Migräne, erklärte Holle-Lee, sei eine klinische Diagnose, die Bildgebung werde insgesamt zu häufig eingesetzt. Zudem sei die Migräne keinesfalls nur eine schambesetzte Frauenerkrankung.

Für die Akutbehandlung empfehlen sich Analgetika wie Ibuprofen und, wenn dies nicht ausreicht, ein Triptan, welches aber noch zu selten verordnet wird. Eine unzureichende Akuttherapie ist ein wesentlicher Risikofaktor für eine Verschlechterung. Wichtig ist auch die Migräneprophylaxe. Eine solche erhält jedoch momentan nur jeder zweite Betroffene, bei dem eine solche indiziert wäre. Dafür zugelassen sind Betablocker, Opipramol, Amitriptylin, Topiramat, Botulinumtoxin und monoklonale Antikörper, die sich gegen das Calcitonin Gene-related Peptide (CGRP) oder dessen Rezeptor richten. Bei CGRP handelt es sich um ein Neuropeptid, dem bei der Pathogenese des Migräneanfalls eine wichtige Bedeutung zukommt.

„Die CGRP-Inhibitoren haben die Migräneprophylaxe in revolutionärer Weise bereichert. Erstmals steht eine Therapieoption zur Verfügung, die gezielt in das pathophysiologische Geschehen bei der Migräne eingreift“, erklärte Holle-Lee.

Erenumab (Aimovig®) blockiert gezielt den CGRP-Rezeptor. Die Zulassung erfolgte auf Basis zweier placebokontrollierter Phase-III-Studien (ARISE sowie eine Phase-IIb-Studie bei chronischer Migräne), in denen sich Erenumab als wirksam und gut verträglich erwiesen hat [Tepper S et al. Lancet Neurol. 2017;16(6):425-34; Goadsby PJ et al. Neurology. 2020;95(5):e469-79].

In der HER-MES-Studie konnten mit Erenumab im Vergleich zu Topiramat bei signifikant mehr Patientinnen und Patienten (55 vs. 31 %) die monatlichen Migränetage um mindestens 50 % reduziert werden [Reuter U et al. Cephalalgia. 2022;42(2):108-18]. Gleichzeitig brachen viermal mehr Patienten die Therapie mit Topiramat wegen Nebenwirkungen ab. „Die Prophylaxe sollte so früh wie nötig, aber nicht zu spät erfolgen“, so das Fazit von Holle-Lee.

Digitales Pressegespräch „Die lange Reise der Patient:innen bei Migräne“, 23.10.2023; Veranstalter: Novartis