Die immersive virtuelle Realität (VR) ist eine nicht pharmakologische Option zur Modulation des Schmerzempfindens und kann zum Beispiel zur Einsparung von Analgetika genutzt werden. Eine Experimentalstudie untersuchte die Mechanismen, die zur Schmerzlinderung beitragen.

Durch das Anbieten immersiver VR-Inhalte könnte die Wahrnehmung und Verarbeitung von akuten Schmerzen verändert werden und möglicherweise bei Patienten in vorhersehbaren kurzfristigen Schmerzereignissen wie Verbandswechsel oder Zahnextraktion auf ein Schmerzmittel verzichtet werden.

Welche genauen Mechanismen der Schmerzmodulation durch die immersive VR zugrunde liegen, ist noch unklar. Forscher vermuten aber, dass das Anbieten einer immersiven VR mit entspannenden, genussvollen Inhalten zu einer erhöhten Toleranz gegenüber akuten Schmerzreizen im Vergleich zu einer nicht immersiven Kontroll-VR führt.

Einbezogen in die vorliegende Studie waren 49 gesunde Freiwillige, die sich in der Intensität ansteigenden Hitzereizen aussetzten. Primäres Studienziel der Cross-over-Studie waren Unterschiede bei der individuellen Hitzetoleranz während der Exposition gegenüber einem kommerziellen immersiv-interaktiven VR-Angebots, in dem die Probanden zum Beispiel in eine Unterwasserwelt eintauchten, sowie einem nicht immersiven 2D-Angebot als Kontrollablenkung.

Erhöhte Hitzetoleranz

Insgesamt ertrugen die Teilnehmer während der immersiven VR die Hitzereize besser als unter der 2D-Kontrolle, parallel dazu stiegen parasympathikotone Reaktionen, gemessen anhand eines EKGs. Bei der per strukturiertem Interview abgefragten subjektiven Wahrnehmung berichteten die Probanden über eine verbesserte Stimmung sowie weniger situationsgebundene Ängstlichkeit und schmerzassoziierte unangenehme Gefühle, was aber keinen Einfluss auf die Erhöhung der Schmerztoleranz hatte.

Eine zusätzlich ausgeführte Gedächtnisaufgabe, die den Einfluss von "einfacher", emotional weitgehend neutraler Ablenkung auf die Schmerzwahrnehmung und Verarbeitung messen sollte, ergab ebenfalls eine Erhöhung der Hitzetoleranzschwelle, hatte aber keinen Einfluss auf Stimmung oder physiologische Veränderungen.

Fazit: Unter einer immersiven VR steigt die Toleranz gegenüber einem Hitzereiz, begleitet von Verbesserungen der Stimmung und Abnahme der situationsgebundenen Angst sowie von einer Erhöhung der parasympathikotonen Aktivität. Damit empfiehlt sich die Methode als nicht pharmakologische Alternative zur Analgesie bei akuten Schmerzereignissen.

Colloca L et al. Virtual reality: physiological and behavioral mechanisms to increase individual pain tolerance limits. Pain. 2020;161:2010-21