Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wenn wir unser modernes medizinisches System betrachten, dann ist dieses vorwiegend darauf ausgerichtet, bereits aufgetretene, manifeste Funktionsstörungen und Krankheiten zu behandeln. Laufend werden neue, innovative und zum Teil sehr kostenintensive Heilmethoden entwickelt, welche dazu beitragen, Krankheiten zu lindern oder zu beseitigen, um dadurch die Lebenserwartung zu verlängern. Die Prävention spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Schon das Studium der Medizin legt den Schwerpunkt auf das Erkennen und Behandeln bereits aufgetretener gesundheitlicher Probleme. Es gibt spezialisierte Fachärzte für alle möglichen Bereiche, aber beispielsweise keine offiziellen Fachärzte für Präventivmedizin.

Ist Prävention etwa unbequem?

Allgemein anerkannte präventive Ansätze, wie etwa die Krebsvorsorge oder Herz-Kreislauf-Checks setzen meist viel zu spät an und unterstreichen den eher passiven Charakter des Patienten. Außerdem ist Prävention unbequem, weil sie die Einsicht und das Engagement des Einzelnen fordert und die nachhaltige Wirkung zum großen Teil abhängig von der Mitarbeit des Patienten ist. Beratende Ärzte können sich dabei keine Lorbeeren verdienen und müssen wohl eher damit rechnen, dass ausbleibende Erfolge ihnen angelastet werden. Wie viel einfacher und im Erfolg oft in kürzester Zeit nachweisbar ist es da, eine bereits manifeste Erkrankung mit häufig sehr teuren Therapien und Medikamenten zu kurieren?

Eigenschutz wird meist ignoriert

Wenn wir allein unsere derzeit wohl größte medizinische Herausforderung - COVID-19 - betrachten, dann fällt auf, dass in den panikschürenden Berichten fast sämtlicher Medien gerne die neuesten Zahlen zu dieser Erkrankung, Erkenntnisse über die Pathophysiologie und der Stand der Forschung zu kurativ wirksamen Heilmitteln einschließlich einer möglichen wirksamen Impfung im Mittelpunkt stehen.

Über mögliche Ansätze der Eigeninitiative zur allgemeinen Stärkung der Abwehr hört man wenig, und nachweislich wirksame Maßnahmen zum Eigenschutz werden von einer zunehmenden Anzahl von Menschen ignoriert und nicht mehr befolgt. Dabei gibt es unzählige wirksame Ansätze zur Stabilisierung der körpereigenen Abwehrmechanismen unter anderem aus dem Bereich der Phytotherapie, der Orthomolekularen Medizin und der Akupunktur.

Präventive Maßnahmen kommen zu kurz

Aber auch in der Schmerzmedizin liegt der Schwerpunkt leider viel zu häufig im kurativen Bereich. Überall werden zum Teil sehr teure Schmerzmedikamente beworben. Beispielsweise werden osteoporotisch bedingte Schmerzen unter anderem mit teuren monoklonalen Antikörpern oder mit Bisphosphonaten therapiert - letztere zum Leidwesen der Zahnärzte, denn Bisphosphonate können im Rahmen von Verletzungen und chirurgischen Eingriffen im Bereich des Kieferknochens zu schwer beherrschbaren Osteonekrosen führen.

Warum werden nicht frühzeitig und standardmäßig die 25-Hydroxy-Vitamin-D-Spiegel überprüft und rechtzeitig mit kombinierten Vitamin-D- und Vitamin-K2-Gaben vorgebeugt? Oder warum wird der Gewebeübersäuerung des Organismus so wenig Beachtung geschenkt und beispielsweise nicht häufiger und frühzeitig die Säure-Base-Titration nach Sander veranlasst? Warum finden umweltmedizinische Aspekte einschließlich Elektrosmogbelastungen keine stärkere Berücksichtigung? Weshalb werden mögliche Störherdbelastungen in Form von Narben, chronischen Entzündungen, toten Zähnen, Implantaten und Schadstoffen nicht standardmäßig bei allen chronischen Schmerzpatienten untersucht, etwa mit der RAC-kontrollierten Technik nach Nogier und Bahr?

Gesundheitsbewusstes Verhalten belohnen

Wünschenswert wäre in jedem Fall eine veränderte Schwerpunktsetzung unseres Medizinsystems. Dazu müsste bereits die Politik die Weichen entsprechend stellen, indem zum Beispiel der Prävention bereits in der medizinischen Ausbildung ein höherer Stellenwert eingeräumt wird und präventiv wirksame Beratungen und Behandlungen besser vergütet werden. Bereits in der vorschulischen Ära und in den Lehrplänen der schulischen Ausbildung könnten wichtige Elemente einer gesundheitsbewussten Lebens- und Ernährungsweise stärker Berücksichtigung finden. Außerdem könnte gesundheitsbewusstes und präventives Verhalten noch stärker belohnt werden, indem zum Beispiel entsprechende Beitragsnachlässe in der Krankenversicherung eingeführt würden.

Lobby versus Prävention?

Allerdings wird auch im Zusammenhang mit der Forderung nach lenkend wirksamen präventiven Maßnahmen der Lobbyismus nur allzu deutlich: würde zum Beispiel eine Zuckersteuer erhoben oder die Alkohol- beziehungsweise Tabaksteuer drastisch erhöht, würde das nicht nur viele Wählerstimmen kosten, sondern vermutlich auch die Steuereinnahmen durch entgangene Umsätze reduzieren.

Mit gutem Beispiel vorangehen

Anfangen kann jeder Einzelne aber bei sich selbst, indem er auf eine salutogenetische Lebensweise achtet und seine Patienten mit präventiv wirksamen Maßnahmen unterstützt. Gerade der Bereich der Naturheilverfahren bietet viele wirksame Ansätze für die Prävention. Die Deutsche Akademie für Ganzheitliche Schmerztherapie e. V. (DAGST) geht hier mit gutem Beispiel voran, indem sie unter anderem auch Weiterbildungen im Bereich verschiedener naturheilkundlicher Themen anbietet und empfiehlt, diese Maßnahmen in ein ganzheitlich-systemisches Diagnose- und Therapiekonzept zu integrieren.

Ihr

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Hardy Gaus